Jährlich erleiden in Deutschland rund 265.000 Menschen einen Schlaganfall. Bei etwa 30.000 dieser Patienten ist eine Verengung oder ein Verschluss der inneren Halsschlagader, die sogenannte Carotisstenose, die Ursache. Kalkablagerungen in der Carotis können aufbrechen, als Gerinnsel ins Gehirn verschleppt werden und so einen Schlaganfall auslösen. Die Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader bietet eine Möglichkeit, das individuelle Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, insbesondere für Schlaganfälle, abzuschätzen.
Was ist eine Carotis-Duplex-Sonographie (CDS)?
Die Carotis-Duplex-Sonographie (CDS) ist eine nicht-invasive und sichere Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader (Arteria carotis). Bei diesem ungefährlichen Verfahren müssen Ärzte und Ärztinnen nicht operativ in den Körper eindringen, um die gewünschten Erkenntnisse zu erlangen. Die Halsschlagader versorgt unter anderem das Gehirn mit Blut. Die Untersuchung dient der Diagnostik verschiedener Erkrankungen und kann auch Aufschluss über den Zustand des gesamten Gefäßsystems inklusive der Herzkranzgefäße liefern.
Bei der Untersuchung der Carotis liegen die Patienten und Patientinnen in der Regel auf dem Rücken, manchmal sitzen sie auch dabei. Meist bitten Ärzte und Ärztinnen darum, den Kopf etwas nach hinten zu neigen. Die gestreckte Position des Halses erleichtert das Untersuchen der Halsschlagader. Ein spezielles Gel sorgt für einen besseren Kontakt zwischen dem Ultraschallkopf und der Haut, wodurch ein klares Bild auf dem Monitor des Ultraschallgeräts erscheint. Für die Untersuchung führen Ärzte und Ärztinnen den Ultraschallkopf langsam auf beiden äußeren Seiten des Halses, ungefähr vom Schlüsselbein bis zum Kiefer, entlang der Carotis.
Wann ist ein Ultraschall der Halsschlagader sinnvoll?
Die Carotis-Duplex-Sonographie hilft Ärzten und Ärztinnen, verengte Gefäßstellen (Stenosen) zu finden, die das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen können. Ultraschall-Experten können schon frühzeitig leichte Gefäßveränderungen bis hin zu Carotisstenosen heute sehr leicht durch eine Sonografie der Halsgefäße diagnostizieren. Im Ultraschall kann ein Arzt feststellen, ob die Carotis eine erhöhte Intima-Media-Dicke (Verdickung der inneren und mittleren Schicht der Gefäßwand) oder Plaques (Lipid- und Kalkablagerungen) aufweist.
Ultraschall der Halsschlagader: Was bedeuten die Werte?
Bei einer Carotis-Untersuchung bestimmen Ärzte und Ärztinnen mithilfe der Duplex-Sonographie, inwieweit eine Stenose (Verengung) vorliegt. Dafür ermitteln sie die Strömungsgeschwindigkeit sowie den Durchmesser der Arterie. Beim Ultraschall der Halsschlagader spielen die Werte der Arteria carotis communis, die direkt aus dem Aortenbogen entspringt, sowie der aus ihr entstehenden Arteria carotis interna und der Arteria carotis externa eine Rolle.
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Als Normwerte für den Durchmesser gelten:
- Arteria carotis communis: 6,0 bis 6,2 Millimeter
- Arteria carotis interna: 4,7 bis 4,9 Millimeter
- Arteria carotis externa: 4,0 bis 4,3 Millimeter
Ein normales Strömungsvolumen zeigen in der Regel folgende Werte:
- Arteria carotis communis: 373 bis 434 Milliliter pro Minute
- Arteria carotis interna: 224 bis 277 Milliliter pro Minute
- Arteria carotis externa: 145 bis 175 Millilitern pro Minute
Von bestimmten Normwerten sprechen Fachleute immer in Abhängigkeit vom Alter, sodass es für Patienten und Patientinnen selbst schwierig ist, die Zahlen der Carotis-Duplex-Sonographie zu beurteilen. Durch die altersbestimmten variablen Messungen ergeben sich relativ große Wertspannen. Grundsätzlich gilt: Bei einer Gefäßverengung von mehr als 70 Prozent, was einer hochgradigen Stenose entspricht, empfehlen Ärzte und Ärztinnen eine Operation.
