Medikamente bei Nervenschmerzen: Ein umfassender Überblick

Nervenschmerzen, auch als neuropathische Schmerzen bekannt, sind eine besondere Herausforderung in der Schmerzmedizin. Sie entstehen durch Schädigungen oder Funktionsstörungen des Nervensystems und äußern sich oft in Form von brennenden, stechenden, elektrisierenden oder einschießenden Schmerzen. Im Gegensatz zu Schmerzen, die durch Gewebeschädigung entstehen, erfordern Nervenschmerzen eine spezifische Behandlung. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Medikamente und Behandlungsansätze, die zur Linderung von Nervenschmerzen eingesetzt werden.

Ursachen von Nervenschmerzen

Die Ursachen für Nervenschmerzen sind vielfältig und können sowohl das periphere als auch das zentrale Nervensystem betreffen. Zu den häufigsten Ursachen gehören:

  • Infektionen: Gürtelrose (Herpes Zoster) kann Nervenschmerzen verursachen, die als Post-Zoster-Neuralgie bekannt sind.
  • Medikamente: Chemotherapien können Nervenschäden und neuropathische Schmerzen verursachen.
  • Druck auf den Nerv: Karpaltunnelsyndrom und Bandscheibenvorfälle können Nerven einklemmen und Schmerzen verursachen.
  • Komplexe Störungen: Diabetes mellitus ist eine häufige Ursache für Polyneuropathie, eine Schädigung vieler kleiner Nerven, insbesondere in den Füßen und Unterschenkeln.
  • Amputationen: Phantomschmerzen sind ein Beispiel für Nervenschmerzen, die nach einer Amputation auftreten können.
  • Veränderungen des Gehirns: Morbus Parkinson, Schlaganfall und Multiple Sklerose können ebenfalls Nervenschmerzen verursachen.
  • Weitere Ursachen: Schnittverletzungen, bestimmte Krebsarten, eingeklemmte Nerven im Nackenbereich oder am Hinterkopf, Alkoholmissbrauch, Vitaminmangel (insbesondere Vitamin B12), genetische Veranlagung, chronischer Alkohol- oder Drogenmissbrauch, HIV-Infektion, rheumatoide Arthritis, toxische Einflüsse bestimmter Medikamente und Nervenentzündungen (Neuritis).

Symptome von Nervenschmerzen

Nervenschmerzen werden oft als brennend, elektrisierend, einschießend oder stechend beschrieben. Typische Anzeichen sind:

  • Brennende Dauerschmerzen
  • Vorübergehende elektrisierende Schmerzen
  • Kribbeln oder Ameisenlaufen
  • Ringgefühl (wie ein "zu enger Schuh")
  • Überempfindlichkeit gegenüber Berührungs- oder Kältereizen
  • Gefühlsstörungen wie Taubheit

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Symptome auch andere Ursachen haben können. Eine ärztliche Untersuchung ist daher unerlässlich, um die genaue Ursache der Schmerzen zu ermitteln.

Diagnose von Nervenschmerzen

Die Diagnose von Nervenschmerzen erfordert eine sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung. Der Arzt wird nach der Art der Schmerzen, ihrer Lokalisation, Auslösern und Begleitsymptomen fragen. Zusätzlich können neurologische Tests durchgeführt werden, um die Funktion der Nerven zu überprüfen. In einigen Fällen können bildgebende Verfahren wie MRT oder CT erforderlich sein, um andere Ursachen für die Schmerzen auszuschließen.

Lesen Sie auch: Faszination Nesseltiere: Wie sie ohne Gehirn leben

Behandlung von Nervenschmerzen

Die Behandlung von Nervenschmerzen zielt in erster Linie darauf ab, die Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Da die üblichen Schmerzmittel (z.B. Ibuprofen, Diclofenac, Paracetamol) bei Nervenschmerzen oft wenig hilfreich sind, kommen spezielle Medikamente und Therapieverfahren zum Einsatz.

