S2k-Leitlinie zur Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfälle und transitorischer ischämischer Attacken

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) haben eine neue S2k-Leitlinie zur Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfälle und transitorischer ischämischer Attacken (TIA) herausgegeben. Diese Leitlinie löst die bisherige S3-Leitlinie zum gleichen Thema ab und bietet aktualisierte Empfehlungen zur Vermeidung von Folgeschlaganfällen.

Bedeutung der Sekundärprophylaxe

Schlaganfallrezidive sind relativ häufig. Laut einer Analyse aus dem Jahr 2019 muss fast jeder Fünfte, der einen Schlaganfall erlitten hat, innerhalb der nächsten fünf Jahre mit einem Folgeschlaganfall rechnen. Nach einer TIA ist das Schlaganfallrisiko vor allem in den Tagen unmittelbar nach der Attacke deutlich erhöht. Daher kommt der Rezidiv-Prophylaxe eine besondere Bedeutung zu.

Inhalt der Leitlinie

Die Leitlinie besteht aus zwei Teilen:

Teil 1: Medikamentöse Behandlung zur Vermeidung von Folgeschlaganfällen

  • Plättchenhemmung
  • Antikoagulation
  • Therapie von Hypercholesterinämie
  • Therapie von Hypertonie

Teil 2: Weitere Risikofaktoren und Lebensstilmodifikation

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  • Lebensstil (Ernährung, Bewegung, Nikotin- und Alkoholkonsum)
  • Diabetes mellitus
  • Hormonersatztherapie
  • Schlafapnoe
  • Weitere Risikofaktoren

Medikamentöse Therapie

Blutdrucksenkung

Der Blutdruck sollte nach einem Schlaganfall oder einer TIA langfristig unter 140/90 mm Hg gesenkt werden. Je nach Alter der Betroffenen, Verträglichkeit der Blutdrucksenker und Vorerkrankungen kann sogar eine Senkung auf systolisch 120 bis 130 mm Hg erwogen werden. Das Erreichen der Zielblutdruckwerte hat dabei einen höheren Stellenwert als die Wahl der antihypertensiven Therapie.

Cholesterinsenkung

Als Zielwert der cholesterinsenkenden Therapie gilt ein LDL-C-Wert von unter 70 mg/dl. Alternativ kann eine Reduktion um mehr als 50 Prozent des Ausgangswerts erfolgen.

Thrombozytenaggregationshemmung

Zur Thrombozytenaggregationshemmung werden in der Leitlinie ausschließlich Acetylsalicylsäure (ASS), Clopidogrel und Ticagrelor empfohlen. Keine der beiden Substanzen ist der jeweils anderen sicher überlegen. Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder TIA können alternativ zu ASS mit Clopidogrel behandelt werden. Eine Monotherapie mit Ticagrelor wird nicht empfohlen.

Ausgewählte Patienten mit einem leichten nichtkardioembolischen ischämischen Schlaganfall oder einer TIA mit hohem Rezidivrisiko, die nicht mit i.v. Thrombolyse oder endovaskulärer Schlaganfalltherapie behandelt wurden, können innerhalb von 24 h nach Symptombeginn mit einer dualen Plättchenhemmung behandelt werden. Hierfür stehen die Kombinationen von ASS und Ticagrelor und die von ASS und Clopidogrel zur Verfügung. Die Kombination von ASS und Ticagrelor sollte für 30 Tage, die von ASS und Clopidogrel für etwa 21 Tage fortgesetzt werden.

Bei einer Unterbrechung der TFH-Behandlung ist von einem erhöhten Schlaganfallrisiko, aber auch anderen kardiovaskulären Ereignissen auszugehen. Daher sollte vor einer Operation oder einem invasiven Eingriff eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Hierbei sollten das mit dem Eingriff verbundene Blutungsrisiko und das Risikoprofil des Patienten unter Berücksichtigung der Art der notwendigen TFH-Behandlung gegeneinander abgewogen werden. Ein großzügiger Einsatz von PPI bei Patienten unter TFH ohne gastrointestinale Probleme sollte vermieden und die Indikation kritisch gestellt werden. Bei Komedikation von NSAR sollte die reduzierte Wirksamkeit des ASS berücksichtigt werden. Es wird eine zeitlich versetzte Gabe der NSAR (i. d. R. Aktuelle RCT zeigten kein erhöhtes Blutungsrisiko durch Komedikation mit Fluoxetin. Angesichts früherer Hinweise auf eine Zunahme des Blutungsrisikos (insbesondere gastrointestinaler Blutungen) durch Komedikation von TFH und SSRI sollte bei einer Indikation für einen SSRI Fluoxetin anderen SSRI daher vorgezogen werden.

