Muskelkrämpfe sind ein weit verbreitetes Phänomen, das viele Menschen betrifft. Laut einer Umfrage leiden 75 % der Deutschen darunter. Sie können in verschiedenen Muskelgruppen auftreten und unterschiedliche Ursachen haben. Die Häufigkeit von Muskelkrämpfen nimmt mit dem Alter zu, kann aber auch schon in jungen Jahren auftreten. Über 90 % der jungen Erwachsenen berichten von vereinzelt auftretenden Krämpfen der Muskulatur.
Was sind Muskelkrämpfe?
Ein Muskelkrampf ist eine plötzliche, unkontrollierte Kontraktion eines Muskels oder einer Muskelgruppe. Meistens treten diese Krämpfe in Ruhe auf, besonders häufig nachts, und betreffen dabei vor allem die Waden. Bei einem Krampf zieht sich der Muskel plötzlich und unwillkürlich zusammen, was sogar im Schlaf vorkommen kann. Diese Anspannung hält nur kurze Zeit an, ist jedoch meistens mit Schmerzen verbunden. Der Muskel lässt sich in der Regel durch Dehnung aus der Verkrampfung befreien. Während die Beinschmerzen bei einer peripheren arteriellen Verschluss-Krankheit (pAVK) durch eine mangelnde Durchblutung entstehen, haben echte Beinkrämpfe verschiedene Ursachen.
Ursachenforschung bei Muskelkrämpfen
Muskelkrämpfe können sehr belastend sein und die Lebensqualität Betroffener erheblich einschränken. Vor allem nächtliche Wadenkrämpfe können zu einem auch noch tagsüber anhaltenden Schmerz führen. Betroffene fühlen sich zudem durch die Störungen in der Nacht tagsüber oft müde und erschöpft.
Häufig versuchen Betroffene, ihre Muskelkrämpfe mithilfe von Hausmitteln in den Griff zu bekommen. Aufgrund der zahlreichen verschiedenen Ursachen für Krämpfe der Muskulatur kann es durchaus sinnvoll sein, eine Ärztin oder einen Arzt aufzusuchen. Nur diese können weiterführende Untersuchungen durchführen und so die individuelle Ursache der Muskelkrämpfe herausfinden sowie Ihnen eine effektive Behandlungsmethode empfehlen. Auch für eine wirksame Vorbeugung vor weiteren Muskelkrämpfen ist es wichtig zu wissen, warum diese entstanden sind.
Mögliche Ursachen ständiger Krämpfe
Warum man Krämpfe bekommt, kann individuell verschiedene Gründe haben. Wir geben Ihnen hier einen Überblick über die verschiedenen Ursachen von Muskelkrämpfen und darüber, wie sich diese auf den Körper auswirken können.
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Mineralstoffmangel
Für die Muskelarbeit, das heißt, das Zusammenziehen und anschließende Entspannen unserer Muskeln, sind Mineralstoffe, u.a. Kalium, Kalzium und Magnesium, notwendig. Sie sind an der normal ablaufenden Erregungsweiterleitung von den Nerven zu den Muskeln beteiligt. Gerät dieses Zusammenspiel durch den Mangel an einem Mineralstoff aus dem Gleichgewicht, kann es zu Muskelkrämpfen kommen. Eine häufige Ursache für Mineralstoffmangel ist eine falsche bzw. unausgewogene Ernährung. Zu einem Mangel kann es auch bei Sportlerinnen und Sportlern, Schwangeren oder Stillenden kommen, die einen erhöhten Mineralstoffbedarf haben.
Der bekannteste Mineralstoffmangel im Zusammenhang mit Krämpfen, vor allem Wadenkrämpfen, ist sicherlich der Magnesiummangel. Magnesium ist in der Muskulatur der natürliche Gegenspieler von Kalzium, das zur Muskelanspannung beiträgt. Magnesium ist verantwortlich dafür, dass weniger Kalzium in den Muskel einströmt und sich dieser wieder entspannen kann. Ist zu wenig Magnesium vorhanden, verkrampft sich der Muskel.
