Die Small Fiber Neuropathie (SFN) ist ein Subtyp der Neuropathie, der durch eine selektive Beteiligung von nichtmyelinisierten oder dünnmyelinisierten sensorischen Fasern gekennzeichnet ist. Die Pathogenese umfasst eine breite Palette von immunvermittelten, metabolischen, toxischen, erblichen und genetischen Störungen. Die Neuropathie richtig zu erkennen, ist äußerst schwierig. Patienten haben daher bis zur korrekten Diagnose meist einen langen Leidensweg hinter sich. Gängige neurologische Untersuchungen zeigen bei Small Fiber keine auffälligen Befunde.
Ursachen und Zusammenhänge der Small Fiber Neuropathie
SFN wurde in Zusammenhang mit verschiedenen Erkrankungen beschrieben, darunter:
- Sjögren-Syndrom
- Zöliakie
- Systemischer Lupus Erythematodes (SLE)
- Rheumatoide Arthritis
- Diabetes Mellitus Typ 1
- Entzündliche Darmerkrankung
- Sarkoidose
- Paraneoplastische Syndrome
- Hashimoto-Thyreoiditis
Einige Daten vermuten auch eine Assoziation mit Hashimoto-Thyreoiditis. Die häufigsten Auslöser für eine Small Fiber Neuropathie sind Diabetes mellitus und eine gestörte Glukosetoleranz. Zu der langen Liste möglicher Ursachen zählen auch Alkoholmissbrauch, Medikamente wie Chemotherapeutika, Infektionen sowie Auto-Immunerkrankungen wie das Sjögren-Syndrom, Zöliakie und monoklonale Gammopathie.
Autoantikörper bei Small Fiber Neuropathie
Auto-Antikörper gegen Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor-3 (FGFR3-IgG) und TriSulfatHeparinDiSaccharid (TSHDS-IgM) sind bei SFN erhöht.Auto-Antikörper spielen eine Rolle bei verschiedenen Erkrankungen, die mit SFN assoziiert sind. Hier eine Übersicht relevanter Autoantikörper und ihrer Bedeutung:
- ACE2-AK (ACE-II-Auto-Antikörper): Diese Antikörper sind gegen den Angiotensin-Converting-Enzyme II (ACE-II)-Rezeptor gerichtet. ACE-II spielt eine zentrale Rolle im Renin-Angiotensin-System (RAS), das den Blutdruck und die Flüssigkeitshomöostase im Körper reguliert. Auto-Antikörper gegen ACE-II weisen auf eine Autoimmunreaktion hin und sind an der Entstehung und dem Fortschreiten von verschiedenen entzündlichen und kardiovaskulären Erkrankungen beteiligt. Bei ca. 10% der Patienten, die COVID-19 überstanden haben, wurden Auto-Antikörper gegen ACE2 nachgewiesen.
- MAS1-Rezeptor-AK: Der MAS1-Rezeptor ist ein G-Protein-gekoppelter Rezeptor, der in vielen Geweben des Körpers vorkommt, insbesondere in kardiovaskulären Geweben und Nierengewebe. MAS1-Auto-Antikörper führen zu Vaskulitiden oder Bluthochdruck und sind assoziiert mit Herzinsuffizienz, Herzinfarkten und Schlaganfällen.
- PAR-1-AK (Protease-aktivierter-Rezeptor-1): PAR1 spielt eine Schlüsselrolle in verschiedenen physiologischen Prozessen wie der Blutgerinnung, Zellmigration und Entzündungsreaktionen. PAR1-Antikörper stören die physiologische Funktionalität des PAR1-Rezeptors und führen dadurch zu verschiedenen Krankheitsbildern, wie etwa Blutgerinnungsstörungen oder kardiovaskulären und entzündlichen Erkrankungen.
- CXCR3-Rezeptor-AK: CXCR3 (C-X-C-Chemokinrezeptor Typ 3) ist ein G-Protein-gekoppelter Rezeptor, der eine Schlüsselrolle beim Transport von Immunzellen, bei Entzündungen und bei der Immunüberwachung spielt. Sind CXCR3-Auto-Antikörper gegen den CXCR3-Rezeptor gerichtet, können sie die Migration von Immunzellen ins Herzgewebe fördern und so die Entzündungsreaktion verschärfen.
