Semiologie epileptischer Anfälle: Eine umfassende Übersicht

Im neurologischen Alltag stellt sich häufig die Frage nach der Einordnung passagerer, anfallsartiger Symptome. Die klinisch zu erhebenden Zeichen (Semiologie) stellen den wichtigsten Baustein zur Abgrenzung epileptischer Anfälle von differenzialdiagnostischen Entitäten dar. Aufgrund der oft weitreichenden gesundheitlichen und sozialen Konsequenzen der Diagnose Epilepsie ist die gründliche Prüfung und frühe, möglichst exakte Einordnung anfallsartiger Störungen mittels Eigen- und Fremdanamnese auch für die weitere gezielte Diagnostik wichtig. Diese Einordnung beruht auf Kenntnissen zur Assoziation bestimmter Semiologien mit Epilepsiesyndromen und Hirnarealen, wobei gewisse Limitierungen und Fallstricke berücksichtigt werden müssen.

Definition und Klassifikation der Epilepsie

Unter dem Begriff Epilepsie lassen sich verschiedene Erkrankungen zusammenfassen, bei denen es durch pathologische Übererregbarkeit kortikaler Neuronen zu wiederholten epileptischen Anfallsereignissen kommt. Verschiedene Formen der Epilepsie werden basierend auf der klinischen Präsentation (Anfallssemiologie) und der zugrunde liegenden Ursache (Ätiologie) unterschieden. Diese Klassifikation hat wegen der prognostischen und therapeutischen Implikationen einen hohen klinischen Stellenwert.

Die internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) definiert die Epilepsie konzeptuell als einen Zustand des Gehirns, welcher charakterisiert ist durch die Prädisposition, wiederholt nicht provozierte epileptische Anfälle zu generieren. Um eine Epilepsie zu diagnostizieren, muss somit mindestens ein epileptischer Anfall vorliegen. Besondere Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass der epileptische Anfall ohne Provokation («unprovoziert») auftreten muss, denn unter entsprechenden Bedingungen kann in jedem Gehirn ein epileptischer Anfall ausgelöst werden (sogenannte «Gelegenheitsanfälle»). Potenzielle Provokationsfaktoren sind mannigfaltig, als typische Faktoren kommen z.B. Alkoholentzug, schwere Hypoglykämien, akute ZNS-Infektionen oder Intoxikationen in Betracht. Partieller Schlafentzug gilt als fazilitierender (mitverursachender) Faktor, kann aber nur in Ausnahmefällen als alleiniger Anfallsauslöser betrachtet werden.

Eine Epilepsie wird diagnostiziert nach zwei unprovozierten epileptischen Anfällen oder einem Anfall mit einem erhöhten Rezidivrisiko.

Akut symptomatische Anfälle (ASA)

Die ILAE definiert einmalige Krampfanfälle als sogenannte ASA. Sie werden nicht als Teil einer epileptischen Erkrankung eingestuft, sondern sind den epileptischen Anfällen lediglich ähnlich. Die Ursachen für einen solchen akut symptomatischen Anfall sind jedoch andere. ASA treten in engem zeitlichen Zusammenhang mit anderen Erkrankungen auf, wie z. B. als Folge einer Unterzuckerung, einer Hirnschädigung oder eines Schlaganfalls.

Lesen Sie auch: Was Sie über epileptische Anfälle nach Hirnblutungen wissen sollten

Provokationsanfälle

Wichtig ist, dass bei Anfällen mit eindeutigen Provokationsfaktoren keine antikonvulsive Behandlung eingeleitet wird, da nicht von einem erhöhten Wiederholungsrisiko und somit einer Epilepsiediagnose ausgegangen werden muss. Auch das Vorliegen einer zugrunde liegenden akuten Erkrankung des Zentralnervensystems führt nach einem erstmaligen Anfallsereignis also nicht automatisch zur Diagnose einer Epilepsie.

Frühanfälle vs. Spätanfälle

Unter der Bezeichnung «akut symptomatisch» werden epileptische Anfälle verstanden, die in der Akutphase einer neurologischen Erkrankung (gemäss aktuellen Richtlinien innerhalb von 7 Tagen), zum Beispiel nach Schlaganfall, Enzephalitis oder Schädel-Hirn-Trauma, auftreten. Diese Patienten haben im Langzeitverlauf nur ein moderat erhöhtes Risiko (von ca. 20%) für weitere epileptische Anfälle und müssen somit nicht langfristig behandelt werden. Nach Schädel-Hirn-Trauma unterscheidet man Frühanfälle und Spätanfälle. Bei offenenem SHT mit EEG Herd oder nachgewiesener substantieller Hirnschädigung: Wegen Risikos von Anfallsrezidiven prophylaktische Behandlung erwägen! Spätanfälle haben ein höheres Rezidivrisiko, da davon ausgegangen wird, daß „Narbengewebe" Anfälle auslöst.

