Sturzprophylaxe bei Demenzpatienten: Leitlinien und praktische Umsetzung

Stürze stellen eine erhebliche Gefahr für ältere Menschen dar, insbesondere für solche mit Demenz. Sie können zu Verletzungen, Verlust der Selbstständigkeit und sogar erhöhter Sterblichkeit führen. Die Sturzprophylaxe ist daher ein wichtiger Bestandteil der Pflege von Menschen mit Demenz. Dieser Artikel fasst die aktuellen Leitlinien und Empfehlungen zur Sturzprophylaxe bei Demenzpatienten zusammen und gibt praktische Tipps für die Umsetzung in der Pflege.

Die Bedeutung der Sturzprophylaxe bei Demenz

Die Gefahr, in einer Pflegeeinrichtung zu stürzen, ist besonders hoch für ältere Bewohner mit einem mittleren Pflegebedarf, die noch selbstständig mobil sind, aber körperlich oder kognitiv eingeschränkt sind. Stürze ereignen sich häufig im eigenen Zimmer oder im Badezimmer, insbesondere in Transfersituationen wie Aufstehen, Hinsetzen oder Gehen. Die Folgen von Stürzen können schwerwiegend sein und zu einem Verlust der Selbstständigkeit und einer erhöhten Sterblichkeit führen.

Aktuelle Erkenntnisse und Leitlinien

Ein Cochrane-Review fasst die aktuellen Erkenntnisse zum Thema Sturzprophylaxe zusammen und betont die Notwendigkeit individueller und kombinierter Maßnahmen. Im Jahr 2022 wurde die erste globale Leitlinie zur Sturzprävention veröffentlicht, die von einem internationalen Team aus 96 Wissenschaftlern aus 39 Ländern erarbeitet wurde. Diese Leitlinie bietet evidenz- und konsensbasierte Empfehlungen zur Sturzprävention und -behandlung für ältere Erwachsene.

Globale Leitlinie zur Sturzprävention

Die globalen Leitlinien empfehlen eine umfassendere Beratung älterer Erwachsener zu Sturzprävention und körperlicher Aktivität. Mindestens einmal jährlich sollten Patienten nach Stürzen oder Sturzrisiken befragt werden, idealerweise einschließlich einer Ganganalyse. Menschen mit Demenz oder Parkinson sollten Zugang zu systematischen Trainingsprogrammen (Physiotherapie und Übungsprogramme) haben. Für ältere Menschen in Gemeinschaftseinrichtungen wie Pflegeheimen wird eine auf den individuellen Gesundheits- oder Krankheitszustand zugeschnittene Prävention empfohlen. Jede ältere Person mit Gebrechlichkeitserscheinungen oder Schwierigkeiten, selbstständig aufzustehen, sollte tiefergehend untersucht werden.

Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege (DNQP)

Der Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) wurde 2022 aktualisiert. Er definiert die Rolle der Einrichtung in Bezug auf Risikobewertung, Maßnahmenplanung und Umsetzung der Maßnahmen. Bewohner sollen beim Ermitteln der Risikobereiche mitarbeiten. Verfahrensregeln können installiert werden, um beispielsweise die Sicherheit der Kleidung der Bewohner regelmäßig zu überprüfen.

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Maßnahmen zur Sturzprophylaxe

Die Sturzprophylaxe umfasst verschiedene Maßnahmen, die idealerweise parallel durchgeführt und an die individuelle Situation der Bewohner angepasst werden sollten.

Bewegungsförderung

Bewegungsförderung gilt als besonders effektiv, auch als alleinige Maßnahme. Gezielte Übungen unterstützen auch Personen mit eingeschränktem Denk- und Erinnerungsvermögen, vorausgesetzt, die Bewegungsangebote finden regelmäßig und dauerhaft statt. Kraft-, Balance- und Reaktionstraining sind auch im Alter wichtig, insbesondere bei Pflegebedürftigkeit.

Medikamentenmanagement

Viele Medikamente können die Motorik beeinträchtigen und das Sturzrisiko erhöhen. Es gibt jedoch keine eindeutigen Empfehlungen für eine allgemeine Anpassung der Medikation. Pflegekräfte sollten gemeinsam mit dem behandelnden Arzt besprechen, ob eine individuelle Anpassung der Arzneimittel sinnvoll ist.

Vitamin-D-Versorgung

Ein Vitamin-D-Mangel steht in Verbindung mit einer erhöhten Sturzrate. Daher ist es wichtig, eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung sicherzustellen, entweder durch regelmäßige Aufenthalte im Freien oder durch Vitamin-D-Präparate. Eine ausreichende Versorgung mit Calcium über die Ernährung ist ebenfalls wichtig, um die Knochengesundheit zu fördern.