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie von Nervenschmerzen umfasst in der Regel folgende Medikamentengruppen:

  • Antikonvulsiva (Antiepileptika): Diese Medikamente wurden ursprünglich zur Behandlung von Epilepsie entwickelt, haben sich aber auch bei Nervenschmerzen als wirksam erwiesen. Sie beeinflussen die Aktivität der Nervenzellen und der schmerzleitenden Nervenbahnen und normalisieren die für neuropathische Schmerzen typischen Veränderungen und Störungen der Nervenfunktion. Beispiele sind Gabapentin und Pregabalin.
  • Antidepressiva: Einige Antidepressiva, insbesondere trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitriptylin) und selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) (z.B. Duloxetin), können ebenfalls bei Nervenschmerzen helfen. Sie erhöhen die Verfügbarkeit bestimmter Neurotransmitter im Gehirn und reduzieren somit die Schmerzwahrnehmung.
  • Opioide: Diese stark wirksamen Schmerzmittel (Morphin-Abkömmlinge) werden in der Regel nur bei sehr starken Nervenschmerzen eingesetzt, wenn andere Medikamente nicht ausreichend wirken. Aufgrund des Suchtpotenzials sollten Opioide nur kurzzeitig und unter strenger ärztlicher Kontrolle eingenommen werden. Beispiele sind Tramadol und Tilidin.
  • Lokale Behandlungen: Bei einigen Formen von Nervenschmerzen können örtliche und oberflächliche Behandlungen am Schmerzort sinnvoll sein. Hierzu zählen Lidocain-Pflaster und Capsaicin-Cremes oder -Pflaster.

Antikonvulsiva

  • Gabapentin: Dieser Wirkstoff ähnelt dem Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und hemmt vermutlich die Ausschüttung von GABA, wodurch die Reizweiterleitung von Nervenzelle zu Nervenzelle gedrosselt wird. Dies führt zu einer Hemmung der Schmerzweiterleitung im Rückenmark und einer reduzierten Schmerzwahrnehmung. Gabapentin ist in der Regel gut verträglich und kann über Jahre hinweg eingenommen werden, ohne bleibende Organschäden zu verursachen. Mögliche Nebenwirkungen sind Virusinfektionen, Schläfrigkeit, Schwindel, Störungen der Bewegungskoordination (Ataxie), Erschöpfung und Fieber.
  • Pregabalin: Ähnlich wie Gabapentin bindet Pregabalin an bestimmte Kalziumkanäle und hindert die Freisetzung von Neurotransmittern wie Glutamat und Noradrenalin. Dadurch wird die Reizempfänglichkeit der Neuronen im zentralen Nervensystem gesenkt und die Weiterleitung von Schmerzimpulsen unterdrückt. Bei Einnahme auf leeren Magen entfaltet Pregabalin seine Wirkung innerhalb einer Stunde. Wichtig ist die konsequente Einnahme, um das Gleichgewicht des Wirkstoffes im Blut zu erhalten. Pregabalin darf nicht abrupt abgesetzt, sondern muss ausgeschlichen werden. Sehr häufige Nebenwirkungen sind Benommenheit, Schläfrigkeit und Kopfschmerzen. Häufig klagen Betroffene außerdem über Verwirrung, Reizbarkeit, Desorientierung, Schlaflosigkeit und Libidoverlust.

Antidepressiva

  • Amitriptylin: Dieses trizyklische Antidepressivum hemmt die Aufnahme von Noradrenalin und Serotonin durch die Neuronen, wodurch die Verfügbarkeit dieser Neurotransmitter im synaptischen Spalt erhöht wird. Serotonin filtert eingehende Schmerzsignale und kann die Wahrnehmung von Schmerz reduzieren. Amitriptylin kann in Tablettenform oral eingenommen oder intravenös verabreicht werden. Bei älteren Patienten verbleibt der Wirkstoff länger im Körper. Altersunabhängig sollte der Wirkstoff ein- und ausgeschlichen werden. Vor allem zu Beginn der Behandlung kann es zu Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen, Benommenheit, Schwindel, Sprachstörungen, Tremor, Schwitzen, Gewichtszunahme und Aggression kommen.
  • Duloxetin: Dieses Antidepressivum hemmt selektiv die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin und in geringerem Maße auch die Wiederaufnahme von Dopamin. Dadurch erhöht Duloxetin die Verfügbarkeit dieser Neurotransmitter im Gehirn und senkt somit die Schmerzwahrnehmung. Bei Patienten mit Neuropathie sollte der Arzt nach zwei Monaten beurteilen, ob das Mittel wirkt. Ist dies nicht der Fall, sollte die Anwendung unterbrochen werden. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Schläfrigkeit und Mundtrockenheit. Wird der Wirkstoff abrupt abgesetzt, kann es zu Ängstlichkeit, Tremor, Erbrechen und Reizbarkeit oder einer Verstärkung der Nebenwirkungen kommen.

