Die Frontotemporale Demenz (FTD) ist eine vergleichsweise seltene Form der Demenz, bei der Nervenzellen vor allem im Stirn- und Schläfenbereich des Gehirns absterben. Sie beginnt normalerweise früher als die Alzheimer-Krankheit, durchschnittlich zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Die jüngsten Betroffenen erkranken im dritten Lebensjahrzehnt, manche aber auch erst im fortgeschrittenen Alter. Hier finden Sie einen umfassenden Überblick über Ursachen, Symptome und den Umgang mit dieser besonderen Demenzform.
Was ist Frontotemporale Demenz (FTD)?
Die Frontotemporale Demenz (FTD) ist eine eher seltene Form der Demenz. Im Gegensatz zu anderen Demenzformen bleibt die Gedächtnisleistung der Betroffenen weitgehend erhalten. Bekannt war sie früher auch unter der Bezeichnung Morbus Pick.
Unterscheidung zu anderen Demenzformen
Unter allen Demenzformen versteht man verschiedene Erkrankungsbilder, die verbunden sind mit einem Verlust geistiger Funktionen wie etwa Orientierung, Erinnerung und Denken. Alzheimer ist die häufigste Form unter den Demenzformen, an der 60 - 65 % der Erkrankten leiden. Vaskuläre Demenz ist die zweithäufigste Form und tritt in 20 - 30 % der Fälle auf. Darüber hinaus existieren auch Mischformen zwischen Alzheimer und vaskuläre Demenz. Diese Mischformen machen etwa 15 % der Dementen aus.
Häufigkeit
Die FTD macht Schätzungen zufolge zusammen mit der Alzheimer-Demenz die Mehrzahl aller Demenzerkrankungen unter 65 Jahren aus.
Ursachen der Frontotemporalen Demenz
Gekennzeichnet ist eine Frontotemporale Demenz durch das Absterben von Nervenzellen im Bereich der beiden Schläfenlappen und Stirnlappen. Was genau die Gründe für diesen Vorgang sind, ist der Medizin bisher nicht exakt bekannt.
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Genetische Faktoren
In manchen Fällen können Veränderungen im Erbgut eine Frontotemporale Demenz auszulösen. Etwa 10 bis 15 Prozent aller Menschen mit FTD weisen eine genetische Veränderung auf, die die Erkrankung auslöst. Wird diese genetische Veränderung von einem Elternteil vererbt, hat das Kind eine 50 prozentige Wahrscheinlichkeit, auch an FTD zu erkranken. Wer sich Sorgen um das eigene Risiko macht - zum Beispiel weil es FTD oder ähnliche Erkrankungen in der Familie gibt - kann eine genetische Beratung in Anspruch nehmen.
Familiäre Häufung
In rund 40 Prozent der Fälle zeigt sich eine familiäre Häufung: In den betroffenen Familien treten FTD selbst oder ähnliche Erkrankungen auf, zum Beispiel andere Demenzformen, die Nervenkrankheit ALS oder psychische Erkrankungen wie Depressionen.
Ursachenforschung
Forschende suchen nach den molekularbiologischen Ursachen für den Nervenzelltod bei frontotemporaler Demenz. Außerdem untersuchen sie den Zusammenhang zwischen Amyotropher Lateralsklerose (ALS) und FTD. Zwischen diesen Erkrankungen gibt es fließende Übergänge, d.h., dass Verhaltenssymptome und kognitive Defizite bei einer ALS auftreten können oder dass sich Symptome einer ALS im Verlauf der FTD einstellen.
Symptome der Frontotemporalen Demenz
Bei fast allen Erkrankten fallen zu Beginn Veränderungen der Persönlichkeit und des zwischenmenschlichen Verhaltens auf. Dazu zählen insbesondere Teilnahmslosigkeit, aber auch Reizbarkeit, Taktlosigkeit und Enthemmung. Bei manchen Patienten zeigen sich ausgeprägte Sprachstörungen vor allem im Sinne von Wortfindungsstörungen und Benennstörungen. Die Symptome sind von Patient zu Patient zum Teil sehr unterschiedlich - abhängig davon, in welchem Gehirnbereich Nervenzellen absterben.
Verhaltensvariante (bvFTD)
Die Verhaltensvariante der Frontotemporalen Demenz (bvFTD) zeigt sich durch tiefgreifende Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit. Die erkrankte Person wirkt „anders“, obwohl das Gedächtnis oft noch gut funktioniert. Zu den häufigsten Anzeichen gehören:
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- Enthemmung: Unpassende Bemerkungen, unangemessenes sexuelles Verhalten, Ladendiebstahl oder Berührungen von Fremden.
- Apathie: Früher Rückzug aus sozialen und beruflichen Aktivitäten, Verlust von Interesse an Beziehungen oder Hobbys, häufig verwechselt mit einer Depression.
