Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, von der in Deutschland rund 300.000 Menschen betroffen sind. Weltweit sind es etwa 2,8 Millionen. Die Krankheit wird oft als die "Krankheit der tausend Gesichter" bezeichnet, da sie sich bei jedem Betroffenen anders äußert und verläuft. Die Diagnose MS kann das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen erheblich beeinflussen, insbesondere wenn sie noch jung sind. Trotz der Herausforderungen, die MS mit sich bringt, gibt es viele Möglichkeiten, ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben zu führen.
Was ist Multiple Sklerose?
Bei MS greift das fehlgesteuerte Immunsystem körpereigene Strukturen an, insbesondere die Myelinschicht, die die Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark umhüllt. Diese Myelinschicht entzündet sich und wird abgebaut, was dazu führt, dass Nervenimpulse nicht mehr richtig weitergeleitet werden können. Die Folge sind vielfältige neurologische Symptome.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen von MS sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass sowohl genetische als auch Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Zwillingsstudien deuten darauf hin, dass etwa 30 Prozent des Risikos genetisch bedingt sind, während 70 Prozent auf Umwelteinflüsse zurückzuführen sind. Zu den diskutierten Umweltfaktoren gehören unter anderem Vitamin-D-Mangel, Infektionen und Rauchen.
Die MS-Fälle nehmen laut Herbert Temmes von der Deutschen Multiplen Sklerose Gesellschaft deutlich zu. Die Zahlen haben sich in den letzten zwanzig Jahren verdoppelt. Unser moderner Lebensstil hat einen Einfluss auf die Anzahl der Menschen mit den Diagnosen.
Symptome und Verlauf
MS ist die "Krankheit der tausend Gesichter". Die Symptome und der Verlauf der Krankheit können stark variieren. Einige Patienten haben nur leichte Symptome und lange beschwerdefreie Phasen, während andere schwerere Verläufe mit rascher Progression erleben.
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Erste Anzeichen für Multiple Sklerose können sein:
- Missempfindungen
- Empfindlichkeit des Sehnervs
- Blasenstörungen
- Belastungsabhängige Schwäche beim Gehen
- Schwindel und Gangunsicherheit
Die tausend Gesichter betreffen auch den Verlauf der Erkrankung. So gibt es Patienten mit ganz unterschiedlicher Krankheitsaktivität, die einmal eine Sehnervenstörung haben und zehn Jahre später den nächsten Schub bekommen. Es gibt auch Patienten, die gleich zu Beginn mehrere Schübe bekommen. Ihre Krankheitsverläufe sind teilweise viel aggressiver und führen innerhalb von ein paar Jahren zur Immobilität.
Tjalf Ziemssen, Leiter des Multiple Sklerose Zentrums an der Uniklinik Dresden, betont, dass das subjektive Gefühl der Patienten oft trügerisch ist, da die MS eine sogenannte Eisberg-Erkrankung ist. Was man als Patient und Arzt primär sieht, spiegelt eben nicht das wider, was im Gehirn stattfindet.
Diagnose
Die Diagnose von MS kann eine Herausforderung sein, da es keinen einzelnen spezifischen Test gibt. In der Regel stützt sich die Diagnose auf eine Kombination aus neurologischer Untersuchung, Anamnese, Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns und Rückenmarks sowieLiquoruntersuchung.
Leben mit MS: Herausforderungen und Chancen
Die Diagnose MS kann das Leben der Betroffenen und ihrer Partner auf vielfältige Weise beeinflussen. Beziehungen werden auf die Probe gestellt, Zukunftspläne müssen überdacht werden, und der Alltag muss neu organisiert werden. Doch trotz der Herausforderungen gibt es viele Möglichkeiten, ein erfülltes Leben mit MS zu führen.
Auswirkungen auf Beziehungen
Schwere Erkrankungen haben Auswirkungen auf die Liebe, vor allem, wenn sie noch nicht gefestigt ist. Die Diagnose MS kann eine Beziehung stark belasten. Es ist wichtig, offen über die Erkrankung und ihre Auswirkungen zu sprechen.
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Die Geschichten von Franziska und Marius sowie Lara und Niklas zeigen, wie Paare mit der Diagnose MS bzw. Krebs umgehen können. Franziska und Marius, die seit drei Jahren zusammen sind, als Marius die Diagnose MS bekommt, halten an ihren gemeinsamen Zukunftsplänen fest und heiraten. Sie finden einen Weg, mit der neuen Situation umzugehen, indem sie Eigenständigkeit in ihrer Beziehung bewahren. Franziska liest gern und schreibt auch selbst, er ist Bodybuilder. Beide bestärken sich in ihren Hobbys. Eigenständigkeit in der Beziehung ist ihnen wichtig und hilft auch im Umgang mit der MS-Erkrankung.