Dehydration und Flüssigkeitsverlust
In unserem Körper ist Wasser Bestandteil von Muskeln, Organen, Zellen und Knochen. Der körpereigene Wasserhaushalt sorgt dafür, dass über das Blut Nährstoffe zu Muskeln und Organen transportiert und Schadstoffe ausgeschwemmt werden. Bei einer zu geringen Flüssigkeitszufuhr bzw. einem übermäßigen Flüssigkeitsverlust, z. B. über den Schweiß, wenn eine körperliche Anstrengung in großer Hitze erfolgt, nimmt die Fließeigenschaft des Blutes ab. In der Folge verschlechtert sich die Durchblutung - auch der Muskeln - und damit die Versorgung mit Mineralstoffen, die für die Muskelfunktion essenziell sind. Außerdem gehen über den Schweiß auch u. a. Kalium, Kalzium und Magnesium verloren, sodass die Konzentration der Mineralstoffe im Körper in ein Ungleichgewicht gerät, was zu Muskelkrämpfen führen kann.
Eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme ist also wichtig, um den Körper optimal zu versorgen. Ein erwachsener Mensch sollte ca. 1,5 Liter Wasser am Tag trinken, bei sportlicher Betätigung oder warmen Temperaturen etwas mehr.
Überbelastung der Muskeln
Werden Muskeln, z. B. im Rücken, überlastet, kann dies zu Muskelkrämpfen führen. Ursache der Überlastung kann eine Überanstrengung, schlechte Körperhaltung oder ein Mangel an körperlicher Aktivität sein. Durch ein unzureichendes Aufwärmen vor dem Sport kann die Muskulatur sich verhärten und die Durchblutung der Muskeln behindert werden. Dies und vorbestehende Muskelverletzungen oder Muskelverspannungen können ebenfalls das Risiko für das Auftreten von Muskelkrämpfen während der körperlichen Aktivität erhöhen.
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Alkohol
Alkohol kann zu Muskelkrämpfen führen, vor allem, wenn er in größeren Mengen und regelmäßig getrunken wird. Die Ursachen dafür sind komplex. Zum einen kann Alkohol zu einem erhöhten Flüssigkeitsverlust führen, der sich wiederum negativ auf das Elektrolytgleichgewicht auswirken und somit Muskelkrämpfe verursachen kann. Gleichzeitig beeinträchtigt Alkohol die Aufnahme von Nährstoffen aus dem Darm, darunter Kalium, Kalzium und Magnesium, was das Auftreten von Muskelkrämpfen begünstigt. Zusätzlich kann Alkohol die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln stören, die Durchblutung und Sauerstoffversorgung der Muskulatur verringern und Entzündungen im Körper fördern - alles mögliche Ursachen für Muskelkrämpfe.
Schwangerschaft und Stillzeit
Viele Frauen leiden in der Schwangerschaft an - vor allem nächtlichen - Muskelkrämpfen. Ursache ist ein erhöhter Bedarf an Magnesium, um das gesunde Heranwachsen des ungeborenen Kindes sicherzustellen. Auch in der Stillzeit kann es häufiger zu Muskelkrämpfen kommen, da die stillende Frau nicht nur ihren eigenen Bedarf an Magnesium decken muss, sondern auch einen nicht unerheblichen Teil an ihr Kind weitergibt.
Medikamente
Auch Nebenwirkungen von Medikamenten können die Entstehung von Muskelkrämpfen begünstigen. Unter anderem bei den folgenden Medikamenten sind Wadenkrämpfe oder Krämpfe in anderen Körperregionen als Nebenwirkung möglich:
- Cholesterinsenker (Statine)
- Hormonelle Verhütungsmittel (z. B. Pille, Hormonspirale)
- Arzneimittel gegen Bluthochdruck (z. B. Kalziumkanalblocker, Betablocker, ACE-Hemmer, Diuretika)
- Bronchienerweiternde Mittel bei Asthma (Beta-2-Agonisten, β2-Mimetika)
- Chemotherapeutika
Krankheiten
Bestimmte Erkrankungen, die eine entscheidende Rolle in der Regulation des Mineralstoff- und Flüssigkeitshaushalts spielen, können zu Muskelkrämpfen führen, wie u. a.:
- Diabetes mellitus
- Nierenschwäche (Niereninsuffizienz)
- Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)
- Nerven- und Muskelerkrankungen (z. B. Polyneuropathie, amyotrophe Lateralsklerose)
Weitere Ursachen
Aber auch emotionaler oder psychischer Stress kann dazu führen, dass sich die Muskeln im Rücken verkrampfen.
