Demenz: Informationen, Prävention und Umgang mit der Krankheit

Viele Menschen haben Angst vor Demenz. Die Krankheit ist noch nicht heilbar, deshalb ist Vorbeugung besonders wichtig. Die Diagnose Demenz ist ein Schock für Betroffene und ihre Familien. Wissenschaftler sagen, dass mindestens ein Drittel aller Fälle durch die richtige Prävention verhindert werden könnte. Besonders wachsam sollten Menschen sein, die unter Risikoerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder Rheuma leiden.

Frühzeitige Erkennung und Risikofaktoren

Professor Gerhard Eschweiler, Oberarzt an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie und ärztlicher Leiter des Geriatrischen Zentrums der Uniklinik Tübingen, forscht in einer Langzeitstudie zur kognitiven Leistungsfähigkeit und dem Demenzrisiko. Das primäre Ziel der Trend-Studie sei, frühzeitig Muster von Veränderungen zu erkennen, die Risikofaktoren für eine Parkinson-Erkrankung oder für Demenz sein können.

Das Alter ist zwar der bedeutendste Risikofaktor für kognitiven Rückgang, aber eine Demenz im hohen Alter ist nicht unvermeidlich. Es gibt Risikofaktoren, die beeinflussbar sind. Relativ neu als Risikofaktoren anerkannt sind Kopfverletzungen, erhöhter Alkoholkonsum und Luftverschmutzung. Professor Eschweiler weiß inzwischen, dass neben dem Lebensstil auch gutes Hören und Sehen wichtig sind, weil diese Sinneseindrücke das Gehirn schulen.

Alzheimer-Demenz und Ernährung

Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn haben herausgefunden, dass ein Zusammenhang zwischen der Demenzform Alzheimer und Ernährung bestehen könnte. Schlechte Ernährung kann laut ihren Studien das Risiko, an Alzheimer-Demenz zu erkranken, um ein Vielfaches erhöhen.

Wie entsteht Alzheimer-Demenz überhaupt?

Gedächtnisleistung, Wahrnehmung, Erinnerungsvermögen - all das funktioniert bei einem gesunden Gehirn dank eines komplexen Netzwerks aus Milliarden von Nervenzellen. Bei einer Alzheimer-Demenz verändern sich diese Zellen. Im Inneren bilden sich Faserbündel, die sogenannten Tau-Fibrillen. Außerhalb der Zellen entstehen sogenannte Plaques, Ablagerungen, im Gehirn, die aus einem bestimmten Eiweiß, dem Amyloid bestehen. Dieser Angriff von außen und von innen zerstört die Nervenzellen, am Ende beginnt das Gehirn zu schrumpfen - unaufhaltsam. Das Wie ist also bekannt, doch das Warum ist noch völlig unklar.

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Am Forschungszentrum DZNE wurde vor einigen Jahren eine deutschlandweite Ernährungsstudie angestoßen, an der über 500 Risikopatienten für Demenz teilnahmen. Unterstützung erhielt der Studienleiter Professor Michael Wagner von anerkannten Ernährungswissenschaftlern. Der Bonner Professor Peter Stehle war einer davon. Das Ergebnis der Studie: Eine gesunde, eher mediterrane Ernährung kann vor Gedächtnisverlust und Alzheimer-Demenz schützen. Ungesunde Fette, Fleisch und jede Menge Weißbrot erhöhen dagegen das Risiko für Alzheimer-Demenz.

„Tierisches Fett wird charakterisiert durch große Mengen an gesättigten Fettsäuren, die wir in der Ernährungsphysiologie relativ ungünstig bewerten, weil sie dazu führen, dass es eher zu Veränderungen von Gefäßen kommt. Olivenöl ist charakterisiert durch die sogenannte Ölsäure. Bis zu 90 Prozent des Fettes ist Ölsäure. Das ist eine sogenannte einfach ungesättigte Fettsäure. Einfach ungesättigte Fettsäuren oxidieren nicht so schnell. Das heißt, sie werden nicht ranzig.

