Höreindrücke entstehen durch Töne, die als Schwingungen über die Luft übertragen werden. Diese Schwingungen gelangen über das Trommelfell ins Innenohr bis zur Hörschnecke (Cochlea). Die Cochlea ist wie ein Schneckenhaus spiralig aufgedreht, um möglichst viele Zellen auf kleinstem Raum unterzubringen. In der Cochlea befindet sich eine spezielle Membran (Tektorialmembran), die durch die Vibrationen der Luft, die vom Trommelfell übertragen werden, in Schwingungen versetzt wird. Diese Schwingungen knicken die Härchen der Haarzellen ab, was zur Wahrnehmung von Tönen führt.
Die Stärke der Tektorialmembran variiert entlang der Cochlea, wodurch unterschiedliche Frequenzen (Tonhöhen) wahrgenommen werden können. Schnelle Schwingungen erzeugen hohe Töne, langsame Schwingungen tiefe Töne. Mit zunehmendem Alter können sich die Haarzellen abnutzen und degenerieren, was zu Alters-Schwerhörigkeit (Presbyakusis) führen kann.
Ursachen von Taubheit bei Katzen
Taubheit bei Katzen kann verschiedene Ursachen haben, die in angeborene und erworbene Ursachen unterteilt werden können.
Angeborene Taubheit
Die Ursachen der angeborenen Taubheit liegen früh in der embryonalen Entwicklung. In der Cochlea befinden sich Zellen, die Kaliumionen in die Flüssigkeit pumpen und die Grundlage für eine elektrische Reizung der Haarzellen bilden (Stria vascularis). Diese Zellen sind mit Melanozyten (Zellen, die die Haut dunkel färben) verwandt und entstehen aus gemeinsamen Vorläuferzellen. Werden diese Vorläuferzellen in der Entwicklung des Embryos nicht angelegt oder können sie ihren Platz im Innenohr nicht erreichen, kommt es zu einer Taubheit, die durch ein nicht funktionsfähiges Corti-Organ hervorgerufen wird.
Da ein Defekt der Melanozytenvorläuferzellen für die Erkrankung verantwortlich ist, tritt sie oft bei Tieren mit weißem Fell und blauen Augen auf, wie z. B. bei Tieren, die das Piebald-Gen besitzen. Das größte Risiko für Taubheit besteht, wenn die Katze W-homozygot ist, d.h. die entsprechende Genvariante von beiden Elterntieren erhalten hat. Man geht davon aus, dass 60 bis 80 % der weißen Katzen mit W-Gen, die zwei blaue Augen haben, taub geboren werden.
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Genetische Prädisposition
Einige Katzenrassen weisen ein vermehrtes Aufkommen von Taubheit auf, da sie oft in den Farben Weiß und Weiß-Gescheckt gezüchtet werden. Hier liegt die Vermutung nach einem Gendeffekt nahe. Verantwortlich für weißes Fell ist der Genort W, da hier die Gene liegen, die die weiße Pigmentierung festlegen. Die Elterntiere geben jeweils eine Genvariante (Allel) an den Nachwuchs weiter. Handelt es sich auch nur bei einem der beiden vererbten Allele um die Genvariante W, ist die Katze weiß. Das Problem ist, dass der W-Gendefekt nicht nur dafür sorgt, dass die Katze weißes Fell hat, sondern auch Taubheit oder Schwerhörigkeit zur Folge haben kann.
Zuchtverbot
Dem Deutschen Tierschutzgesetz zufolge sind Züchtungen, die dem Tier körperliche Leiden verursachen bzw. eine Einschränkung der Körperfunktionen zur Folge haben, verboten. Darunter fällt demnach auch das bewusste Herauszüchten weißer Katzen und weiß-gescheckter Katzen mit dem für Taubheit und Schwerhörigkeit verantwortlichen Gendefekt. Um das Risiko angeborener Hörschädigungen so gering wie möglich zu halten, sollten zwei Katzen mit dem W-Gen nicht gepaart werden.
