Sturzprophylaxe bei Demenz: Anleitungen und Übungen für mehr Sicherheit

Stürze stellen eine erhebliche Gefahr für ältere Menschen dar, insbesondere für diejenigen mit Demenz. Sie können zu Knochenbrüchen, längerer Bettlägerigkeit und Immobilität führen. Durch gezielte Sturzprophylaxe-Übungen und Anpassungen im Wohnumfeld kann das Sturzrisiko jedoch erheblich reduziert werden. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Sturzprophylaxe bei Demenz, einschließlich Risikofaktoren, effektiver Übungen und praktischer Tipps für den Alltag.

Wann besteht ein erhöhtes Sturzrisiko?

Mit zunehmendem Alter nimmt die körperliche Fitness oft ab, insbesondere wenn die aktive Teilnahme am Leben eingeschränkt ist, beispielsweise durch längere Krankheit oder Demenz. Äußere Faktoren wie Stolperfallen im Wohnbereich können das Sturzrisiko zusätzlich erhöhen. Es wird geschätzt, dass über ein Viertel der über 65-Jährigen mindestens einmal pro Jahr stürzt, wobei die Häufigkeit mit dem Alter zunimmt.

Risikofaktoren für Stürze

Stürze entstehen selten ohne Vorwarnung. Oft wirken mehrere Faktoren gleichzeitig. Für gezielte Sturzprophylaxe Maßnahmen, ist es wichtig, die Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und individuell zu bewerten. Dabei lassen sich drei Haupt-Sturzrisikofaktoren unterscheiden:

  1. Körperliche (Innere Risikofaktoren):

    • Muskelschwäche in Beinen und/oder Rumpf
    • Gleichgewichtsstörungen
    • Seh- oder Hörprobleme
    • Chronische Erkrankungen (z. B. Bluthochdruck, Parkinson, Diabetes, Arthrose)
    • Nebenwirkungen von Medikamenten (z. B. Schwindel, Müdigkeit, Kreislaufprobleme)
  2. Wohn- und Lebensumfeld (Äußere Risikofaktoren):

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    • Stolperfallen wie Teppiche, Kabel, Türschwellen
    • Glatte, rutschige Böden (Bad, Küche)
    • Schlechte bzw. ungünstige Beleuchtung
    • Fehlende Haltemöglichkeiten bzw. Haltegriffe (Badezimmer, Treppe)
    • Ungeeignetes Schuhwerk (Hausschuhe ohne festen Halt)
  3. Besondere Risikofaktoren:

    • Demenz: Kognitive Einschränkungen wie Orientierungslosigkeit oder Gleichgewichtsprobleme können zu Stürzen führen.
    • Parkinson: Schwierigkeiten mit der Bewegungskoordination und dem Gleichgewicht erhöhen das Sturzrisiko.

Sturzprophylaxe-Übungen für Demenzpatienten

Die folgenden Übungen trainieren das Gleichgewicht sowie die Bein- und Bauchmuskulatur. Jede einzelne Übung kann dabei nach Belieben wiederholt und mehrmals am Tag kurz trainiert werden. Die meisten von ihnen lassen sich leicht in den Alltag einbauen, da für sie in der Regel keine Hilfsmittel benötigt werden. Wichtig ist, Überanstrengungen zu vermeiden.

Gleichgewichtsübungen

Diese Übungen fördern die Standfestigkeit auf den Beinen, indem sie den Gleichgewichtssinn schulen.

  • Zehenspitzenstand: Aufrecht hinstellen, Fersen langsam anheben und das Gewicht auf die Zehen verlagern. Die Übung lässt sich einfach in den Alltag einbauen, z.B. beim Zähneputzen.
  • Gewichtsverlagerung: Das Körpergewicht langsam auf eine Seite verlagern, bis das Bein der anderen Seite vom Boden sicher gehoben werden kann. Versuchen Sie die Position für einige Sekunden zu halten. Wenn diese Übung zu einfach ist, kann sie auch mit geschlossenen Augen durchgeführt werden.
  • Beinschwingen: Ein Bein vom Boden anheben und leicht anwinkeln. Nun das Bein nach vorn, nach hinten und zur Seite schwingend bewegen und dabei jeweils mit dem Fuß den Boden antippen. Bei Unsicherheit ist eine stabile Haltemöglichkeit in der Nähe sinnvoll.
  • Kniebeugen am Stuhl: Hinter den Stuhl oder einen festgestellten Rollator stellen. Füße hüftbreit positionieren. Knie leicht beugen. Dabei den Po leicht nach hinten schieben. Dauer: max. 1 Minute.
  • Partnerübung: Bequem und mit leicht gegrätschten Beinen (etwa Schulterbreite) aufrecht hinstellen. Beide Partner stehen sich gegenüber und berühren ihre Handflächen. Für einen sicheren Stand, die Beine leicht anwinkeln und Füße schulterbreit positionieren. Nun führen beide Partner gemeinsam kreisende Bewegungen mit den Armen durch. Nach kurzer Zeit findet sich automatisch ein gemeinsamer Rhythmus. Diese Übung trainiert das Gleichgewicht und die Koordination.
  • Aufstehen und Hinsetzen: Auf dem Stuhl oder Sessel bis auf die Vorderkante rücken und die Armlehnen umfassen. Nun mithilfe der Arme mit aller Kraft hochstemmen, Beine ausstrecken und Füße auf dem Boden lassen. Die Übung funktioniert am besten, wenn der Stuhl oder Sessel so hoch ist, dass die Füße beim Sitzen auf der Vorderkante bequem und sicher auf dem Boden stehen. Außerdem lässt sich die Übung leicht in den Alltag integrieren und so mehrfach am Tag wiederholen, z.B. vor dem Essen.