Prävention: Der wirksamste Weg

Noch gilt Demenz als unheilbar. Vorbeugung, sagen Wissenschaftler, ist derzeit die wirksamste Methode, um die Krankheit in den Griff zu bekommen. Professor Georg Adler ist Leiter des Instituts für Studien zur psychischen Gesundheit (ISPG) in Mannheim und spezialisiert auf die Vorbeugung und Früherkennung von Demenzerkrankungen. „Wir bieten das Präventionsprogramm ab dem 50sten Lebensjahr an. Kostenpunkt dieser privaten Vorsorgeuntersuchung: 250 bis 300 Euro. Am ISPG in Mannheim werden die geistige Leistungsfähigkeit, genetische Veranlagung, vor allem aber die körperlichen Risikofaktoren der Patienten ermittelt.

Die Behandlung von Risikoerkrankungen ist ein wichtiger Baustein für die Prävention von Demenz. Werden diese Erkrankungen gut behandelt, tut man gleichzeitig auch etwas gegen Demenz. Auch Professor Adler rät dazu, die Ernährung anzupassen, insbesondere zu weniger Kohlehydraten, was sich auch positiv auf den Cholesterinspiegel auswirkt, zu einer aktiven Lebensführung und zu einem begrenzten Alkoholkonsum.

Die Experten sind sich einig: In Sachen Demenz-Prävention hilft zudem ein aktives Leben mit vielen sozialen Kontakten, in der Gruppe und in der sozialen Interaktion. Gerade die Kommunikation und die Lebensfreude in der Gemeinschaft sei zentral wichtig, um mental fit und aktiv zu bleiben. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Vorbeugung von Demenz ist Bewegung. Auch Professor Eschweiler geht davon aus, dass im Trainingsprozess beim Sport Substanzen etwa aus den Muskeln freigesetzt werden, die auch die Nerven stabilisieren. "Von daher ist selbst bei beginnender Demenz die Bewegung und das körperliche Training sehr hilfreich." Es ist also nie zu spät, mit der Prävention zu beginnen.

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Behandlung und Umgang mit Demenz

Die Diagnose Demenz kann Betroffene und ihre Angehörigen erst einmal verunsichern.

Wie lässt sich Demenz behandeln?

Je nach Form und Schwere der Demenz unterscheidet sich auch die Behandlung. Klären Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, ob im konkreten Fall Medikamente hilfreich sind. Außerdem können weitere therapeutische Maßnahmen, Gedächtnistraining, körperliche Aktivität, Musizieren und Biographiearbeit hilfreich sein. Dabei wird im Rückblick auf frühere Lebenserfahrungen die Erinnerung geschult. Es tritt zutage, was die Patienten im Leben negativ und positiv geprägt hat und wie sie aktuell gestärkt werden können.

Was ist im Umgang mit einem Menschen mit Demenz wichtig?

Wer an Demenz erkrankt, verliert nach und nach seine Denkfähigkeit, verwechselt Gegenwart und Vergangenheit, doch "das Herz wird nicht dement“, also Gefühle bleiben. Die Mitmenschen sollten sich auf den Menschen einstellen, denn umgekehrt ist es nicht möglich.

  • Respektieren Sie die Einschränkungen: Keine Vorwürfe und Konflikte, sondern Akzeptanz und Ruhe erleichtern den Umgang.
  • Bestehen Sie nicht auf sachlich korrekte Information oder auf die Einhaltung von Ordnung.
  • Beantworten Sie auch wiederholte Nachfragen geduldig und mit den gleichen Worten.
  • Räumen Sie die Dinge stillschweigend wieder an ihren Platz.
  • Behalten Sie Ruhe auch bei Gefühlsausbrüchen: Bedenken Sie, dass Wut oder aggressives Verhalten sich nicht gegen Sie als Person richten. Erst tief durchatmen, dann reagieren.
  • Steigern Sie den Selbstwert: Sprechen Sie mit Demenzkranken über ihre früheren Hobbys oder schöne Lebenserfahrungen. Ermöglichen Sie ihnen passende einfache Tätigkeiten, bei denen sie sich nützlich fühlen. Nehmen Sie auch kleine positive Dinge wahr, die schönen Momente der Verbundenheit. Zeigen Sie Ihre Zuwendung, indem Sie den erkrankten Menschen auch mal in den Arm nehmen oder streicheln.

