Sekundär generalisierte Epilepsie: Ursachen, Diagnose und Therapie

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte, unprovozierte Anfälle gekennzeichnet ist, die durch plötzliche, abnormale elektrische Aktivität im Gehirn verursacht werden. Es ist wichtig zu beachten, dass ein einzelner epileptischer Anfall nicht gleichbedeutend mit der Diagnose Epilepsie ist.

Was ist ein epileptischer Anfall?

Ein epileptischer Anfall ist eine vorübergehende Störung des Gehirns, die durch eine übermäßige und/oder synchronisierte neuronale Aktivität verursacht wird. Die Symptome eines Anfalls können je nach betroffenem Hirnbereich und Ausmaß der neuronalen Entladung variieren. Sie reichen von kurzen Bewusstseinsaussetzern (Absencen) über Missempfindungen, Sprachstörungen oder Zuckungen (fokale Anfälle) bis hin zu Krampfanfällen mit Sturz (tonisch-klonische Anfälle).

Klassifikation von Epilepsien

Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) hat eine dreistufige Klassifikation von Epilepsien entwickelt:

  1. Anfallstyp: Hier wird zwischen generalisiertem, fokalem und unklarem Beginn unterschieden.
  2. Art der Epilepsie: Die Ätiologie kann strukturell, genetisch, infektiös, metabolisch, immunologisch oder unbekannt sein.
  3. Epilepsie-Syndrom: Hierbei handelt es sich um eine Kombination aus Anfallstyp, Ätiologie und anderen Merkmalen wie Alter bei Krankheitsbeginn und EEG-Befunden.

Ursachen sekundär generalisierter Epilepsie

Sekundär generalisierte Anfälle beginnen als fokale Anfälle in einem bestimmten Bereich des Gehirns und breiten sich dann auf beide Hirnhälften aus. Dies deutet auf eine symptomatische Ursache hin, d.h. eine fassbare Schädigung oder Störung des Gehirns. Zu den möglichen Ursachen gehören:

  • Strukturelle Ursachen:
    • Hirntumore
    • Hirninfarkte
    • Kontusionsdefekte
    • Vaskuläre Malformationen
    • Enzephalozelen
    • Fokale kortikale Dysplasien
    • Polymikrogyrie der kortikalen Neurone
    • Hypothalamische Hamartome
    • Hippocampussklerose
    • Perinatale Hirnschädigung (z.B. durch Sauerstoffmangel während der Geburt)
  • Genetische Ursachen:
    • Mutationen in Genen, die Ionenkanäle oder Neurotransmitter beeinflussen
    • Familiäre fokale Epilepsiesyndrome (z.B. autosomal-dominante nächtliche Frontallappenepilepsie (ADNFLE) oder autosomal-dominante laterale Temporallappenepilepsie (ADLTE))
  • Infektiöse Ursachen:
    • Neurozystizerkose
    • Tuberkulose
    • HIV
    • Zerebrale Malaria
    • Subakute sklerosierende Panenzephalitis
    • Zerebrale Toxoplasmose
    • Kongenitale Infektionen (z.B. Zika- oder Zytomegalie-Virus)
    • Post-infektiöse Entwicklungen nach viraler Enzephalitis
  • Metabolische Ursachen:
    • Hypoparathyreoidismus
    • Hämochromatose
    • Porphyrie
    • Störungen des Aminosäurestoffwechsels
    • Pyridoxin-abhängige Epilepsie (PDE)
    • Hyponatriämie beim Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH)
    • Urämie
    • Hyper-/Hypoglykämie
    • Zerebraler Folsäuremangel
  • Immunologische Ursachen:
    • Autoimmun vermittelte Entzündung des ZNS (z.B. Kalium-Kanal-Antikörper (LGI1)-bedingte limbische Enzephalitis und NMDA-Rezeptor-Antikörper assoziierte Enzephalitis)
  • Unbekannte Ursachen:
    • In einigen Fällen kann die Ursache der Epilepsie nicht identifiziert werden.

Diagnose

Die Diagnose einer sekundär generalisierten Epilepsie erfordert eine sorgfältige Anamnese, neurologische Untersuchung und verschiedene diagnostische Tests.

