Ein Taubheitsgefühl nach einer Wirbelsäulenoperation kann für Betroffene sehr beunruhigend sein. Es ist wichtig zu verstehen, dass solche Empfindungsstörungen verschiedene Ursachen haben können und nicht immer auf Komplikationen hindeuten müssen. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Gründe für Taubheitsgefühle nach einer Wirbelsäulen-OP, die verschiedenen Behandlungsansätze und gibt Hinweise, wann eine ärztliche Zweitmeinung sinnvoll sein kann.
Ursachen für Taubheitsgefühl nach Wirbelsäulen-OP
Ein Taubheitsgefühl nach einer Wirbelsäulenoperation kann verschiedene Ursachen haben. Es ist wichtig zu beachten, dass die Wirbelsäule eine komplexe Struktur ist, die aus miteinander verbundenen Knochen (Wirbeln) besteht und eine entscheidende Bedeutung für das Nervensystem hat. Im Inneren der Wirbelsäule verläuft das Rückenmark, das eine Vielzahl von Nervenfasern enthält. Außerdem führen die spinalen Nervenwurzeln, die sich zwischen den Wirbeln befinden, in verschiedene Teile des Körpers. Probleme oder Schäden an der Wirbelsäule haben dementsprechend eine direkte Auswirkung auf die Funktion der Nerven.
Direkte Nervenirritation oder -schädigung
Während der Operation kann es trotz größter Sorgfalt zu einer direkten Irritation oder Schädigung von Nerven kommen. Dies kann durch Kompression, Dehnung oder ein direktes Trauma während des Eingriffs verursacht werden.
Postoperative Entzündungen und Schwellungen
Entzündungsprozesse im Operationsgebiet sind eine natürliche Reaktion des Körpers auf den Eingriff. Diese Entzündungen können jedoch zu Schwellungen führen, die wiederum Druck auf die Nerven ausüben und Taubheitsgefühle verursachen können.
Narbenbildung
Nach einer Operation bildet der Körper Narbengewebe, um die Wunde zu heilen. In einigen Fällen kann dieses Narbengewebe auf Nerven drücken und so Taubheitsgefühle auslösen. Es ist jedoch wichtig zu erwähnen, dass eine Studie am Universitätsklinikum Göttingen gezeigt hat, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen Narbenbildung und dem Auftreten von ausstrahlenden Schmerzen gibt.
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Erneuter Bandscheibenvorfall
In einigen Fällen kann es nach einer Bandscheibenoperation zu einem erneuten Vorfall kommen. Dies kann die gleichen Symptome wie vor der Operation verursachen, einschließlich Taubheitsgefühle. Anzeichen für einen erneuten Bandscheibenvorfall können Schmerzen beim Husten, eine stark eingeschränkte Gehstrecke und ein positiver Straight Leg Raise Test bei unter 30° sein.
Postdiscektomie-Syndrom
Der Begriff Postdiscektomie-Syndrom beschreibt Probleme bzw. Beschwerden, die nach einer Bandscheibenoperation auftreten können. Dabei verschwinden nach einer Operation, bei der vorrangig der Ischiasnerv entlastet wird, die Schmerzen aus dem Bein, und dann können nach einem zeitlichen Intervall wieder Beschwerden auftreten.
Neuropathische Schmerzen
Neuropathische Schmerzen sind Nervenschmerzen, die durch eine Schädigung oder Funktionsstörung des Nervensystems verursacht werden. Sie können sich als Taubheitsgefühle, Kribbeln, brennende Schmerzen oder stechende Schmerzen äußern. Postoperative neuropathische Schmerzen können durch Nervenverletzungen während der Operation oder durch Entzündungsprozesse entstehen.
Spinalkanalstenose
Eine Spinalkanalstenose ist eine Verengung des Wirbelkanals, die Druck auf das Rückenmark und die Nerven ausüben kann. Dies kann zu Taubheitsgefühlen, Schmerzen und Lähmungen in den Beinen führen. Eine Spinalkanalstenose kann angeboren sein, entsteht aber häufiger durch den normalen Alterungsprozess des Körpers.
Cauda-equina-Syndrom
Das Cauda-equina-Syndrom ist ein seltener, aber schwerwiegender Zustand, bei dem die Nervenwurzeln im unteren Rückenmark komprimiert werden. Dies kann zu Taubheitsgefühlen im Dammbereich, Blasen- und Darmfunktionsstörungen sowie Lähmungen in den Beinen führen. Das Cauda-equina-Syndrom ist ein neurologischer Notfall und erfordert eine sofortige Behandlung.
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Andere Ursachen
Neben den oben genannten Ursachen können auch andere Faktoren zu Taubheitsgefühlen nach einer Wirbelsäulenoperation beitragen, wie z.B.:
- Diabetes mellitus
- Periphere Gefäßerkrankungen
- Alkoholabhängigkeit
- Arthritis
- Psychosoziale Faktoren wie Stress, Depressionen und Angstzustände
Diagnose
Um die Ursache für das Taubheitsgefühl zu ermitteln, wird der Arzt eine gründliche körperliche Untersuchung durchführen und die Krankengeschichte des Patienten erheben. Dabei wird er nach Art, Lokalisation und Dauer des Taubheitsgefühls fragen, sowie nach begleitenden Symptomen wie Schmerzen, Schwäche oder Blasen- und Darmfunktionsstörungen.