Welche Hilfen erhalten Menschen mit Demenz?

Wieviel Geld die Pflegeversicherung zahlt, hängt von der Pflegebedürftigkeit und dem Pflegegrad ab. Sie sollten regelmäßig überprüft werden. Kommt die Gutachterin oder der Gutachter zur Feststellung eines möglichen Pflegegrades, kann es sein, dass der Mensch mit Demenz seine Fähigkeiten besser darstellt als sie wirklich sind. Tipp: Hilfreich kann dafür auch ein sogenanntes Pflegetagebuch sein. Der Sozialverband Deutschland und das Unternehmen pflege.de bieten kostenfreie Pflegetagebücher online an.

Reichen das eigene Geld und die Leistungen der Pflegeversicherung nicht, kann ein Mensch mit Demenz auch zusätzlich Sozialhilfe beantragen. Menschen mit mittlerer oder schwerer Demenz haben oft auch Anrecht auf einen Schwerbehindertenausweis.

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Mehr als die Hälfte der Menschen mit Demenz, die pflegebedürftig sind, lebt daheim. Wer ihnen im Alltag beisteht, erlebt vielfältige Herausforderungen, wie zeitliche, körperliche und seelische Belastungen. Die Begleitung kann schmerzlich sein. Holen Sie sich früh Hilfe: Wenden Sie sich an einen Pflegestützpunkt oder eine Demenzberatungsstelle in Ihrer Nähe und lassen Sie sich beraten. Sie erhalten Informationen über finanzielle Unterstützung, über Umgang mit Demenz oder auch Hilfen im Alltag.

Nutzen Sie alle Möglichkeiten von kleinen oder größeren Auszeiten. Gehen Sie möglichst in Ihren freien Momenten bewusst Ihren eigenen Interessen nach, tun Sie sich etwas Gutes. Es ist wichtig, dass Sie wieder zu Kräften kommen. Suchen Sie Kontakt zu anderen Angehörigen von Menschen mit Demenz, zum Beispiel in Internetforen oder in einer Selbsthilfegruppe.

Umgang mit Verdachtsfällen im Freundeskreis

Eine Freundin ist möglicherweise dement, manchmal reagiert sie grantig. Das ist eine ganz häufige und typische Situation. Meistens weisen Menschen, die sich im Anfangsstadium von Demenz befinden, diese Tatsache ganz weit von sich, weil sie Angst davor haben, sich bedroht fühlen und merken, dass viele Dinge in ihrem Alltag nicht mehr klappen. Und sie haben Angst davor, dass andere über sie bestimmen, dass sie abgestempelt, ausgegrenzt und bevormundet werden.

Entweder Sie haben Glück, wenn Sie Ihre Freundin sehr vorsichtig und taktvoll darauf ansprechen und sie öffnet sich Ihnen. Dann könnten Sie ihr sagen: Hör‘ mal, es wäre vielleicht gut, wenn Du mal zum Arzt gehst und das abklären lässt. Vielleicht kann man ein bisschen was verbessern oder Dir tatsächlich helfen. Übrigens ist nicht jede hirnorganische Einschränkung unbedingt eine Demenz, die irreversibel ist. Vielleicht kann man im Einzelfall tatsächlich eine Heilung oder doch zumindest eine Besserung bewirken.