Erworbene Taubheit
Erworbene Taubheit kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden:
- Entzündungen: Entzündungen des äußeren, mittleren oder inneren Ohres können das Hörvermögen beeinträchtigen. Auch Entzündungen des äußeren Ohres können auf die Bulla übergreifen und sich dort festsetzen. Entzündliche Flüssigkeit wird produziert, die aus dem Mittelohr kaum abfließen kann.
- Infektionen: Infektionen mit Bakterien, Viren, Hefepilzen oder Milben können durch entzündliche Schwellungen der Gehörgänge das Hörvermögen beeinträchtigen.
- Parasiten: Parasiten wie Ohrmilben können das Ohr schädigen und zu Taubheit führen.
- Verletzungen: Verletzungen des Trommelfells oder schwere Verletzungen am Kopf oder den Ohren können zu Hörverlust führen.
- Ohrpolypen: Bei Katzen häufig vorkommende Ohrpolypen können das Trommelfell schädigen und einen Hörverlust verursachen.
- Tumore: Tumore im Ohr können das Hörvermögen beeinträchtigen.
- Medikamente: Einige Antibiotika, Chemotherapeutika und antiseptische Produkte zur Reinigung des Ohrs können bei anfälligen Tieren zu vorübergehender oder dauerhafter Taubheit führen.
- Schwermetalle: Schwermetalle wie Quecksilber oder Arsen können das Innenohr schädigen.
- Altersbedingte Schwerhörigkeit: Mit zunehmendem Alter können sich die Haarzellen im Innenohr abnutzen, was zu Schwerhörigkeit oder Taubheit führen kann.
- Brachycephale Hunderassen: Bei brachycephalen Hunderassen (Mops, Französische Bulldogge, Cavalier King Charles Spaniel, u.v.m.) kommt es durch den kurzen Schädel oft zu einer Abknickung der Verbindung der Bulla mit dem Rachenraum, über die kontinuierlich die Flüssigkeit ablaufen kann, die von der inneren Gewebsauskleidung des Innenohres produziert wird. Dieses Sekret sammelt sich in der Bulla an und kann ebenso zu einer Beeinträchtigung der Schalleitung führen.
Diagnose von Taubheit bei Katzen
Da man Katzen nicht fragen kann, ob sie einen Ton hören, muss man auf verschiedene Anzeichen achten und gegebenenfalls einen Tierarzt aufsuchen.
Anzeichen von Taubheit
- Die Katze reagiert nicht auf Geräusche, wie z. B. das Rufen des Namens, das Öffnen einer Futterdose oder das Klingeln einer Glocke.
- Die Katze erschreckt sich leicht, insbesondere wenn man sich ihr von hinten nähert.
- Die Katze miaut lauter als gewöhnlich.
- Die Katze bewegt ihre Ohren nicht mehr, wenn sie Geräusche hören sollte.
- Die Katze schläft tiefer als gewöhnlich.
- Die Katze ist unsicherer als gewöhnlich.
- Die Katze schreit viel.
Tests zur Feststellung von Taubheit
- Klicktest: Machen Sie neben den Ohren der Katze Klickgeräusche, ohne dass die Katze Sie sehen oder spüren kann. Reagiert sie nicht, könnte sie taub sein.
- Audiometrie (BAER-Test): Hierzu wird über Ohrhörer ein Ton in das Ohr eingespielt und über Elektroden die Veränderung der Spannung zwischen dem Innenohr und dem Gehirnanteil gemessen, der für das Hören verantwortlich ist. Man verfolgt auf diese Weise den Fluss des elektrischen Stroms, die durch die Schallwellen ausgelöst werden durch das Gehirn. Diese Messmethode wird als evoziertes Hirnstammpotential bezeichnet, auf Englisch auch „brainstem auditory evoked respone“, kurz „BAER“. Mittels Audiometrie, genauer dem BAER-Test (Brainstem Auditory Evoked Response), einem speziellen Hörtest, kann untersucht werden, ob der Schall bis zum Innenohr übertragen wird. So wird die Schallleitung überprüft. Es können dabei der Grad der Schwerhörigkeit und die Frequenzen, die dein Tier nicht hört, bestimmt werden. Dazu werden unter Sedierung Elektroden am Kopf deines Tieres befestigt. Über kleine Stöpsel in den Ohren werden dann Geräusche unterschiedlicher Lautstärke und Frequenz abgespielt. Die Elektroden messen, ob die Geräusche vom Gehirn wahrgenommen werden und zeichnen die Messungen über einen Computer auf.
