Stricken erfreut sich seit der Corona-Pandemie einer wachsenden Beliebtheit und hat sich zu einem Trend entwickelt, der nicht nur in sozialen Netzwerken präsent ist, sondern auch von Ärzten empfohlen wird. Studien legen nahe, dass Stricken ein ideales Training für das Gehirn und eine wirksame Therapie gegen demenzielle Erkrankungen sein kann, da es beide Hirnhälften beansprucht. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Aspekte des Strickens im Kontext von Demenz, von den beruhigenden Effekten bis hin zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die kognitiven Vorteile.
Die beruhigende Wirkung des Strickens
Viele Menschen, die gerne Socken, Schals und Pullover aus Wolle zaubern, spüren die beruhigende Wirkung des Strickens. Bettina Kuhnert, Vorstandsmitglied des Deutschen Verbands der Ergotherapeuten, erklärt, dass beim Stricken ein rhythmischer Bewegungsablauf stattfindet. Die Konzentration ist auf "das Tun" und den Bewegungsablauf gerichtet, was zu Entspannung führt. Betsan Corkhill, Autorin von "Mit Stricken gesund und glücklich werden", führt die beruhigende Wirkung von Stricken darauf zurück, dass mit beiden Händen gearbeitet werden muss, was die Fokussierung auf Probleme reduziert. Stricken lenkt ab und kann sogar Menschen mit Angstattacken helfen.
Stricken als kognitives Training
Stricken ist nicht nur eine entspannende Tätigkeit, sondern auch ein effektives kognitives Training. Es erfordert Konzentration, Hand-Auge-Koordination und verschiedene motorische Abläufe, die die Synapsen im Gehirn fordern. Eine Studie der Mayo Clinic zeigt, dass geistig anregende Aktivitäten wie Handarbeiten bei Menschen über 70 das Risiko für leichte kognitive Beeinträchtigungen im Alter senken können. Dies kann im besten Fall auch bei der Demenz-Vorbeugung unterstützen. Das Erlernen des Strickens fördert die Neuroplastizität des Gehirns, wodurch es flexibel und lernfähig bleibt.
Stricken und die kognitive Reserve
Frau Professor Doktor Iris-Katharina Penner vom Zentrum für Angewandte Neurokognition und Neuropsychologische Forschung in Düsseldorf räumt dem Stricken eine meditative und Stress abbauende Wirkung ein. Stricken befüllt unsere kognitive Reserve, in der wir all die Dinge speichern, die wir in unserem Leben schon gemacht haben. Je größer und praller dieser "Lebensrucksack" ist, desto größer ist unser Puffer gegen Neurodegeneration. Es ist jedoch wichtig, das Stricken als kreativen Akt zu sehen, bei dem man sich etwas Neues überlegt und neue Muster ausprobiert, um das Gehirn optimal zu fordern.
Stricken in der Ergotherapie bei Demenz
Auch in der Ergotherapie wird oft mit den Betroffenen gehandarbeitet. Stricken, Weben, Häkeln, Wickeln, Drehen, Nähen… das sind nur einige Techniken, die in der Ergotherapie mit Wolle, Fäden und Stoffen angewandt werden. Ergotherapeuten nutzen Handarbeiten, um Menschen mit Demenz zu erreichen, indem sie sich auf ihre Hobbies und Vorlieben beziehen. Vertraute Tätigkeiten können mehr als tausend Worte sagen und einen guten Einstieg in eine Unterhaltung ermöglichen. Das Handarbeiten fördert die Koordination, Aufmerksamkeit und Konzentration und ermöglicht Erfolgserlebnisse, die im Leben von Menschen mit Demenz besonders wichtig sind.
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Stricken gegen Alzheimer: Initiativen und Erfolge
Die Alzheimer Gesellschaft Oberland e.V. setzt Stricken als therapeutisches Mittel ein, um Menschen durch gemeinsame Handarbeit einander näher zusammenzubringen, den Austausch zwischen den Generationen zu fördern und Körper und Geist zu aktivieren. Hirnforscher haben herausgefunden, dass kreative Handarbeit dabei hilft, neuronale Zellen im Gehirn zu vernetzen, was ein vorbeugendes Mittel gegen Gedächtnisverlust sein kann.
