Sprachliche Merkmale der Alzheimer-Krankheit

Die Alzheimer-Krankheit ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die Gedächtnis, Denken und Alltagsfähigkeiten beeinträchtigt. Der Verlauf ist individuell, folgt aber bestimmten Mustern. Neben den kognitiven Fähigkeiten ist auch die Sprache von den Veränderungen betroffen.

Stadien der Alzheimer-Krankheit und ihre Auswirkungen auf die Sprache

Der Verlauf der Alzheimer-Krankheit wird in verschiedene Stadien eingeteilt, die jeweils unterschiedliche Auswirkungen auf die sprachlichen Fähigkeiten haben.

1. Frühes Stadium (Leichte Kognitive Beeinträchtigung - MCI):

In dieser frühen Phase treten leichte Beeinträchtigungen des Denkens und Erinnerns auf, die im Alltag zunächst kaum einschränken. Menschen mit MCI nehmen Veränderungen manchmal selbst wahr, doch oft fallen sie zuerst Angehörigen auf. Betroffene können Schwierigkeiten haben, sich an Namen oder Termine zu erinnern, oder sie verlegen Gegenstände häufiger als zuvor. Auf sprachlicher Ebene können sich erste Anzeichen von Wortfindungsstörungen zeigen, die jedoch noch nicht gravierend sind.

2. Mittleres Stadium (Leichte Demenz):

In diesem Stadium zeigt sich zunehmend Vergesslichkeit im Alltag, insbesondere was das Kurzzeitgedächtnis betrifft. Es wird schwieriger, neue Informationen zu behalten. Gespräche sind anstrengender - oft fehlen Worte oder der Gedanke geht verloren. Gegenstände wie Schlüssel oder Brille werden häufiger verlegt. Hinzu kommen erste Probleme mit der Orientierung in Raum und Zeit. Viele alltägliche Aufgaben - wie einkaufen, kochen oder die Wäsche machen - gelingen noch gut. Viele Menschen mit Demenz merken nun deutlich, dass etwas nicht stimmt. Aus Scham oder Unsicherheit versuchen sie, ihre Schwierigkeiten zu verstecken. Sie ziehen sich zurück und meiden ungewohnte Situationen. Auch die Stimmung kann sich verändern: Manche Menschen sind leichter reizbar, andere traurig oder verunsichert. Sprachlich äußert sich dies in deutlichen Wortfindungsstörungen, Satzabbrüchen und Schwierigkeiten, Gesprächen zu folgen.

3. Fortgeschrittenes Stadium (Mäßige bis Schwere Demenz):

Jetzt wird die Krankheit deutlich sichtbar. Neben dem Kurzzeitgedächtnis ist nun auch das Langzeitgedächtnis beeinträchtigt. Viele Erinnerungen an das eigene Leben treten in den Hintergrund - zum Beispiel daran, welchen Beruf man ausgeübt hat oder ob man verheiratet war. Orientierungsprobleme, auch in vertrauter Umgebung. Bekannte Gesichter werden nicht mehr erkannt. Es kommt zu tiefgreifenden Veränderungen im Verhalten und im Wesen. Viele Erkrankte spüren einen ausgeprägten Bewegungsdrang und starke Unruhe. Die Orientierungslosigkeit und Hilflosigkeit der Betroffenen schlägt oft in Misstrauen, Reizbarkeit, Nervosität und aggressive Ausbrüche um. Der Tag-Nacht-Rhythmus gerät aus dem Gleichgewicht, was zu Schlafstörungen führen kann. In diesem Stadium ist eine selbstständige Lebensführung nicht mehr möglich. Sprachlich zeigen sich schwere Beeinträchtigungen: Das Sprachverständnis nimmt ab, die Fähigkeit, sich sprachlich auszudrücken, ist stark reduziert. Es kommt zu häufigen Wiederholungen, unzusammenhängenden Sätzen und dem Verlust der Fähigkeit, Gespräche zu führen.

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4. Endstadium (Schwere Demenz):

Im Endstadium sind die Erkrankten vollständig auf Pflege angewiesen. Typische Veränderungen: Verlust der Sprache - nur noch einzelne Wörter oder Laute, keine sinnvolle Kommunikation mehr. Selbst engste Familienmitglieder werden nicht mehr erkannt. Völlige Orientierungslosigkeit, leben nur noch im unmittelbaren Moment. Inkontinenz - Kontrolle über Blase und Darm gehen verloren. Schluckstörungen, die die Nahrungsaufnahme erschweren. Im Endstadium haben Menschen mit Demenz ein zunehmend geschwächtes Immunsystem und werden anfälliger für Infektionen. Die sprachlichen Fähigkeiten sind auf ein Minimum reduziert. Die Kommunikation beschränkt sich auf einzelne Wörter, Laute oder nonverbale Signale.