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Spezialfall: Ursachen von Wadenkrämpfen
Wadenkrämpfe können neben den oben genannten noch weitere, spezifischere Ursachen haben. Zu diesen Ursachen zählen Vorerkrankungen der Gefäße wie z. B. Thrombose der tiefen Beinvenen, chronische Durchblutungsstörungen, Krampfadern in den Waden, aber auch orthopädische Probleme wie eine Fehlhaltung oder Erkrankungen des Skeletts.
Außerdem können Fußfehlstellungen Wadenkrämpfe begünstigen. Diese können angeboren sein, entstehen aber häufig erst im Laufe des Lebens durch falsches Schuhwerk. Zwängen beispielsweise zu enge Schuhe den Fuß stundenlang in eine Fehlstellung, kann die Reaktion des Körpers über das Fersenbein bis in die Wade reichen. In der Folge kann es zu Beschwerden wie Gehstörungen oder eben auch Wadenkrämpfen kommen.
Diagnose von Muskelkrämpfen
Normalerweise sind Muskelkrämpfe in den Beinen oder anderen Körperbereichen harmlos. Wenn die Krämpfe aber immer wiederkommen, ist es sinnvoll, eine hausärztliche Praxis aufzusuchen. Derdie ArztÄrztin kann unter anderem eine Blutuntersuchung vornehmen, um etwa die Konzentration der Elektrolyte zu bestimmen.
Sollte es jedoch zu einer deutlichen Zunahme der Häufigkeit von Muskelkrämpfen führen oder Muskelkrämpfe in ungewöhnlichen Körperregionen außerhalb der Waden und Füße, z.B. auch am Rumpf oder den oberen Extremitäten auftreten oder Muskelkrämpfe durch körperliche Aktion selbst ausgelöst werden und nicht nur in Ruhe auftreten, ist eine weitere Diagnostik durch den Neurologen erforderlich. Dies gilt insbesondere, wenn Muskelkrämpfe zusammen mit Faszikulationen oder Muskelschwäche auftreten, um zugrundeliegende neuromuskuläre Erkrankungen abzugrenzen und zu differenzieren.
Was tun bei akuten Muskelkrämpfen?
Beim akuten schmerzhaften Muskelkrampf hilft sofortige Dehnung. Falls Sie regelmäßig Medikamente einnehmen, überprüfen Sie diese auf Muskelkrämpfe als mögliche Nebenwirkung und besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob diese pausiert werden können. Reduzieren Sie ggf. Ihren Alkohol- und Koffeinkonsum.
Bei einem akuten Muskelkrampf, etwa nachts im Bett, kann in vielen Fällen Dehnung gegen die Verhärtung und den Schmerz helfen. Auch durch Massieren oder sanfte Belastung des Muskels lässt sich manchmal die Dauer des Krampfes reduzieren. Wärmeanwendungen in Form einer Wärmflasche oder eines Kirschkernkissens regen die Durchblutung an und können eine spontane Verhärtung lösen. Manche Betroffene empfinden es als wohltuend, den betroffenen Körperteil hochzulagern.
Wer akut an einem Krampf im Bein leidet, kann durch Dehnen, Massieren oder Wärmen eine Linderung der Schmerzen bewirken. Dehnen Sie den betroffenen Muskel. Bei starken Wadenkrämpfen begeben Sie sich dafür am besten in Sitzposition. Fassen Sie sich an die Zehen und ziehen Sie diese in Richtung Körper. Gleichzeitig strecken Sie das betroffene Bein langsam aus. Stehen Sie auf und laufen Sie etwas umher. Dieser Ratschlag kann - zugegeben - zunächst etwas schmerzhaft sein. Durch die Bewegung wird der Muskel jedoch gelockert und Verspannungen lösen sich rascher. Massieren Sie die verkrampfte Stelle mit den Händen. Dadurch fördern Sie die Durchblutung. Wärmen Sie den Muskel. Dafür können Sie beispielsweise ein Kirschkernkissen, eine Wärmflasche oder einen warmen Wickel auflegen - oder ein Entspannungsbad nehmen. Die Wärme tut gut und lindert die Beschwerden.
