Taubheitsgefühl in Leiste und Oberschenkel: Ursachen, Diagnose und Behandlung

Ein Taubheitsgefühl in der Leiste und im Oberschenkel kann sehr beunruhigend sein. Es gibt viele mögliche Ursachen, von harmlosen Verspannungen bis hin zu ernsthaften Erkrankungen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Ursachen, Begleitsymptome, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten von Taubheitsgefühlen in der Leiste und im Oberschenkel.

Was ist ein Ziehen in der Leiste?

Die Leiste ist der seitliche, untere Bereich unserer Bauchwand, der von der Bauchmuskulatur bis zum Schambereich reicht. Durch die Leisten verläuft beidseitig der Leistenkanal, eine anatomische Bahn mit Nerven und Gefäßen. Ein Ziehen in der Leiste ist ein unangenehmes Symptom, das die Betroffenen stark belasten kann. Männer sind häufiger betroffen als Frauen.

Ursachen für Taubheitsgefühl in Leiste und Oberschenkel

Die Ursachen für ein Taubheitsgefühl in der Leiste und im Oberschenkel sind vielfältig. Einige der häufigsten Ursachen sind:

Hüftarthrose

Eine Arthrose im Hüftgelenk beginnt oft schleichend. Neben Anlaufschmerzen, Schmerzen im Hüftgelenk während und nach Belastung können Leistenschmerzen auf eine Arthrose hinweisen. Das Ziehen und die Schmerzen in der Leiste können bis ins Bein, über den Oberschenkel, bis ins Knie ausstrahlen. In frühen Stadien können bereits Schmerzen in der Leiste und am seitlichen, äußeren, oberen Oberschenkel (im Bereich des Trochanter major) auftreten. Typischerweise haben die Betroffenen stärkere Symptome, wenn sie das betroffene Bein einwärts drehen. Mit zunehmendem Krankheitsverlauf wird auch die Drehung des Beines nach außen schmerzhaft. Charakteristisch ist zudem ein Anlaufschmerz, d.h. beim Beginn des Gehens nach längerem Sitzen oder Liegen.

Leistenbruch

Ein Leistenbruch (Hernia inguinalis) entsteht aufgrund einer angeborenen oder erworbenen Schwachstelle in der Bauchwand. Dabei treten Schichten der Bauchwand und Eingeweide durch den Leistenkanal hindurch. Faktoren wie schweres Heben, chronischer Husten oder Pressen beim Stuhlgang begünstigen die Ausbildung einer Hernie. Ziehen und Schmerzen in der Leiste bis ins Bein sind charakteristische Symptome eines Leistenbruchs, hauptsächlich in der Leiste selbst und im Schambein. Teilweise wird von einem Fremdkörpergefühl berichtet. Die meisten Leistenbrüche sind harmlos, es besteht jedoch die Gefahr einer Einklemmung von Darminhalt.

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Adduktorenzerrung und Muskelfaserriss

Die Adduktoren bezeichnen eine Gruppe von Muskeln an der Innenseite des Oberschenkels. Wenn die Sehnen dieser Muskeln gezerrt werden, spricht man von einer Adduktorenzerrung. Die Adduktoren werden gezerrt, wenn eine plötzliche Abduktion, also eine Abspreizung, im Hüftgelenk eintritt, z.B. bei einer heftigen Grätschbewegung beim Fußballspielen. Ein weiterer Grund für Schmerzen in der Leiste ist der Muskelfaserriss der Adduktoren. Durch Fehlbelastungen oder unzureichende Dehnung kann es zu einem schmerzhaften Riss einzelner Fasern der Muskulatur kommen, da ein Teil der Adduktoren in der Leiste ansetzt. Dies führt zu starken Schmerzen an den Adduktoren und kann eine langwierige Schonung und Behandlung erforderlich machen.

Lymphknotenentzündung

Unsere Lymphknoten dienen der Abwehr von Krankheitserregern, und es gibt einige in der Leistengegend. Bei Infektionen können die Lymphknoten anschwellen und Symptome wie Ziehen und Leistenschmerzen verursachen. Die Ursachen reichen von Hals- und Ohrenentzündung über Pfeiffer-Drüsenfieber bis zu sexuell übertragbaren Krankheiten wie Syphilis. Meistens ist die Ursache harmlos und heilt innerhalb weniger Tage ab. Ein zusätzliches Symptom bei Ziehen in der Leiste kann auch eine hinzukommende Schwellung sein.