Lokale Behandlungen

  • Lidocain: Dieses örtliche Betäubungsmittel blockiert die spannungsabhängigen Natriumkanäle in den Nervenzellen der Haut, wodurch die Durchlässigkeit der Neuronemembran für Natriumionen verringert und die Reizweiterleitung der Nervenzelle verlangsamt wird. Lidocain ist in verschiedenen Darreichungsformen erhältlich, unter anderem als Spritzen, Tabletten, Mundsprays, Pflaster, Cremes, Gels, Salben oder Suppositorien. Bei Neuropathien wird Lidocain zur Diagnose und lokalen Schmerzbetäubung verwendet. Ein ambulant durchgeführter Lokalanästhetika-Test kann dabei helfen, herauszufinden, ob die neuropathischen Schmerzen wirkungsvoll mit Schmerzmitteln behandelt werden können. Sehr häufige Nebenwirkungen sind erhöhter Blutdruck und Übelkeit. Patienten berichteten außerdem häufig von Parästhesie, Schwindel, Bradykardie, Hypertonie und Erbrechen.
  • Capsaicin: Dieser Wirkstoff wird aus der Chilischote gewonnen und aktiviert die Hitze- und Schmerzrezeptoren der Haut. Bei Anwendung auf der Haut sorgt Capsaicin dafür, dass Nervenschmerzen in diesem Bereich für bis zu drei Monate verschwinden. Besonders wirksam sind Capsaicin Salbe oder Capsaicin Pflaster auf einem kleinen oberflächlichen Schmerzbereich, etwa nach einer Gürtelrose. Capsaicin kann allein oder in Verbindung mit anderen Arzneimitteln gegen Nervenschmerzen angewendet werden. Nach der Anwendung von Capsaicin auf der Haut können Rötungen, Juckreiz und brennende Schmerzen entstehen. Auch Papeln, Bläschen, Schwellungen und Trockenheit an der Applikationsstelle wurden beobachtet. Diese Nebenwirkungen sind in der Regel vorübergehend.

Opioide

  • Tramadol: Dieses synthetische Morphin-Derivat bindet an die μ-, δ- und κ-Opioidrezeptoren und hemmt die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin. Dadurch ergibt sich seine schmerzstillende Wirkung. Aufgrund der hohen Suchtgefahr sollte Tramadol bei Nervenschmerzen nie länger als unbedingt nötig angewendet werden. Im Allgemeinen gilt, dass Opioide nach einem strikten Zeitplan eingenommen werden müssen, um Medikamenten-Spitzen zu vermeiden. Im Rahmen der Einnahme von Tramadol kommt es am häufigsten zu Übelkeit und Schwindel. Weitere Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, Erschöpfung, Mundtrockenheit, Obstipation und Erbrechen.
  • Tilidin: Dieses niederpotente Opioid wird bei mittelstarken Nervenschmerzen eingesetzt. Tilidin muss erst in der Leber verstoffwechselt werden, damit seine Wirkung eintreten kann. Die bei der Verstoffwechselung entstehende Substanz Nortilidin kann dann im zentralen und peripheren Nervensystem an die Opiatrezeptoren andocken und dort die Schmerzwahrnehmung unterdrücken. Tilidin ist eines der wenigen Opioide, das sich zur Behandlung chronischer Schmerzen eignet. Um Medikamentenmissbrauch zu vermeiden, sollte Tilidin zusammen mit dem Opioidrezeptor-Antagonisten Naloxon angewendet werden. In Kombination mit Naloxon führt Tilidin zu Behandlungsbeginn häufig zu Übelkeit und Erbrechen. Weitere, häufige Nebenwirkungen sind Schwindel, Benommenheit, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Nervosität, Durchfall und Abdominalschmerz sowie vermehrtes Schwitzen.

Medizinisches Cannabis

Medizinisches Cannabis, das sowohl THC (Tetrahydrocannabinol) als auch CBD (Cannabidiol) enthält, kann über das Endocannabinoid System im Körper wirken. THC bindet dabei hauptsächlich an die CB1 Cannabinoid Rezeptoren im zentralen Nervensystem, wodurch es die Modulation von Schmerzsignalen beeinflussen kann. CBD hingegen wirkt allen voran an den CB2 Rezeptoren in den peripheren Geweben und Organen. Durch die indirekte Interaktion mit den Rezeptoren kann CBD die Regulierung von Entzündungen, Allodynie (extreme Schmerzempfindlichkeit bei Berührung) und Hyperalgesie (extreme Reaktionen auf Schmerz) beeinflussen. Medizinisches Cannabis kann als Fertigarzneimittel (Extrakte) oder in Form natürlicher Cannabisblüten vorliegen. Bei neuropathischen Schmerzen können medizinische Cannabisblüten ein- bis mehrmals täglich inhaliert werden. Die genaue Anwendbarkeit und Dosierung wird von einem qualifizierten Arzt bzw. einer qualifizierten Ärztin festgelegt. Besonders am Anfang der Behandlung oder bei sensiblen Menschen kann es zu Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schwindel, Mundtrockenheit und vermindertem Appetit kommen.