Weitere Vorteile des Strickens
Neben den kognitiven und therapeutischen Vorteilen bietet Stricken noch weitere positive Effekte:
- Stressabbau: Stricken senkt die Pulsrate und den Blutdruck. Studien haben gezeigt, dass Stricken den Herzschlag um elf Schläge pro Minute senken kann.
- Kreativität: Stricken fördert die Kreativität und ermöglicht es, eigene Ideen umzusetzen.
- Gemeinschaft: Stricken kann in der Gruppe ausgeübt werden, was soziale Kontakte fördert und das Gefühl der Zusammengehörigkeit stärkt.
- Ergebnis: Stricken führt zu einem konkreten Ergebnis, einem selbstgemachten Kleidungsstück oder Accessoire, was ein Gefühl der Erfüllung vermittelt.
Beschäftigungsideen von A-Z für Menschen mit Demenz
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. bietet eine Vielzahl von Beschäftigungsideen von A-Z für Menschen mit Demenz, darunter auch Handarbeiten wie Stricken und Wolle aufwickeln. Weitere Ideen sind:
- Aromen und Düfte erschnuppern und raten
- Auto waschen, über Autos „fachsimpeln“
- Ballspiele
- Basteln
- Bügeln - vertraute, nützliche Tätigkeit
- „Büroarbeit“ (Blätter abheften, lochen …)
- Computer - z. B. die biografisch orientierten Spiele auf der CD-Rom „Demenz interaktiv“ der Deutschen Alzheimer Gesellschaft
- Flohmarkt besuchen (alte Kaffeemühle, Waschbrett, … finden)
- Fotoalbum gemeinsam anschauen und über die Bilder und ihre Geschichten sprechen
- Gartenarbeit (ggf. am Hochbeet)
- Gedichte (die früher in der Schule gelernt wurden)
- Gesellschaftsspiele (ggf. vereinfacht)
- Gespräche, Erinnerungen an früher
- Handpuppen (sie werden oft leichter angesprochen als „echte“ Menschen)
- Jahreszeiten thematisieren (mit Blumen, Getreidehalmen, Kastanien …)
- Kirchen, Gottesdienst besuchen
- Konzert besuchen
- Kochen und Backen
- Lachen, Humor
- Malen
- Massieren
- Musik: hören, singen, musizieren
- Nachrichten aus der Zeitung vorlesen und diskutieren (lokale Ereignisse, besondere Interessensgebiete)
- Obstsalat zubereiten
- Puzzeln
- Rad fahren, Tandem fahren
- Reisen, Ausflüge (z. B. mit dem Wohnmobil als „rollendes Zuhause“)
- Restaurant oder Café besuchen
- Rosenkranz beten, Religiöses
- Sinne anregen (Basale Stimulation)
- Spazieren gehen
- Sprichwörter raten/ergänzen
- Sport
- Tanzen
- Tiere ansehen, streicheln
- Urlaubssouvenirs betrachten
- Vorlesen (Zeitung, Märchen, …)
- Wandern
- Werkzeugkasten (aufräumen, sortieren)
- Zoo besuchen
Tipps für die Anwendung von Handarbeiten in der Betreuung von Menschen mit Demenz
- Machen Sie sich mit der Biografie der Betroffenen und deren Vorlieben und Abneigungen vertraut.
- Klären Sie ab, ob keine motorischen oder sensorischen Einschränkungen bestehen, die sich frustrierend auswirken können.
- Passen Sie die Schwierigkeit der Aufgabe an die Fähigkeiten der Betroffenen an.
- Schaffen Sie eine entspannte und angenehme Atmosphäre.
- Loben und anerkennen Sie die Bemühungen der Betroffenen.
- Seien Sie geduldig und ermutigen Sie die Betroffenen.
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