Taubheitsgefühl im mittleren Rücken: Ursachen, Diagnose und Behandlung

Als Wirbelsäulenchirurg bzw. Neurochirurg ist es meine tägliche Arbeit, die komplexe Interaktion zwischen der Wirbelsäule und dem Nervensystem zu verstehen. Rückenschmerzen sind ein weit verbreitetes Problem, das viele Menschen im Laufe ihres Lebens betrifft. Sie können verschiedene Ursachen haben und sich in unterschiedlichen Bereichen des Rückens manifestieren. Schmerzen im mittleren oder oberen Rücken, also etwa vom unteren Bereich des Brustkorbs bis zur Höhe des oberen Randes der Schulterblätter, sind deutlich seltener als Kreuzschmerzen oder Schmerzen im Nackenbereich (Nackenschmerzen oder HWS-Syndrom). Ebenso wie diese beruhen sie aber meist auf Verspannungen und Fehlhaltungen und zählen damit zu den unspezifischen Rückenschmerzen. Ein Gefühl der Taubheit im mittleren Rücken kann zusätzlich beunruhigend sein und auf verschiedene zugrunde liegende Ursachen hindeuten. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Ursachen für Taubheitsgefühle im mittleren Rücken, die damit verbundenen Symptome, Diagnosemethoden und Behandlungsansätze.

Die Wirbelsäule und ihre Bedeutung

Die Wirbelsäule ist die tragende Struktur des Körpers, die den aufrechten Gang ermöglicht. Dabei bietet sie im besten Fall sowohl Stabilität als auch Flexibilität, das heißt ermöglicht Beweglichkeit. Als komplexe anatomische Struktur mit miteinander verbundenen Knochen, den Wirbeln, ist die Wirbelsäule auch von entscheidender Bedeutung für das Nervensystem. Im Inneren der Wirbelsäule verläuft das Rückenmark, das eine Vielzahl von Nervenfasern enthält. Außerdem führen die spinalen Nervenwurzeln, die sich zwischen den Wirbeln befinden, in verschiedene Teile des Körpers. Probleme oder Schäden an der Wirbelsäule haben dementsprechend eine direkte Auswirkung auf die Funktion der Nerven. Probleme in der Wirbelsäule, wie Bandscheibenvorfälle oder Spinalkanalstenosen, können direkte Auswirkungen auf die Funktion der Nerven haben und dann zu Symptomen wie Rückenschmerzen und Taubheit führen.

Mögliche Ursachen für Taubheitsgefühl im mittleren Rücken

Taubheitsgefühle im mittleren Rücken können verschiedene Ursachen haben, die von harmlosen Muskelverspannungen bis hin zu ernsthaften Erkrankungen reichen. Hier sind einige der häufigsten Ursachen:

  • Muskelverspannungen und Fehlhaltungen: Verspannungen der Muskulatur im mittleren Rückenbereich, die durch Fehlhaltungen, Überlastung oder Stress verursacht werden, können zu Kribbeln im unteren Rücken führen. Dies kann zu einer Reizung oder Schädigung der Nerven führen, die in diesem Bereich verlaufen.
  • Bandscheibenvorfall: Ein Bandscheibenvorfall tritt auf, wenn der zähe Faserknorpel der Bandscheibe reißt und der gallertartige Kern in den Wirbelkanal austritt. Drückt der Gallertkern auf einen Rückenmarksnerven, leiden Betroffene unter starken Rückenschmerzen, die teilweise bis in Arme und Beine ausstrahlen. Je nach Lokalisation des Vorfalls sind die Hals-, Brust oder Lendenwirbel betroffen und verursachen unterschiedliche Symptome.
  • Spinalkanalstenose: Eine Spinalkanalstenose ist eine Verengung des Wirbelkanals, die häufig im unteren Rücken auftritt und zu Kribbeln, Schmerzen und anderen neurologischen Symptomen führen kann. Diese Verengung entsteht durch degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, wie zum Beispiel Verdickung der Bänder, arthritische Veränderungen der Wirbelgelenke oder Vorwölbungen der Bandscheiben.
  • Nervenschmerzen: Ein plötzlicher, brennender Schmerz im Rücken, der von weiteren Symptomen wie Schwäche, Taubheitsgefühlen oder Berührungsempfindlichkeit begleitet wird, spricht oft für Nervenschmerzen im Rücken. Symptome wie durch Kribbeln verursachter Juckreiz oder Verkrampfungen sind ebenfalls ein Anzeichen dafür.
  • Ischialgie: Bei der Ischialgie handelt es sich um eine durch Reizung entstandene Entzündung des Ischiasnervs. Dieser Nerv entspringt aus der Lendenwirbelsäule über den Oberschenkel bis in den Fußbereich. Die häufigste Ursache einer Ischialgie stellen Bandscheibenvorwölbungen oder -vorfälle dar, die in diesem Bereich der Wirbelsäule auf die Nervenwurzeln des Ischias drücken.
  • Gürtelrose: Die Gürtelrose ist eine Erkrankung, die durch reaktivierte Windpockenviren verursacht wird. Beispielsweise durch ein geschwächtes Immunsystem oder Stress kann die Krankheit auftreten. Typische Symptome während der akuten Krankheitsphase sind der bläschenartige Ausschlag im „Gürtelbereich“ des Körpers - also im Bauch- und unteren Rückenbereich - sowie Schmerzen in dieser Zone (Zoster-Neuralgie).
  • Polyneuropathie: Als Polyneuropathien werden verschiedene Erkrankungen bezeichnet, die das periphere Nervensystem betreffen. Das periphere Nervensystem umfasst jenes Nervensystem außerhalb des Gehirns und Rückenmarks. Diabetes, Alkoholmissbrauch und einige Medikamente können ebenfalls Parästhesien hervorrufen.
  • Multiple Sklerose: Gefühlsstörungen, Sensibilitätsstörungen und Missempfindungen wie Kribbeln, Taubheit oder neuropathische Schmerzen zählen zu den frühesten und häufigsten Symptomen einer Multiplen Sklerose (MS). Bei der chronisch-entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems greift das körpereigene Immunsystem die Nervenfasern an, was zu einer gestörten Reizweiterleitung im Gehirn und Rückenmark führen und u. a. ausgeprägte Empfindungsstörungen versuchen kann.

