Synapsen nicht richtig verdrahtet: Ursachen und Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung

Das menschliche Gehirn, mit seinen etwa 100 Milliarden Nervenzellen und einem Vielfachen an Synapsen, ist ein Wunderwerk der Natur. Seine Lernfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und die Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten, sind bis heute unerreicht. Doch wie gelingt es diesem komplexen Organ, sich während der Entwicklung "richtig" zu verdrahten und seine vielfältigen Aufgaben so mühelos zu erfüllen?

Die Dynamik des Gehirns: Eine lebenslange Baustelle

Lange Zeit glaubte man, dass sich das Gehirn eines Erwachsenen nicht mehr verändert. Heute wissen wir, dass es bis ins hohe Alter umgebaut wird, vergleichbar mit einem Muskel, der trainiert werden kann. Diese lebenslange Lernfähigkeit ermöglicht es uns, uns an neue Herausforderungen anzupassen, Fremdsprachen zu lernen, uns Gesichter zu merken und neue Fähigkeiten zu erwerben.

Dieser Umbauprozess findet vor allem an den Synapsen statt, den Kontaktstellen zwischen Nervenzellen. Hier werden elektrische Signale übertragen und deren Intensität verstärkt oder abgeschwächt. Diese synaptische Plastizität ermöglicht es dem Gehirn, die Effektivität der Übertragung zu variieren, Verbindungen zu verstärken (Langzeitpotenzierung, LTP) oder abzubauen. So können Synapsen im Laufe des Lebens neu gebildet oder komplett gekappt werden.

Die Rolle von Erfahrungen: Selektion und Differenzierung

Nach der Geburt kommt es zu einer explosionsartigen Zunahme der Synapsen, unabhängig von Umwelt und Erfahrungen. Im Laufe der Entwicklung wird dieses Überangebot jedoch in Abhängigkeit vom Nutzungsgrad wieder abgebaut. Erfahrungen sind also essentiell für die Selektion von Verbindungen: Diejenigen, die sich als nützlich erweisen, werden verstärkt und differenzieren sich funktionell aus. Für die Gehirnentwicklung sind Selektion, Wachstum und Differenzierung charakteristische Merkmale, wobei die Umwelt eine entscheidende Rolle spielt.

Sensible Phasen: Zeitfenster der Plastizität

Die Entwicklung des Gehirns und der mentalen Funktionen wird unter anderem durch prospektive und retrospektive Studien erforscht. Prospektive Studien untersuchen die funktionelle Entwicklung vom Säuglings- bis zum Erwachsenenalter und deren neuronale Korrelate. Retrospektive Studien erforschen die Anpassungsfähigkeit des Gehirns an atypische Umwelten, wie beispielsweise Blindheit oder Gehörlosigkeit.

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Erfahrungsabhängig ist ein neurokognitiver Prozess dann, wenn er sich nur in bestimmten Erfahrungskontexten entwickelt. Man spricht von sensiblen Phasen, wenn während bestimmter Lebensphasen spezifische Erfahrungsmöglichkeiten gegeben sein müssen, damit sich eine Funktion voll entwickelt. Sensible Phasen sind also Zeitfenster erhöhter Plastizität, in denen das Gehirn besonders anfällig für funktionelle und strukturelle Veränderungen ist und besonders leicht und schnell lernt.

Atypische Umwelten: Einblicke in die Plastizität

Um sensible Zeitfenster zu identifizieren, werden Menschen untersucht, die in der Vergangenheit einer atypischen Umwelt ausgesetzt waren. Vergleicht man die kompensatorischen Reaktionen bei Menschen, die von Geburt an blind waren, mit solchen, die erst im Erwachsenenalter erblindet sind, kann man Rückschlüsse auf sensible Phasen ziehen.

Studien an Menschen, die von Geburt an blind waren, haben gezeigt, dass sie bessere Hör- und Tastleistungen aufweisen. Sie können Sprachsignale in lauter Umgebung schneller enkodieren, haben ein besseres Gedächtnis für Umweltgeräusche und Stimmen und können Geräusche präziser orten. Diese Leistungsverbesserungen beruhen auf verschiedenen neuronalen Mechanismen, wie beispielsweise einer präziseren Abstimmung räumlicher Repräsentationen im Hörkortex und im Scheitellappen.

