Spanische Grippe und das erhöhte Parkinson-Risiko: Eine umfassende Analyse

Die Parkinson-Krankheit, auch Morbus Parkinson genannt, ist eine neurodegenerative Erkrankung, die vor allem ältere Menschen betrifft. Die Prävalenz wird sich Hochrechnungen zufolge von aktuell 150 auf 100.000 Einwohner im Jahr 2040 nahezu verdoppeln. Die Ursachen sind vielfältig, wobei neben genetischen Faktoren auch Umweltfaktoren wie Pestizide, Herbizide, Kopfverletzungen, Diabetes mellitus und Virusinfektionen eine Rolle spielen.

Parkinson-Krankheit: Ursachen und Symptome

Die Parkinson-Krankheit tritt im höheren Lebensalter häufiger auf, wobei Neuroleptika extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen ähnlich einem Parkinson verursachen können. In schätzungsweise 15-20 % der Fälle sind genetische Ursachen verantwortlich. Auch Diabetes mellitus und andere Gefäßrisikofaktoren können die Krankheit triggern. Zunehmend gibt es Hinweise darauf, dass Virusinfektionen für das Auslösen von Parkinson verantwortlich sein können.

Die Erkrankung beginnt schleichend, oft Jahrzehnte vor den ersten motorischen Symptomen, mit nicht-motorischen Symptomen wie Hyposmie (verminderter Geruchssinn), Obstipationsneigung, Depression und/oder REM-Schlaf-Verhaltensstörung. Definiert wird die Parkinson-Krankheit anhand von motorischen Symptomen, nämlich Bradykinese (Verlangsamung der Bewegungen), in Kombination mit Rigor (Muskelsteifheit) oder Ruhetremor (Zittern in Ruhe) oder beidem.

Im Verlauf der Erkrankung treten neben beidseitigem Rigor, Tremor und Bradykinese auch Gangstörungen, Freezing (plötzliches Anhalten beim Gehen) mit Startstörung, posturale Instabilität (Gleichgewichtsstörungen), kognitive Defizite (bis hin zur Demenz) und Halluzinationen auf. Weitere Probleme sind orthostatische Dysregulation (Blutdruckabfall beim Aufstehen), motorische Wirkfluktuationen und nicht-motorische OFF-Phänomene (Angst, Depression).

Die Spanische Grippe als möglicher Auslöser von Parkinson

In Europa verursachte vor knapp 100 Jahren die Spanische Grippe mit dem Influenzavirus (Subtyp A/H1N1) enzephalitische Formen der Parkinsonkrankheit. Daraufhin wurden in Europa erste Parkinsonfachkliniken eingerichtet. Die Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel wurde 1937 gegründet und ist die älteste und größte deutsche Parkinsonfachklinik.

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Die Verbindung zwischen der Spanischen Grippe und Parkinson wurde bereits in den 1920er Jahren beobachtet. Nach der Pandemie kam es zu einem gehäuften Auftreten von Parkinson-ähnlichen Krankheitsbildern. Die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit einem post-enzephalitischen Parkinsonismus zwischen 1925 und 1938 wird allein für die USA auf knapp 15.000 geschätzt.

Aktuelle Forschungsergebnisse und Erkenntnisse

Eine neue Untersuchung von Noelle Cocoros und Kollegen von der Harvard Medical School in Boston, die Daten aus dem zentralen dänischen Personenregister nutzte, zeigte einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer Parkinson-Erkrankung und einer mindestens zehn Jahre vor der Parkinson-Diagnose aufgetretenen Influenza-Infektion.

Richard Smeyne und sein Team von der University of Tennessee berichteten in der Fachzeitschrift npj Parkinson’s Disease, dass eine Infektion mit H1N1 (Schweinegrippe) bei Mäusen, die mit einem Neurotoxin behandelt wurden, den Verlust an dopaminergen Neuronen wesentlich beschleunigt. Die Forscher vermuten, dass eine unspezifische Entzündungsreaktion durch das Virus die Ursache sein könnte.

Eine Vergleichsstudie, die 10.271 Personen mit einer Parkinson-Erkrankung mit 51.355 gesunden Personen gleichen Alters und Geschlechts verglich, ergab, dass die Parkinson-Patienten zu 73 Prozent häufiger vor zehn oder mehr Jahren an Influenza erkrankt waren als die Vergleichsgruppe. Lag die Grippe mehr als 15 Jahre zurück, so war das Risiko sogar um 91 Prozent erhöht.