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  • Anamnese:
    • Detaillierte Beschreibung der Anfälle (z.B. Aura, Initialsymptomatik, Dauer, Frequenz)
    • Familiengeschichte von Epilepsie
    • Vorerkrankungen und Medikamente
    • Mögliche Auslösefaktoren (z.B. Schlafmangel, Alkohol, Stress)
  • Neurologische Untersuchung:
    • Überprüfung der kognitiven Funktionen, der Motorik, der Sensorik und der Reflexe
  • Elektroenzephalogramm (EEG):
    • Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns
    • Kann fokale oder generalisierte epileptiforme Entladungen zeigen
    • Schlaf-EEG kann die Ausbeute erhöhen
  • Magnetresonanztomographie (MRT):
    • Bildgebung des Gehirns zur Identifizierung struktureller Läsionen (z.B. Tumore, Infarkte, Malformationen)
  • Weitere Untersuchungen:
    • Blutuntersuchungen zur Beurteilung von Stoffwechselstörungen oder Infektionen
    • Liquoruntersuchung bei Verdacht auf Entzündungen des ZNS

Differenzialdiagnose

Es ist wichtig, sekundär generalisierte Epilepsie von anderen Erkrankungen abzugrenzen, die ähnliche Symptome verursachen können. Dazu gehören:

  • Gelegenheitsanfälle: Anfälle, die durch eine besondere Situation ausgelöst werden (z.B. Fieber, Schlafmangel, Alkoholentzug) und nicht auf einer Epilepsie beruhen.
  • Synkope: Kurzzeitiger Verlust des Bewusstseins und des Muskeltonus aufgrund einer verminderten Durchblutung des Gehirns.
  • Migräne: Kann sensorische Auren verursachen, die Anfällen ähneln.
  • Psychogener nichtepileptischer Anfall (PNES): Anfälle mit psychischen Ursachen, die epileptischen Anfällen ähneln können.
  • Hypoglykämie: Kann Krampfanfälle verursachen.
  • Narkolepsie: Kann mit hypnagogen Halluzinationen und Schlaflähmung einhergehen.

Therapie

Die Behandlung der sekundär generalisierten Epilepsie zielt darauf ab, die Anfälle zu kontrollieren und die Lebensqualität des Patienten zu verbessern.

  • Medikamentöse Therapie:
    • Antiepileptika sind die Hauptstütze der Behandlung.
    • Die Wahl des Medikaments richtet sich nach dem Anfallstyp, dem Epilepsiesyndrom, den Begleiterkrankungen und den individuellen Bedürfnissen des Patienten.
    • Ziel ist es, mit dem geringstmöglichen Medikament die Anfallsfreiheit zu erreichen.
  • Chirurgische Therapie:
    • Bei Patienten mit fokaler Epilepsie, die auf Medikamente nicht ausreichend ansprechen, kann eine Resektion des epileptogenen Fokus in Betracht gezogen werden.
    • Die Verfügbarkeit dieses Verfahrens ist sehr begrenzt.
  • Weitere Therapien:
    • Vagusnervstimulation
    • Ketogene Diät
    • Psychotherapie (insbesondere bei PNES)

Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

  • Ruhe bewahren
  • Betroffene Person auf den Boden legen, um Stürze zu vermeiden
  • Gegenstände entfernen, die zu Verletzungen führen könnten
  • Beengende Kleidungsstücke lockern
  • Nicht versuchen, den Anfall zu unterdrücken oder die Zähne auseinander zu drücken
  • Nach dem Anfall die Person in die stabile Seitenlage bringen
  • Bei einem Anfall, der länger als 5 Minuten dauert, oder bei einer Anfallsserie den Notruf wählen

Leben mit Epilepsie

Epilepsie kann das Leben der Betroffenen und ihrer Familien stark beeinträchtigen. Es ist wichtig, sich umfassend über die Erkrankung zu informieren und Unterstützung zu suchen.

  • Selbsthilfegruppen: Bieten Austausch und Unterstützung für Betroffene und Angehörige.
  • Epilepsieberatungsstellen: Bieten Informationen, Beratung und Unterstützung.
  • Anfallskalender: Hilft, Anfallsauslöser zu identifizieren und die Behandlung zu optimieren.
  • Notfallausweis: Informiert Ersthelfer über die Erkrankung und die notwendigen Maßnahmen.
  • Technische Hilfsmittel: Anfallsüberwachungsgeräte und Sturzmelder können die Sicherheit erhöhen.
  • Epilepsiehunde: Können Anfälle erkennen und warnen oder Hilfe holen.

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