Ischias und Bandscheibenvorfall

Rückenschmerzen, begleitet von einem Ziehen in der Leiste und im Oberschenkel, können auf verschiedene medizinische Zustände hinweisen. Ischias tritt auf, wenn der Ischiasnerv, der sich vom unteren Rücken bis zum Bein erstreckt, gereizt oder eingeklemmt ist. Ein Bandscheibenvorfall tritt auf, wenn der weiche Kern einer Bandscheibe zwischen den Wirbeln hervortritt und auf umliegende Nerven drückt. Dies kann Rückenschmerzen verursachen, die in die Leiste und das Bein ausstrahlen können. Treten die Symptome Rückenschmerzen und ein Ziehen in der Leiste gemeinsam auf, können unter anderem eine chronische Fehlhaltung oder ein Bandscheibenvorfall den Beschwerden zugrunde liegen. Eine dauerhafte Fehlhaltung mit Hohlkreuz kann kompensatorisch ein Vorkippen des Beckens bedingen, was Schmerzen in der Leiste und im Rücken hervorrufen kann.

Spinalstenose

Eine Spinalstenose der Lendenwirbelsäule ist eine Verengung des Wirbelkanals, durch den das Rückenmark verläuft. Dies kann zu einer Nervenschädigung führen. Weit verbreitet ist der Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule, bei dem der Kern der Bandscheiben auf die Nervenwurzeln im Spinalkanal oder Neuroforamen (Nervenaustrittsloch) Druck ausübt und infolgedessen Symptome wie Taubheitgefühle und Kribbeln im Bereich der Leiste vorkommen.

Muskuloskelettale Verletzungen

Überbeanspruchung oder Verletzungen der Muskeln, Sehnen oder Bänder in der Leistengegend können Schmerzen verursachen, die ins Bein ausstrahlen können.

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Nervenkompression

Eine Nervenkompression, wie z.B. ein eingeklemmter Nerv in der Lendenwirbelsäule (Ischias), kann Schmerzen in der Leiste verursachen, die bis ins Bein ausstrahlen.

Meralgia Parästhetica

Meralgia Parästhetica ist eine Erkrankung, bei der der Nervus cutaneus femoris lateralis, ein Nerv, der die Haut an der äußeren Seite des Oberschenkels versorgt, beeinträchtigt ist. Dies kann zu unangenehmen Symptomen wie Taubheitsgefühl, Kribbeln, Brennen oder Schmerzen in diesem Bereich führen. Die häufigste Ursache ist die Kompression oder Einklemmung des Nervs, meistens an der Stelle, wo er den Leistenbereich verlässt. Dies kann durch verschiedene Faktoren wie Übergewicht, enge Kleidung, Verletzungen oder bestimmte medizinische Bedingungen verursacht werden.

Weitere Ursachen

  • Morbus Perthes: Eine Erkrankung, die fast ausschließlich bei Jungen zwischen 4 und 8 Jahren vorkommt, bei der Teile des Hüftkopfes absterben.
  • Hüftkopfgleiten: Eine Erkrankung, die in der Frühpubertät auftritt, bei der sich der Hüftkopf vom Oberschenkelknochen ablöst.
  • Trochantertendinose: Eine Entzündung der Sehnen der großen Hüftmuskeln aufgrund von Überbelastung.
  • Taubheitsgefühle am Oberschenkel: Viele Patienten sind sehr besorgt. Vor allem, wenn die Taubheit mit Schmerzen im Rücken einhergeht, ist Vorsicht geboten. Da durch die Wirbelsäule das Rückenmark mit seinen vielen Nervenbahnen verläuft, muss immer abgeklärt werden, ob die Taubheitsgefühle im Oberschenkel von einer Schädigung der Nerven herrühren.

Begleitsymptome

Ein Ziehen in der Leiste kann mit verschiedenen Begleitsymptomen auftreten, abhängig von der Ursache des Ziehens.

  • Schmerzen: Die Schmerzen können unterschiedlich sein, von einem leichten Ziehen bis zu stechenden, unerträglichen Schmerzen.
  • Taubheitsgefühl: Ein Taubheitsgefühl im Oberschenkel kann durch viele verschiedene Ursachen ausgelöst werden.
  • Kribbeln: Ein unangenehmes Kribbeln ("Ameisenlaufen") kann das Taubheitsgefühl begleiten.
  • Bewegungseinschränkungen: Je nach Ursache können bestimmte Bewegungen schmerzhaft oder eingeschränkt sein.
  • Schwellung: Eine Schwellung in der Leistengegend kann auf eine Entzündung oder einen Leistenbruch hindeuten.
  • Rückenschmerzen: Rückenschmerzen, die in die Leiste und den Oberschenkel ausstrahlen, können auf einen Bandscheibenvorfall oder Ischias hindeuten.
  • Hinken: Langsam zunehmende Leisten- und Knieschmerzen mit Hinken im Pubertätsalter können auf eine Hüfterkrankung hindeuten.