- Stab1-AK: Stabilin-1 spielt eine wichtige Rolle bei der Erkennung und Clearance von Abfallstoffen, zellulären Trümmern und apoptotischen Zellen sowie bei der Regulierung von Entzündungsprozessen in den Blutgefäßen und hat eine protektive Wirkung bei Arteriosklerose. Auto-Antikörper gegen Stabilin-1 beeinträchtigen diese Funktion, was zu einer Ansammlung von Zelltrümmern führt.
- Serotonin 5HT-2A: Der 5-HT2A-Rezeptor ist ein Subtyp der Serotoninrezeptorfamilie und spielt sowohl im zentralen Nervensystem (ZNS) als auch in peripheren Geweben eine wichtige Rolle. Er kommt in großen Mengen in der Großhirnrinde vor, insbesondere in Bereichen, die an der Wahrnehmung, Vorstellungskraft und Stimmungsregulierung beteiligt sind.
- GLP1-Rezeptor-AK: Der GLP1-R oder Glucagon-ähnliche Peptid-1-Rezeptor ist ein Protein, das eine enorme Rolle bei der Regulierung des Blutzuckers und des Appetits spielt.
- GLP2-Rezeptor-AK: Der GLP2-R (Glucagon-like Peptide-2-Rezeptor) ist ein G-Protein-gekoppelter Rezeptor (GPCR), der eine zentrale Rolle im Darmwachstum, der Nährstoffaufnahme und der Schleimhautintegrität spielt.
- NMDA-Rezeptor-1-AK: Der NMDA-Rezeptor, auch bekannt als GluN, ist ein ionotroper Glutamatrezeptor im Gehirn. Jeder funktionsfähige NMDA-Rezeptor enthält zwei GluN1-Einheiten.
- NMDA-Rezeptor-2b-AK: NMDA-R2B, auch bekannt als GluN2B, ist eine Untereinheit des NMDA-Rezeptors (N-Methyl-D-Aspartat), einem ionotropen Glutamatrezeptor im Gehirn. Er spielt eine zentrale Rolle bei der synaptischen Übertragung, der Plastizität und der neurologischen Entwicklung.
- NMDA-Rezeptor-2c-AK: NMDA-R2C, auch bekannt als GluN2C, ist eine der Untereinheiten, aus denen der NMDA-Rezeptor besteht, ein Schlüsselakteur bei der exzitatorischen Neurotransmission und der synaptischen Plastizität im Gehirn.
- Nikotinerge Rezeptor-1-AK: Der Begriff „Nikotin-Rezeptor-1 (N1R)“ bezieht sich auf die α1-Untereinheit des nikotinischen Acetylcholinrezeptors (nAChR). Autoantikörper, die auf diesen Rezeptor abzielen, sind ein Kennzeichen der Myasthenia gravis, einer neuromuskulären Autoimmunerkrankung.
- Nikotinerge Rezeptor-2-AK: Der N2R ist der Subtyp des nikotinischen Acetylcholinrezeptors α4β2 (nAChR), der zu den am häufigsten vorkommenden und am besten erforschten neuronalen Nikotinrezeptoren im Gehirn gehört.
- Nikotinerge Rezeptor-7-AK: Der nikotinische Rezeptor 7, genauer bekannt als α7-nikotinischer Acetylcholinrezeptor (α7 nAChR), ist ein umfassend untersuchter Rezeptor im Nervensystem, dessen Funktionen von der Wahrnehmung bis hin zu Entzündungen reichen.
- AT2R-Antikörper: Der Angiotensin-II-Rezeptor Typ 2 (AT₂-Rezeptor) ist einer von zwei Hauptrezeptoren, über die das Hormon Angiotensin II im Körper wirkt.
- ETBR-Antikörper: Der ETB-Rezeptor (Endothelinrezeptor Typ B) ist ein Bestandteil des Endothelin-Systems, das eine zentrale Rolle bei der Regulation des Gefäßtonus, der Zellproliferation und sogar der Nervensystementwicklung spielt.
