Die Alzheimer-Forschung hat sich in den letzten Jahren intensiviert, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten, die den Verlauf der Krankheit verlangsamen oder aufhalten können. Weltweit sind mehr als 55 Millionen Menschen von Demenz betroffen, und jährlich kommen schätzungsweise 10 Millionen neue Fälle hinzu. Dieser Artikel beleuchtet die neuesten Entwicklungen im Bereich der Alzheimer-Impfstoffe, wobei ein besonderer Fokus auf den Wirkstoffen Aducanumab und Lecanemab sowie auf vielversprechenden Forschungsansätzen wie der Nutzung von Diabetes-Medikamenten liegt.
Die Rolle von Eiweißablagerungen und Virusinfektionen
Ein Hauptaugenmerk der Demenzforschung liegt auf Eiweißablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten. Einige Forscher suchen jedoch auch nach anderen Ursachen, einschließlich der Rolle bestimmter Virusinfektionen. Ein interessanter Ansatzpunkt ist die Beobachtung, dass Menschen, die gegen Gürtelrose geimpft sind, seltener an Demenz erkranken.
Gürtelrose-Impfung und Demenzrisiko
Seit etwa 20 Jahren gibt es eine Impfung gegen Gürtelrose, die durch das Varizella-Zoster-Virus verursacht wird und älteren Menschen empfohlen wird. Frühere Studien deuteten bereits darauf hin, dass geimpfte Personen seltener an Demenz erkrankten. Eine Studie aus Wales nutzte ein Impfprogramm als natürliches Experiment, um die Wirkung des Impfstoffs isoliert zu betrachten. Dabei wurde festgestellt, dass der Impfstoff das Auftreten von Gürtelrose bei den Geimpften um etwa 37 % senken konnte. Zudem wurde bei geimpften älteren Erwachsenen seltener eine Demenz diagnostiziert. Es zeigte sich, dass der Schutz vor Demenz durch die Impfung bei Frauen stärker zu sein scheint als bei Männern.
Allerdings ist der Wirkmechanismus noch unbekannt. Es könnte sein, dass der Impfstoff das Immunsystem insgesamt ankurbelt oder speziell verhindert, dass das schlummernde Varizella-Zoster-Virus reaktiviert wird.
Aducanumab: Ein Hoffnungsschimmer mit Einschränkungen
Aducanumab ist ein Wirkstoff, der an Protein-Klumpen, sogenannte Amyloidplaques, bindet, die sich bei einer Alzheimer-Erkrankung im Gehirn ansammeln und die Nervenzellen beschädigen. Durch die Bindung von Aducanumab wird eine Immunantwort stimuliert und diese Ablagerungen werden abgebaut.
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Klinische Studien und Ergebnisse
Die Firma Biogen hatte den Wirkstoff Aducanumab in zwei Phase-3-Studien (Emerge und Engage) getestet. Eine erneute und erweiterte Analyse der Daten soll nun ergeben haben, dass der Antikörper - in hohen Dosen - in der Lage ist, den kognitiven Rückgang bei Alzheimer-Patienten im Frühstadium zu verringern. Biogen will für 2020 die Zulassung des Impfstoffes gegen Alzheimer bei den amerikanischen Zulassungsbehörden beantragen.
Allerdings sind die Ergebnisse der Studien noch nicht abschließend zu beurteilen. Der Studienerfolg muss vor dem Hintergrund eingeordnet werden, dass die Studie vorzeitig aufgrund einer Interimsanalyse abgebrochen wurde. Zudem zeigt der Wirkstoff nur bei einem bestimmten Patientenkreis - in hoher Dosis und im leichten Krankheitsstadium - Effekte. Aufgrund von Nebenwirkungen sei die Anwendung im Alltag kompliziert.
Lecanemab: Ein neuer Ansatz zur Verlangsamung der Krankheit
Ein weiterer vielversprechender Wirkstoff ist Lecanemab, der im April 2025 von der EU-Kommission für eine genau umrissene Gruppe von Patientinnen und Patienten mit Alzheimer im Frühstadium zugelassen wurde. Studien zufolge kann Lecanemab bei frühzeitiger Anwendung das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Lecanemab ist ein Antikörper-Wirkstoff, der gezielt eine Vorstufe der für Alzheimer typischen Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab beziehungsweise verhindert die Bildung neuer Plaques.
