Neurologische Erkrankungen und Symptome können vielfältige Ursachen haben. Ein oft unterschätzter Faktor ist Stress, der sich in unterschiedlichsten neurologischen Beschwerden äußern kann. Dieser Artikel beleuchtet die neurologischen Symptome, die durch Stress ausgelöst oder verstärkt werden können, sowie deren Ursachen und Behandlungsansätze. Dabei werden sowohl funktionelle neurologische Störungen als auch andere neurologische Erkrankungen berücksichtigt, bei denen Stress eine Rolle spielt.
Was sind neurologische Erkrankungen?
Neurologische Erkrankungen umfassen eine breite Palette von Störungen, die das Nervensystem betreffen. Das Nervensystem besteht aus dem Gehirn, dem Rückenmark und den peripheren Nerven und steuert lebenswichtige Körperfunktionen. Fehlfunktionen und schädliche Einflüsse können zu verschiedenen neurologischen Erkrankungen führen. Die Forschung eröffnet jedoch immer wieder neue Therapiemöglichkeiten.
Stress als Auslöser neurologischer Symptome
Stress kann eine Vielzahl von neurologischen Symptomen auslösen oder verstärken. Dazu gehören unter anderem:
- Funktionelle Bewegungsstörungen
- Kopfschmerzen
- Multiple Sklerose (MS)
- Parkinson
- Migräne
- Vegetative Dystonie
Vor allem dauerhafter Stress kann neurologische Symptome verschlechtern. Dies ist bei Multipler Sklerose, Parkinson, Migräne und vielen anderen Krankheiten nachgewiesen. Umso wichtiger ist es für Betroffene, aktiv zu werden.
Funktionelle neurologische Störungen
Funktionelle neurologische Störungen (FNS) verursachen echte Symptome ohne klare organische Ursache. Sie sind oft seelisch bedingt und können gut behandelt werden. Bei FNS treten neurologische Symptome wie Zittern, Gangprobleme oder Muskelzuckungen plötzlich auf, ohne dass eine körperlich nachweisbare Ursache gefunden werden kann. Die Symptome können stark schwanken.
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Arten funktioneller Bewegungsstörungen
Funktionelle Bewegungsstörungen umfassen verschiedene Arten von unwillkürlichen Bewegungen:
- Zittern (Tremor): Unkontrollierbares Zittern verschiedener Körperteile.
- Muskelverkrampfungen (Dystonie): Anhaltende, unwillkürliche Muskelkontraktionen, die zu verdrehten Körperhaltungen führen können.
- Muskelzuckungen (Myoklonus, Tics und Tic-ähnliche Bewegungen): Kurze, unwillkürliche Zuckungen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen.
- Komplexe Gangstörungen: Schwierigkeiten beim Gehen, die sich in unregelmäßigen oder unsicheren Bewegungen äußern.
Ursachen und Risikofaktoren funktioneller Bewegungsstörungen
Im Gegensatz zu Erkrankungen wie Schlaganfall oder Parkinson handelt es sich bei FNS um eine Funktionsstörung des Nervensystems, die nicht auf eine strukturelle Schädigung oder Neurodegeneration zurückzuführen ist. Die Symptome treten oft in Zusammenhang mit anderen körperlichen oder psychischen Belastungen auf. Ein wechselhafter Verlauf mit guten und schlechten Tagen ist typisch. Die genaue Ursache einer funktionellen Bewegungsstörung ist sehr individuell.
- Unbewusste Bewegungskontrolle: Bewegungen, die üblicherweise ganz unbewusst und automatisch ablaufen, sind gestört.
- Vorausgegangene Problematiken: Bewegungsmuster aus einer vorausgegangenen Problematik (z. B. Verletzungen) können sich manifestieren.
- Bestehende neurologische Bewegungsstörungen: Menschen, die bereits eine andere neurologische Bewegungsstörung haben, können zusätzlich funktionelle Ausfälle entwickeln.