Begleitende Symptome

Neben dem Taubheitsgefühl im mittleren Rücken können weitere Symptome auftreten, die auf die zugrunde liegende Ursache hinweisen:

  • Schmerzen: Rückenschmerzen im mittleren oder oberen Rücken sind häufig. Die Schmerzen können dumpf, stechend oder brennend sein und sich bei bestimmten Bewegungen oder Belastungen verstärken. Ein brennender Schmerz im Rücken, der von Betroffenen als „extrem stark“ bezeichnet und sehr hoch in der Schmerzskala eingestuft wird, ist die Folge eines Bandscheibenvorfalls mit Druck auf die Nervenwurzeln.
  • Kribbeln und Parästhesien: Kribbeln, Ameisenlaufen oder andere Missempfindungen können im betroffenen Bereich auftreten. Parästhesien in den Beinen sind sehr unangenehm und können den nächtlichen Schlaf stören. Eine Parästhesie (altgriech. par "neben", aisthesis "Wahrnehmung") ist eine krankhafte Empfindung. Sie hat keine erkennbare Ursache.
  • Muskelschwäche: In einigen Fällen kann es zu Muskelschwäche oder Lähmungserscheinungen in den Armen oder Beinen kommen. Dies kann ein Zeichen für eine Nervenkompression oder -schädigung sein.
  • Bewegungseinschränkungen: Die Beweglichkeit des Rückens kann eingeschränkt sein, insbesondere bei Schmerzen oder Muskelverspannungen.
  • Ausstrahlende Schmerzen: Die Schmerzen können in andere Körperbereiche ausstrahlen, wie z. B. in die Arme, Schultern, Brust oder Bauch.

Diagnose

Um die Ursache für Taubheitsgefühle im mittleren Rücken zu ermitteln, ist eine sorgfältige Diagnose erforderlich. Diese umfasst in der Regel die folgenden Schritte:

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  • Anamnese: Der Arzt wird zunächst ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten führen, um die genauen Beschwerden, den Verlauf der Symptome und mögliche Vorerkrankungen zu erfragen. Sie müssen außerdem Fragen rund um die Art Ihres Schmerzes beantworten; beispielsweise: Wann treten die Schmerzen auf? Ist es eher ein bohrender, klopfender oder brennender Schmerz im Rücken? Wie beurteilen Sie die Schmerzintensität auf einer Skala von 1-10? Wie oft sind Sie von den Schmerzen betroffen? Wo sind die Schmerzen lokalisiert? Gibt es weitere Symptome?
  • Körperliche Untersuchung: Der Arzt wird den Rücken abtasten, die Muskulatur prüfen und die Beweglichkeit der Wirbelsäule beurteilen. Im Anschluss folgt die eigentliche Untersuchung durch den Arzt. Hierzu dienen bestimmte Sensibilitäts- und Motoriktests, welche die Nervenfunktion prüfen und Auffälligkeiten sichtbar machen.
  • Neurologische Untersuchung: Eine neurologische Untersuchung kann durchgeführt werden, um die Funktion der Nerven zu überprüfen. Wie die Taubheitsgefühle bzw. Sensibilitätsstörungen bewertet werden, wird im Rahmen der klinischen Untersuchung betrachtet. Ein Neurologe kann dabei zusätzlich zur klinischen Untersuchung auch Nervenmessungen durchführen.
  • Bildgebende Verfahren: In einigen Fällen können bildgebende Verfahren wie Röntgenaufnahmen, Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) erforderlich sein, um die Ursache der Beschwerden zu erkennen. Für eine Befundung zieht der Arzt Schnittbildverfahren mittels Computertomografie (CT) hinzu. Eine bildgebende Untersuchung wie eine Magnetresonanz-Tomografie (MRT) wird nötig, wenn die Schmerzen trotz Behandlung nicht besser werden, sehr stark sind oder wenn es zu Gefühlsstörungen oder Lähmungserscheinungen in den Beinen kommt.