Vorbeugung von Muskelkrämpfen
- Regelmäßige Dehnung: Zur nicht medikamentösen Vorbeugung kann bei Muskelkrämpfen die regelmäßige Dehnung der betroffenen Muskeln, z.B. abends vor dem Zubettgehen hilfreich sein und die Neigung zu Muskelkrämpfen reduzieren. Wer häufig unter nächtlichen Beinkrämpfen leidet, sollte die Waden- und Oberschenkel regelmäßig vor dem Schlafengehen dehnen, indem die Ferse kräftig nach unten durchgedrückt wird.
- Ausreichend trinken: Trinken wir nicht genug, kann unser Körper Nährstoffe nicht richtig transportieren. Dehydrierung ist insbesondere auch bei Sportlern und bei Hitze ein Risiko. Mindestens 1,5 Liter Wasser oder andere kalorienfreie Getränke wie Tee sollte es täglich sein. Bei hohen Belastungen ist Apfelsaftschorle ideal oder auch Wasser, dem etwas Salz zugesetzt ist.
- Bewegung: Ausreichend Bewegung über den Tag fördert die Durchblutung und kann Krämpfe verhindern. Achte darauf, dass du dich jeden Tag mindestens 30 Minuten bewegst. Das lockert die Muskeln und fördert die Durchblutung. Wenn du viel und gerne trainierst: Übertreibe es nicht und höre auf deinen Körper!
- Magnesium: Die Einnahme von Magnesium kann hilfreich sein, häufig sind allerdings höhere Dosen erforderlich, die dann häufig zu Nebenwirkungen des Magen-Darm-Traktes (Durchfall) führen. Allerdings konnten Studien zeigen, dass Magnesium außerhalb der Schwangerschaft keine sichere Wirkung gegenüber Placebo aufweist, so dass hier im Einzelfall entschieden werden muss, ob Magnesium zur Vorbeugung von Muskelkrämpfen überhaupt geeignet und wirksam ist. Aus unserer Sicht stehen wir deshalb der Therapie mit Magnesium kritisch gegenüber.
- Elektrostimulation: Neuere Untersuchungen konnten zeigen, dass eine spezielle Elektrostimulation der zu Muskelkrämpfen neigenden Muskeln zu einer Verminderung von Muskelkrämpfen führen kann. Ein Forscherteam an der Deutschen Sporthochschule Köln entdeckte, dass diese Methode die Reizschwelle für Muskelkrämpfe erhöht - und somit die Häufigkeit für Krämpfe über einen langen Zeitraum deutlich verringert.
- Gesunde Ernährung: Eine magnesiumreiche Ernährung ist wichtig, um einem Magnesiummangel als bekannteste Ursache für Muskel- und Wadenkrämpfe vorzubeugen. Bananen, Brokkoli, Vollkornbrot, Nüsse, Sonnenblumenkerne - die Liste der magnesiumreichen Lebensmittel ist lang.
Medikamentöse Therapie
Das einzige Medikament, das nach derzeitigem Forschungsstand gegen Muskelkrämpfe hilft, sind Chinin-Präparate mit einer Dosierung von 200 bis 500 Milligramm täglich. Chinin kann im Einzelfall allerdings zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen. Chinin ist rezeptpflichtig und muss ärztlich verordnet werden.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte empfiehlt, Chininsulfat nur dann einzunehmen, wenn Betroffene starke Beschwerden haben und Dehnübungen sowie Magnesiumpräparate wirkungslos bleiben.
Ebenso sehen wir die Anwendung von Chinin Sulfat kritisch, weil die Wirksamkeit in Studien zwar belegt ist, aber in der Praxis jedoch nicht relevant ist und es zu wesentlichen Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen, Blutbildveränderungen sowie Nieren- und Leberschäden kommen kann.
Wie schon eingangs dargestellt, ist oftmals eine nervale Übererregbarkeit Ursache der Muskelkrämpfe weshalb wir Medikamente gegen Nervenschmerzen bevorzugen. Diese Medikamente stammen aus der Gruppe der sogenannten Antiepileptika (Medikamente gegen Krampfanfallsleiden, Epilepsie) und sind deswegen auch sinnvoll, weil sie die Ursache und nicht das Symptom behandeln.