- Psychische Risikofaktoren: Wichtige psychische Risikofaktoren sind traumatische Erfahrungen (z. B. Missbrauch oder Vernachlässigung in der Kindheit).
Verlauf und Diagnose
Die Störungen beginnen oft plötzlich, entwickeln sich aber über längere Zeit. Der Verlauf kann chronisch über mehrere Jahre sein, wobei Phasen der Besserung und Verschlechterung typisch sind. Auch ist ein Wechsel der Symptome mit der Zeit nicht untypisch. Erfahrene Fachärzte können die Erkrankung meist durch typische Merkmale erkennen. Gelegentlich werden zusätzliche bildgebende oder elektrophysiologische Verfahren angewandt, um die Diagnose zu stützen. Ideal ist eine Kombination beider Ansätze.
Behandlung von funktionellen neurologischen Störungen
Eine Heilung ist selten. Wenn die Beschwerden bereits chronisch sind, also seit vielen Monaten bestehen, ist eine spontane Heilung unwahrscheinlich. Funktionelle Bewegungsstörungen können sehr unterschiedlich sein. Der Umgang mit den eigenen Symptomen sollte die Balance zwischen Akzeptanz und engagierter Therapieteilnahme (einschließlich selbstständiger Übungen) finden. Ziel der Therapie ist ein „Umlernen“, damit sich die unbewusste Bewegungskontrolle schrittweise normalisieren kann.
Die Behandlung von FNS erfordert einen multimodalen Ansatz, der verschiedene Therapiebausteine umfasst:
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- Physiotherapie: Sie spielt eine zentrale Rolle bei der Behandlung von FNS. Sie hilft Patient:innen, die Kontrolle über ihre Körperbewegungen wiederzuerlangen und die motorischen Funktionen zu verbessern. Durch gezielte Übungen werden Bewegungsabläufe trainiert, die Koordination wird geschult und die Muskelkraft gestärkt. Auch Techniken zur Entspannung und Schmerzlinderung gehören zum Programm.
- Psychotherapie: Die kognitive Verhaltenstherapie zielt darauf ab, dysfunktionale Denkmuster und Verhaltensweisen zu identifizieren und zu verändern. Patient:innen lernen, ihre Symptome besser zu verstehen und entwickeln Strategien, um mit Stress und emotionalen Belastungen anders als bisher umzugehen.
- Ergotherapie: Sie unterstützt Patient:innen mit FNS dabei, ihre normalen Aktivitäten und beruflichen Aufgaben wieder aufzunehmen. Die Therapie konzentriert sich auf die Verbesserung der Handlungsfähigkeit.
- Entspannungstechniken: Progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder Achtsamkeitsübungen können dazu beitragen, die Symptome von FNS zu reduzieren, Stress und Anspannung abzubauen und das allgemeine Wohlbefinden zu fördern.
- Edukation: Patient:innen erhalten Informationen über ihre Erkrankung und lernen, wie sie ihren Alltag besser bewältigen können. Selbstmanagement-Strategien erleichtern den Umgang mit den Symptomen und fördern die Selbstständigkeit.
Andere neurologische Erkrankungen und Stress
Neben den funktionellen neurologischen Störungen gibt es weitere neurologische Erkrankungen, bei denen Stress eine bedeutende Rolle spielt:
Multiple Sklerose (MS)
Bei MS greift das Immunsystem die Schutzschicht der Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark an, was zu Entzündungen und Schäden führt. Stress kann bei MS-Patienten Schübe auslösen oder die Symptome verstärken.
- Stresshormone: Bei Stress schüttet der Körper vermehrt Hormone wie Adrenalin und Cortisol aus. Ist ihre Konzentration im Blut über längere Zeit erhöht, werden Immunzellen aktiv, die ins Gehirn gelangen und Entzündungen im Nervengewebe auslösen.
- Aktivierung des Immunsystems: Stress aktiviert das bei MS fehlgeleitete Immunsystem zusätzlich. So können neue Entzündungen im Gehirn entstehen und neue Symptome auftreten.