- Elektroneurografie (ENG): Mit einer Elektroneurografie (ENG) kann die Nervenleitgeschwindigkeit des Hörnervs gemessen werden. So wird die Schallempfindung überprüft. Dafür werden ebenfalls unter Sedierung Elektroden an der Kopfhaut über dem Hörnerv angebracht und über Ohrstöpsel Geräusche abgespielt. Die Elektroden messen die elektrische Aktivität des Hörnervs.
Behandlung von Taubheit bei Katzen
Ob eine Taubheit behandelbar ist, hängt von der Ursache ab.
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- Schalleitungstaubheit: Bei Schalleitungstaubheiten wird die Ursache beseitigt. Dazu muss in einer Operation die Bulla eröffnet und die enthaltene flüssige oder eitrige Inhalte entfernt werden. Entzündungen des Außen-, Mittel- oder Innenohrs können mit Antibiotika und entzündungshemmenden Mitteln behandelt werden. Parasiten wie Ohrmilben sollten sorgfältig entfernt werden.
- Schallempfindungstaubheit: Eine angeborene oder altersbedingte Taubheit ist meist nicht heilbar. Ist der Hörverlust durch Medikamente oder Schwermetalle verursacht worden, hängt es vom Grad der Schädigung ab, ob sich das Hörvermögen nach Abstellen der Ursache noch regenerieren kann. In manchen Fällen kann ein Tumor operativ oder mit Chemotherapie beseitigt werden.
Umgang mit einer tauben Katze
Auch wenn eine Taubheit nicht heilbar ist, können taube Katzen ein erfülltes Leben führen.
Tipps für den Umgang mit einer tauben Katze
- Sichere Umgebung: Schaffen Sie eine sichere Umgebung für Ihre Katze, insbesondere wenn sie Freigänger ist. Taube Katzen können Gefahren wie Autos nicht hören und sind daher stärker gefährdet. Halten Sie Ihre taube Katze deshalb in der Wohnung oder nur in einem abgesicherten Bereich im Freien.
- Kommunikation: Ersetzen Sie die akustische Kommunikation durch visuelle Signale und Berührungen. Verwenden Sie Handzeichen, Körpersprache und Mimik, um mit Ihrer Katze zu kommunizieren. Blinzeln Sie ihr beispielsweise langsam zu, um ihr Zuneigung zu zeigen.
- Aufmerksamkeit: Schenken Sie Ihrer Katze viel Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten.
- Routinen: Halten Sie vertraute Routinen bei, um Ihrer Katze Sicherheit zu geben.
- Erschrecken vermeiden: Vermeiden Sie es, Ihre Katze zu erschrecken, indem Sie sich ihr von hinten nähern oder sie plötzlich berühren. Nähern Sie sich vorsichtig von hinten.
- Vibrationen: Nutzen Sie Vibrationen, um die Aufmerksamkeit Ihrer Katze zu erregen. Klopfen Sie beispielsweise leicht auf den Boden, um sie zu sich zu rufen.
- Mehrkatzenhaushalt: Ja, Sie können eine taube Katze mit einer oder mehreren Katzen, die hören können, zusammen halten. Allerdings müssen Sie eines beachten: Taube Katzen hören keine Drohsignale. Das kann hörende Katzen irritieren. Mischen Sie sich aber erst in die Raufereien ein, wenn es ernst wird.
- Positive Verstärkung: Nutzen Sie die positive Verstärkung durch Lob oder ab und zu einem kleinen Leckerli, wenn Dinge richtig verstanden wurden.
Besonderheiten im Alltag
- Schlafposition: Achten Sie auf die Schlafposition Ihrer Katze. Die Schlafposition von Katzen ist ein Spiegel ihres Wohlbefindens.
- Fellpflege: Um Ohrmilben und sonstige Verunreinigen im Katzenohr vorzubeugen, reinigen Sie die Ohren ihrer Katze regelmäßig.
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