Übungen zur Armkräftigung

Folgende Bewegungsübungen können mit kleinen Hanteln oder auch anderen Gewichten mit einem Maximalgewicht von etwa 2 bis 3 kg durchgeführt werden. Sie dienen der Stärkung und Kräftigung der Armmuskeln, fördern die Beweglichkeit und verbessern die Ausdauer.

  • Seitliches Armheben: Gerade auf einen Stuhl setzen, nicht anlehnen, die Füße schulterbreit fest auf den Boden stellen, die Beine leicht auseinander. Beide Oberarme seitlich auseinanderspreizen und anwinkeln. Die Hände mit den Gewichten zeigen nach oben. Zu Beginn der Übung hängen beide Arme seitlich am Körper locker nach unten. Nun beide Arme ausgestreckt und langsam in Richtung Schulterhöhe nach oben bewegen, kurz halten.
  • Armbeugen: Zu Beginn beide Arme leicht nach innen anwinkeln und in Schulterhöhe bringen. Beide Arme hängen entspannt am Körper herunter mit je einem Gewicht in der Hand. Während der Übung bleiben die Oberarme gerade, nur die Unterarme bewegen sich. Nun den rechten Unterarm anwinkeln und in Brusthöhe bewegen, etwa 1 Sekunde halten. Bei dieser Übung werden beide Arme abwechselnd trainiert.
  • Bizeps-Training: Zuerst linken Arm nach oben ausstrecken, die rechte Hand stützt den Bizeps-Muskel des gestreckten Arms. Anschließend den linken Unterarm langsam hinter den Kopf bewegen.

Übungen zur Bein- und Bauchmuskulaturstärkung

Bei diesen Übungen werden die Bein- und Bauchmuskulatur gestärkt sowie der Gleichgewichtssinn trainiert.

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  • Beinheben im Sitzen: Dabei setzen Sie sich gerade auf einen Stuhl und lehnen sich zurück. Dafür empfiehlt sich ein Stuhl mit einer leicht nach hinten geneigten Lehne und rutschfestem Sitz. Beine leicht auseinander aufstellen und die Füße schulterbreit auf dem Boden positionieren. Beide Beine in ausgestreckter Haltung abwechselnd nach oben und unten bewegen.
  • Beinanziehen im Sitzen: Lehnen Sie sich bei dieser Übung weit in den Stuhl zurück und halten Sie sich gut mit beiden Händen rechts und links am Sitz fest. Beide Beine aus der Sitzposition heraus ausstrecken. Anschließend beide Beine so weit wie möglich nach oben anwinkeln, sodass die Füße weit über dem Boden "schweben".
  • Beinstreckung im Sitzen: Beide Beine aus der Sitzposition so lang wie möglich ausstrecken, nur die Fersen berühren den Boden. Die Füße mit ausgestreckten Zehen entweder nach vorn ausstrecken oder nach oben anwinkeln. (Nach vorn ausgestreckten Zehen: Stärkung der Muskeln des Fußrückens; nach oben ausgestreckten Zehen: Stärkung der Wadenmuskeln.) Nun beide Beine abwechselnd in der Luft nach oben und unten bewegen, soweit Sie können.

Anpassung des Wohnumfelds

Noch bevor es zu einem Sturz kommt, kann mit ein paar Handgriffen und hilfreichen Tipps das Sturzrisiko minimiert werden. Neben Übungen zur Sturzprophylaxe helfen bereits kleine Anpassungen in der Wohnung, das Sturzrisiko zu verringern.

