Ein Taubheitsgefühl in Fingern und Zehen kann ein beunruhigendes Symptom sein, das viele verschiedene Ursachen haben kann. Während ein vorübergehendes Kribbeln oder Taubheitsgefühl nach langem Sitzen in einer Position oft harmlos ist, können anhaltende oder wiederkehrende Missempfindungen auf ein tieferliegendes Problem hinweisen. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Ursachen von Taubheitsgefühlen in Fingern und Zehen, die diagnostischen Verfahren und die verschiedenen Behandlungsansätze.
Was sind Kribbeln und Taubheitsgefühle?
Kribbeln ist ein unangenehmes Gefühl auf der Hautoberfläche, das oft als Ameisenlaufen, Stechen oder Ziehen beschrieben wird. Es entsteht durch eine "falsche" Nervenaktivität, bei der Nervenzellen ohne erkennbaren äußeren Reiz aktiv sind. Taubheitsgefühle hingegen weisen darauf hin, dass die Nerven zu wenig aktiv sind. Dies kann auf eine Schädigung der Nerven in den betroffenen Bereichen hindeuten, wodurch die Empfindung gemindert wird.
Mögliche Ursachen für Taubheitsgefühle
Taubheitsgefühle in Fingern und Zehen können verschiedene Ursachen haben, die von harmlosen vorübergehenden Zuständen bis hin zu ernsthaften Erkrankungen reichen. Hier sind einige der häufigsten Ursachen:
Erkrankungen der Nerven
Polyneuropathie: Dies ist eine der häufigsten Ursachen für Taubheitsgefühle in Fingern und Zehen. Sie entsteht durch Schäden an den peripheren Nerven, die weit entfernt von Gehirn und Rückenmark liegen. Typische Symptome sind Kribbeln, Ameisenlaufen und Taubheitsgefühle, die sich oft handschuh- oder sockenförmig an beiden Gliedmaßen ausbreiten.
Karpaltunnelsyndrom: Dieses Syndrom betrifft den Mittelhandnerv, der durch den Karpaltunnel im Handgelenk verläuft. Wird dieser Nerv eingeklemmt, kann es zu Kribbeln und Taubheitsgefühlen in Daumen, Zeige-, Mittel- und Ringfinger kommen.
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Ulnartunnel- und Ulnarrinnensyndrom: Hierbei wird der Ellennerv (Nervus ulnaris) entweder im Ulnartunnel am Handgelenk oder in der Knochenrinne am Ellenbogen eingeklemmt. Dies kann zu Taubheitsgefühlen im kleinen Finger und teilweise im Ringfinger führen.
Bandscheibenvorfall: Ein Bandscheibenvorfall kann auf Nervenwurzeln drücken und Schmerzen, Kribbeln und Lähmungserscheinungen in den Beinen oder Armen verursachen, je nachdem, wo der Vorfall auftritt.
Guillain-Barré-Syndrom (GBS): Diese seltene Autoimmunerkrankung greift die peripheren Nerven an und kann zu Kribbeln und Taubheitsgefühlen in Händen und Füßen führen, gefolgt von Lähmungserscheinungen.
Multiple Sklerose (MS): MS ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die Kribbeln und Taubheitsgefühle verursachen kann.
Restless-Legs-Syndrom (RLS): Das RLS äußert sich durch Missempfindungen wie schmerzhaftes Kribbeln, Ziehen und Brennen in den Beinen, die sich in Ruhe verschlimmern und einen starken Bewegungsdrang auslösen.
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Durchblutungsstörungen
Schlaganfall: Ein Schlaganfall kann zu plötzlichen Taubheitsgefühlen oder Lähmungserscheinungen auf einer Körperseite führen und ist ein medizinischer Notfall.
Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK): Bei der PAVK ist der Blutfluss in den Beingefäßen behindert, was zu Schmerzen und Taubheitsgefühlen führen kann.
Raynaud-Syndrom: Dieses Syndrom verursacht Gefäßkrämpfe, die zu anfallsartigen Durchblutungsstörungen in den Händen und Füßen führen, was sich durch kalte, blasse, bläuliche oder rote und gefühllose Finger bemerkbar macht.
Andere Ursachen
- Psychische Störungen: Angst-/Panikattacken, Angststörungen und das Hyperventilationssyndrom können mit Kribbeln und Taubheitsgefühlen einhergehen.
- Medikamente und Umweltgifte: Vergiftungen mit Schwermetallen oder bestimmte Medikamente können Nervenschäden verursachen, die zu Missempfindungen führen.
- Nährstoffmangel: Ein Mangel an Vitamin B12 kann ebenfalls zu Taubheitsgefühlen führen.
- Muskelverspannungen: Chronische Muskelverspannungen im Schulter-Nacken-Bereich können zu Missempfindungen in den Händen führen.
- Fehlstellungen: Fehlstellungen der Beine oder Füße können zu einem falschen Gangbild und Fehlbelastungen führen, welche wiederum Taubheitsgefühle in Zehen oder dem Fuß auslösen können.
