Stützgewebe der Nervenzellen: Gliazellen im Fokus

Das Nervengewebe ist ein komplexes System, das die Grundlage für die Funktion des Nervensystems bildet. Es ermöglicht die Übertragung und Verarbeitung von Reizen im gesamten Organismus. Die Hauptakteure dieses Gewebes sind die Nervenzellen, auch Neuronen genannt, aber sie sind nicht allein. Eine ebenso wichtige Rolle spielen die Gliazellen, die oft als das Stützgewebe der Nervenzellen bezeichnet werden.

Die Rolle der Nervenzellen (Neuronen)

Die Nervenzellen sind die fundamentalen Einheiten des Nervengewebes. Sie sind strukturell und funktionell selbstständige Einheiten, die im gesamten Nervensystem und Körper vorkommen, besonders konzentriert im Gehirn und Rückenmark. Allein das menschliche Gehirn beherbergt etwa 86 Milliarden Nervenzellen. Neuronen sind für die Reizaufnahme, Erregungsleitung und Reizverarbeitung zuständig. Ihre Fortsätze, die Dendriten, sind über Synapsen mit anderen Neuronen, Sinnesrezeptoren, Skelettmuskeln und Eingeweideorganen verbunden, um die Kommunikation im Körper zu gewährleisten.

Gliazellen: Mehr als nur Stützgewebe

Neben den Nervenzellen besteht das Nervengewebe aus Gliazellen, die in ähnlicher Anzahl wie Neuronen vorhanden sind. Lange Zeit wurden Gliazellen lediglich als Stützgewebe betrachtet, das die Neuronen zusammenhält. Diese Sichtweise hat sich jedoch grundlegend geändert. Heute wissen wir, dass Gliazellen eine Vielzahl von Aufgaben erfüllen, die für das Funktionieren des Nervensystems unerlässlich sind.

Aufgaben der Gliazellen

  • Ernährung und Stützung: Gliazellen versorgen die Nervenzellen mit Nährstoffen und unterstützen ihre Struktur.
  • Isolation von Nervenfasern: Sie umhüllen die Nervenfasern und sorgen für ihre elektrische Isolation, was eine ungehinderte Erregungsleitung ermöglicht.
  • Abwehr: Gliazellen spielen eine Rolle bei der Abwehr vonSchädigungen und Fremdkörpern im Nervengewebe.
  • Informationsweiterleitung: Gliazellen beeinflussen und lenken die Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen.
  • Strukturierung des Gehirns: Während der embryonalen Entwicklung des Gehirns strukturieren Gliazellen dessen Wachstum.
  • Aufrechterhaltung des Milieus: Im ausgewachsenen Gehirn sorgen Gliazellen dafür, dass das Milieu um die Nervenzellen und Nervenfasern (Axone) stets gleich bleibt. Sie regulieren den pH-Wert und die Elektrolyt-Konzentration (besonders von Kalium).
  • Bildung der Markscheiden: Gliazellen bilden die Markscheiden um die Axone der Neuronen, welche die Weiterleitung der elektrischen Impulse stark beschleunigen.

Arten von Gliazellen und ihre Funktionen

Es gibt verschiedene Arten von Gliazellen, die jeweils spezifische Funktionen im Nervengewebe erfüllen:

  • Astrozyten (Astroglia): Diese sternförmigen Zellen sind die häufigsten Gliazellen und befinden sich vor allem in der grauen Substanz des Gehirns. Sie sind an der Regulation des Stoffaustauschs zwischen Blutgefäßen und Nervenzellen beteiligt und sorgen für ein stabiles chemisches Milieu im Gehirn.
  • Oligodendrozyten: Diese Zellen bilden die Markscheiden um die Axone der Neuronen im zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark). Die Markscheiden wirken wie eine Isolierschicht und beschleunigen die Erregungsleitung.
  • Mikroglia: Diese Zellen sind die Immunzellen des Gehirns. Sie können sich im Gewebe bewegen und Fremdkörper aufnehmen und enzymatisch verdauen (Phagozytose). Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Infektionen und der Beseitigung von Zellmüll.
  • Ependymzellen: Diese Zellen kleiden die inneren Hohlräume von Gehirn und Rückenmark aus und trennen das Nervenwasser (Liquor) vom Nervengewebe.
  • Schwannsche Zellen: Diese Zellen umgeben die Nervenfasern im peripheren Nervensystem und bilden dort die Markscheiden.
  • Mantelzellen/Satellitenzellen: Diese Zellen umgeben Nervenzellkörper in Ganglien, vor allem in den Spinalganglien, und unterstützen deren Funktion.

Gliazellen als Stammzellen: Eine Revolution in der Neurologie

Eine bahnbrechende Entdeckung von Prof. Dr. Magdalena Götz hat das Verständnis der Gliazellen revolutioniert. Sie wies nach, dass Gliazellen Stammzelleigenschaften haben und neue Nervenzellen hervorbringen können. Zuvor ging man davon aus, dass Gliazellen lediglich ein Stützgewebe bilden. Diese Erkenntnisse sind von wesentlicher Bedeutung für die angewandte Stammzellenforschung und eröffnen neue therapeutische Ansätze bei Gehirnverletzungen und -Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer und Schädel-Hirn-Trauma.

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Erkrankungen und Probleme im Zusammenhang mit Gliazellen

Obwohl Gliazellen wichtige Funktionen erfüllen, können sie auch an der Entstehung von Erkrankungen beteiligt sein:

  • Gliome: Dies sind die häufigsten bösartigen Hirntumore, die sich aus Gliazellen des Nervengewebes bilden. Je nach Art der Gliazellen, aus denen der Tumor hervorgeht, werden verschiedene Formen unterschieden, wie Astrozytome, Glioblastome, Oligodendrogliome und Oligoastrozytome.
  • Gangliogliome: Dies sind seltene, gutartige Hirntumore, die von Ganglienzellen und Schwannschen Zellen ausgehen können.
  • Epileptische Anfälle: Bei einem epileptischen Anfall kommt es zu einer massiven Hyperaktivität der Nervenzellen im Gehirn. Diese Überaktivität führt zu einem starken Anstieg der Kaliumkonzentration im Extrazellulärraum, den die Gliazellen nicht mehr bewältigen und abfangen können.

Die Bedeutung von Sport für das Nervengewebe

Auch das Wachstum bestehender Neuronen lässt sich durch Sport ankurbeln. Fitnesstraining setzt Zytokine frei, Proteine, die das Nervenwachstum fördern und zur Differenzierung der Zellen beitragen können. Zytokine können zudem entzündungshemmend wirken und die Zelldegeneration reduzieren.

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