Rezidivrisiko nach einem Anfall

Als «hohes Rezidivrisiko» nach einem erstmaligen Anfall ist ein vergleichbares Risiko wie nach zwei unprovozierten epileptischen Anfällen gemeint. Hauser et al. zeigten in einer retrospektiven Analyse, dass das Risiko für weitere Anfälle nach zwei unprovozierten Ereignissen ca. 60% über die folgenden drei Jahre beträgt. In gewissen Konstellationen kann nun auch bereits nach einem erstmaligen Ereignis das erhöhte Rezidivrisiko nachgewiesen werden. Gut dokumentiert ist zum Beispiel das Vorliegen interiktualer epilepsietypischer Potenziale im Standard- oder Langzeit-EEG. Nach einem erstmaligen unprovozierten Ereignis ist bei Patienten mit epilepsietypischen Potenzialen im EEG das Rezidivrisiko über drei Jahre bei ca. Ein ähnlich hohes Risiko kann bei Patienten nachgewiesen werden, bei denen eine strukturelle, nicht akut symptomatische zerebrale Läsion vorliegt. Nach einem erstmaligen unprovozierten Anfall mit in der Folge unauffälligem EEG und MRI liegt das Wiederholungsrisiko für epileptische Anfälle ja nach Studie und untersuchter Kohorte bei ca. 10-40%. Dies ist durchaus ein beträchtliches Risiko, und insbesondere bei älteren oder multimorbiden Patienten stellt sich daher auch nach einem einmaligen Ereignis ohne hohes Rezidivrisiko gelegentlich die Frage nach einer frühzeitigen «sekundärprophylaktischen» antikonvulsiven Behandlung. Allerdings zeigt die antikonvulsive Therapie gerade auch in dieser Altersgruppe teilweise relevante ZNS-Nebenwirkungen und Interaktionen mit der Komedikation aufgrund der gemeinsamen Metabolisierungswege. Aus diesem Grund ist auch in diesen Fällen in der Regel keine antikonvulsive Therapie empfohlen.

Fokale vs. Generalisierte Anfälle

Ob ein Anfall fokal (eigentlich «mit fokalem Beginn») oder primär generalisiert ist, hängt davon ab, ob die epileptische Aktivität zunächst nur einen Teil des Gehirns betrifft («fokal») oder von Beginn weg in beiden Hemisphären auftritt («primär generalisierte» Anfälle oder Absencen). Im Falle von fokalen Anfällen ohne Bewusstseinsalteration können die Patienten oft selbst über den Beginn der Symptomatik berichten, da das Bewusstsein, die mnestischen Funktionen und die Handlungsfähigkeit in der Regel erhalten sind. Die Anfallssemiologie kann dann wichtige Rückschlüsse auf den Anfallsursprung erlauben. Bei fokalen Anfällen mit Bewusstseinsalteration («komplex-fokal») basiert die Anfallsanamnese meist auf einer Fremdanamnese oder Videoaufnahmen. Eine sekundäre Generalisierung kann teilweise sehr rasch eintreten und die fokale Einleitung kann unbemerkt verlaufen. Typische Merkmale der primär generalisierten Epilepsien sind kurze Abwesenheiten (z.B. «Absencen im Kindesalter») und primär generalisierte tonisch klonische Anfälle ohne einleitende fokale Symptomatik. Bei unsicherer Klassifikation gilt die Epilepsie vorerst als «Epilepsie unbekannter Zuordnung». In diesen Fällen können Zusatzuntersuchungen helfen, die Epilepsie einzuordnen: Ein Anfallsereignis oder ein streng lokalisierter epileptischer Fokus im EEG oder der Nachweis einer solitären Hirnmetastase im MRI sind zum Beispiel Faktoren, die für einen fokalen Ursprung der Anfälle sprechen. Primär generalisierte Epilepsien zeigen typischerweise (aber nicht immer) bilateral generalisierte interiktuale Entladungen im EEG.