Anpassung des Wohnumfelds

Eine sichere Umgebung kann das Sturzrisiko erheblich senken. Dazu gehören eine ausreichende Beleuchtung, das Beseitigen von Stolperfallen und die Anpassung von Möbeln und Alltagsgegenständen. Im Badezimmer können Haltegriffe und rutschfeste Matten die Sicherheit erhöhen. In bestimmten Fällen kann die Pflegekasse wohnumfeldverbessernde Maßnahmen bezuschussen.

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Hilfsmittel

Gehhilfen wie Rollatoren oder Gehstöcke können Stürzen vorbeugen. Es ist wichtig, sich vor der Anschaffung eines Hilfsmittels eingehend beraten zu lassen und den richtigen Umgang damit zu erlernen. Technische Hilfsmittel wie Hausnotrufsysteme können ebenfalls für mehr Sicherheit sorgen.

Schulung und Information

Information und Beratung von Betroffenen und Angehörigen sind ein wichtiger Bestandteil der Sturzprophylaxe. Pflegekräfte sollten über Sturzrisiken aufklären, zu körperlicher Aktivität motivieren und den Zusammenhang zwischen Aktivität und Lebensqualität aufzeigen.

Praktische Tipps für Pflegekräfte

  • Bewegungsplan erstellen: Notieren Sie die täglichen Aktivitäten des Bewohners und stimmen Sie den Plan mit dem behandelnden Arzt, Pflegefachpersonen oder der Physiotherapie ab.
  • Passende Kleidung und Schuhe wählen: Die Kleidung sollte Bewegungsfreiheit ermöglichen, die Schuhe festen Halt geben und eine rutschfeste Sohle haben.
  • Wohnung anpassen: Sorgen Sie für eine ausreichende Beleuchtung, beseitigen Sie Stolperfallen und sichern Sie das Badezimmer.
  • Hilfsmittel richtig einsetzen: Lassen Sie sich bei der Auswahl und Anwendung von Gehhilfen beraten.
  • Erste Hilfe leisten: Schulen Sie sich in Erster Hilfe, um im Falle eines Sturzes richtig reagieren zu können.

Risikofaktoren für Stürze

Es gibt verschiedene Risikofaktoren für Stürze, die in personenbezogene, medikamentenbezogene und umgebungsbezogene Faktoren unterteilt werden können.

Personenbezogene Risikofaktoren

  • Gleichgewichtsstörungen
  • Muskelschwäche
  • Eingeschränkte Bewegungsfreiheit
  • Fehlsichtigkeit oder Augenerkrankungen
  • Inkontinenz
  • Angst vor Stürzen
  • Kognitive Beeinträchtigungen (z. B. Demenz)
  • Stürze in der Vergangenheit

Medikamentenbezogene Risikofaktoren

  • Einnahme von Psychopharmaka
  • Einnahme von Antihypertensiva
  • Nebenwirkungen von Medikamenten (z. B. Schwindel, Muskelschwäche)

Umgebungsbezogene Risikofaktoren

  • Stolperfallen (z. B. Teppichkanten, Kabel)
  • Schlechte Beleuchtung
  • Inadäquates Schuhwerk
  • Ungeeignete Gehhilfen

Der Expertenstandard in der Sturzprophylaxe: Sechs Ebenen

Der Expertenstandard in der Sturzprophylaxe ist in sechs Ebenen untergliedert:

  1. Fachwissen: Die Pflegefachkraft muss gut über Sturzrisiken, Sturzgefahren und Methoden zur Risikobewertung informiert sein.
  2. Beratung: Die Pflegefachkraft motiviert die Bewohner zu körperlicher Bewegung und vermittelt Informationen zur Bewältigung des Alltags.
  3. Maßnahmen: Die Pflegefachkraft wählt die für den Betroffenen am besten passende Maßnahme aus und klärt über Nutzen und Schaden auf.
  4. Maßnahmenpläne: Es werden individuelle Maßnahmenpläne erstellt, die die Wünsche und Bedürfnisse der Betroffenen berücksichtigen.
  5. Anpassung des Wohn- und Pflegebereichs: Die Einrichtungen passen den Wohn- und Pflegebereich auf Grundlage des Expertenstandards an.
  6. Analyse von Stürzen: Nach jedem Sturz werden die Gründe geklärt und die Risikofaktoren analysiert.

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