- Emotionale Abstumpfung / Empathieverlust: Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen nahestehender Personen, fehlende Anteilnahme oder Einfühlungsvermögen, was für Angehörige besonders schmerzhaft sein kann.
- Zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten: Wiederholte Handlungen wie das fünfmalige Klatschen zur Begrüßung, Horten von Gegenständen oder das tägliche Aufsuchen bestimmter Orte.
- Verändertes Essverhalten: Zwanghaftes Essen bestimmter Lebensmittel, wie ausschließlich Schokolade, oder übermäßiger Konsum von Wasser oder Alkohol.
- Fehlende Einsicht: Menschen mit bvFTD sehen häufig nicht ein, dass ihr Verhalten ungewöhnlich ist. Sie tun Dinge, die soziale Normen verletzen, ohne diese als falsch wahrzunehmen.
- Neuropsychologisches Profil: Defizite bei der Planung und Organisation des täglichen Lebens, während Gedächtnis- und visuell-räumliche Fähigkeiten oft intakt bleiben.
Diese Symptome führen nicht selten zu Fehldiagnosen, da sie psychischen Erkrankungen ähneln können.
Sprachliche Varianten (PPA)
Die Primär Progressive Aphasie (PPA) zeigt sich in drei verschiedenen Formen, je nachdem, welche sprachlichen Fähigkeiten am stärksten eingeschränkt sind:
- Semantischer Typ: Menschen mit dieser Form verlieren nach und nach das Verständnis für Wörter. Sie können Dinge oft nicht mehr benennen oder genau beschreiben, selbst wenn sie wissen, was sie sind.
- Unflüssiger/agrammatischer Typ: Das Sprechen wird mit der Zeit immer schwieriger. Die Wörter kommen langsamer über die Lippen und das Sprechen klingt oft angestrengt. Schließlich kann die Sprache ganz versagen, während jedoch andere Fähigkeiten durchaus intakt bleiben.
- Logopenischer Typ: Bei dieser Form fällt es den Betroffenen schwer, die richtigen Worte zu finden. Das Sprechen wird langsam und zögerlich, und sie beschreiben Begriffe umständlich, wenn ihnen die passenden Worte fehlen. Im Gegensatz zu den anderen Formen gehört der logopenische Typ nicht zur Frontotemporalen Demenz, sondern zur Alzheimer-Krankheit.
Verlauf der Erkrankung
Wie die meisten Demenzerkrankungen hat auch die frontotemporale Demenz einen schleichenden Verlauf.
- Zu Beginn unterscheiden sich Menschen mit Frontotemporaler Demenz sowohl deutlich von Menschen mit anderen Demenzen als auch untereinander, je nach Subtyp.
- Im späten Stadium gleichen sich die Symptome von FTD und anderen Demenzerkrankungen an. Sprache und Verhalten sind stark beeinträchtigt, und es treten zusätzlich Gedächtnisprobleme auf, die an Alzheimer erinnern. Körperliche Symptome wie Bewegungsstörungen, Muskelsteifheit oder Schwierigkeiten beim Schlucken können hinzukommen.
- Im Endstadium benötigen die Erkrankten rund um die Uhr Pflege. Die häufigste Todesursache ist eine Lungenentzündung, die durch eine Schwächung des Immunsystems oder Schluckprobleme verursacht werden kann.
Diagnose der Frontotemporalen Demenz
Die Diagnostik der Frontotemporalen Demenz kann schwierig sein. Die Betroffenen zeigen in der Regel kaum Krankheitseinsicht oder Therapiemotivation. Da es derzeit kein einzelnes Verfahren gibt, das FTD eindeutig nachweisen kann, erfolgt die Diagnose in mehreren Schritten. Dabei ist es wichtig, andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschließen:
- Anamnese: Die Ärztin oder der Arzt erhebt die Krankengeschichte und prüft grundlegende kognitive Fähigkeiten, zum Beispiel das Gedächtnis.
- Befragung der Angehörigen: Besonders bei der Verhaltensvariante sind Einschätzungen aus dem Umfeld entscheidend. Denn Erkrankte zeigen oft keine Einsicht in ihre Verhaltensänderungen.
- Bildgebende Verfahren: Mithilfe von MRT, CT oder FDG-PET können Veränderungen in den Stirn- und Schläfenlappen sichtbar gemacht werden.
- Neuropsychologische Tests: Diese erfassen spezifische Beeinträchtigungen in Planung, Urteilsvermögen, Sprache oder sozialem Verhalten, die für FTD typisch sind.
- Genetische Untersuchungen: Liegen in der Familie weitere Fälle von FTD vor, kann ein Gentest helfen, eine vererbbare Form festzustellen.
In Fällen ohne nachweisbare Genmutation kann eine sichere Diagnose oft erst nach dem Tod gestellt werden.