Symptome der Small Fiber Neuropathie
Die Small Fiber Neuropathie ist eine Erkrankung kleinster Nervenfasern, die vor allem unter der Haut angesiedelt sind. Diese sorgen für die Empfindsamkeit der Haut, können bei Small-Fiber-Patienten aber Symptome wie starkes Brennen, Ziehen oder Kribbeln auslösen. Die ersten Anzeichen einer Polyneuropathie zeigen sich vorrangig an den vom Rumpf am weitesten entfernten Stellen.
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Mögliche Symptome sind:
- Empfindungsstörungen
- Brennen in den Füßen und Beinen, seltener in Armen oder Fingern
- Kribbeln, Taubheits- oder Kältegefühl
- Unsicherer Gang
- Starkes Brennen, Ziehen oder Kribbeln
- Reduziertes Temperaturempfinden
- Schmerzen
Diagnostik der Small Fiber Neuropathie
Die Diagnose einer Small Fiber Neuropathie kann eine Herausforderung darstellen, da gängige neurologische Untersuchungen oft keine auffälligen Befunde zeigen. „Viele Patienten sind lange fehldiagnostiziert, weil man in den meisten Untersuchungen nichts findet.“ Eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit erfasst nur die großen Nervenbahnen und kann eine SFN nicht nachweisen.
Folgende diagnostische Verfahren können zur Anwendung kommen:
- Anamnese: Erfassung der Krankengeschichte, Symptome, Grunderkrankungen und Medikation.
- Klinische Untersuchung: Überprüfung von Reflexen, Temperatur-, Schmerz- und Vibrationsempfinden, Gleichgewicht, Stand, Gang und Muskelkraft.
- Spezielle Laboruntersuchungen: Bluttests auf spezifische Antikörper, Nüchternblutzucker, HbA1c, Leberwerte, Vitaminspiegel, Autoimmunserologie, Borrelien-Serologie, Immunelektrophorese.
- Neurographie: Unauffällige motorische und sensible Nervenleitgeschwindigkeitsmessung.
- Elektromyografie: Keine Zeichen einer floriden oder chronischen Denervierung.
- Schmerz-assoziierte evozierte Potenziale: Recht hohe Sensitivität.
- Corneale konfokale Mikroskopie: Automatisierte Auswertung, Messungen der Nervenfaserlänge, -dichte, vergleichsweise hohe Sensitivität.
- Quantitative sensorische Testung: Quantitative Bestimmung der klinischen Symptomatik, Untersuchung insgesamt wenig sensitiv.
- Quantitative sudomotor axon reflex testing (QSART): Sehr geringe Sensitivität.
- Laser-evozierte Potentiale: Reizung von A-Delta und C-Fasern, kortikales Potential entspricht A-Delta Faser-Aktivität.
- Hautstanzbiopsie: Messung der IENFD (intraepidermal nerve fiber density), reduzierte intraepidermale Nervenfasern Dichte bei ca. 80% der Fälle. Die Hautbiopsie gilt aktuell als aussagekräftig.
- Nervenbiopsie: Zur differenzialdiagnostischen Abklärung, insbesondere bei V.a. Vaskulitis.
- Bildgebung: Mittels hochauflösender Sonographie können Veränderungen in der Dicke eines Nervs detektiert werden.
- Liquordiagnostik: U.a.
