Taubheitsgefühl im Schienbein: Ursachen, Diagnose und Therapie

Taubheitsgefühle, auch Hypästhesie genannt, können in verschiedenen Körperteilen auftreten und sind oft unangenehm und störend. Ein Taubheitsgefühl im Schienbein kann viele Ursachen haben, von harmlosen vorübergehenden Zuständen bis hin zu ernstzunehmenden Erkrankungen. Es ist wichtig, die möglichen Ursachen zu kennen und bei länger anhaltenden oder wiederkehrenden Beschwerden einen Arzt aufzusuchen.

Was ist ein Taubheitsgefühl (Hypästhesie)?

Bei einem Taubheitsgefühl ist das Berührungsempfinden der Haut herabgesetzt. Betroffene haben das Gefühl, dass ein bestimmter Bereich der Haut, wie beispielsweise das Schienbein, teilweise oder gänzlich ohne Empfinden ist. Taubheitsgefühle zählen zu den Sensibilitätsstörungen. Je nachdem, wie sich das Taubheitsgefühl äußert, handelt es sich um eine bestimmte Form der Hypästhesie:

  • Taktile Hypästhesie: Das Berührungs- und Druckempfinden ist herabgesetzt.
  • Thermhypästhesie: Das Hitze- oder Kälteempfinden ist abgeschwächt.
  • Hypalgesie: Die Schmerzempfindlichkeit ist verringert.
  • Pallhypästhesie: Vibrationen werden weniger wahrgenommen.

Einen vollständigen Sensibilitätsausfall bezeichnet man als Anästhesie. Diese kann krankheitsbedingt sein oder bewusst als örtliche Betäubung (Lokalanästhesie) oder Narkose herbeigeführt werden.

Mögliche Ursachen für Taubheitsgefühle im Schienbein

Die Ursachen für ein Taubheitsgefühl im Schienbein können vielfältig sein. Verantwortlich für das Schienbein Taubheitsgefühl ist vermutlich eine Störung der nicht myelinisierten Nervenfaser-Endaufzweigungen. Dadurch kommt es zu Spontanentladungen, die zum Kribbeln führen. Im weiteren Verlauf macht sich häufig ein Taubheitsgefühl bemerkbar. Möglicherweise liegt die Ursache aber auch an einer Schädigung der sensiblen Bahnen des Zentralnervensystems.

Nervenschädigungen und -kompressionen

Empfindungsstörungen der Beine, Füße und Zehen sind häufig auf Probleme der Wirbelsäule und gereizte Nerven zurückzuführen. Ist ein Nerv am Rückenmark oder im Verlauf des Beines geschädigt, kann es zu Taubheit im Bein kommen. Eine Hypästhesie kann auch infolge eines Bandscheibenvorfalls entstehen. Drückt eine Bandscheibe eine Nervenwurzel zusammen, kann es zu Empfindungsstörungen kommen. Ein Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule (LWS) ist eine mögliche Ursache für ein Taubheitsgefühl der Beine.

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  • Bandscheibenvorfall in der LWS: Ein Taubheitsgefühl am Schienbein kann auf einen Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule (LWS) hindeuten. Das Taubheitsgefühl am Schienbein könnte beispielsweise durch eine Kompression der L4- oder L5-Nervenwurzel (Bandscheibenvorfall L4/5 oder L5/S1) verursacht werden.
  • Ischias: Auch Schmerzen ausgehend vom Ischiasnervs (Nervus ischiadicus) können von Taubheit im hinteren Bereich des Beins begleitet werden.
  • Tarsaltunnelsyndrom: Im Bereich des Innenknöchels verläuft der Tarsaltunnel. Er wird vom Nervus tibialis (Schienbeinnerv) durchzogen. Entsteht zu viel Druck, kommt es zu Empfindungsstörungen im Fuß und mitunter zu seitlichen Fersenschmerzen.
  • Schienbeinnerv (Nervus tibialis): Der Schienbeinnerv (Nervus tibialis) zweigt vom Ischiasnerven ab und leitet Impulse an Unterschenkel, Fußsohle und Ferse weiter. Schädigungen oder Kompression können Neuralgien im Fuß- und Fersenbereich auslösen. Eine Lähmung des Schienbeinnervs hat zur Folge, dass Betroffene sich nicht mehr auf die Zehenspitzen stellen können und ein Taubheitsgefühl in der Unterschenkelmuskulatur spüren.