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Orale Antikoagulation

Bei Betroffenen mit Vorhofflimmern sollte immer eine orale Antikoagulation erfolgen, mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) oder Vitamin-K-Antagonisten. NOAKs, so die Leitlinienempfehlung, sollen zur Sekundärprävention eines ESUS (embolic stroke of undetermined source) nicht zum Einsatz kommen, jedenfalls solange eine ESUS-unabhängige Indikation zur oralen Antikoagulation fehlt. Bei Patienten mit stabiler KHK und/oder stabiler pAVK (inklusive asymptomatischer ≥ 50 %iger Karotisstenose oder nach operativ oder interventionell revaskularisierter Karotisstenose) und ohne vorangegangenen lakunären oder hämorrhagischen Schlaganfall kann eine Kombinationstherapie aus niedrig dosiertem Rivaroxaban, 2,5 mg 2‑mal/Tag, und ASS, 100 mg/Tag, erwogen werden. Bei behandlungsnaiven Patienten mit TIA oder leichtem Schlaganfall kann am ersten Behandlungstag eine erhöhte TFH-Initialdosis mit ASS („loading“) mit 300-500 mg erwogen werden. Eine generelle Umstellung auf einen anderen TFH als Monotherapie kann aufgrund fehlender Studiendaten nicht empfohlen werden.

Lebensstilmodifikation

Die Leitlinie betont die Bedeutung von Lebensstilmodifikationen zur Reduktion des Risikos eines erneuten Schlaganfalls.

Ernährung

  • Regelmäßiger Verzehr von Obst und Gemüse
  • Mediterrane Diät
  • Reduktion des Salzkonsums

Bewegung

Regelmäßige körperliche Aktivität wird empfohlen.

Nikotin und Alkohol

Betroffene sollten auf das Rauchen verzichten und den Alkoholkonsum reduzieren.

Diabetes mellitus

Diabetikerinnen und Diabetiker sollten nach einem Schlaganfall in jedem Fall auf eine gute Blutzuckereinstellung achten.

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Schlafapnoe

Nach einer Schlafapnoe als zusätzlichem Risikofaktor sollte gezielt gesucht werden. Die nächtliche Überdruckbeatmung (CPAP) ist bei mittelschwerer bis schwerer Schlafapnoe die Therapie der Wahl.

Hormonersatztherapie und Kontrazeptiva

Schlaganfallpatientinnen, die Kontrazeptiva einnehmen oder eine Hormonersatztherapie erhalten, sollten andere Verhütungsmethoden bzw. Therapieoptionen erwägen.

Weitere Aspekte

Kritisch kranke Patienten mit hämodynamischer Instabilität stellen besondere Anforderungen an das Kreislaufmanagement. Während beim septischen Schock gezielte Vasopressor-Therapie im Vordergrund stehen, ist bei supraventrikulären Tachykardien ein kontrolliertes Frequenzmanagement entscheidend. Hämodynamische Instabilität ist häufig und prognostisch ungünstig. Kurzwirksame Betablocker ermöglichen eine kontrollierte Frequenzsenkung bei Tachykardien. Betablocker sind ein unverzichtbares Tool auf jeder Intensivstation. Die Therapie des Vorhofflimmerns verfolgt drei zentrale Ziele: Symptomkontrolle, Vermeidung von Folgekomplikationen und Verbesserung der Prognose.

Zusammenarbeit für eine maximale Prophylaxe

„Zur Maximalprophylaxe sollten alle Maßnahmen dauerhaft umgesetzt werden, was eine enge Zusammenarbeit zwischen Neurologinnen/Neurologen, Hausärztin/Hausarzt und Betroffenen erfordert“, sagte der DGN-Generalsekretär Prof. Dr. med. Peter Berlit. Gerade die langfristige Lebensstilumstellung stellt für viele Patientinnen und Patienten eine Herausforderung dar, bei der Medizinerinnen und Mediziner immer wieder Unterstützung leisten müssen. Die neurologische Nachsorge sollte dabei weit über die medikamentöse Einstellung der ‚klassischen‘ Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder hohe Lipidwerte hinausgehen.

Beteiligte Fachgesellschaften und Organisationen

Neben der DGN und der DSG waren diese Fachgesellschaften und Organisationen an der Erstellung der Leitlinie beteiligt:

  • Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK)
  • Deutsche Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin (DGA)
  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. (DEGAM)
  • Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)
  • Deutsche Hochdruckliga e. V.
  • Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN)
  • Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen DGFF (Lipid-Liga) e. V.
  • Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie e. V. (DGGG)
  • Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG)
  • Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH)
  • Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL)
  • Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN)
  • Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe
  • Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie
  • Deutsche Diabetes Gesellschaft
  • Deutsche Gesellschaft für Pharmakologie
  • Insulthilfe e. V.

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