Wer führt einen Ultraschall der Halsschlagader durch?
Mediziner und Medizinerinnen aus verschiedenen Fachrichtungen können eine Carotis-Duplex-Sonographie durchführen. Hausärzte und Hausärztinnen mit Erfahrung auf dem Gebiet sowie Internisten und Internistinnen können in der Regel einen Ultraschall der Halsschlagader vornehmen. Grundsätzlich müssen für die Untersuchung ein geeignetes Ultraschallgerät und eine ausgebildete Fachkraft vor Ort sein.
Mögliche Komplikationen und Risiken
Durch den Ultraschall selbst ergeben sich keine Komplikationen oder Gefahren für Patienten und Patientinnen. Die Untersuchung der Halsschlagader ist vollkommen ungefährlich. Stellen Ärzte und Ärztinnen bei der Carotis-Duplex-Sonographie jedoch Auffälligkeiten fest, ergeben sich oft Folgeuntersuchungen wie eine Computertomographie (CT). Dadurch sind die Betroffenen Röntgenstrahlen und manchmal auch Kontrastmitteln ausgesetzt, die zu Nebenwirkungen führen können oder womöglich langfristig dem Körper schaden. Der Ultraschall der Halsschlagader gilt als sichere diagnostische Methode, die Genauigkeit der Untersuchung hängt aber immer auch von den untersuchenden Ärzten und Ärztinnen ab. Falsche Befunde oder unklare Erkenntnisse der Sonographie sind immer möglich. Wenn also keine Beschwerden vorliegen, lässt sich das Risiko einer Fehldiagnose mit eventuell folgenden weiteren diagnostischen Maßnahmen vermeiden.
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Kosten eines Ultraschalls der Halsschlagader
Die Kosten für einen Ultraschall der Halsschlagader übernehmen die gesetzlichen Krankenversicherungen nur bei Beschwerden der Patienten und Patientinnen sowie bei bestehendem Verdacht auf Gefäßverengungen. Zudem können Ärzte und Ärztinnen die Kosten für das Kontrollieren der Carotis durch Abhören ab einem Alter von 18 Jahren einmalig und ab dem 35. Lebensjahr alle drei Jahre im Rahmen eines allgemeinen Gesundheitschecks mit der Krankenkasse abrechnen. Ansonsten gehört die Carotis-Untersuchung zu den sogenannten IGeL, den Individuellen Gesundheitsleistungen. Patienten und Patientinnen müssen den Ultraschall der Halsschlagader als ergänzende Herz-Kreislauf-Vorsorge selbst bezahlen, wenn sie die Untersuchung wünschen. Die Kosten betragen in der Regel zwischen 50 und 90 Euro pro Halsseite.
Carotis-Doppler-Untersuchung versus Carotis-Duplex-Sonographie
Bei der Carotis-Duplex-Sonographie erhalten Ärzte und Ärztinnen zwei Informationen gleichzeitig: das Bild der Halsschlagader und die Blutflussgeschwindigkeit. Auf dem Monitor zeigt sich eine bildliche Darstellung des untersuchten Gefäßabschnittes (entweder in Farbe oder Schwarz-Weiß) sowie eine Kurve, die die Blutströmung abbildet. Der Doppler-Ultraschall der Halsschlagader gibt hingegen lediglich Aufschluss über die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes. Eine speziell entwickelte Technik ermöglicht es, sie nicht nur zu sehen, sondern auch zu hören. Verengungen der Carotis lassen sich mit der Doppler-Untersuchung feststellen. Auch die Messung des Blutdrucks ist möglich, selbst wenn Ärzte und Ärztinnen den Puls nicht mehr mit dem Finger ertasten können. Die gewonnenen Erkenntnisse nutzen Mediziner und Medizinerinnen für die Diagnostik.
Schlaganfallrisiko und Prävention
Der Schlaganfall gehört nach wie vor zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Je älter die Patienten sind, desto höher das Risiko. Die Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader ist eine breit verfügbare Technik, um das individuelle Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, insbesondere für Schlaganfälle, abzuschätzen.
