Die Spezialambulanz für Anfallserkrankungen, insbesondere Epilepsie, ist eine spezialisierte Einrichtung innerhalb der Neurologie, die sich der umfassenden Betreuung von Patienten mit Epilepsie und anderen Anfallserkrankungen widmet. Diese Ambulanzen spielen eine wichtige Rolle bei der Diagnostik, Therapie und Beratung von Patienten, um eine optimale Lebensqualität trotz der Erkrankung zu ermöglichen.
Aufgaben und Schwerpunkte der Spezialambulanz
Die Hauptaufgabe der Spezialambulanz liegt in der Betreuung von Patienten, die an Epilepsie leiden und eine medikamentöse Behandlung zur Verhinderung weiterer Anfälle erhalten. Ein regelmäßiger Arzt-Patienten-Kontakt, eine sorgfältige Überwachung der Medikamentenwirkungen und eine genaue Auswertung der Befunde im Elektroenzephalogramm (EEG) sind grundlegende Voraussetzungen für einen dauerhaften Therapieerfolg.
Diagnostik
- Anamnese und neurologische Untersuchung: Die Grundlage jeder Behandlung bildet eine ausführliche Anamnese, in der die Krankengeschichte des Patienten erfasst wird, einschließlich der Schilderung der Anfälle durch den Patienten selbst und durch Angehörige oder Bekannte, die die Anfälle beobachtet haben. Eine neurologische Untersuchung ergänzt die Anamnese.
- EEG-Diagnostik: Die Elektroenzephalographie (EEG) spielt eine zentrale Rolle bei der Diagnose von Epilepsie. In der Spezialambulanz stehen verschiedene EEG-Verfahren zur Verfügung, einschließlich der Möglichkeit einer ausführlichen stationären EEG-Diagnostik, wie z.B. 24-Stunden-EEGs, um die maximal mögliche diagnostische Sicherheit zu erlangen.
- Neuroradiologische Bildgebung: Neben dem EEG kann auch eine neuroradiologische Bildgebung des Gehirns, wie z.B. eine MRT, durchgeführt werden, um die Ursache der Epilepsie zu identifizieren. In Zusammenarbeit mit der Abteilung für Neuroradiologie können spezielle Epilepsie-MRT-Sequenzen durchgeführt werden, die oft Aufschluss über die Ursache der Erkrankung geben.
- Genetische Testungen: In bestimmten Fällen können auch genetische Testungen veranlasst werden, um die Ursache der Epilepsie weiter einzugrenzen.
Therapie
- Medikamentöse Behandlung: Der größte Teil der Epilepsiepatienten wird durch die Einnahme von Medikamenten anfallsfrei und kann mit wenigen Einschränkungen ein normales Leben führen. In der Spezialambulanz stehen über 20 verschiedene Substanzen mit unterschiedlicher Wirkweise zur Verfügung, sodass die Auswahl der am besten passenden Medikation immer individuell getroffen werden muss.
- Operative Behandlungsverfahren: Im Rahmen des Epilepsie-Zentrums werden in Zusammenarbeit mit den Kollegen der Neurochirurgie auch operative Behandlungsverfahren eingesetzt, bei denen der Epilepsieherd aus dem Gehirn entfernt wird. Dies eignet sich besonders für Patienten, die trotz Behandlung mit mindestens zwei Medikamenten nicht anfallsfrei geworden sind (Pharmakoresistenz).
- Neuromodulative Behandlungen: Für Patienten, bei denen eine medikamentöse oder operative Behandlung nicht in Frage kommt, können neuromodulative Behandlungen wie EASEE (Epicranial Application of Stimulation Electrodes for Epilepsy), Vagusnerv-Stimulation und Tiefe Hirnstimulation eine Option sein.
- Teilnahme an Therapiestudien: In Entwicklung befindliche Medikamente oder Hirnstimulationsverfahren werden im Rahmen kontrollierter Therapiestudien eingesetzt. Patienten, die an einer Behandlung mit neuen Medikamenten im Rahmen einer Studie interessiert sind, können sich in der Spezialambulanz informieren.