Einschränkungen und Anwendungsbedingungen
Zugelassen ist Lecanemab nur zur Behandlung von leichter kognitiver Beeinträchtigung oder leichter Demenz in einem frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit. Hinzu kommt eine weitere Einschränkung: Das Mittel soll nur für diejenigen Alzheimer-Patienten verwendet werden, die eine oder keine Kopie von ApoE4, einer bestimmten Form des Gens für das Protein Apolipoprotein E, haben.
Experten schätzen, dass letztlich nur ein sehr kleiner Teil der geschätzt etwa 1,2 Millionen Alzheimer-Erkrankten in Deutschland für die neue Therapie infrage kommt. Bei Frauen ist der beobachtete klinische Effekt allerdings noch einmal deutlich geringer als bei Männern, ihr Risiko für Nebenwirkungen hingegen höher.
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Nebenwirkungen und Sicherheitsvorkehrungen
In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf - darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Diese waren in den meisten Fällen symptomlos, wurden aber engmaschig kontrolliert. Das Risiko für solche Nebenwirkungen hängt stark vom ApoE4-Gen ab: Menschen mit zwei Kopien dieses Gens sind besonders gefährdet und daher von der Behandlung ausgeschlossen.
Vor der Behandlung gelten besondere Auflagen: Patientinnen und Patienten sowie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte müssen sich in ein EU-weites Register einschreiben. Zusätzlich erhalten die Erkrankten eine Patientenkarte und ausführliche Aufklärungsunterlagen, die von den Behörden genehmigt wurden.
Können Diabetes-Medikamente gegen Alzheimer helfen?
Ein weiterer vielversprechender Forschungsansatz ist die Nutzung von Diabetes-Medikamenten, insbesondere GLP-1-Agonisten wie Semaglutid (Ozempic), zur Behandlung von Alzheimer. In frühen Studien zeigte sich, dass GLP-1-Agonisten positive Effekte auf das Gehirn haben könnten. So wurde beobachtet, dass die Gabe von Semaglutid kognitive Fähigkeiten verbessern und schädliche Prozesse im Gehirn, die mit Alzheimer in Verbindung gebracht werden, verlangsamen kann. Dazu gehört die Reduktion von Entzündungen und die Verhinderung der Bildung der für Alzheimer typischen Beta-Amyloid-Plaques.
Gemeinsamkeiten zwischen Diabetes und Alzheimer
Bei Alzheimer verlieren die Gehirnzellen ihre Empfindlichkeit für Insulin. Dadurch können die Zellen weniger Glukose, also Zucker, aufnehmen, was zu einem Energiemangel führt. Ähnlich verhält es sich beim Typ-2-Diabetes, bei dem die Muskel- und Leberzellen unempfindlich gegen Insulin werden. Da Diabetes-Medikamente bereits dabei helfen, die Insulinresistenz bei Diabetes zu bekämpfen, gehen Forscherinnen und Forscher davon aus, dass sie auch bei Alzheimer hilfreich sein könnten.
Frühe Immuntherapie gegen Alzheimer: Ein Blick zurück
Bereits in der Vergangenheit gab es vielversprechende Ansätze zur Immuntherapie gegen Alzheimer. Eine internationale Phase-IIa-Studie mit dem Impfstoff AN1792 (QS-21) wurde jedoch wegen Nebenwirkungen abgebrochen. Trotzdem zeigten Follow-up-Daten, dass sich die Gedächtnisleistung der ersten Patienten, die den therapeutischen Impfstoff erhalten hatten, binnen eines Jahres kaum verschlechtert hatte.
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Herausforderungen und Ausblick
Die Forscher warnen jedoch vor verfrühten Hoffnungen: Die Ergebnisse sind wegen der kleinen Anzahl von Versuchsteilnehmern noch nicht besonders aussagekräftig und müssen in größeren Studien bestätigt werden. Zudem sind die Nebenwirkungen von AN 1792 zu groß, um eine Zulassung zu beantragen.
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