Fokale Anfälle

Fokale Anfälle werden auch als partielle oder lokalisationsbezogene epileptische Anfälle bezeichnet. Diese Anfälle gehen immer von einem bestimmten Bereich des Gehirns aus und betreffen in der Regel nur eine Gehirnhälfte. Man unterscheidet fokale Anfälle mit Bewusstseinseinschränkung (früher auch komplex-fokal genannt) und fokale Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung (früher einfach fokale Anfälle). Im ersten Fall nimmt der Patient oder die Patientin den epileptischen Anfall nicht bewusst wahr und kann sich später an nichts erinnern. Bei Erwachsenen ist dies die am häufigsten beobachtete Anfallsform. Fokale epileptische Anfälle, vor allem solche mit Bewusstseinsstörung, können in einen sogenannten sekundär generalisierten Anfall (auch bilateral tonisch-klonischer Anfall) übergehen, der dann beide Gehirnhälften betrifft. Die Symptome fokaler Anfälle richten sich nach dem Ursprungsort im Gehirn. Eine häufige Anfallsform fokalen Ursprungs sind vegetative fokale Anfälle. Auch plötzliche Angst, Wut oder Halluzinationen werden in der Literatur beschrieben. Die Sinneswahrnehmung kann durch einen fokalen Anfall gestört werden. So kann Sehen, Hören, Schmecken, Riechen oder Tasten durch den Anfall so beeinträchtigt sein, dass Betroffene Blitze sehen, Geräusche oder Stimmen hören, einen komischen Geschmack im Mund haben, etwas Merkwürdiges riechen oder Temperatur-Missempfindungen, Kribbeln oder Lähmungserscheinungen spüren. Fokale Anfälle mit Bewusstseinsverlust sind häufig durch sogenannte Automatismen geprägt. Patienten wiederholen im Anfall bestimmte Handlungsmuster.

Lesen Sie auch: Epileptische Anfälle durch Licht: Ein Überblick

Temporallappenepilepsie (TLE)

  • Häufigkeit: Mehrere Anfälle pro Monat bis mehrere Anfälle pro Tag; Generalisierung der Anfälle selten.
  • Dauer: 1-3 Minuten.
  • Unterscheidung: Schwierig zwischen mesialen und lateralen Temporallappenanfällen anhand der Semiologie.
  • Aura: Häufig bei TLE; Abdominell (aufsteigendes Gefühl im Bauch), visuelle oder auditive Halluzinationen, vestibuläre Symptomatik, Sprachstörungen, versive Kopfbewegungen.
  • Psychische Symptomatik: Traumhaftes Erleben (dreamy state), Déjà-vu, Jamais-vu Erleben, Angst, Freude, Wut.
  • Autonome Symptomatik: Übelkeit, Dyspnoe, Herzklopfen, Hunger, Speichelfluß.
  • Weitere Zeichen: Starrer Blick, „Innehalten", Pupillen zentral, Bewußtseinsstörung (mit Amnesie), langsam entwickelnd und sich nach Anfall langsam lösend.
  • Motorische Handlungen: Nesteln, gestikulieren.
  • Orale Automatismen: Lecken, Kauen, Schmatzen.
  • Postiktale Phase: Desorientiertheit, Müdigkeit, Unruhe; gel. Ausschluß/Nachweis fokal neurologischer Defizite bei V.a. Schlaganfall.
  • Ursprung: Amygdala/HippocampusHippocampussklerose, Gliome, Arteriovenöse Malformationen, Astrozytome, Oligodendrogliome, cerebrovaskuläre Erkrankungen, Enzephalitis (z.B. Herpes).

Generalisierte Anfälle

Bei generalisierten Anfällen lässt sich keine bestimmte Hirnregion zuordnen, in der der epileptische Anfall entsteht. Während eines Anfalls kann die Ausbreitung unterschiedlich verlaufen und das gesamte Hirnareal betreffen.

Absencen

Bei Absencen kommt es zu einer plötzlichen Bewusstseinsstörung, sodass der Patient bzw. die Patientin seine oder ihre momentane Tätigkeit für die Dauer des Anfalls unterbricht. Die Betroffenen starren bei dieser Form eines epileptischen Anfalls oft ins Leere. Diese Anfälle können mehrere Sekunden dauern und sich stark gehäuft über den Tag wiederholen. Betroffene können sich an den Anfall nicht erinnern und fahren mit ihrer Tätigkeit nach dem Anfall wieder fort. Obwohl diese Anzeichen typisch für Absencen sind, werden sie von Laien vielfach nicht als Symptome einer Epilepsie erkannt. Absencen sind eine häufige Epilepsie-Form des Kindesalters und werden zunächst meist als Unkonzentriertheit oder Träumerei missinterpretiert. Es kann zu wenigen Anfällen innerhalb eines Jahres bis hin zu mehrenden hundert am Tag kommen.