Mögliche Mechanismen und Risikofaktoren

Die genauen Mechanismen, die hinter dem Zusammenhang zwischen Virusinfektionen und Parkinson stehen, sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass Virusinfektionen nicht direkt zu neurodegenerativen Erkrankungen führen, sondern das Gehirn anfälliger für andere Risikofaktoren machen.

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Eine Hypothese besagt, dass die durch das Virus ausgelösten Reaktionen der Gehirnzellen diese anfälliger für künftige Angriffe machen, was das Parkinson-Risiko erhöht. In einer Studie fanden Forscher erhöhte Level sogenannter Mikroglia in den Basalganglien der mit dem Coronavirus infizierten Mäuse.

Als Risikofaktor für die Entstehung der Parkinson-Krankheit gelten unter anderem Mutationen im Gen des lysosomalen Enzyms Glukocerebrosidase (GBA), die zur Anreicherung von α-Synuclein im Gehirn beitragen.

Differenzialdiagnose und Zusatzuntersuchungen

Bei Verdacht auf eine Parkinsonkrankheit oder ein atypisches Parkinsonsyndrom sollte eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes erfolgen, um andere Ursachen wie vaskuläre Enzephalopathie, Normaldruckhydrozephalus oder Tumore auszuschließen. Bei den atypischen Parkinsonsyndromen können Veränderungen gesehen werden, die diagnostisch in der Einordnung helfen: Bei der PSP kommt es zu einer Mittelhirnatrophie, bei der CBD zu einer asymmetrischen kortikalen Atrophie und bei der MSA zu Eisenablagerungen in den Basalganglien und /oder Gliosen im Hirnstamm bzw. Kleinhirn.

Eine Dopamintransporter-Szintigraphie hilft nicht bei der Differenzierung zwischen Parkinsonkrankheit und atypischen Parkinsonsyndromen, kann aber bei frühen Parkinsonsyndromen sinnvoll sein, wenn die Klinik und das Ansprechen auf dopaminerge Medikamente nicht eindeutig sind. Auch die Objektivierung der Riechstörung mittels speziellen Riechtests und die REM-Schlaf-Verhaltensstörung mittels video-gestützter Polysomnographie (PSG) können die Diagnose untermauern.

Therapie der Parkinson-Krankheit

Therapeutisch steht eine große Auswahl an dopaminergen Substanzen zur Verfügung, die je nach Stadium, Alter der Patienten, Komorbiditäten und Komedikation individuell angepasst werden können. Dazu gehören Levodopa, Dopaminagonisten, COMT-Hemmer, MAO-B-Hemmer und NMDA-Rezeptor-Antagonisten.

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Die COVID-19-Pandemie und die mögliche "Dritte Welle"

Angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie warnen Experten vor einer möglichen "Dritten Welle" von neurodegenerativen Folgeerkrankungen. Es wird diskutiert, ob eine Corona-Infektion, zum Beispiel durch Schädigung der Riechnerven, einen Prozess anstoßen kann, der schließlich zu einem weitergehenden Untergang von Nervenzellen führt.

Die Patientenorganisationen YUVEDO Foundation, Deutsche Parkinsonvereinigung Bundesverband e.V. (DPV) und der Bundesverband Parkinson Youngster für Selbsthilfe und Bewegungsstörungen e.V. fordern deshalb zusammen mit erfahrenen Neurologen, einen Teil der Finanzmittel aus den deutschen und europäischen Konjunktur- und Forschungspaketen für die intensivierte Erforschung und Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen zu verwenden.

Prävention und Ausblick

Eine jährliche Grippeimpfung könnte möglicherweise mehr als nur den Schutz vor einer Virusgrippe bieten und das Risiko, später an Parkinson zu erkranken, verringern. Weitere Forschung und Studien sind jedoch erforderlich, um diese Erkenntnisse zu untermauern.

Es ist wichtig, die verschiedenen, vermutlich heterogenen, kausalen Ursachen von neurodegenerativen Erkrankungen zu entschlüsseln und in kausale Therapien zu investieren, die auf eine Heilung und nicht nur auf eine symptomatische Behandlung abzielen.

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