Polyneuropathie

Taubheitsgefühle gelten als typisches Symptom für eine Polyneuropathie, eine Erkrankung des peripheren Nervensystems. Diese tritt zum Beispiel häufiger bei Menschen mit Diabetes mellitus als sogenannte diabetische Polyneuropathie auf. Dabei ist die Empfindsamkeit der Füße deutlich vermindert, sodass es unbemerkt zu ernsten Verletzungen kommen kann. Typische Symptome der Nervenkrankheit Polyneuropathie sind Kribbeln, Brennen und Taubheit, die anfangs an beiden Füßen und Beinen auftreten. Ihren Ursprung haben die Gefühlsstörungen in den langen Nerven, die Muskeln, Haut und Organe mit dem Gehirn verbinden. Schäden an den Nerven führen dazu, dass die Weiterleitung von Informationen zwischen Gehirn, Rückenmark und dem Rest des Körpers gestört ist. Je nachdem, welche Nerven betroffen sind, können bei der Polyneuropathie unterschiedliche Beschwerden im Vordergrund stehen.

Falsches Schuhwerk und Fehlstellungen

Taube Zehen oder ein Taubheitsgefühl im Fuß zum Beispiel auf der Oberseite wiederum können auch durch zu enges Schuhwerk oder das ständige Tragen von High-Heels begünstigt werden. Fehlstellungen der Beine oder Füße können zu einem falschen Gangbild und Fehlbelastungen führen, welche wiederum Taubheitsgefühle in Zehen oder dem Fuß auslösen können.

Muskelverhärtungen

Ein Taubheitsgefühl im Oberschenkel kann unter anderem auf eine verhärtete Muskulatur des Oberschenkels oder im Bereich der Leiste zurückgeführt werden.

Weitere Ursachen

Missempfindungen dieser Art werden häufig durch Diabetes und Alkoholsucht begünstigt. Zu den Risikofaktoren zählen auch eine Nierenfunktionsstörung, diverse Infektionskrankheiten sowie eine erblich bedingte Veranlagung. Die Taubheit kann als Nebenwirkung diverser Medikamente auftreten, zum Beispiel beim Konsum von Topiramat, Paroxetin, Oxaliplatin, Buspiron oder Mirtazapin. Darüber hinaus sorgen chronisch-entzündliche Nervenerkrankungen, eine Minderdurchblutung infolge einer Ischämie sowie Tumore für ein Taubheitsgefühl am Schienbein. Kennzeichnend für die Ischämie ist eine Verengung oder der Verschluss von Blutgefäßen, zum Beispiel infolge einer Thrombose. Auch bei Schlaganfallpatienten ist unter Umständen das Bein pelzig.

Diagnose von Taubheitsgefühl im Schienbein

Um herauszufinden, wodurch das Taubheitsgefühl entsteht, benötigt der Arzt einige Informationen von Betroffenen, wie zum Beispiel:

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  • Wann ist das Taubheitsgefühl zum ersten Mal aufgetreten?
  • Hält die Hypästhesie seitdem an oder verschwindet sie zwischendurch wieder?
  • Tritt die Hypästhesie ein- oder beidseitig auf?

Entscheidend ist auch, ob das Taubheitsgefühl nach einem bestimmten Vorfall aufgetreten ist, beispielsweise nach einer ungeschickten Bewegung oder nach einem Unfall. Ein wichtiger Aspekt für die Diagnose sind außerdem mögliche Vorerkrankungen wie zum Beispiel Diabetes mellitus, die bei einer Hypästhesie als mögliche Ursache infrage kommen.

Zusätzlich wird versucht, mithilfe einer körperlichen Untersuchung genauer herauszufinden, welcher Bereich von dem Taubheitsgefühl betroffen ist. Fühlen sich mehrere Stellen am Körper taub an oder kribbeln? Auf diese Weise lassen sich mögliche Nervenschädigungen oft schon aufspüren. Um neurologische Ausfälle festzustellen, werden zudem die Eigenreflexe, das Gehör, die visuelle Wahrnehmung (der Sehsinn) und der Gleichgewichtssinn der Betroffenen geprüft.

Je nach vermuteter Ursache der Hypästhesie können weitere Untersuchungen notwendig sein, so zum Beispiel:

  • Computertomographie (CT)
  • Magnetresonanztomographie (MRT)
  • Dopplersonographie der Gefäße
  • Elektroneurographie (ENG)
  • Röntgenuntersuchung
  • Blutuntersuchung
  • Liquoruntersuchung

Länger bestehende Missempfindungen sollten ärztlich abgeklärt werden.

Therapie von Taubheitsgefühl im Schienbein

Bei einem Taubheitsgefühl richtet sich die Therapie nach der jeweiligen Ursache. Ist das Taubheitsgefühl das Begleitsymptom einer bestehenden Grunderkrankung, ist die zielgerichtete Behandlung dieser Krankheit erforderlich.