Eine späte Blindheit hingegen trifft auf ein Gehirn, das sich auf ein Leben mit Sehen hin entwickelt hat. Spät erblindete Menschen verwenden für die räumliche Kodierung der Umwelt ähnliche Repräsentationen wie sehende Personen und unterscheiden sich hier von geburtsblinden Menschen. Dies deutet darauf hin, dass bestimmte Plastizitätsprozesse nur während der frühen Entwicklung anpassungsfähig sind, während andere Anpassungen ein Leben lang möglich sind.

Die Bedeutung der Reihenfolge: Orchestrierung der Erfahrungen

Auch die Reihenfolge der Erfahrungen spielt eine wichtige Rolle für die Gehirnentwicklung. Studien an Menschen, die mit einer angeborenen Linsentrübung (Katarakt) geboren wurden und erst später operiert wurden, haben gezeigt, dass schon eine Blindheit von relativ kurzer Dauer nicht nur elementare Sehfunktionen wie die Sehschärfe dauerhaft vermindert, sondern auch komplexere Sehleistungen wie die Wahrnehmung von Gesichtern und Objekten beeinträchtigt.

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Auch die Kommunikation des Sehsystems mit anderen Sinnessystemen kann gestört sein. Menschen mit kongenitaler Katarakt können beispielsweise Lippen lesen, aber diese nicht mehr mit der Hörinformation so kombinieren, dass sie ihr Sprachverstehen verbessern könnten. Dies deutet darauf hin, dass nicht nur das Vorhandensein von bestimmten Erfahrungen, sondern auch die Reihenfolge dieser Erfahrungen eine große Rolle für die Gehirnentwicklung spielt.

Konsequenzen für die Entwicklung: Frühkindliches Lernen

Die am Modell von Menschen mit sensorischen Beeinträchtigungen identifizierten Prinzipien der Gehirnentwicklung gelten vermutlich auch für andere Funktionsbereiche wie die emotionale, motivationale und soziale Entwicklung. Frühkindliches Lernen und frühkindliche Lernumwelten haben einen entscheidenden Einfluss auf das spätere Leistungs- und Lernpotential. Investitionen in die frühkindliche Entwicklung potenzieren sich mit jedem weiteren Lebensjahr.

Wenn während sensibler Phasen die strukturelle und funktionelle Ausformung von neuronalen Systemen nicht "angestoßen" wird, kann dies während späterer Entwicklungsphasen nicht mehr vollständig nachgeholt werden. Kompensationsmaßnahmen sind dann mühsam, zeitaufwendig und kostenintensiv.

Plastizität nach sensiblen Phasen: Möglichkeiten und Risiken

Sensible Phasen bedeuten jedoch nicht, dass ein Lernen nach deren Ende absolut nicht mehr möglich ist. Jeder Mensch kann bis ins hohe Alter eine Fremdsprache lernen, jedoch ist deren Erwerb deutlich mühsamer und das Ergebnis unvollständiger im Vergleich zum Erwerb während der frühen Kindheit.

Wie kann die Plastizität nach Ende der sensiblen Phasen gesteigert werden? Eine Steigerung der Neuroplastizität auf das Niveau von sensiblen Phasen ist zwar wünschenswert, birgt aber auch Risiken. Die Plastizität bestimmter neuronaler Systeme muss abnehmen, damit neue Systeme diese als Teilfunktion für komplexere Funktionen nutzen können. Die Stabilität von bestimmten, insbesondere sich früh entwickelnden Systemen ist eine Voraussetzung für die Entstehung höherer kognitiver Funktionen.

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Interventionen müssen daher sicherstellen, dass sie funktionell spezifisch und nicht systemdestabilisierend wirken. Pharmakologische Interventionen ("Plastizitäts-Pille") erfüllen diese Voraussetzungen häufig nicht. Verhaltensinterventionen sind vielversprechender, wenn sie selbstverstärkend sind, Aufmerksamkeit binden und vielseitige Erfahrungen innerhalb des anvisierten Funktionsbereiches bieten.

Was regt Entwicklungen im Gehirn an?

Wiederholung, Übung und aktives Handeln sind entscheidend für die Stabilisierung von Nervenverbindungen im Gehirn. Nach dem Motto "use it or lose it" werden häufig genutzte Verbindungen gestärkt, während ungenutzte Verbindungen abgebaut werden. Im Gehirn entstehen Netzwerke durch Verknüpfungen von Nervenfasern an den Synapsen.