Risikofaktoren und Präventive Maßnahmen
Die Schlaganfallvorsorge ist ein wichtiger Bestandteil der Präventivmedizin, der darauf abzielt, das Risiko eines Schlaganfalls zu reduzieren oder vorzubeugen. Zu den Risikofaktoren gehören unter anderem Bluthochdruck, Diabetes, erhöhte Cholesterinwerte, Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel und familiäre Vorgeschichte von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Ist dies der Fall, sollten Patienten dazu ermutigt werden, sich mehr zu bewegen, Übergewicht zu reduzieren sowie gegebenenfalls ihre Ernährung umzustellen und das Rauchen aufzugeben. Außerdem müssen bestehende Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und Cholesterin konsequent behandelt werden, um das Risiko für einen Gefäßverschluss einzudämmen. Diese präventiven Therapien - auch als "best medical treatment" bezeichnet - seien bei Risikopatienten mit erblicher Vorbelastung auch schon im berufsfähigen Alter unbedingt empfehlenswert.
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Bedeutung der Früherkennung
Insgesamt ist aus neurologischer Sicht ein Ultraschallscreening der Halsschlagadern wichtig, um frühe Gefäßwandveränderungen zwischen dem 30. und 70. Lebensjahr an den Carotiden zu erkennen. Damit können wir das sogenannte Gefäßalter eines Menschen definieren und gegebenenfalls notwendige Lebensveränderungen initiieren. Hier hilft ein breites Screening bei versierten Ultraschallern. Werden hämodynamisch relevante Stenosen erkannt, sollte jedoch Aktionismus vermieden und die Patienten zu neurovaskulären Experten überwiesen werden. Dazu gehören insbesondere Neurologen oder Angiologen, die auch intrakranielle Gefäße beurteilen können.
Die Ultraschalluntersuchung kann somit bei der Schlaganfall-Prävention unterstützen. Darüber hinaus gibt der Zustand der Halsschlagader Hinweise auf die Gefährdung des gesamten Gefäßsystems. Ab dem 50. Lebensjahr steigt das Risiko einer Halsschlagader-Verengung. Eine durch Anlagerung von Plaque (Verkalkung) verengte Halsschlagader lässt sich durch eine Ultraschall-Untersuchung gut erkennen. Das Gerät erkennt Ablagerungen und misst die Fließgeschwindigkeit des Blutes in der Halsschlagader, aus der sich der Grad der Verengung berechnen lässt.
Diagnostik und Therapie
Entstehen durch Kalkablagerungen aus Plaques erst einmal manifeste Stenosen - also Engstellen an der Halsschlagader - können diese aufbrechen, als Gerinnsel ins Gehirn verschleppt werden und so einen Schlaganfall auslösen. Welche Therapie nach einer entsprechenden Diagnose erfolgen soll, muss interdisziplinär bewertet werden. Das Carotis-Screening darf hier nicht alleinige Entscheidungsgrundlage sein. So sind Carotisstenosen, die keine Symptome verursachen, zwar ein Maßstab für Erkrankungen des gesamten arteriellen Systems. Sie sind aber gleichzeitig nur ein Teil des komplexen arteriellen Hirnversorgungssystems, welches durchaus in der Lage ist, sich anzupassen. Das führe dazu, dass der Anteil der Arteriosklerose-bedingten Schlaganfälle ab der siebten Lebensdekade wieder sinke. Eine Carotisstenose müsse in diesem Alter deshalb immer in der Zusammenschau des gesamten Gefäßsystemzustandes betrachtet werden.
Bei allen Patienten mit Stenosen der Halsschlagadern ist eine detaillierte Nutzen-Risiko-Abwägung zwischen den Möglichkeiten der modernen Pharmakotherapie und den operativen Möglichkeiten inklusive Stenting nötig, und da ist auch das reele Patientenalter ein wichtiges Kriterium.
Weitere Aspekte der Schlaganfallvorsorge
Neben der Ultraschalluntersuchung der Halsschlagadern gibt es weitere diagnostische Maßnahmen, die im Rahmen der Schlaganfallvorsorge eingesetzt werden können:
- EKG (Elektrokardiogramm): Ein Elektrokardiogramm (EKG) ist eine Untersuchung, die die elektrische Aktivität des Herzens misst.
- SRA-Analyse (Stenosis Risk Assessment): Die SRA-Analyse bewertet das Risiko von Stenosen, also von Verengungen, in den Blutgefäßen.