Beratung
- Individuelle Beratung: Die Spezialambulanz bietet eine individuelle Beratung zu allen Fragen, die mit der Erkrankung in Zusammenhang stehen. Dazu zählen auch Fragen der Lebensplanung und sozialmedizinische Aspekte wie Beruf und Fahrtauglichkeit sowie Fragen zu Fertilität und Schwangerschaft.
- Beratung in besonderen Lebenssituationen: Die Spezialambulanz betreut und berät Patienten in besonderen Lebenssituationen, wie z.B. bei geplanter Schwangerschaft.
- Sozialmedizinische Aspekte: Auch sozialmedizinische Aspekte wie Beruf und Fahrtauglichkeit werden in der Spezialambulanz berücksichtigt.
Zielgruppen der Spezialambulanz
Die Epilepsie-Spezialambulanz richtet sich vor allem an Menschen mit einer noch unklaren oder schwierig zu behandelnden Epilepsieerkrankung. Insbesondere werden folgende Patientengruppen betreut:
- Patienten mit erstmaligem epileptischen Anfall, bei denen das Risiko neuer Anfälle und die Notwendigkeit einer medikamentösen Therapie geklärt werden soll.
- Patienten, bei denen nach fachärztlich-neurologischer Beurteilung keine Eindeutigkeit besteht oder bei denen trotz fachneurologischer Behandlung mit anfallssuppressiver Medikation keine Anfallsfreiheit bei gleichzeitiger Nebenwirkungsfreiheit erreicht wird.
- Patienten mit therapieresistenter Epilepsie, bei denen die Medikation verbessert werden kann oder andere Therapieformen (z.B. Epilepsie-Chirurgie, Stimulationsverfahren) möglich sind.
- Patienten mit Mehrfachbehinderung, bei denen häufig eine Epilepsie auftritt.
- Patienten in besonderen Lebenssituationen, wie z.B. bei geplanter Schwangerschaft.
- Patienten nach einem stationären Aufenthalt.
- Patienten ab dem Alter von 14 Jahren, in potentiell epilepsiechirurgisch relevanten Fällen.
interdisziplinäre Zusammenarbeit
Durch die enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachrichtungen, wie der Neurochirurgie, Neuroradiologie und Kinder- und Jugendmedizin, kann eine umfassende Beratung und Betreuung von Epilepsie-Patienten angeboten werden.
Ziele der Behandlung
Die Ziele der multimodalen Behandlung in der Spezialambulanz sind:
Lesen Sie auch: Angebote der Neurologie Tübingen
- Anfallsfreiheit bzw. bei therapieresistenter Epilepsie, die Anzahl schwerer Anfälle mit erhöhter Verletzungsgefahr zu minimieren.
- Die bestmögliche Verträglichkeit der Medikamente.
- Die Behandlung von psychischen oder sozialen Problemen sowie Beeinträchtigungen der Alltagsfunktionen.
- Die Beurteilung von Fahreignung und Berufsfähigkeit.
- Die Klärung der Möglichkeit von nicht-medikamentösen Therapien (Epilepsiechirurgie, Stimulationsverfahren wie Vagus-Nerv-Stimulator).
- Eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität.
Narkolepsie
Neben der Behandlung von Epilepsie kann die Spezialambulanz auch Anlaufstelle für Patienten mit Narkolepsie sein. Bei der Narkolepsie handelt es sich um eine Schlafstörung, die mit einem gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus einhergeht und zu einer ganztägig erhöhten Schläfrigkeit mit wiederkehrendem Schlafzwang führt. Zusätzlich kann es zu - meist durch Gefühle ausgelöste - Verlusten des Muskeltonus kommen, was zu plötzlichem Einknicken der Beine bis hin zu Stürzen bei den Betroffenen führen kann.
Lesen Sie auch: Neurologie vs. Psychiatrie
Lesen Sie auch: Expertise in Neurologie: Universitätsklinik Heidelberg
tags: #spezialambulanz #neurologie #epilepsie #ambulanz #was #ist