Myoklonischer Anfall

Ein myoklonischer Anfall verursacht keine Bewusstseinsstörungen, sondern äußert sich mit Muskelzuckungen.

Tonisch-klonischer Anfall (Grand-mal-Anfall)

Der tonisch-klonische Anfall oder auch Grand-mal-Anfall ist die Anfallsform, die am häufigsten mit der Krankheit Epilepsie in Verbindung gebracht wird. Die Symptome dieses Anfalls äußern sich meist in einem initialen Schrei des Betroffenen, gefolgt von einer Anspannung der Körpermuskulatur, die dann in Zuckungen des Körpers über geht. Ferner kommt es zu einem Bewusstseinsverlust, sodass sich der Patient bzw. die Patientin im Nachhinein nicht mehr an den Anfall erinnern kann. Auch die Blaufärbung der Lippen ist typisch. Sie entsteht durch die Verkrampfung der Atemmuskulatur während des Anfalls, sodass der oder die Betroffene keine Luft bekommt. Der Atemstillstand kann bis zu 30 Sekunden andauern, führt aber nicht zum Ersticken.

Atonischer Anfall

Verliert man die Muskelkraft, spricht man von einem atonischen Anfall.

Lesen Sie auch: Provokation von Anfällen im Straßenverkehr

Diagnostik

  • Exakte Anfallsbeschreibung durch Dritte
  • Kernspintomographie des Kopfes: Durchführung nach Epilepsieprotokoll
  • Elektroenzephalographie: Provokationsmechanismen (Photostimulation, Hyperventilation, Schlafentzug bzw. Schlaf-EEG)
  • Video-EEG: Bei entsprechendem Verdacht
  • Labordiagnostik:
    • Prolaktin: Bestimmung möglichst innerhalb von 20 min. (Höchste Aussagekraft). Sensitivität für bilaterale tonisch-klonischer Anfälle ca. 60%. Sensitivität für fokale Anfälle mit Bewußtseinsstörung ca. 45%. Gel. auch bei Synkopen erhöht!
    • Kreatinkinase: Sensitivität für tonisch-klonische Anfälle ca. 45%. Maximaler Anstieg nach ca.

Therapie

Aus klinischer Perspektive wichtig ist nun, dass diese Dichotomie in fokale und primär generalisierte Anfälle einen Einfluss auf die Behandlung der Epilepsie hat. Als grundsätzliches Therapieprinzip gilt, dass eine Monotherapie aufgrund der besseren Verträglichkeit gegenüber einer Polypharmakotherapie bevorzugt werden sollte. Falls sich die Anfälle unter ausdosierter Monotherapie nicht kontrollieren lassen, so kann ein weiteres Medikament als Add-on eingesetzt werden. Es scheint pragmatisch sinnvoll, bei der Polymedikation Medikamente mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen zu kombinieren, die idealerweise ein nicht überlappendes Nebenwirkungsprofil besitzen. Letztlich gibt es keine Daten, welche die Superiorität eines «rationalen Therapieansatzes» untermauern, und die medikamentöse Einstellung erfolgt zum grossen Teil nach empirischen Algorithmen. Eine Epilepsie wird schlussendlich als Therapie-refraktär bezeichnet, wenn die Anfälle trotz zweier, ausreichend dosierter Medikamente persistieren. Besondere Vorsicht bei der Wahl der antiepileptischen Therapie ist bei Frauen im gebärfähigen Alter geboten. Valproinsäure ist bei Frauen im gebärfähigen Alter sogar streng kontraindiziert.

Medikamente, die bevorzugt bei Epilepsien mit generalisierten epileptischen Anfällen eingesetzt werden können, sind zum Beispiel Valproinsäure, Topiramat und, als neuere Option, auch Perampanel. Zur Behandlung fokaler Epilepsien haben neben den oben erwähnten Levetiracetam und Lamotrigin Oxcarbazepin und Lacosamid die älteren Interaktions- und nebenwirkungsträchtigen Substanzen Phenytoin und Phenobarbital in der Initialtherapie weitgehend ersetzt.