- Leistentunnelsyndrom: Durch Druck im Bereich des Leistenbands oder Leistenkanals wird der Oberschenkelhautnerv eingeklemmt. Mögliche Ursachen sind das Tragen zu enger Kleidung wie Jeans oder Übergewicht. Meist kommt es zu Schmerzen und Gefühlsstörungen am oberen und seitlichen Oberschenkel.
Diagnose von Taubheitsgefühlen
Um die Ursache von Taubheitsgefühlen in Fingern und Zehen zu ermitteln, wird der Arzt oder die Ärztin zunächst eine gründliche Anamnese erheben und eine körperliche Untersuchung durchführen. Dabei werden folgende Aspekte berücksichtigt:
- Detaillierte Beschreibung der Symptome: Wann traten die Taubheitsgefühle zum ersten Mal auf? Sind sie dauerhaft oder treten sie nur zeitweise auf? Sind sie ein- oder beidseitig?
- Vorerkrankungen: Liegen Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus vor?
- Körperliche Untersuchung: Welcher Bereich ist betroffen? Sind nur einige Finger oder die ganze Hand betroffen? Fühlen sich mehrere Stellen am Körper taub an oder kribbeln?
- Neurologische Untersuchung: Prüfung der Eigenreflexe, des Gehörs, der visuellen Wahrnehmung und des Gleichgewichtssinns.
Je nach Verdachtsdiagnose können weitere Untersuchungen erforderlich sein:
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- Bluttests: Zur Messung des Blutzuckerspiegels, der Menge bestimmter Vitamine und Mineralstoffe sowie von Entzündungswerten.
- Nervenleitgeschwindigkeitsmessung: Zur Überprüfung der Funktion der peripheren Nerven.
- Elektromyographie (EMG): Zur Messung der Muskelaktivität.
- Bildgebende Verfahren: Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) zur Darstellung von Nerven, Rückenmark und Gehirn.
- Dopplersonographie: Zur Beurteilung der Durchblutung der Gefäße.
- Liquoruntersuchung: Bei Verdacht auf entzündliche Erkrankungen des Nervensystems.
- Hautbiopsie: Zur Untersuchung von Hautnervenfasern bei Verdacht auf Small-Fiber-Neuropathie.
Behandlung von Taubheitsgefühlen
Die Behandlung von Taubheitsgefühlen richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Einige allgemeine Maßnahmen können jedoch zur Linderung der Symptome beitragen:
- Vermeidung von Druck auf die Nerven: Vermeiden Sie enge Kleidung, Schuhe oder Handgelenkschienen, die die Nerven einklemmen könnten.
- Regelmäßige Bewegung: Fördert die Durchblutung und kann Muskelverspannungen lösen.
- Ergonomische Anpassungen: Achten Sie auf eine ergonomische Gestaltung Ihres Arbeitsplatzes, insbesondere wenn Sie viel am Computer arbeiten.
- Entspannungstechniken: Stress kann Muskelverspannungen verstärken und die Symptome verschlimmern. Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder autogenes Training können helfen, Stress abzubauen.
- Wärme- und Kälteanwendungen: Wärme kann Muskelverspannungen lösen, während Kälte Entzündungen reduzieren kann.
- Massagen: Regelmäßige Massagen an Fuß und Zehen sind empfehlenswert. Mögliche kleinere Verspannungen können so gelöst werden.
Spezifische Behandlungen können je nach Ursache erforderlich sein:
- Polyneuropathie: Behandlung der Grunderkrankung (z.B. Diabetes mellitus), Vitamin-B12-Injektionen bei Mangel, Schmerzmittel, Antidepressiva oder Antikonvulsiva zur Schmerzlinderung, Physiotherapie, Capsaicin-Pflaster zur Anregung der Nervenregeneration.
- Karpaltunnelsyndrom: Ruhigstellung des Handgelenks mit einer Schiene, entzündungshemmende Medikamente, Kortisoninjektionen, operative Dekompression des Nervs.
- Bandscheibenvorfall: Schmerzlinderung, Physiotherapie, entlastende Verfahren, Injektionen mit entzündungshemmenden Wirkstoffen, operative Entfernung des Bandscheibenvorfalls in schweren Fällen.
- Raynaud-Syndrom: Vermeidung von Kälte und Stress, warme Kleidung, Gefäßtraining, Medikamente zur Erweiterung der Blutgefäße.
- Diabetische Neuropathie: Optimale Blutzuckereinstellung, Vermeidung von Alkohol und Nikotin, Fußpflege zur Vermeidung von Verletzungen.
Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?
Es ist ratsam, einen Arzt aufzusuchen, wenn:
- Taubheitsgefühle plötzlich auftreten und von anderen Symptomen wie Lähmungen, Sprach- oder Sehstörungen begleitet werden (Verdacht auf Schlaganfall).
- Taubheitsgefühle regelmäßig auftreten oder von Dauer sind.
- Taubheitsgefühle sich verschlimmern oder ausbreiten.
- Taubheitsgefühle mit Schmerzen, Schwäche oder Gangunsicherheit einhergehen.
- Sie Diabetes haben und Taubheitsgefühle in Ihren Füßen entwickeln.