Schlaganfall und Schwerbehinderung: Grad der Behinderung (GdB) und Nachteilsausgleiche

Ein Schlaganfall kann erhebliche Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben. Je nach Schweregrad und betroffener Hirnregion können dauerhafte Beeinträchtigungen zurückbleiben. Diese Beeinträchtigungen können einen Grad der Behinderung (GdB) begründen und somit den Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis und verschiedene Nachteilsausgleiche ermöglichen.

Grad der Behinderung (GdB) nach einem Schlaganfall

Nach einem Schlaganfall kann ein Grad der Behinderung (GdB) beim zuständigen Versorgungsamt beantragt werden. Die Feststellung des GdB richtet sich nach dem Ausmaß der verbliebenen körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen. Da die Folgen eines Schlaganfalls sehr vielfältig sein können, gibt es keine pauschale Festlegung des GdB. Stattdessen wird individuell geprüft, welche Beeinträchtigungen vorliegen und wie stark diese den Alltag des Betroffenen beeinflussen.

Grundlagen der GdB-Feststellung

Die Grundlage für die Feststellung des GdB bildet das Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Das Versorgungsamt orientiert sich dabei an der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) und den darin enthaltenen Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG). Diese geben Anhaltspunkte für die Bewertung verschiedener Krankheiten und Beeinträchtigungen.

Bewertung der Beeinträchtigungen

Da der Schlaganfall selbst in der GdB-Tabelle nicht als eigenständige Erkrankung aufgeführt ist, werden die einzelnen Folgeschäden betrachtet und entsprechend bewertet. Häufig werden dabei die Tabellen für Hirnschäden und Lähmungen herangezogen.

Beispiele für die Bewertung von Hirnschäden:

  • GdB 0-10: Geringe Auswirkungen
  • GdB 20-40: Mittelgradige Auswirkungen, z.B. leichte kognitive Leistungsstörungen
  • GdB 50-70: Schwergradige Auswirkungen, z.B. deutliche Einschränkungen der Alltagskompetenzen
  • GdB 80-100: Sehr schwere Auswirkungen, z.B. ausgeprägte kognitive Defizite und Pflegebedürftigkeit

Treten mehrere Einschränkungen gleichzeitig auf, wird ein Gesamt-GdB ermittelt. Dabei werden die einzelnen Werte jedoch nicht einfach addiert, sondern es wird ein Gesamteindruck der Beeinträchtigungen gebildet.

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Voraussetzungen für einen Schwerbehindertenausweis

Ab einem GdB von 50 liegt eine Schwerbehinderung vor. Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis, der ihnen verschiedene Nachteilsausgleiche ermöglicht.

Schwerbehindertenausweis und Merkzeichen

Der Schwerbehindertenausweis dient als Nachweis der Schwerbehinderung und ermöglicht den Zugang zu verschiedenen Nachteilsausgleichen. Auf dem Ausweis können bestimmte Merkzeichen eingetragen sein, die auf spezifische Beeinträchtigungen hinweisen und weitere Vergünstigungen ermöglichen.

Mögliche Merkzeichen nach einem Schlaganfall

  • G (erhebliche Gehbehinderung): Erhebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit
  • aG (außergewöhnliche Gehbehinderung): Schwerste Beeinträchtigung der Gehfähigkeit, die der von Querschnittsgelähmten oder Doppeloberschenkelamputierten entspricht
  • B (Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson): Notwendigkeit einer ständigen Begleitung
  • H (Hilflosigkeit): Notwendigkeit einer umfassenden Betreuung und Unterstützung im Alltag

Nachteilsausgleiche für Schwerbehinderte

Schwerbehinderte Menschen profitieren von zahlreichen Unterstützungsleistungen und Vergünstigungen, die ihnen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erleichtern sollen.

Beispiele für Nachteilsausgleiche:

  • Kündigungsschutz: Besonderer Schutz vor Kündigung im Arbeitsverhältnis
  • Zusatzurlaub: Anspruch auf zusätzlichen bezahlten Urlaub
  • Steuerliche Vergünstigungen: Behinderten-Pauschbetrag, Fahrtkostenpauschale
  • Ermäßigung im öffentlichen Nahverkehr: Kostenlose oder vergünstigte Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel
  • Parkerleichterungen: Nutzung von Behindertenparkplätzen
  • Kraftfahrzeughilfe: Zuschuss zum Kauf oder Umbau eines behindertengerechten Fahrzeugs
  • Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht: Unter bestimmten Voraussetzungen

Antragstellung und Verfahren

Um einen GdB und einen Schwerbehindertenausweis zu erhalten, ist ein Antrag beim zuständigen Versorgungsamt erforderlich.