Niklas fragt Lara offen, ob sie den Weg mit ihm gehen oder eine Pause einlegen möchte. Sie will bei ihm bleiben und zieht zu Niklas, wechselt Stadt und Job und steht ihm während der Chemotherapie bei. Lara und er blicken zuversichtlich in die Zukunft, obwohl die Angst vor einem Rückfall bleibt.
Auch Michael Zeltwanger, der seit fast 17 Jahren mit MS lebt, verbindet Positives mit der Krankheit: Durch sie lernt er seine spätere Ehefrau Deborah kennen, die ebenfalls MS hat. Gemeinsam erfüllen sie sich ihren Kinderwunsch und motivieren andere Erkrankte zu einem selbstbestimmten Leben.
Familienplanung
Fragen zur Familienplanung kommen auf. Bei Frauen mit MS kann sich eine Schwangerschaft günstig auf den Krankheitsverlauf auswirken. Sorgfältige Planung und ärztliche Betreuung sind aber wichtig. Das Ehepaar Zeltwanger will andere Erkrankte zu einem selbstbestimmten Leben motivieren und zeigen, dass eine Familiengründung auch mit MS möglich ist.
Beruf und Alltag
MS kann die Arbeitsfähigkeit und den Alltag der Betroffenen beeinträchtigen. Es ist wichtig, sich frühzeitig über mögliche Unterstützungsangebote zu informieren und den Arbeitsplatz gegebenenfalls anzupassen. Janine erfuhr mit 14 Jahren, dass sie an Multipler Sklerose erkrankt ist. Sie sitzt seit ihrem 19. Lebensjahr im Rollstuhl. Ihr Partner Jochen ermöglicht ihr ein Leben zu Hause in den eigenen vier Wänden, ihre Beziehung bezeichnen sie als ausgeglichen, beide profitieren voneinander. Janine möchte eine selbstbewusste und attraktive Partnerin sein.
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Selbsthilfe und Unterstützung
Der Austausch mit anderen Betroffenen kann eine große Hilfe sein. Selbsthilfegruppen bieten die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen, sich gegenseitig zu unterstützen und von den Erfahrungen anderer zu lernen.
Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlung von MS zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, die Schubfrequenz zu reduzieren und das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen.
Zu den gängigen Behandlungsansätzen gehören:
- Medikamentöse Therapien: Kortison wird eingesetzt, um akute Schübe zu behandeln. Eine frühe Therapie mit immunmodulierenden Medikamenten ist oft wichtig, um die gesunden Nervenzellen zu schützen und weitere Schäden zu verhindern.
- Physiotherapie: Physiotherapie hilft, die Beweglichkeit und Muskelkraft zu verbessern.
- Ergotherapie: Ergotherapie unterstützt bei der Alltagsbewältigung.
- Psychotherapie: Eine Psychotherapie kann bei der emotionalen und psychischen Bewältigung der Krankheit helfen.
Aktuelle Forschung
Die Forschung zu MS hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Wissenschaftler untersuchen genetische und umweltbedingte Faktoren, die zur Entstehung der Krankheit beitragen. Zudem werden ständig neue Medikamente entwickelt und getestet, um die Symptome zu lindern und das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen. Weitere Hoffnung machen Immun- und Stammzelltherapien.
MS ist bislang nicht heilbar. Im Moment forschen Wissenschaftler an der CAR-T-Zell-Therapie, die ursprünglich für Krebserkrankungen entwickelt wurde. Mit ihr können Autoimmunerkrankungen prinzipiell geheilt werden. Aktuelle Studien zum Einsatz bei MS laufen. Am NCT in Heidelberg werden CAR-T-Zellen erforscht. Die Erfolge der Therapie sind beeindruckend. Aber: Die Behandlungen sind teuer und können schwerwiegende Nebenwirkungen haben.
Missverständnisse und Aufklärung
Trotz Aufklärung und erheblicher Fortschritte in der Forschung gibt es viele Missverständnisse zur Krankheit Multiple Sklerose.
Einige häufige Missverständnisse sind:
- MS ist eine tödliche Krankheit: Tatsächlich ist MS nicht direkt tödlich und die Lebenserwartung von Menschen mit MS ist in der Regel nur geringfügig reduziert.
- MS ist ansteckend: MS ist keine ansteckende Krankheit und kann nicht von Person zu Person übertragen werden.
- MS betrifft nur junge Erwachsene: Obwohl MS meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auftritt, kann MS auch Kinder und ältere Erwachsene betreffen.
Es ist wichtig, diese Missverständnisse auszuräumen und die Öffentlichkeit über MS aufzuklären.
Welt-Multiple-Sklerose-Tag
Am 30. Mai ist Welt-Multiple-Sklerose-Tag. Er soll auf die weltweit 2,8 Millionen MS-Erkrankten aufmerksam machen. Mirjam Kottmann, die selbst an MS erkrankt ist, setzt sich dafür ein, dass Menschen mit Behinderung in der Medienwelt stärker gesehen und wahrgenommen werden. Sie moderiert aus dem Rollstuhl und zeigt, dass es auf den Inhalt ankommt und nicht auf die Behinderung.