Typische Sprachveränderungen bei Demenz

Die Alzheimer-Krankheit führt zu einer Reihe von typischen Sprachveränderungen, die sich im Laufe der Erkrankung verstärken.

  • Wortfindungsstörungen: Erkrankte suchen nach Wörtern oder ersetzen sie durch andere. Besonders schwer fallen den Patientinnen und Patienten relativ neu erlernte, weniger geläufige Wörter. Bei Tests mit Bildmotiven werden semantisch verwandte oder ähnliche Wörter genannt.
  • "Verwaschene" Sprache: Die Aussprache wird undeutlich oder "verschwommen".
  • Verständnisprobleme: Gesagtes wird nur teilweise oder gar nicht mehr erfasst.
  • Satzabbrüche: Gedanken bleiben unvollständig, Gespräche verlieren den Zusammenhang oder führen ins Leere.
  • Abnehmende Lese- und Schreibfähigkeiten: Das Erfassen von Texten oder das Schreiben von Wörtern wird schwieriger. Anzeichen einer beginnenden Demenz kann beispielsweise sein, dass das Lesen und Schreiben vermieden bzw. vernachlässigt wird.
  • Wechsel in eine frühere Muttersprache: Manche Menschen sprechen plötzlich in einer Sprache, die sie in der Kindheit gelernt haben.
  • Wiederholungen (Perseverationen): Betroffene wiederholen Wörter, Sätze oder Fragen immer wieder.
  • Echolalie: Nachsprechen von Wörtern oder Sätzen des Gesprächspartners.
  • Logorrhö: VermehrterRedefluss ohne klaren Inhalt.
  • Sprachverarmung: Reduktion des Wortschatzes und der Satzlänge.

Diagnostik sprachlicher Veränderungen

Die Indikation und Differenzierung von Defiziten bei Sprache als komplexe vielschichtige kognitive Leistung kann die klinische Diagnostik kognitiver Beeinträchtigungen und demenzieller Erkrankungen verbessern. Die Einordnung sprachlicher Divergenzen im Hinblick auf die Unterscheidung Frühsymptom oder geringe kognitive Reserve ist für das Verständnis kognitiver Alternsverläufe wichtig.

Um sprachliche Veränderungen bei Verdacht auf Demenz zu diagnostizieren, werden verschiedene Methoden eingesetzt:

  • Spontansprachanalysen: Analyse der Spontansprache des Patienten im Gespräch.
  • Sprachliche Tests: Überprüfung von Wortschatz, Sprachverständnis, Grammatik und anderen sprachlichen Fähigkeiten.
  • Anamnesegespräch: Ausführliches Gespräch mit dem Patienten und/oder Angehörigen, um die Krankheitsgeschichte und die Entwicklung der sprachlichen Veränderungen zu erfassen.
  • Neurologische Untersuchung: Untersuchung des Nervensystems, um andere Ursachen für die Sprachstörungen auszuschließen.

Bedeutung der Sprache für die Identität und Kommunikation

Sprache ist ein wichtiger Baustein der Identität und ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen. Bei einer Demenz treten zunehmend sprachliche Beeinträchtigungen auf, die der Erfüllung dieses Grundbedürfnisses nach Kommunikation im Wege stehen. Kommunikation ist ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen.

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Therapeutische Ansätze

Auch wenn die Alzheimer-Krankheit nicht heilbar ist, gibt es verschiedene therapeutische Ansätze, die darauf abzielen, die sprachlichen Fähigkeiten und die Kommunikationsfähigkeit der Betroffenen so lange wie möglich zu erhalten und zu verbessern.

  • Sprachtherapie: Die Sprachtherapie ist kompetenzerhaltend ausgerichtet, d.h. sie versucht, die vorhandenen sprachlichen Fähigkeiten zu erhalten und zu fördern. Sie kann auch dazu beitragen, Kompensationsstrategien zu entwickeln, um den Alltag trotz der sprachlichen Einschränkungen besser zu bewältigen.
  • Kommunikationstraining für Angehörige: Angehörige lernen, wie sie besser mit Menschen mit Demenz kommunizieren können, um Missverständnisse zu vermeiden und die Beziehung zu stärken.
  • Validation: Validation bedeutet, den Menschen dort abzuholen, wo er sich in seiner Wahrnehmung befindet - nicht mit Fakten, sondern mit Verständnis. Menschen mit Alzheimer nehmen oft nicht mehr jedes Wort genau wahr - aber sie spüren, wie etwas gesagt wird. Ein ruhiger Tonfall, Blickkontakt und eine offene Haltung können Vertrauen und Sicherheit vermitteln.
  • Milieutherapie: Anpassung der Umgebung an die Bedürfnisse des Menschen mit Demenz, um ihm Sicherheit und Orientierung zu geben. Ein wichtiger Punkt ist, die Umgebung ihm anzupassen statt zu versuchen, ihn zu verändern.
  • Schlucktherapie: Bei Schluckstörungen, die bei an Demenz Erkrankten zunehmend beeinträchtigt sein können, ist eine Schlucktherapie angezeigt.