  • Beleuchtung: Es ist empfehlenswert, alle Räume mit gut gesetzten Lichtquellen auszustatten. Auch ein Licht in kleinen dunklen Nischen oder im Schrank unterstützt dabei, sich besser in den eigenen Räumen zurechtzufinden. Bewegungsmelder sind sehr hilfreich und beliebt, da der Schalter nicht erst gesucht werden muss. Vor allem nachts beim Gang auf die Toilette ist das sehr nützlich.
  • Stolperfallen: Achten Sie darauf, Laufwege freizuhalten und Stolperfallen, wie z.B. Kabel, eingerollte Teppichränder, Türschwellen und sonstige Bodenunebenheiten, zu beseitigen. Diese sorgen oftmals für die größte Sturzgefahr im eigenen Haus. Es ist auch möglich, Schwellen und Stufen besonders auffällig zu markieren. Anti-Rutsch-Matten in Bad und Dusche bzw. rutschhemmende Teppichunterlagen.
  • Haltegriffe: Haltegriffe in Bad (Toilette, Dusche, Badewanne), Flur und/oder Treppe.
  • Hilfsmittel: Greifhilfen helfen dabei, ein großes Stück an Eigenständigkeit zurückzugewinnen. Hilfsmittel werden im Alter immer wichtiger und helfen dabei, den Alltag von Senioren zu erleichtern und ihnen mehr Sicherheit zu geben. Gehstock, Rollator, Badewannensitz, Duschhocker, Haltegurte. Individuelle Anpassung und verständlich erklärt. Regelmäßige Wartung: Schrauben, Rollen, Griffhöhen. Viele Betroffene lehnen Hilfsmittel anfangs aus Unsicherheit oder Scham ab. Eine fachkundige Einweisung durch medizinisches Personal kann dir helfen, Berührungsängste abzubauen.
  • Kleidung und Schuhe: Um das Sturzrisiko zu verringern, ist bei der Wahl der richtigen Kleidung darauf zu achten, dass diese passt. Das bedeutet, dass das Schuhwerk festsitzt und der Träger nicht herausschlappen kann. Hinten müssen die Schuhe geschlossen sein und eine flache rutschfeste Sohle besitzen. Praktische und bequeme Kleidung ist wichtig für die Mobilität. Die Kleidung sollte einfach ohne große Kraftanstrengung an- und auszuziehen sein. Daneben tragen Hüftprotektoren zu mehr Sicherheit im Alltag bei.

Weitere Maßnahmen zur Sturzprophylaxe

  • Bewegung im Alltag: Wichtig ist, im Alter immer in Bewegung zu bleiben. So helfen neben den vorgestellten Übungen zur Sturzprophylaxe Spaziergänge und kleine Ausflüge an der frischen Luft, die das Immunsystem und den Zellstoffwechsel aktivieren. Es können Gehhilfen oder Nordic-Walking-Stöcke dabei unterstützend eingesetzt werden. Laufen ist eine gesunde Bewegungsübung, die gezielt das Gleichgewicht und die Muskeln trainiert. So kann das Sturzrisiko gesenkt werden.
  • Regelmäßige Seh- und Hörtests: Überprüfung der Medikation.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung liefert dem Körper die nötige Kraft und fördert den Erhalt der Muskelmasse. Zudem kann sie bestehende Grunderkrankungen positiv beeinflussen - etwa Diabetes oder Osteoporose, die ebenfalls sturzbegünstigend wirken können. Kalziumreiche, eiweißreiche Lebensmittel für Knochen und Muskeln (u. a. Milchprodukte, Brokkoli, Nüsse). Ausreichende Flüssigkeitszufuhr gegen Kreislaufschwäche, insbesondere an heißen Tagen. ggf. Nahrungsergänzungsmittel (z. B. Vitamin D).
  • Vitamin D-Versorgung: Vitamin-D-Mangel ist im hohen Alter ein großes Problem. Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt. Lassen Sie ein Blutbild machen und kümmern Sie sich um Ihren Vitamin-D-Haushalt. Die deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat medizinische Forschungen ausgewertet, die zeigen das eine gute Vitamin D-Versorgung bei älteren Menschen das Risiko für Stürze, Knochenbrüche, Kraftverlust, Mobilitäts- und Gleichgewichtseinbußen sowie vorzeitigen Tod senken kann.

Was tun nach einem Sturz?

Wenn Sie als Ersthelfer oder Ersthelferin vor Ort sind, nachdem eine Seniorin oder ein Senior gestürzt ist, sollten Sie unbedingt auch die Ursache des Sturzes im Blick haben. Prüfen oder fragen Sie die Betroffene oder den Betroffenen, was dem Sturz vorangegangen ist. Wenn schwere Krankheiten, wie etwa Herzinfarkt oder Schlaganfall auszuschließen sind, können Sie sich um die Verletzung selbst kümmern. Wenn Ihr Angehöriger nicht ansprechbar ist, kontrollieren Sie seine Atmung. Hat Ihr Angehöriger einen offenen Bruch, so bedecken Sie den Bruch mit einer keimfreien Wundauflage, ohne Druck auszuüben. Bei Bein- oder Hüft-Traumata dürfen Betroffene nicht mehr aufstehen. Kümmern Sie sich um eine pflegebedürftige Person, sollten Sie in Erster Hilfe geschult sein. Besonders bei älteren Personen ist jede Sekunde entscheidend und jeder Handgriff wichtig.

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