Zusätzlich können bildgebende Verfahren wie Röntgen, MRT oder CT eingesetzt werden, um die Wirbelsäule und die umliegenden Strukturen zu beurteilen. Eine MRT kann beispielsweise einen Bandscheibenvorfall, eine Spinalkanalstenose oder Narbengewebe sichtbar machen.
In einigen Fällen kann auch eine neurologische Untersuchung erforderlich sein, um die Funktion der Nerven zu überprüfen. Dabei werden beispielsweise die Reflexe, die Sensibilität und die Muskelkraft getestet.
Behandlung
Die Behandlung des Taubheitsgefühls richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache.
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Konservative Behandlung
In vielen Fällen kann das Taubheitsgefühl mit konservativen Maßnahmen behandelt werden. Dazu gehören:
- Schmerzmittel: Schmerzmittel können helfen, die Schmerzen zu lindern, die mit dem Taubheitsgefühl einhergehen können.
- Entzündungshemmende Medikamente: Entzündungshemmende Medikamente können helfen, die Entzündung im Operationsgebiet zu reduzieren und den Druck auf die Nerven zu verringern.
- Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Muskeln zu stärken, die Beweglichkeit zu verbessern und die Nerven zu entlasten.
- Manuelle Therapie: Manuelle Therapie kann helfen, Verspannungen zu lösen und die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu verbessern.
- Akupunktur: Akupunktur kann helfen, Schmerzen zu lindern und die Nervenfunktion zu verbessern.
- Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): TENS kann helfen, Schmerzen zu lindern und die Nervenfunktion zu verbessern.
- Psychotherapie: Psychotherapie kann helfen, mit den Schmerzen und den psychischen Belastungen umzugehen, die mit dem Taubheitsgefühl einhergehen können.
- Rückenschule: In der Rückenschule erhält man wichtige Informationen zur Korrektur der Körperhaltung und richtiges Heben von schweren Lasten.
- Sport: Zu den empfohlenen Sportarten, die als bandscheibenfreundlich gelten, zählen Laufen, Aerobic, Schwimmen oder Tanzen. Sportarten, die die Wirbelsäule mit ruckartigen Stößen belasten, sollten gemieden werden. Zu diesen Sportarten gehören Tennis, Handball, Turnen, Kampfsport oder Volleyball.
Operative Behandlung
In einigen Fällen kann eine Operation erforderlich sein, um die Ursache des Taubheitsgefühls zu beheben. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Bandscheibenvorfall oder eine Spinalkanalstenose auf die Nerven drückt.
Die Art der Operation hängt von der jeweiligen Ursache ab. Mögliche operative Verfahren sind:
- Mikrochirurgische Nukleotomie: Entfernung von Bandscheibengewebe, das auf die Nerven drückt.
- Laminektomie: Erweiterung des Wirbelkanals, um den Druck auf das Rückenmark und die Nerven zu verringern.
- Fusion: Versteifung von Wirbelsegmenten, um die Wirbelsäule zu stabilisieren.
- Implantation einer künstlichen Bandscheibe: Ersatz einer geschädigten Bandscheibe durch eine künstliche Bandscheibe.
Multimodale Schmerztherapie
Bei chronischen Schmerzen kann eine multimodale Schmerztherapie sinnvoll sein. Hierbei wird man von Fachleuten aus verschiedenen therapeutischen Bereichen betreut, etwa aus der Medizin, Physiotherapie und Psychologie. Sie unterstützen dabei, in Bewegung zu bleiben und mit den Beschwerden umzugehen.
Was Sie selbst tun können
Neben den ärztlichen Behandlungen können Sie auch selbst einiges tun, um das Taubheitsgefühl zu lindern und die Heilung zu fördern:
- Bewegung: Bleiben Sie aktiv und bewegen Sie sich regelmäßig. Vermeiden Sie jedoch Überanstrengung und ruckartige Bewegungen.
- Ergonomie: Achten Sie auf eine gute Körperhaltung beim Sitzen, Stehen und Gehen. Passen Sie Ihren Arbeitsplatz ergonomisch an.
- Entspannung: Sorgen Sie für ausreichend Entspannung und Stressabbau. Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder autogenes Training können hilfreich sein.
- Ernährung: Achten Sie auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Vermeiden Sie Übergewicht.
- Rauchstopp: Rauchen kann die Durchblutung beeinträchtigen und die Heilung verzögern.
- Alkohol: Reduzieren Sie den Alkoholkonsum.
- Frühzeitiges Training: Ein frühzeitiges Training hilft nicht nur dabei, den Rücken zu kräftigen, sondern unterstützt dich auch dabei, wieder Vertrauen in den Rücken zu gewinnen und Bewegungsängste zu verlieren.
Wann ist eine ärztliche Zweitmeinung sinnvoll?
Eine ärztliche Zweitmeinung kann sinnvoll sein, wenn:
- Sie unsicher sind, ob die empfohlene Behandlung die richtige für Sie ist.
- Sie keine Besserung Ihrer Beschwerden erfahren.
- Sie das Gefühl haben, dass Ihre Beschwerden nicht ernst genommen werden.
- Sie eine Operation in Erwägung ziehen.
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