Diagnose

Um die richtige Diagnose zu stellen, führen Orthopäde und Patient zunächst ein gründliches Gespräch über die Symptome, das zeitliche Auftreten der Beschwerden, Vorerkrankungen und ähnliche Beschwerden in der Familiengeschichte.

Körperliche Untersuchung

Eine körperliche Untersuchung wird anschließend genutzt, um die Leisten äußerlich zu beurteilen und auf Druckschmerzhaftigkeit zu untersuchen. Orthopädische Untersuchungen können angewendet werden, um nach einem Bandscheibenvorfall, einer Arthrose oder einer muskulären Ursache zu suchen.

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Ultraschalluntersuchung

Eine Ultraschalluntersuchung ist eine schnelle, nebenwirkungsfreie Untersuchungsmethode, um zum Beispiel einen Leistenbruch oder eine Lymphknotenentzündung nachzuweisen. Dabei liegt der Betroffene auf einer Liege und der Arzt setzt den Ultraschallkopf auf die betroffene Leistengegend.

Röntgenuntersuchung

Bei Ziehen in der Leiste ist in Abhängigkeit von der Anamnese und der körperlichen Untersuchung eine Röntgenuntersuchung indiziert. Röntgenbilder zeigen vor allem Knochen und auch Sehnen, wenn diese im Verlauf verkalkt sind. Hat man vor allem nach einem Unfall den Verdacht, dass Knochen des Oberschenkels verletzt ist und die Ursache für das angegebene Taubheitsgefühl ist, kann man eine Röntgenaufnahme in 2 Ebenen im Bereich des Oberschenkels durchführen.

Magnetresonanztomografie (MRT)

Die Magnetresonanztomografie (MRT) ist eine strahlenfreie Untersuchung, die sehr Weichteilverletzungen ideal darstellen kann. Ist zum Beispiel bei stark übergewichtigen Personen die Ultraschalluntersuchung erschwert, kann eine MRT das Ausmaß eines Leistenbruchs darstellen. Auch wenn man den Verdacht hat, dass Muskeln ggfs diese Nerven komprimieren oder auch, wenn Hämatome im Bereich des Oberschenkels vermutet werden und sich vielleicht sogar auch schon im Ultraschall dargestellt haben, kann man eine MRT Untersuchung durchführen, die dann vor allem das räumliche Ausmaß dieser Hämatome genauer darstellen kann.

Weitere diagnostische Maßnahmen

  • Neurologische Untersuchung: Zur Feststellung möglicher Nervenschädigungen.
  • Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (Neurografie): Bei Verdacht auf Meralgia Parästhetica.
  • Spezielle Hirnstrommessung (evozierte Potenziale): In seltenen Fällen.

Behandlung

Die Behandlung eines Ziehens oder Taubheitsgefühls in der Leiste und im Oberschenkel wird von der Ursache der Beschwerden bestimmt. Es empfiehlt sich, den Orthopäden aufzusuchen und die Ursache eines plötzlich aufgetretenen Ziehens in der Leiste abklären zu lassen.

Konservative Behandlung

  • Schonung: Bei Muskel- und Sehnenverletzungen wie einer Adduktorenzerrung sollte die betroffene Muskulatur in der Akutphase geschont werden.
  • Physiotherapie: Bestimmte Übungen und physiotherapeutische Techniken können helfen, die Muskulatur im Bereich der Leiste zu stärken und die Nervenkompression zu verringern. Bei Muskel- und Sehnenverletzungen kann nach Abklingen der Beschwerden langsam mit gezielten Trainingsübungen begonnen werden. Liegt dem Ziehen in der Leiste eine Hüftarthrose zugrunde, sind Trainingsübungen gut geeignet, um die Hüfte zu mobilisieren.
  • Osteopathie: Durch die ganzheitliche Methode, bei der der ganze Mensch behandelt wird, sollen die Selbstheilungskräfte des Körpers durch Lösung der Verspannungen und Blockaden unterstützt werden.
  • Schmerztherapie: Bei Schmerzen kann eine entzündungshemmende Schmerztherapie begonnen werden, die bei Bedarf oder auch für kurze Zeit fest eingenommen werden sollte.
  • Gewichtsreduktion: Wenn Übergewicht ein Faktor ist, der zur Nervenkompression beiträgt, kann eine gezielte Gewichtsabnahme helfen, den Druck auf den Nerv zu verringern.
  • Lockerung der Kleidung: Das Tragen lockerer Kleidung, insbesondere im Bereich der Leiste, kann den Druck auf den Nerv reduzieren und die Symptome lindern.
  • Wärme- und Kälteanwendungen: Gerade bei chronischen Schmerzen haben sich Wärmeanwendungen wie feucht-warme Umschläge oder erwärmte Kirschkernsäckchen bewährt. Bei einer akuten Entzündung im Hüftgelenk kann Wärme die Symptome hingegen verschlimmern. Kälteanwendungen können bei akuten Schmerzen helfen.
  • Injektionen: In einigen Fällen kann eine lokale Injektion von entzündungshemmenden Medikamenten oder eines Medikaments zur örtlichen Betäubung in den betroffenen Bereich Schmerzlinderung bringen. Auch Kortison kommt hier manchmal in Betracht.
  • Anpassung der Aktivität: Sportler*innen sollten ihr Training überdenken oder sich professionell beraten lassen, um Überbelastungen zu vermeiden.