- Schmerzverstärkung: Entzündungen machen das Nervensystem empfindlicher, wodurch Schmerzen intensiver wahrgenommen werden.
Parkinson
Bei Parkinson sterben Nervenzellen im Gehirn ab, was zu Zittern, Muskelsteifheit und Bewegungseinschränkungen führt. Stress kann diesen Prozess beschleunigen und die Symptome verschlimmern.
Migräne
Migräne ist eine neurologische Erkrankung, die durch starke Kopfschmerzen, Übelkeit und Lichtempfindlichkeit gekennzeichnet ist. Stress ist ein bekannter Auslöser für Migräneanfälle. Stress kann dazu führen, dass sich die Blutgefäße im Gehirn verengen oder weiten, was Migräne auslösen kann.
Vegetative Dystonie
Eine Störung des vegetativen Nervensystems, auch als vegetative Dystonie bezeichnet, kann durch Stress ausgelöst oder verstärkt werden. Das vegetative Nervensystem reguliert lebenswichtige Körperfunktionen wie Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung, Verdauung und Stoffwechsel. Ein Ungleichgewicht in diesem System kann zu verschiedenen Symptomen führen.
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Symptome der vegetativen Dystonie
Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Herzbeschwerden wie Herzstechen oder Herzklopfen/-rasen
- Schwindel oder Ohnmacht beim Aufstehen
- Übermäßiges Schwitzen oder mangelndes Schwitzen
- Sexuelle Funktionsstörungen beim Mann
- Probleme beim Entleeren der Blase
- Verdauungsbeschwerden wie Verstopfung oder Durchfall inkl. Magenlähmung
- Schluckbeschwerden
Behandlung der vegetativen Dystonie
Die Behandlung erfordert eine individuelle Herangehensweise, die sich an der eigentlichen Ursache und der Lebenssituation der Patienten orientiert. Wenn kein Hinweis auf eine organische Ursache zugrunde liegt, zählen sowohl psycho- und physiotherapeutische Maßnahmen, als auch der Einsatz bestimmter Medikamente zu den möglichen Behandlungsmethoden.
Pflanzliche oder homöopathische Mittel können hierbei eine unterstützende Therapieoption sein, da sie eine gute Verträglichkeit bei geringem Gewöhnungspotenzial aufweisen. Zur Linderung der Beschwerden bei innerer Anspannung durch Stress haben sich vor allem homöopathische Arzneipflanzen bewährt:
- Die Passionsblume kann bei Unruhezuständen oder Schlafstörungen helfen.
- Gelber Jasmin und Schlangenwurzel können bei Schwindel, nervlich bedingtem Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Beschwerden Linderung verschaffen.
- Die gelbe Nieswurz kann Kreislaufproblemen vorbeugen.
Psychosomatische Symptome
Nicht immer lassen sich körperliche Symptome wie Schmerzen auf eine eindeutige Ursache zurückführen. Anhaltende Beschwerden wie Schmerzen, Schwindel oder Verdauungsstörungen sind für die Betroffenen sehr belastend. Stress, Trauer oder ungelöste Konflikte können sich körperlich äußern und zu Schwindel, Schmerzen, Herzrasen oder Verdauungsstörungen führen. Psyche und Körper stehen in enger Beziehung zueinander und beeinflussen sich gegenseitig.
Häufige psychosomatische Beschwerden
Folgende Beschwerden werden häufig durch seelische Belastungen ausgelöst oder verstärkt:
- Rückenschmerzen
- Kopfschmerzen
- Bauchschmerzen
- Magen-Darm-Beschwerden (z. B. Reizdarm)
- Schlafstörungen
- Erschöpfung
- Schwindel
- Herzrasen
- Atemnot
Behandlung psychosomatischer Beschwerden
Oft verschwinden leichte psychosomatische Symptome von allein. Normale Alltagsaktivität, Sport, Hobbys und der soziale Kontakt mit anderen Menschen wirken psychosomatischen Symptomen entgegen. Gegebenenfalls können Medikamente zur Linderung der Symptome, Entspannungsverfahren und psychotherapeutische Unterstützung zusätzlich helfen.