Zuständigkeit

Die Zuständigkeit für die Antragsbearbeitung liegt in der Regel bei den Versorgungsämtern. In einigen Bundesländern können auch andere Ämter zuständig sein, z.B. Ämter für soziale Angelegenheiten oder Ämter für Soziales und Versorgung. Es empfiehlt sich, sich bei der Kommune zu erkundigen, welche Behörde zuständig ist.

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Antragsstellung

Der Antrag kann formlos oder mit einem speziellen Antragsformular gestellt werden, das bei der zuständigen Behörde erhältlich ist. Es ist wichtig, alle Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten und alle relevanten Unterlagen beizufügen.

Benötigte Unterlagen

  • Ärztliche Gutachten
  • Befundberichte der behandelnden Ärzte
  • Berichte von Reha-Einrichtungen
  • Laborwerte
  • Röntgenbilder

Es ist ratsam, den Antrag gemeinsam mit dem behandelnden Arzt auszufüllen, um sicherzustellen, dass alle relevanten Informationen enthalten sind.

Feststellungsverfahren

Das Versorgungsamt prüft den Antrag und die eingereichten Unterlagen. Gegebenenfalls werden weitere ärztliche Unterlagen angefordert oder ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das Ergebnis der Prüfung wird dem Antragsteller schriftlich mitgeteilt.

Gültigkeit und Verlängerung des Schwerbehindertenausweises

Der Schwerbehindertenausweis wird in der Regel für einen Zeitraum von fünf Jahren ausgestellt. Vor Ablauf der Gültigkeit kann eine Verlängerung beantragt werden.

Aberkennung des Schwerbehindertenstatus

Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Schwerbehindertenstatus auch wieder aberkannt werden, z.B. wenn sich der Gesundheitszustand des Betroffenen wesentlich verbessert hat.

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Juristische Aspekte und Rechtsprechung

Die Feststellung des GdB und die Zuerkennung von Nachteilsausgleichen sind komplexe Verfahren, die häufig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten sind. Ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen (Az.: L 13 SB 155/12) verdeutlicht einige wichtige Aspekte.

Wesentliche Änderung der Verhältnisse

Das LSG betont, dass eine Herabsetzung des GdB oder die Entziehung von Merkzeichen nur dann zulässig ist, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse, die bei der ursprünglichen Feststellung vorgelegen haben, wesentlich geändert haben. Dabei kommt es nicht allein auf die Einschätzung von Gutachtern an, sondern auf tatsächliche Veränderungen im Gesundheitszustand des Betroffenen.

Beweislast

Die Beweislast für eine wesentliche Änderung der Verhältnisse liegt beim Versorgungsamt, das die Herabsetzung des GdB oder die Entziehung von Merkzeichen vornimmt.

Ermittlungspflicht des Versorgungsamtes

Das Versorgungsamt ist verpflichtet, den Sachverhalt umfassend zu ermitteln und alle relevanten Umstände zu berücksichtigen. Unterlässt das Amt dies, geht dies zu seinen Lasten, wenn die tatsächlichen Verhältnisse in der Vergangenheit nicht mehr aufgeklärt werden können.

Bedeutung von Gutachten

Gutachten spielen bei der Feststellung des GdB eine wichtige Rolle. Es ist jedoch entscheidend, dass die Gutachten nachvollziehbar und schlüssig sind. Wenn ein Gutachter beispielsweise pauschal einen GdB vorschlägt, ohne die einzelnen Beeinträchtigungen konkret zu bewerten, ist dies nicht ausreichend.

Merkzeichen "aG"

Das LSG stellt klar, dass das Merkzeichen "aG" nur dann zuerkannt werden kann, wenn die Gehfähigkeit des Betroffenen in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung genannten Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Betroffene funktional einem Doppeloberschenkelamputierten oder Querschnittsgelähmten gleichsteht, sondern ob er sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges wegen der Schwere seines Leidens entweder nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung fortbewegen kann.

Merkzeichen "T"

Das Merkzeichen "T" (Teilnahmeberechtigung am kommunalen Sonderfahrdienst) setzt in Berlin einen mobilitätsbedingten GdB von mindestens 80, Fähigkeitsstörungen beim Treppensteigen und das Merkzeichen "aG" voraus.

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