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Gedächtnisambulanzen
Gedächtnisambulanzen oder Gedächtnissprechstunden sind Abteilungen in Krankenhäusern, die auf kognitive Störungen spezialisiert sind. Dort klären ärztliche Teams die Ursachen für die Demenzsymptome ab.
Therapie der Frontotemporalen Demenz
Weil die Vorgänge, die zum Nervenzelluntergang führen, zum größten Teil nicht bekannt und nicht beeinflussbar sind, gibt es bisher allerdings auch keine gezielten Therapiemöglichkeiten. Die Frontotemporale Demenz ist bisher nicht heilbar. Auch Medikamente, die den Krankheitsverlauf aufhalten oder verlangsamen gibt es leider nicht. Weltweit wird dazu jedoch intensiv geforscht.
Medikamentöse Behandlung
Die medikamentöse Behandlung zielt derzeit darauf ab, die Verhaltensauffälligkeiten der Patienten zu mildern. Am besten haben sich serotonerge Antidepressiva bewährt. Manche Symptome - etwa starke Unruhe, Aggression oder zwanghaftes Verhalten - lassen sich mit bestimmten Medikamenten lindern.
Nicht-medikamentöse Therapieformen
Durch nicht-medikamentöse Therapieformen, wie sie auch bei Menschen mit Alzheimer-Demenz angewandt werden können, können einige Symptome der Patienten und Patientinnen gemildert werden.
Herausforderungen im Umgang
Eine der größten Herausforderungen im Umgang mit FTD ist jedoch, dass viele Erkrankte keine Einsicht in die eigene Erkrankung haben. In solchen Momenten ist es wichtig zu wissen: Man kann eine an FTD erkrankte Person nicht vom eigenen Fehlverhalten überzeugen, weil ihr schlicht der innere Maßstab fehlt.
Umgang mit Menschen mit Frontotemporaler Demenz
Der Umgang mit einem Menschen, der an FTD erkankt ist, stellt die Angehörigen meist vor große Herausforderungen. Das Zusammenleben mit einem Menschen, der an einer Frontotemporalen Demenz erkrankt ist, bedeutet für die Angehörigen eine enorme Belastung. Vor allem sind es die Verhaltensauffälligkeiten, besonders Aggressionen, enthemmtes Verhalten und Unberechenbarkeit der Erkrankten, die den Angehörigen zu schaffen machen. Auch die fehlende Empathie und ein Mangel an Interesse an Angehörigen und Freunden sind oft schwer auszuhalten.
Tipps für den Alltag
Neben therapeutischen Maßnahmen gibt es viele kleine Dinge, die dazu beitragen können, dass Menschen mit Frontotemporaler Demenz länger körperlich und geistig aktiv bleiben. Vieles lässt sich unkompliziert in den Alltag integrieren:
- Sport: Hat nachgewiesene positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit, Fitness und Stimmung von Erkrankten.
- Geistige Aktivität: Aktivitäten, die das Gehirn anregen wirken sich ebenfalls positiv auf den Verlauf von Demenzerkrankungen aus.
- Soziale Kontakte: Gute Gespräche, gemeinsame Erlebnisse oder einfach Nähe - soziale Kontakte geben Halt und tun dem Gehirn gut.
Unterstützung für Angehörige
Der Austausch mit anderen hilft dabei, diesen Herausforderungen zu begegnen und Wege des Umgangs zu finden. Bundesweit gibt es rund 35 FTD-Angehörigengruppen. Eine neue Angehörigengruppe richtet sich speziell an Menschen zwischen 18 und 25 Jahren, bei denen ein Elternteil an Demenz erkrankt ist. Monatlicher Austausch findet in zwei FTD-Angehörigengruppen per Videokonferenz statt.
Fortbildungen und Seminare
Es gibt spezielle Kurse für Angehörige, beruflich Pflegende und Interessierte zum Thema Frontotemporale Demenz. Diese bieten Informationen zum Krankheitsbild, Einblicke in das Leben mit FTD, Betreuung und Pflege, Therapien, Medikamente, Diagnostik und Rechte von Menschen mit FTD.
Fahrtauglichkeit bei Demenz
Für alle Formen der Demenz gilt, dass es unvermeidbar im Verlauf der Krankheit zu einem Verlust der Fahreignung kommt. Folgende Leistungsbeeinträchtigungen bei Demenz sind bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Fahrtauglichkeit relevant:
- Orientierungsstörungen
- Verlangsamte Reaktion
- Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit
- Beeinträchtigung der Konzentration
- Verminderte Fähigkeit, komplexe Situationen schnell zu erfassen
- Verminderte Urteilsfähigkeit
- Gedächtnisstörungen
Bei einer mittelschweren und schweren Demenz muss das Autofahren bedingungslos eingestellt werden.
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