Antiepileptika der ersten Wahl (fokale Epilepsien)

  • Lamotrigin
  • Levetiracetam
  • Lacosamid
  • Zonisamid
  • Eslicarbazepin

Antiepileptika der zweiten Wahl (fokale Epilepsien)

  • Carbamazepin
  • Cenobamat
  • Oxcarbazepin
  • Topiramat
  • Valproat
  • Gabapentin
  • Pregabalin

Antiepileptika der dritten Wahl (fokale Epilepsien)

Spezielle Medikamente

Als Weiterentwicklung von Levetiracetam wurde 2016 Brivaracetam auf dem Schweizer Markt eingeführt. Aufgrund der höheren Affinität zu den SV2A-Rezeptoren besteht im Vergleich zu Levetiracetam eine möglicherweise höhere antikonvulsive Wirksamkeit bei günstigerem Nebenwirkungsprofil, wobei bislang wenige Studien zum direkten Vergleich verfügbar sind. Kleinere nicht kontrollierte Cross-over-Studien weisen auf möglicherweise geringere neuropsychiatrische Nebeneffekte hin. Brivaracetam ist bisher lediglich als Add-on und nur für Epilepsien mit fokalen Anfällen zugelassen.

Im November letzten Jahres wurde mit Cenobamat ein weiteres Medikament zur Add-on-Therapie bei fokalen Epilepsien am amerikanischen Markt zugelassen.

Eine weitere neuere Substanz, deren Rolle in der Epilepsiebehandlung kontrovers diskutiert wird, ist Cannabidiol (CBD). CBD zeigte bei bestimmten, ansonsten schwer einstellbaren Epilepsiesyndromen (z.B. Dravet- oder Lennox-Gastaut-Syndrom) eine gewisse Wirksamkeit, wobei die Interaktion mit Clobazam in der Anfallsreduktion allenfalls eine wichtige Rolle spielen könnte. Kommerziell erhältliches Cannabidiol-Öl ist im Vergleich zu den Dosierungen in den Studien sehr viel tiefer dosiert und es kann daher bei «Selbstmedikation» mit CBD-haltigen Tropfen nicht von einer signifikanten antikonvulsiven Wirkung ausgegangen werden.

Pharmakogenetik

Ein vielversprechender, sich rasch entwickelnder Bereich ist die Pharmakogenetik. Trotz vergleichbarer demografischer und epileptischer Charakteristika sprechen Patienten häufig sehr disparat und individuell auf die antikonvulsive Behandlung an. Dabei spielt möglicherweise der genetische Hintergrund eine wichtige Rolle. Auch der teilweise interindividuell sehr verschiedenen Ausprägung der Nebenwirkungen könnte eine genetische Variabilität zugrunde liegen. Aktuelle Forschungsansätze zielen darauf ab, basierend auf Genomsequenzierung bzw.

Epilepsie im höheren Lebensalter

Epileptische Anfälle bei Menschen älter als 60 Jahre machen besonders dann Probleme in Diagnostik und Zuordnung, wenn die Diagnose Epilepsie bisher noch nicht gestellt war, also eine Altersepilepsie nach dem 60. Lebensjahr neu diagnostiziert wird. Die Differenzialdiagnose insbesondere zu transienten Ischämien des ZNS kann schwierig sein, besonders, wenn es selten Ereignisse gibt oder Menschen im höheren Lebensalter alleine leben. Wie oft es zu falsch positiven oder auch falsch negativen Diagnosen kommt, ist in großen Kollektiven bisher zwar nicht gut untersucht worden, in kleineren Kollektiven wird aber deutlich, dass diese Häufigkeit nicht gering ist, was auch der eigenen Erfahrung entspricht. Sehr kompliziert kann es bei dementen älteren Menschen werden, bei denen die Eigenanamnese nicht mehr gut verwertbar ist und man sehr auf exakte Fremdbeschreibung angewiesen ist. Problematisch im Alter sind v. a. Anfälle mit Sturz und große Anfälle, auch im Schlaf, weil sie vital bedrohend sind. Auch wenn die Gruppe der Menschen im höheren Lebensalter nicht typischerweise von SUDEP („sudden unexpected death in epilepsy“) bedroht ist, so sind doch Folgen von schweren Anfällen oft folgenreich.

tags: #Semiologie #epileptischer #Anfälle