Behandlung

Die Behandlung von Taubheitsgefühlen im mittleren Rücken richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Es gibt verschiedene konservative und operative Behandlungsansätze:

Konservative Behandlung

  • Schmerzmittel: Schmerzstillende Medikamente können helfen, Rückenschmerzen zu lindern und sich trotz Beschwerden weiter zu bewegen. Meist werden entzündungshemmende Schmerzmittel wie Ibuprofen empfohlen. Am besten nimmt man sie nur bei Bedarf und in der geringsten wirksamen Dosierung ein.
  • Physiotherapie: Gezielte Übungen und Haltungen können erlernt werden, um die Wirbelsäule zu entlasten und die Muskulatur zu stärken. Außerdem profitieren Sie bei Rückenschmerzen oft von Physiotherapie. Der Therapeut wird Ihnen gern geeignete Übungen zeigen, die sich nach Ihren Beschwerden richten und diese im besten Fall sanft abschwächen.
  • Manuelle Therapie: Der betroffene Wirbelsäulenabschnitt und die Nervenwurzeln am Übergang zum Kreuzbein werden gezielt mobilisiert. Auch eine Dehnung und Mobilisierung der Gelenke im Hüft-, Becken- und Wirbelsäulenbereich sowie Rumpfübungen gehören dazu.
  • Entspannungsverfahren: Entspannungsverfahren wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung können helfen, Stress abzubauen und Muskelverspannungen zu lösen.
  • Hausmittel: Brennender Schmerz im Rücken kann mit verschiedenen Hausmitteln gelindert werden. Beispielsweise verschafft eine Massage mit Johanniskrautöl Entspannung, Pfefferminzöl wirkt kühlend und beruhigend. Die Massage selbst kann die Durchblutung anregen und Verspannungen lösen. Weiterhin sollten Sie die Kälte- oder Wärmetherapie ausprobieren, indem Sie entsprechend temperierte Wickel auf den betroffenen Bereich legen.

Operative Behandlung

  • Bandscheibenoperation: Bei einem Bandscheibenvorfall kann eine Operation erforderlich sein, um den Druck auf die Nerven zu entlasten. Bei der mikroneurochirurgischen Operation wird unter Vollnarkose das Bandscheibengewebe entfernt, das auf das Rückenmark bzw. die Nervenstränge drückt.
  • Dekompression bei Spinalkanalstenose: Bei einer Spinalkanalstenose kann eine Operation durchgeführt werden, um den Wirbelkanal zu erweitern und die Nerven zu entlasten.

Vorbeugung

Es gibt verschiedene Maßnahmen, um Rückenschmerzen und Taubheitsgefühlen im mittleren Rücken vorzubeugen:

  • Regelmäßige Bewegung: Regelmäßige Bewegung und gezielte Rückenübungen stärken die Muskulatur und entlasten die Wirbelsäule. Durch das aktive Stimulieren der Rückenmuskulatur wird die Wirbelsäule besser mit Wasser und Nährstoffen versorgt.
  • Ergonomischer Arbeitsplatz: Achten Sie auf eine ergonomische Einrichtung Ihres Arbeitsplatzes, um Fehlhaltungen zu vermeiden.
  • Gesunde Körperhaltung: Achten Sie auf eine gesunde Körperhaltung beim Sitzen, Stehen und Gehen. Egal, ob beim Erdbeeren pflücken, Fahrrad oder Auto fahren: Achten Sie auf Ihre Körperhaltung und stellen Sie, wenn nötig, den Sitz im Vergleich zum Lenker oder Lenkrad etwas niedriger ein.
  • Gewichtsmanagement: Übergewicht belastet die Wirbelsäule zusätzlich. Übergewicht abbauen: Übergewicht ist ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor, wenn es um das Vorbeugen eines Diskusprolaps geht. Das überschüssige Gewicht strapaziert Rücken und Wirbelkörper zusätzlich.
  • Stressmanagement: Stress kann zu Muskelverspannungen führen. Entspannungsverfahren können helfen, Stress abzubauen.

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