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Einige Beispiele sind:

  • Polyneuropathie: Steckt eine Polyneuropathie hinter dem Taubheitsgefühl, hängt die Therapie davon ab, welche Form dieser Erkrankung vorliegt. Eine angeborene Polyneuropathie beispielsweise kann bisher nicht ursächlich behandelt werden, die Behandlung konzentriert sich deswegen vor allem auf eine Linderung der Beschwerden. Eine diabetische Polyneuropathie erfordert hingegen vor allem eine optimale Einstellung des Blutzuckers und den kompletten Verzicht auf Alkohol. Liegt ein Mangel an Vitamin B12 oder Folsäure vor, bessern sich die Symptome unter Umständen, wenn man den Mangel ausgleicht.
  • Infektionen: Tritt die Hypästhesie infolge einer bakteriellen Infektion (zum Beispiel Borreliose) auf, hilft eine Therapie mit Antibiotika. Wenn das Taubheitsgefühl mit Gürtelrose zusammenhängt, behandelt der Arzt diese zumeist mit dem Wirkstoff Aciclovir.
  • Bandscheibenvorfall: Ist ein Bandscheibenvorfall die Ursache der Hypästhesie, besteht die Therapie vor allem darin, die Wirbelsäule zu entlasten - zum Beispiel durch eine Stufenbettlagerung. Um die Schmerzen zu lindern, verabreichen Fachleute mitunter entzündungshemmende Schmerzmittel (zum Beispiel aus der Gruppe der NSAR) oder Glukokortikoide und Mittel zur Muskelentspannung (Muskelrelaxanzien). Um langfristig die Rückenmuskulatur zu kräftigen, empfiehlt sich anschließend eine Physiotherapie.
  • Tarsaltunnelsyndrom:Um den Druck auf den Nerv zu reduzieren, verordnet der Arzt daher erstmal eine Ruhigstellung des Fußgelenks. Schuheinlagen bewirken mitunter, dass die Last von der Innenseite des Fußes auf die Außenseite geleitet wird. Der Arzt verschreibt Medikamente gegen die Schmerzen. Kortison hemmt mögliche Entzündungsprozesse und führt auf diese Weise zum schnelleren Abschwellen des umliegenden Gewebes. Auch so wird der Nerv entlastet. Die Behandlung einer Grund-Erkrankung wie zum Beispiel einer entzündlichen Gelenk-Erkrankung (rheumatoiden Arthritis) oder einer Schilddrüsen-Unterfunktion (Hypothyreose) ist gegebenenfalls Bestandteil der Therapie. Wenn nach etwa zwei Monaten keine Besserung der Beschwerden durch die Schmerz- und Entlastungstherapie eintritt, hilft meist nur eine Operation, um die Betroffenen von Schmerzen und Missempfindungen zu befreien. Hierbei entfernt der Arzt das den Tarsaltunnel umgebende, straffe Band. In einigen Fällen spaltet er einen Teil der Nerven-Umhüllung. Knochenauswüchse oder Tumoren entfernt man ebenfalls chirurgisch. Nach der Tarsaltunnelsyndrom-OP ist eine Entlastung des Fußes mittels Stützkrücken wichtig.

Weitere Therapiemöglichkeiten

  • Sitzposition überprüfen: Wenn Sie häufig unter eingeschlafenen Füßen leiden, sitzen Sie möglicherweise "falsch". Besonders viele Beschwerden macht das Sitzen mit gekreuzten Beinen, weil dies die Blutversorgung stört oder gar Nerven gequetscht werden. Wechseln Sie also immer wieder die Sitzposition (in der Regel schläft das übergeschlagene Bein ein) und stehen Sie beim ersten Kribbeln sofort auf, damit das Blut wieder ungehindert fließen kann. Auch zu enge Schuhe schnüren die Blutzufuhr ab. Ein einfacher Test ist das Wackeln mit den Zehen.
  • Durchblutung ankurbeln: Steckt eine schlechte Durchblutung hinter den Empfindungsstörungen, hilft alles, was den Kreislauf in Schwung bringt und den Blutfluss anregt. Sorgen Sie für ausreichend Bewegung, etwa durch flotte Spaziergänge oder Radfahren. Kräftigungs-, aber auch Dehnübungen steigern die Durchblutung noch zusätzlich. Stehen Sie auch bei sitzenden Tätigkeiten immer wieder zwischendurch auf und gehen Sie herum, damit das Blut nicht in den Beinen "versackt".
  • Gefäße gesund halten: Gesunde Blutgefäße sind die Voraussetzung für eine gute Durchblutung. Einige Risikofaktoren, wie etwa eine genetische Veranlagung, lassen sich nicht beeinflussen. Viele Abnutzungsprozesse entstehen aber durch einen falschen Lebensstil - z. B. durch Rauchen, Übergewicht oder Bewegungsarmut.
  • Körperbewusstsein trainieren: Entstehen Taubheitsgefühle im Rahmen von Panikattacken oder als Ausdruck einer psychischen Störung, helfen eventuell Übungen zur Verbesserung des Körperbewusstseins. Mit Techniken wie Yoga oder dem Body Scan trainieren Sie, Ihre Aufmerksamkeit auch über einen längeren Zeitraum auf Ihren Körper zu richten und sich intensiver zu spüren.