CellTrend bietet ein Test-Panel für POTS-Patienten an. Neben den bei der CFS-Diagnostik aufgeführten Tests umfasst dieses Panel auch die Testung von anti-muskarinergen Acetylcholin Rezeptor 1 (M1)-Antikörpern, anti-muskarinergen Acetylcholin Rezeptor 2 (M2)-Antikörpern, anti-muskarinergen Acetylcholin Rezeptor 5 (M5)-Antikörpern, sowie die Testung von Alpha-1 adrenergen Rezeptor Auto-Antikörpern und Alpha-2 adrenergen Rezeptor Auto-Antikörpern. Das CellTrend POTS-Testprofil wurde um die AT1R-Ab Testung erweitert. Die Kosten betragen bei AT1R, ETAR, Beta-1, Beta-2, M1, M2, M3, M4 und M5 € 27,- pro Marker. Die Testung der Alpha-adrenergen Autoantikörper kostet je € 112,-. Die Kosten für das komplette Panel belaufen sich somit auf € 467,-. Gemeinsam mit Frau Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, Universitätsmedizin Charite Berlin, hat CellTrend ein Testsystem für die Diagnostik des Chronique Fatigue Syndroms / Myalgische Enzephalomyelitis (CFS / ME) entwickelt und validiert. Die Tests zur quantitativen Bestimmung von anti-b1-adrenergen Rezeptor Antikörpern, anti-b2-adrenergen Rezeptor Antikörpern, anti-muskarinergen Acetylcholin Rezeptor 3 (M3)-Antikörpern und anti-muskarinergen Acetylcholin Rezeptor 4 (M4)-Antikörpern stehen in unserem Labor zur Verfügung. Für die Einsendung von Proben (ACHTUNG: Nach Zentrifugation separiertes Serum, kein Vollblut oder Plasma) an das CellTrend Labor benutzen Sie bitte den folgenden Anforderungsschein.
Differentialdiagnostik
Wichtig ist die differenzialdiagnostische Abklärung, ob eine längenabhängige oder generalisierte SFN vorliegt.
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Therapie der Small Fiber Neuropathie
Gängige Schmerzmittel zeigen bei der Small Fiber Neuropathie keine Wirkung. Ist eine ursächliche Erkrankung wie Alkoholismus, Diabetes mellitus oder auch Hepatitis C bekannt, wird der Arzt diese behandeln, um die Neuropathie zu therapieren. Ist dies nicht möglich oder erfolgreich, können Medikamente wie Antiepileptika oder Antidepressiva das Schmerzempfinden der Patienten verbessern. Ohne Ursache kann eine Polyneuropathie nur symptomatisch behandelt werden. Da Toxine - wie zum Beispiel Alkohol, ein erhöhter Blutzucker und Rauchen - Nerven zusätzlich schädigen können, sollten diese Dinge vermieden werden.
Weitere Therapieansätze:
- Ursachenbehandlung: Bei Diabetes mellitus ist eine optimale Blutzuckereinstellung unerlässlich. Bei Alkoholismus ist eine sofortige, lebenslange Abstinenz angezeigt.
- Medikamentöse Therapie: Antidepressiva, Antiepileptika, Opioide (in schweren Fällen), Schmerzpflaster mit Capsaicin oder Lidocain.
- Cannabis: Der Einsatz von medizinischem Cannabis bei chronischen neuropathischen Schmerzen wird kontrovers diskutiert.
- Nicht-medikamentöse Therapie: Physiotherapie, transkutane Elektrostimulation (TENS), Ergotherapie (Desensibilierungsbehandlung zur Reduktion von Schmerzen).
- Selbsthilfemaßnahmen: Entspannungsverfahren, Kälteanwendungen, regelmäßige Bewegung, ausgewogene Ernährung, Fußpflege, geeignetes Schuhwerk.
Verlauf und Heilungschancen
Viele Polyneuropathien weisen einen chronischen Verlauf auf und begleiten Betroffene über eine lange Zeit. Ob eine Rückbildung möglich ist, können im individuellen Fall nur die behandelnden Ärzte abschätzen. An behandelbare Ursachen denken! Diagnose sollte im Verlauf erneut überprüft werden!
Leben mit Small Fiber Neuropathie
Die Symptome der Small Fiber Neuropathie können die Lebensqualität beeinträchtigen. Es gibt jedoch verschiedene Möglichkeiten, den Alltag besser zu bewältigen:
- Selbsthilfegruppen: Austausch mit anderen Betroffenen.
- Ernährung: Ausgewogene Ernährung, ggf. Nahrungsergänzung bei nachgewiesenem Mangel.
- Bewegung: Moderate Ausdauertraining und Krafttraining.
- Fußpflege: Regelmäßige medizinische Fußpflege beim Podologen.
- Hilfsmittel: Geeignetes Schuhwerk, Hilfsmittel zur Erleichterung des Alltags.
- Schwerbehindertenausweis: Bei erheblichen Beeinträchtigungen kann ein Schwerbehindertenausweis beantragt werden.
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