Leider verhält es sich in der Regel so, dass potenziell Betroffene die Möglichkeit einer Erkrankung beim Ansprechen weit von sich weisen und sagen: Ich doch nicht. Oder sie beschuldigen andere, verteidigen sich oder bluffen sehr gut. In so einem Falle ist es nicht leicht, damit umzugehen. Wenn ja, ist es gut. Falls die Freundin jedoch sofort ganz aggressiv reagieren sollte, fühlt sie sich vermutlich sehr bedroht. Ich denke, es gibt Kleinigkeiten, die man tun kann. So kann man den Menschen gegenüber ganz liebevoll und verständnisvoll reagieren, ohne ihn dabei zu entmündigen und ihm das Gefühl zu geben: Ich halte Dich für krank und nehme Dich nicht mehr ernst. - Es geht darum dem Menschen zu zeigen: Ich mag und schätze Dich. Und man sollte ihm immer wieder zeigen, was er noch alles kann.

Die andere Möglichkeit wäre, den Hausarzt anzurufen, falls man ihn kennt und ihm zu sagen, dass man einen ernsthaften Verdacht einer Demenzerkrankung hegt. Oft ist der Hausarzt doch seit Jahren eine Vertrauensperson im Leben von älteren Menschen. Wenn das alles nichts hilft, ist das eine von vielen Situationen, die häufig vorkommen und mit denen man leben muss. Wenn dies eine Demenz ist, wird sie auf jeden Fall voranschreiten, und irgendwann wird dieses sehr aggressive Verhalten nachlassen.

Vaskuläre Demenz

Eine vaskuläre Demenz entsteht durch Durchblutungsstörungen im Hirn und ist nach Alzheimer die zweithäufigste Demenzerkrankung.

Wir werden immer älter - und damit steigt auch die Anzahl der Menschen mit Demenzerkrankungen. Knapp zwei Millionen Menschen in Deutschland sind betroffen. Die häufigste Form ist die Alzheimererkrankung (auch Alzheimer-Demenz). An zweiter Stelle kommt die sogenannte vaskuläre Demenz. „Vaskulär“ bedeutet, dass es um die Blutgefäße geht. Etwa 250.000 Menschen in Deutschland leben mit vaskulärer Demenz.

Zu den typischen Symptomen einer vaskulären Demenz gehören neurologische Defizite, wie beispielsweise eine Gangstörung oder anhaltender Schwindel. Hinzu kommen Konzentrationsschwierigkeiten, verlangsamtes Denken, Sprachstörungen und eine Einschränkung des Wortschatzes sowie Probleme bei der Blasenkontrolle und nicht zuletzt Persönlichkeitsveränderungen. Je nach betroffener Hirnregion können die Symptome sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, was die Diagnose erschwert. Die Veränderungen können außerdem sowohl plötzlich als auch schrittweise auftreten.

Bei der vaskulären Demenz stehen Gedächtnisprobleme am Anfang nicht im Vordergrund (können aber dennoch Teil der Symptomatik sein). Typischer sind körperliche Symptome wie Unsicherheit beim Gehen oder Schwäche eines Körperteils sowie Schwierigkeiten, sich zu organisieren und zu konzentrieren. Außerdem tritt die vaskuläre Demenz oft schon früher auf als Alzheimer.

Eine vaskuläre Demenz wird bedingt durch Schäden an Blutgefäßen, die das Gehirn versorgen. Hinter diesen Schäden stecken häufig Schlaganfälle (die oft unbemerkt bleiben). Ursache sind - auch ohne vorhergehenden Schlaganfall - immer Durchblutungsstörungen im Gehirn: Es wird mit zu wenig Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Dadurch werden Hirnzellen geschädigt und sterben ab.

Bisher ist vaskuläre Demenz nicht heilbar. Das Fortschreiten der Krankheit kann jedoch unter Umständen gebremst werden. Medikamente helfen dabei, Blutdruck und Diabetes zu behandeln. Blutverdünner können sinnvoll sein, um weitere Schlaganfälle zu verhindern. Ergänzend werden bei der Behandlung der Erkrankung sowohl kognitive Therapien als auch Physiotherapie eingesetzt. Wer das Herz-Kreislauf-System schützt, so heißt es von der Stiftung Gesundheitswissen, senkt ganz grundsätzlich das Risiko für Schlaganfälle und eine vaskuläre Demenz. Sport und Bewegung sowie eine ausgewogene und gesunde Ernährung können dabei helfen.