Nicht-medikamentöse Therapien

Neben der medikamentösen Therapie gibt es eine Reihe von nicht-medikamentösen Therapien, die bei Nervenschmerzen Linderung verschaffen können:

  • Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS): Bei dieser Therapie werden Schmerzen mit elektrischen Impulsen behandelt.
  • Blockadeverfahren: Hierbei werden Nervenzellkörper mithilfe von Lokalanästhesien betäubt.
  • Physiotherapie: Gezielte Übungen und Therapieansätze können helfen, die Beweglichkeit zu erhalten, Muskelverspannungen zu lösen und die Durchblutung zu verbessern.
  • Akupunktur: Diese traditionelle chinesische Methode kann bei einigen Menschen zur Schmerzlinderung beitragen, indem sie die Energieflüsse im Körper beeinflusst.
  • Entspannungstechniken: Meditation, Atemübungen und progressive Muskelentspannung können dazu beitragen, Stress abzubauen und Nervenschmerzen besser zu bewältigen.
  • Ernährung und Lebensstil: Eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung und der Verzicht auf schädigende Substanzen wie Alkohol und Nikotin können zur Schmerzlinderung beitragen.
  • Psychologische Unterstützung: Da Nervenschmerzen oft auch psychische Belastungen mit sich bringen, kann eine psychotherapeutische Begleitung hilfreich sein, um den Umgang mit den Schmerzen zu erleichtern.

Operative Verfahren

Bei sehr hartnäckigen Nervenschmerzen können operative Verfahren in Erwägung gezogen werden:

Lesen Sie auch: Das beste Magnesium für Ihr Nervensystem

  • Nervenstimulatoren: Hierbei werden Elektroden, die sanfte Impulse an die Nerven abgeben, in die Nähe des Schmerzursprungs implantiert und an einen im Bauchraum oder im Gesäß implantierten Neurostimulator angeschlossen.

Rezeptfreie Medikamente gegen Nervenschmerzen

Neben den verschreibungspflichtigen Medikamenten gibt es auch eine Reihe von rezeptfreien Medikamenten, die bei Nervenschmerzen Linderung verschaffen können:

  • Kombinationspräparate: Besonders bewährt hat sich hier die Kombination aus Lavendel, Eisenhut und Kampfer.
  • Homöopathische Medikamente: Als hilfreich bei Nervenschmerzen hat sich die pflanzliche Kombination aus Koloquinte (Citrullus colocynthis), Spigelie (Spigelia anthelmia) und Eichenblättrigem Giftsumach (Toxicodendron quercifolium) erwiesen.
  • Alpha-Liponsäure: Ein Antioxidans, das bei diabetischer Neuropathie helfen kann.
  • B-Vitamine: Insbesondere Vitamin B12 und B6 könnten Nervenschäden lindern oder verhindern.
  • Omega-3-Fettsäuren: Sie entfalten eine entzündungshemmende Wirkung, die bei neuropathischen Schmerzen helfen kann.
  • Capsaicin: Aus Chilischoten gewonnen, kann die Verbindung als Creme auf die Haut aufgetragen werden und dort eine vorübergehende Schmerzlinderung bewirken.
  • Methylsulfonylmethan (MSM): Ein organischer Schwefelverbindung, der eine entzündungshemmende Wirkung zugeschrieben wird.

Wichtiger Hinweis

Es ist wichtig zu betonen, dass die Behandlung von Nervenschmerzen individuell angepasst werden muss. Nicht jedes Medikament oder Therapieverfahren wirkt bei jedem Patienten gleich gut. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Arzt ist daher unerlässlich, um die optimale Behandlungsstrategie zu entwickeln.

Lesen Sie auch: Entdecke die besten Spiele zur Förderung der Hirnfunktionen.

tags: #Medikamente #bei #Nervenschmerzen