Operative Behandlung

  • Leistenbruchoperation: Bei einem Leistenbruch ist oft eine Operation notwendig, um die Bauchwand zu verschließen.
  • Dekompression des Nervs: In seltenen Fällen, in denen die Symptome schwerwiegend und lang anhaltend sind, kann eine chirurgische Dekompression des Nervs erwogen werden, z.B. bei Meralgia Parästhetica.
  • Neurektomie: In sehr seltenen Fällen kann eine Durchtrennung des Nervs (Neurektomie) erwogen werden, um Schmerzen zu lindern. Diese Methode führt jedoch zu einem dauerhaften Verlust des Empfindungsvermögens im betroffenen Hautbereich.
  • Bandscheibenoperation: In einigen Fällen kann es notwendig werden, dass eine operative Maßnahme notwendig wird, um die Nervenkompression, die durch den Bandscheibenvorfall entstanden ist, zu beheben. Hier wird in einem neurochirurgischen Eingriff die herausgerutschte und komprimierende Bandscheibe abgetragen und so der eingeklemmte Nerv befreit.

Weitere Behandlungsansätze

  • Vitamin-B12-Gabe: Bei einem Vitamin-B12-Mangel.
  • Behandlung der Grunderkrankung: Bei Polyneuropathie, Diabetes oder anderen Grunderkrankungen.

Was Sie selbst tun können

  • Bewegung: Bei vielen Hüfterkrankungen gilt die Grundregel: Bewegen ist gut, Belasten ist schlecht. Geeignete Sportarten sind z. B. Radfahren und Schwimmen.
  • Beweglich bleiben: Gezielte Beweglichkeitsübungen sind wichtig, um ein Versteifen der Hüfte zu verhindern.
  • Gewicht reduzieren: Auf das Hüftgelenk wirken starke Kräfte ein - das gilt noch mehr, wenn man zu viele Kilos mit sich herumträgt.
  • Richtig trainieren: Schmerzen während des Trainings sollten Sportler*innen zum Anlass nehmen, ihr Training zu überdenken oder sich professionell beraten zu lassen.
  • Vermeiden Sie enge Kleidung: Insbesondere enge Hosen können den Nervus cutaneus femoris lateralis komprimieren.
  • Vermeiden Sie Streckbewegungen im Hüftgelenk: Bei Meralgia Parästhetica.

Verlauf und Prognose

Ein Ziehen oder Taubheitsgefühl in der Leiste kann Tage andauern oder lebenslang bestehen bleiben, abhängig von der Ursache des Symptoms. Eine Hüftarthrose verläuft zum Beispiel chronisch progredient und ist nicht heilbar. Erst ein Hüftgelenksersatz bei stark fortgeschrittener Arthrose kann zu einer effektiven Reduktion der Beschwerden führen. Im Gegensatz dazu verläuft der Großteil der Leistenbrüche harmlos. Nach einer Operation klingen die Schmerzen oftmals nach circa zwei Wochen ab. Gelegentlich kommt es zu einem Rückfall mit neuem Leistenbruch. In 25 % der Fälle von Meralgia Parästhetica klingen die Schmerzen von selbst ab. Die konservative Behandlung ist meistens erfolgreich.

Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?

Es empfiehlt sich, einen Arzt aufzusuchen, wenn:

  • Das Taubheitsgefühl plötzlich auftritt.
  • Das Taubheitsgefühl von starken Schmerzen begleitet wird.
  • Das Taubheitsgefühl sich verschlimmert oder nicht verschwindet.
  • Zusätzliche Symptome wie Schwäche, Kribbeln oder Kontrollverlust über Blase oder Darm auftreten.
  • Es Anzeichen für einen Schlaganfall gibt (einseitige Taubheitsgefühle, Sprachstörungen, Sehstörungen, Lähmungen).

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