Werden diese Verbindungen oft angeregt, werden die Netzwerke stärker und schneller. Dabei spielt die Verstärkung der Synapse selbst eine Rolle, aber auch eine Ummantelung der Nervenfaser (Myelinscheide). Das Gehirn kann sich so in allem Möglichen "spezialisieren", sowohl in konstruktiven als auch in abträglichen Verhaltensweisen.

Vermeidung hingegen führt zum Rückgang von Vernetzung und zum Verlernen. Auch das Vorbild spielt eine wichtige Rolle: Abgegucktes Verhalten kann im Gehirn entsprechende Nervenverbindungen anregen.

Das Gehirn checkt bei seinen Verdrahtungsentscheidungen auch die Folgen des Verhaltens ab: Sind sie positiv oder negativ? Welche Konsequenz hat das Verhalten für den Einzelnen? Zuwendung führt vorrangig zur Verdrahtung von Nervenverbindungen.

Die Pubertät: Eine besondere Phase der Umstrukturierung

Auch in der Pubertät durchläuft das Gehirn umfangreiche Veränderungen, die sowohl die emotionale als auch die kognitive Entwicklung betreffen. Bis zu 120 Milliarden Nervenzellen werden verdrahtet, wobei die Art und Weise der Verknüpfung maßgeblich vom Erfahrungs- und Informationsschatz des Jugendlichen abhängt.

Während die Amygdala, der Teil des Gehirns für Emotionen und Gefühle, in der Pubertät schon vollständig entwickelt ist, steckt der präfrontale Kortex, verantwortlich für rationale Entscheidungen, Planung und Impulskontrolle, noch mitten in der Findungsphase. Dieses Ungleichgewicht kann zu Stimmungsschwankungen, Risikobereitschaft und impulsivem Verhalten führen.

Auch die Botenstoffe, die das Gemüt beeinflussen, spielen eine Rolle. Dopamin, das Glückshormon, wird in der Pubertät vermehrt und häufig unkontrolliert ausgeschüttet. Neue und gute Erfahrungen, Entdeckungen und Ausbrüche aus der Normalität stärken den Ausschuss von Dopamin. Drogen wie Alkohol und Rauchen erweisen sich für Teenager besonders reizvoll, da sie das Belohnungssystem von Dopamin aktivieren.

Eltern können ihre pubertierenden Kinder unterstützen, indem sie Aufklärung betreiben, feste Regeln einhalten, Streit lösen und Vergesslichkeit akzeptieren. Wichtig ist es, dem Kind Freiheiten zu lassen und eine gesicherte Privatsphäre zu gewährleisten.

Neuronale Verbindungen: Grundlagen der Kommunikation im Nervensystem

Neuronale Verbindungen sind die physischen und funktionalen Verknüpfungen zwischen Neuronen im Nervensystem, die durch Synapsen gebildet werden. Sie ermöglichen die Weiterleitung von Informationen und sind essenziell für das Lernen und Gedächtnis. Neue Erfahrungen und Erlerntes verstärken diese Verbindungen und führen zu effizienteren Signalübertragungen.

Die Struktur neuronaler Verbindungen umfasst Neuronen, Synapsen, den synaptischen Spalt und Neurotransmitter. Die Funktionsweise basiert auf der Weitergabe von Signalen zwischen Neuronen, wobei elektrische Signale in chemische Signale umgewandelt werden und Neurotransmitter die Signale durch den synaptischen Spalt transportieren.

Neuronale Plastizität: Die Anpassungsfähigkeit des Gehirns

Neuronale Plastizität ist die Fähigkeit des Nervensystems, sich an Veränderungen anzupassen. Sie ermöglicht das Lernen, Gedächtnisbildung und die Erholung von Verletzungen. Diese Anpassungsfähigkeit umfasst Prozesse, die zur Umstrukturierung von neuronalen Verbindungen führen.

Im Gehirn spielen neuronale Verbindungen eine zentrale Rolle bei der Signalübertragung und Verarbeitung. Neuronale Netze sind Gruppen von Neuronen, die über Synapsen wechselseitig verbunden sind und gemeinsam bestimmte Funktionen erfüllen. Jede Erfahrung, die man macht, verändert das Muster der neuronalen Verbindungen im Gehirn ein wenig.

In der Medizin sind neuronale Verbindungen von großer Bedeutung, insbesondere bei der Behandlung neurologischer Erkrankungen. Durch das Verständnis und die Manipulation dieser Verbindungen können Therapien entwickelt werden, die das Wachstum neuer Synapsen fördern oder krankhafte Verbindungen unterdrücken.

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