Ein Weg, die Auslöser der Symptome sowie beteiligte Konflikte aufzuarbeiten und Wege zu entwickeln, sie zu bewältigen, ist eine Psychotherapie. Dabei können unterschiedliche Verfahren zum Einsatz kommen, zum Beispiel eine tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie oder eine Verhaltenstherapie. Unterstützend können Entspannungsübungen wie Autogenes Training oder die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson wirken.
Burnout-Syndrom
Das Burnout-Syndrom ist ein Zustand andauernder Erschöpfung infolge von anhaltender Überlastung, die charakterisiert ist durch emotionale Erschöpfung, erhöhte Reizbarkeit und zwischenmenschliche Distanzierung sowie (selbst eingeschätzter) Verlust der eigenen Leistungsfähigkeit. Beruflicher Stress und Überlastung sind sehr häufig von zentraler Bedeutung für die Entstehung und Aufrechterhaltung einer psychischen Störung.
Symptome des Burnout-Syndroms
- Erschöpfung: Anhaltende Müdigkeit, Energiemangel.
- Körperliche Beschwerden: Häufigere Erkältungen, Muskelverspannungen, Schlafstörungen, Atemprobleme, Engegefühl in der Brust, Schwindel, Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Tinnitus, sexuelle Probleme, Schwitzen.
- Psychische Symptome: Gleichgültigkeit, Desillusionierung, Neigung zum Weinen, Schwächegefühl, Ruhelosigkeit, Verlust an Empathie, Zynismus, Verlust von Idealismus, Verbitterung.
- Verhaltensänderungen: Partnerschafts- und/oder Familienprobleme.
Behandlung des Burnout-Syndroms
Psychotherapeutische Angebote mit Fokus auf den Umgang mit beruflichem Stress können entlastend wirken und Auswege aufzeigen. Es gibt eine ganze Reihe von Ursachen für die Entwicklung von chronischem beruflichem Stress und einem Burnout-Syndrom. Psychotherapeutische Interventionen setzen primär auf der „individuellen Ebene“ an, gegebenenfalls können auch gezielte Empfehlungen für die betriebliche Ebene gegeben werden.
Präventive Maßnahmen und Stressmanagement
Um stressbedingten neurologischen Symptomen vorzubeugen, sind präventive Maßnahmen und ein effektives Stressmanagement entscheidend:
- Entspannungsmethoden erlernen und anwenden: Yoga, Meditation oder andere Achtsamkeitsübungen können helfen, das Stresslevel zu senken und das Nervensystem wieder zu beruhigen. Ebenso fördert regelmäßige Bewegung wie Ausdauertraining oder Krafttraining den Stressabbau.
- Ausgewogen ernähren: Vitaminmangel, insbesondere ein Mangel an Vitamin B12, kann die Funktion des Nervensystems beeinträchtigen. Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten kann die Gesundheit des autonomen Nervensystems unterstützen. Um möglichen Beschwerden vorzubeugen, empfiehlt es sich außerdem, auf Alkohol und Koffein zu verzichten.
- Ausreichend schlafen: Ein gesunder Schlaf ist unerlässlich für die Stressbewältigung und Regeneration des Nervensystems. Dazu sollte die Schlafumgebung eine Temperatur von etwa 18 Grad haben und sich gut abdunkeln lassen. Ebenso wichtig ist ein ruhiges Schlafumfeld.
- Stressabbau im Alltag: Änderungen im Tagesablauf sind ebenfalls ratsam: Betroffene sollten langsamer und achtsamer mit Entspannungspausen umgehen. Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation oder Qigong sollten fest in den Alltag eingeplant werden. Gleichzeitig ist auch eine körperliche Aktivität sehr wichtig.
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