Tipps für die Kommunikation mit Menschen mit Demenz

  • Sprechen Sie langsam und deutlich: Verwenden Sie kurze, einfache Sätze und wiederholen Sie wichtige Informationen bei Bedarf.
  • Verwenden Sie eine klare Körpersprache: Mimik und Gestik können helfen, das Gesagte zu unterstützen und das Verständnis zu erleichtern.
  • Halten Sie Blickkontakt: Blickkontakt signalisiert Aufmerksamkeit und Wertschätzung.
  • Hören Sie aufmerksam zu: Auch wenn die Sprache des Betroffenen undeutlich oder zusammenhanglos ist, versuchen Sie, den Sinn zu verstehen.
  • Seien Sie geduldig: Geben Sie dem Betroffenen Zeit, zu antworten, und unterbrechen Sie ihn nicht.
  • Vermeiden Sie Korrekturen: Weisen Sie den Betroffenen nicht auf seine Fehler hin, sondern akzeptieren Sie seine Äußerungen, auch wenn sie nicht ganz richtig sind.
  • Nutzen Sie nonverbale Kommunikation: Berührungen, Musik oder Bilder können helfen, eine Verbindung herzustellen und Emotionen auszudrücken.
  • Schaffen Sie eine ruhige Umgebung: Lärm und Ablenkungen können die Kommunikation erschweren.
  • Beziehen Sie sich auf die Realität des Betroffenen: Versuchen Sie nicht, den Betroffenen in die "richtige" Realität zurückzuholen, sondern gehen Sie auf seine Wahrnehmung ein.
  • Bewahren Sie eine positive Grundhaltung: Lachen Sie gemeinsam, erinnern Sie sich an schöne Erlebnisse und zeigen Sie dem Betroffenen, dass er geliebt und wertgeschätzt wird.

FOCUSED-Methode

In den 90er-Jahren entstand in den USA eines der ersten Programme für eine verbesserte Kommunikation mit dementen Menschen. Die wesentlichen Empfehlungen für einen erfolgreichen Austausch mit den Betroffenen fasst das Akronym FOCUSED zusammen.

  • F = Face to face: Blickkontakt aufnehmen, die Person auf sich aufmerksam machen
  • O = Orientation: wichtige Begriffe und Sätze mehrfach wiederholen, der Person Zeit geben, das Gesagte zu verstehen
  • C = Continuity: Gesprächsthemen nicht abrupt wechseln, ein neues Thema vorher ankündigen
  • U = Unsticking: Unterstützen bei Wortfindungsproblemen, indem man den Satz der Person mit dem korrekten Wort paraphrasiert: „Meinst du …?“
  • S = Structure: Möglichst kurze, geschlossene Fragen stellen; so kann die demente Person einfache Antworten geben. Entscheidungen auf zwei Optionen begrenzen: Dies oder das?
  • E = Exchange: Gespräche mit angenehmen, alltäglichen Themen beginnen; Fragen stellen, die Betroffene leicht verstehen und beantworten können; Hinweise geben, wenn das Gegenüber Hilfe braucht, um die Antwort zu finden
  • D = Direct: kurze, einfache Sätze wählen, Gestik, Mimik und Bildsprache einsetzen

ABC-Methode

Diese Empfehlungen zu den Grundsätzen der Gesprächsführung mit Dementen lassen sich ergänzen durch die ABC-Methode. Diese lässt sich insbesondere in Situationen nutzen, in denen Betroffene aggressives Verhalten zeigen. Sie zielt darauf ab, ihnen das Gefühl zu geben, dass sie in ihrer Selbstständigkeit nicht infrage gestellt werden. Denn für einen dementen Menschen ist das Gefühl, ernst genommen zu werden, ebenso von Bedeutung wie das Gefühl, verstanden zu werden und selbstständig zu sein.

  • A = Avoid confrontation: Es ist nicht hilfreich, einen dementen Menschen auf seine Fehler hinzuweisen. Es soll eher versucht werden, dies zu umgehen und auszuweichen. Unwahre Aussagen sollten jedoch unterbleiben, sie würden eher verwirren als helfen.
  • B = Be practical: Pflegende sollen vorausschauend agieren. Wenn sie wahrnehmen, dass es zu einer schwierigen Situation kommen könnte, sollen sie ausweichen oder das Thema wechseln.
  • C = Clarify the feelings and comfort: Die Pflegenden sollen versuchen, die beobachteten Gefühle des dementen Menschen in Worte zu fassen und ihm tröstend zur Seite zu stehen. Häufig werden die Betroffenen in der Folge ruhiger und weniger ängstlich.

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