- Langzeitblutdruckmessung: Diese ermöglicht eine frühzeitige Erkennung und eine genauere Beurteilung des Blutdrucks über einen längeren Zeitraum hinweg. Dadurch können Blutdruckspitzen und -tiefs erfasst werden, die bei herkömmlichen Einzelmessungen möglicherweise nicht erkannt werden. Dies kann dabei helfen, die Wirksamkeit der Behandlung zu überwachen und sicherzustellen, dass der Blutdruck innerhalb des Zielbereichs bleibt.
- Blutuntersuchungen: Im Rahmen der Schlaganfallvorsorge können verschiedene Blutuntersuchungen durchgeführt werden, um Risikofaktoren für Schlaganfälle zu identifizieren. Dazu gehören Blutbild mit Blutviskosität, Lipide, Blutzucker, Homocystein, Gerinnungstests.
Zusätzlich zur Erkennung von Risikofaktoren ist die Behandlung bestehender Erkrankungen ein wichtiger Bestandteil der Schlaganfallvorsorge.
Nutzen und Risiken des Ultraschall-Screenings
Ob ein Carotis-Ultraschallscreening im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen sinnvoll ist und ob asymptomatische Carotisstenosen bei Menschen höheren Alters zwingend eine Operation zur Folge haben müssen, diskutierten Experten der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e. V.
Kritische Bewertung des IGeL-Monitors
Das Team des IGeL-Monitors hat in einer ersten Bewertung dieser Untersuchung 2016 als auch bei der Aktualisierung 2021 keine Studien gefunden, die belegen, dass dieses Verfahren das Schlaganfallrisiko bei beschwerdefreien Menschen senken kann. Über einen Nutzen lässt sich nur Folgendes sagen: Die Ultraschalluntersuchung kann viele Verengungen der Halsschlagader zwar früh erkennen, aber ob die Behandlung dann wirklich dazu führt, dass weniger Menschen einen Schlaganfall bekommen, weiß man nicht.
Der Ultraschall selbst ist ungefährlich. Die Untersuchung kann aber zu Konsequenzen führen: Ein auffälliger Ultraschallbefund wird unter Umständen mit weiteren Untersuchungen abgeklärt. Dabei kann sich herausstellen, dass der Befund doch nicht so schlimm ist und man besser nichts unternimmt. Wenn sich dagegen bei der Abklärung des Befundes herausstellt, dass man den Menschen behandeln sollte, heißt das noch lange nicht, dass er ohne Behandlung irgendwann einen Schlaganfall bekommen hätte. Er wird aber trotzdem behandelt; ohne späteren Schlaganfall ist die Behandlung aber unnötig. Dann hat die Patientin oder der Patient die Nebenwirkungen der Behandlung unnötig in Kauf genommen. Insgesamt sehen wir deshalb keine Hinweise auf einen Nutzen, aber Hinweise auf einen Schaden.
Empfehlungen von Fachgesellschaften
In der internationalen Literatur wurden insgesamt vier Handlungsempfehlungen von ärztlichen Fachorganisationen gefunden. Keine rät zu einer Reihenuntersuchung von Menschen ohne Beschwerden und ohne besondere Risikofaktoren. Die hochwertige „S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge der extracraniellen Carotisstenose“ vom Februar 2020, an der mehrere deutsche Fachgesellschaften mitgewirkt haben, rät: „Ein allgemeine Screening auf das Vorliegen einer Carotisstenose soll nicht durchgeführt werden“. Die Autorinnen und Autoren waren sich einig, dass es sinnvoll sei, eher gefährdete Personen (mit „vaskulären Risikofaktoren“) mit Ultraschall zu untersuchen, sofern beabsichtigt sei, sie dann auch zu behandeln.
Auch renommierte amerikanische Expertinnen und Experten des US Preventive Services Task Force sowie die australische Berufsvereinigung der Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner, The Royal Australian College of General Practioners, raten klar von einer Reihenuntersuchung bei symptomfreien Personen ab.
Fazit
Die Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader ist eine wertvolle Methode zur Beurteilung des individuellen Schlaganfallrisikos. Sie ermöglicht die Früherkennung von Gefäßveränderungen und die Einleitung präventiver Maßnahmen. Ob ein generelles Screening sinnvoll ist, wird kontrovers diskutiert. Die Entscheidung für oder gegen eine Ultraschalluntersuchung sollte in Absprache mit dem behandelnden Arzt und unter Berücksichtigung der individuellen Risikofaktoren getroffen werden.
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