Das Schienbeinkantensyndrom als mögliche Ursache

Als Schienbeinkantensyndrom bezeichnet man Schmerzen an der Schienbeinkante, die in aller Regel nach stärkerer sportlicher Belastung auftreten. Das Krankheitsbild kann ein- oder beidseitig auftreten. Betroffen sind meist Personen, die den Sportarten Laufen, Tanzen oder Wandern nachgehen. Aber auch viele andere Sportarten können dieses Krankheitsbild auslösen.

Ursachen

Die Ursachen für ein Schienbeinkantensyndrom sind vielfältig. Im Vordergrund steht häufig eine Überbeanspruchung durch deutlich erhöhte Trainingsumfänge. Hierdurch kommt es zu einer starken Belastung der Unterschenkelmuskeln bzw. deren Ansatzzonen am Schienbein (mediales Schienbeinkantensyndrom). Seltener kann ein Schienbeinschmerz auch durch einen erhöhten Druck in der Muskelloge, einer Gruppe funktionell zusammengehöriger Muskeln (funktionelles Kompartmentsyndrom), ausgelöst werden (laterales Schienbeinkantensyndrom). Im Weiteren spielen individuelle Faktoren eine wichtige Rolle. Bei abgesenktem Fußgewölbe muss der hintere Schienbeinmuskel vermehrte Haltearbeit leisten, was ein mediales Schienbeinkantensyndrom auslösen kann. Eine vermehrte Anhebung des Fußes oder der Zehen begünstigt eher ein laterales Schienbeinkantensyndrom. Auch ein erhöhtes Fußgewölbe kann ein Schienbeinkantensyndrom verursachen. Harte Böden bei der Sportausübung oder abgenutzte Sportschuhe gelten als beschwerdeauslösend.

Symptome und Verlauf

Die betroffenen Patientinnen und Patienten klagen über Beschwerden an der Schienbeinkante bei Belastung und auf Druck. Anfänglich treten die Beschwerden nur bei längerer Belastung auf, später auch beim Einlaufen, um dann eventuell wieder zu verschwinden. Bestehen Schmerzen auch beim Gehen oder gar in Ruhe, muss ein Stressbruch als wichtige Differentialdiagnose ausgeschlossen werden.

Diagnose

Die Diagnose wird anhand der geschilderten typischen Beschwerden und einer körperlichen Untersuchung gestellt. Im Röntgenbild des Unterschenkels können andere Erkrankungen wie zum Beispiel Stressbrüche ausgeschlossen werden. Bei unklaren Verläufen oder dem Verdacht auf eine Stressreaktion, einen Stressbruch oder aber eine Knocheninfektion kann ein MRT erfolgen.

Therapie und Nachsorge

Die Therapie des Schienbeinkantensyndroms umfasst in erster Linie konservative Behandlungsmaßnahmen. Im Einzelnen sollte in der Akutphase die sportliche Aktivität eingeschränkt oder verändert werden. Nach Abklingen der Beschwerden sollte der Belastungsaufbau vorsichtig erfolgen. Gegen Schmerzen kann mit lokaler Kühlung, Kompressionsverbänden oder entzündungshemmenden Salben und Tabletten vorgegangen werden. Physikalische Anwendungen und Krankengymnastik mit Dehnungen verkürzter Muskeln oder Quermassage können angewendet werden. Im Einzelfall kann eine lokale Injektion mit einem Kortisonpräparat erfolgen. Von einzelnen Sportärzten wird in hartnäckigen Fällen eine lokale Proliferationstherapie durch örtliche Injektion mit einem Gemisch aus einer hochprozentigen Glucose-Lösung und einem örtlichen Betäubungsmittel empfohlen. Bei Fußfehlformen oder -fehlstellungen kann eine Einlagenversorgung erfolgen. Bei Läufern muss eventuell ein anderes Schuhmodell gewählt werden. Durch eine sorgfältige Analyse der Bewegungsabläufe müssen ineffektive Bewegungsmuster erkannt und beseitigt werden. Generell sollten sich Betroffene auf einen häufig langwierigen Verlauf der Erkrankung einstellen.

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