Weitere Risikofaktoren und Präventionsmaßnahmen

In Deutschland leben rund 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenz wie Alzheimer. Die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, kann beeinflusst werden. Eine Fach-Kommission hat jetzt eine Liste mit 14 Risikofaktoren im Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlicht.

Ein Risikofaktor ist das Sehen: Der Verlust der Sehkraft stellt ein Risiko für die Entstehung einer Demenz dar, so die Studienautoren und -autorinnen. „Es ist schon länger bekannt, dass der Verlust des Hörens ein Risiko darstellt“, sagt Stefan Teipel vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen in Rostock. Die Folge sei beim Verlust des Sehens und des Hörens oft, dass Betroffene sich zurückzögen und sozial isolierten. „Aber wir können in Studien sehen, dass beispielsweise die Versorgung mit Hörgeräten ermutigende Effekte hat: Wenn man wieder hört, was andere sagen und man sich unterhalten kann, gibt das den Menschen die Möglichkeit zur sozialen Teilhabe.

Ein weiterer Risikofaktor, der neu in die Liste aufgenommen wurde, ist der sogenannte LDL-Cholesterinwert. Dabei handelt es sich um einen Blutfettwert: Ist dieser dauerhaft zu hoch, können sich Ablagerungen in den Gefäßen bilden. Das kann zu Durchblutungsstörungen führen. In einem Gehirn, das bereits erste Alzheimer-Vorstufen aufweist, können dadurch die Symptome deutlich früher auftreten. Generell brauche das Gehirn Fett, damit die Nervenzellen gut miteinander kommunizieren könnten, so der Demenzforscher Teipel. Wenn der Fettstoffwechsel gestört sei, gebe es auch hier Probleme.

Viele der insgesamt 14 Risikofaktoren für eine Demenzerkrankung können beeinflusst werden - unter anderem der Cholesterinwert. So berechnen die Fachleute: Wenn alle Risikofaktoren vollständig beseitigt würden, dann könnten 45 Prozent der Demenzfälle weltweit verhindert werden. Fast die Hälfte aller Fälle - diesen Wert hält Stefan Teipel für etwas plakativ: "Diese 45 Prozent sind der sehr optimistische Oberrand des Effekts, den man erwarten kann. Ein realer Effekt liegt sicherlich darunter“, so Teipel. Auch Steffi Riedel-Heller, Direktorin des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health am Universitätsklinikum Leipzig, gibt zu bedenken: „Diese Zahlen beziehen sich auf eine vollständige Eliminierung dieser Risikofaktoren.“ Das wäre zwar wünschenswert, aber wenig realistisch. „Doch auch schon eine Reduktion der Risikofaktoren auf Bevölkerungsebene im realistischen Ausmaß hätte große Wirkung“, so Riedel-Heller.

Demenz betrifft vor allem Menschen in hohem Alter. Bei der Demenzprävention könne man sich die Bemühungen um die Herzgesundheit zum Vorbild nehmen, so der Demenzexperte Teipel. Hier sei bereits viel getan worden, um die Bevölkerung regelmäßig zu screenen und zu sensibilisieren. Bei Prävention gehe es viel um Motivation. „Was gut ist für die Herzgesundheit, ist auch für die Hirngesundheit gut. Jeder und jede einzelne könne sich um seine Hirngesundheit kümmern: Nur wenig Alkohol konsumieren, insgesamt würden eine gesunde, maßvolle Ernährung und regelmäßige Bewegung einen Effekt zeigen. Dazu kämen spezifische Maßnahmen: „Für Menschen im mittleren Alter, die sich vor Demenz schützen wollen, ist es besonders wichtig, sich mit Hörgeräten zu versorgen, wenn das Hören schlechter wird. Außerdem sollte hoher Blutdruck frühzeitig behandelt werden, nicht erst bei 65-Jährigen“, so Teipel.

Eine verbesserte Diagnostik, der demographische Wandel - und Corona? Die Anzahl an Demenzerkrankungen in Deutschland steigt. Außerdem sei es sehr relevant für die Hirngesundheit, weiter am Leben teilzunehmen, sich für Dinge zu interessieren, sagt Teipel. "Auch im Alter noch offen sein gegenüber neuen Dingen - also reisen, tanzen. Mit einer immer älter werdenden Bevölkerung würden zwar auch immer mehr Menschen an einer Demenz erkranken. „Wichtig ist aber die Botschaft, dass man etwas tun kann. Wichtig seien aber auch politische Bemühungen. Dabei gehe es zum einen darum, weltweit für ausreichend Bildung und zum Beispiel saubere Luft zu sorgen. „Und wir brauchen in Deutschland endlich eine Brain Health Agenda, um dieses Wissen zu den Risikofaktoren an die Menschen und insbesondere auch an die Entscheider in Politik und Gesellschaft zu bringen. Die ersten Effekte würde man bereits heute sehen, so Teipel: Das Demenzrisiko bei 65-jährigen sei heute um 3,5 Prozent niedriger als noch vor 10 Jahren.

Frontotemporale Demenz (FTD)

Alzheimer ist die bekannteste und häufigste Demenzform. Die Frontotemporale Demenz (FTD) ist eine besondere Form der Demenz. Sie beginnt meist früher als die Alzheimer-Krankheit, die Betroffenen sind im Schnitt erst 50 bis 60 Jahre alt. Zu Beginn der Krankheit verändern sich die Persönlichkeit und auch das zwischenmenschliche Verhalten. So war es auch bei Melanie Liebschs Vater - er wurde immer passiver und zog sich immer mehr zurück, erzählt sie. Bis Ärzte die Diagnose stellten, dauerte es ganze 13 Jahre. Diese Odyssee sei sehr belastend gewesen, so Liebsch.

Bei der Frontotemporalen Demenz (FTD) sterben die Nervenzellen an einem anderen Ort als bei Alzheimer ab, vor allem im Stirn- und Schläfenbereich des Gehirns. Von hier aus werden unter anderem Emotionen und Sozialverhalten kontrolliert. "In diesem Teil des Gehirns sitzt alles, was uns als Mensch, Persönlichkeit und Charakter ausmacht", erklärt Melanie Liebsch. Als die Symptome bei Liebschs Vater ausbrachen, war sie gerade mal zehn Jahre alt. Seine Empathielosigkeit aufgrund von FTD hat Liebschs Kindheit und Pubertät geprägt: "Ich habe nie eine angemessene emotionale Reaktion bekommen, wenn ich zum Beispiel eine gute Note nach Hause gebracht habe", sagt sie.

Bis heute wird die Frontotemporale Demenz häufig falsch diagnotistiziert, sagt Melanie Liebsch - weil die Symptome von FTD denen psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Burn-Out oder Persönlichkeitsstörungen ähneln. Die Diagnose-Leitlinien für FTD gebe es noch nicht lange. Melanie Liebsch ist es wichtig, über diese relativ unbekannte Krankheit aufzuklären. Deshalb engagiert sie sich bei der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg und berät Angehörige. FTD macht Schätzungen zu Folge etwa fünf Prozent der Demenzerkrankungen aus.

Melanie Liebsch rät anderen Angehörigen, offen über die Demenzerkrankung in ihrer Familie zu sprechen. Für sie selbst sei es heilsam gewesen, sich in einer Selbsthilfegruppe auszutauschen. Außerdem seien Auszeiten aus dem Pflegealltag wichtig. Das sieht auch Karin von Rosen so: Ihr Ehemann, mit dem sie drei Söhne großgezogen hat, leidet seit er Anfang 60 an Frontotemporaler Demenz. "Mit ihm habe ich mich immer aufgehoben gefühlt und verortet in dieser Welt. Um das zu akzeptieren, macht Karin von Rosen inzwischen eine Therapie. Und sie bekommt Hilfe von Freundinnen und Freunden und auch von ihren Söhnen. Gemeinsam versuchen sie, mit der Krankheit umzugehen. Heute sagt Karin von Rosen: "So kann ich diesen Weg langsam gehen".

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