Ein Taubheitsgefühl der Zunge nach einer Narkose kann beunruhigend sein, ist aber in vielen Fällen vorübergehend und harmlos. Es gibt verschiedene Ursachen für dieses Phänomen, die von harmlosen Reizungen bis hin zu seltenen, aber schwerwiegenden Komplikationen reichen können.
Mögliche Ursachen für ein Taubheitsgefühl der Zunge nach Narkose
Häufige Ursachen
- Reizung der Mundschleimhaut: Bestimmte Lebensmittel oder Substanzen können die Mundschleimhaut und die Zunge reizen, was zu einem Kribbeln, Brennen oder Taubheitsgefühl führen kann. Dazu gehören beispielsweise Ananas (Bromelain), Kiwi, Kaki oder Zitrusfrüchte.
- Lokale Betäubung beim Zahnarzt: Vor zahnärztlichen Eingriffen im Unterkiefer, wie z. B. Weisheitszahnentfernung oder Wurzelkanalbehandlung, werden Nerven lokal betäubt. Dabei kann es vorkommen, dass nicht nur das Gewebe um die Zähne herum, sondern auch die Zunge taub wird. Dies ist in der Regel vorübergehend und klingt nach einiger Zeit wieder ab.
- Schwellung nach Weisheitszahn-OP: Die nach einer Weisheitszahn-OP auftretende Schwellung kann auf die Nerven im Kiefer drücken und so zu einer - meist einseitigen - tauben Zunge führen.
- Medikamente: Einige Medikamente, wie z. B. Lidocain (örtlich betäubendes Mittel bei Mundschleimhautentzündungen), können als Nebenwirkung Missempfindungen im Mund auslösen, darunter ein beeinträchtigtes Geschmacksempfinden und eine taube Zunge.
- Vitaminmangel: Ein Mangel an Vitamin B9 (Folsäure) oder Vitamin B12 kann ebenfalls ein Brennen oder Taubheitsgefühl auf der Zunge verursachen. Folsäure ist wichtig für die Bildung der roten Blutkörperchen, während Vitamin B12 für eine normale Funktion des Nervensystems benötigt wird.
- Verbrennungen: Ein heißes Getränk oder eine heiße Speise kann die Zunge verbrennen und zu einem Taubheitsgefühl führen. In leichten Fällen verschwindet dieses Gefühl nach ein bis zwei Tagen von selbst.
Seltenere, aber schwerwiegendere Ursachen
- Nervschädigung durch Intubation: Bei einer Vollnarkose mit Intubation kann es in seltenen Fällen zu einer Schädigung des Zungennervs (Nervus lingualis) kommen. Dies kann durch den Druck des Beatmungsschlauchs oder durch die Instrumente, die zum Einführen des Schlauchs verwendet werden, verursacht werden. In manchen Fällen kann es Jahre dauern, bis sich die Zunge wieder normal anfühlt.
- Zungennekrose: In sehr seltenen Fällen kann es zu einer Zungennekrose (Absterben von Zungengewebe) kommen. Dies kann durch eine Durchblutungsstörung verursacht werden, beispielsweise durch eine Autoimmunvaskulitis (z. B. Riesenzellarteriitis), einen Schock oder die intensive Behandlung mit Vasopressin. In einem Fall wurde eine Zungennekrose auf einen lange liegenden orotrachealen Tubus zurückgeführt.
- Schlaganfall: Ein Schlaganfall, der durch eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn entsteht, kann ebenfalls zu einer tauben Zunge führen. Die Symptome treten dabei immer plötzlich auf und können mit weiteren neurologischen Ausfällen wie Lähmungen im Gesicht einhergehen.
- Multiple Sklerose (MS): Im Rahmen einer MS kann es zu Schädigungen bestimmter Bereiche des Gehirns kommen, die eine (vorübergehende) Taubheit der Zunge verursachen können.
- Nacken-Zungen-Syndrom: Eine rasche Drehbewegung des Kopfes kann in seltenen Fällen das Nacken-Zungen-Syndrom auslösen, das mit einem starken, einseitigen Schmerz im Nacken und einer Empfindungsstörung auf der zugehörigen Seite der Zunge einhergeht.
- Burning-Mouth-Syndrom (Zungenbrennen): Dieses Syndrom äußert sich durch Empfindungsstörungen in der Mundhöhle, darunter Brennen, Kribbeln, stechende Schmerzen oder ein Taubheitsgefühl, das auch die Zunge betreffen kann.
- Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD): Eine Funktionsstörung des Kausystems (CMD) kann als eines von vielen Symptomen auch zu einer tauben Zunge führen.
- Corona-Zunge: Im Zusammenhang mit einer Coronavirus-Infektion wurden Veränderungen der Zunge beobachtet, die als "Corona-Zunge" bezeichnet werden und sich durch Schwellungen, Rötungen oder einen Belag auf der Zunge und im Mundraum bemerkbar machen können.
Diagnose und Behandlung
Da für eine taube Zunge viele verschiedene Ursachen infrage kommen, ist es wichtig, die genaue Ursache der Sensibilitätsstörung zu ermitteln.
Ärztliche Untersuchung
Bei anhaltendem oder starkem Taubheitsgefühl der Zunge sollte ein Arzt aufgesucht werden. Dieser kann durch eine gründliche Anamnese und körperliche Untersuchung die möglichen Ursachen eingrenzen. Gegebenenfalls sind weitere Untersuchungen erforderlich, wie z. B.:
- Neurologische Untersuchung: Zur Überprüfung der Nervenfunktion
- Blutuntersuchung: Zum Ausschluss von Vitaminmangel oder anderen Grunderkrankungen
- Bildgebende Verfahren (z. B. MRT): Zur Darstellung von Gehirn oder Nerven
Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache:
- Reizungen der Mundschleimhaut: Vermeidung der auslösenden Lebensmittel oder Substanzen
- Lokale Betäubung beim Zahnarzt: Abwarten, bis die Wirkung des Betäubungsmittels nachlässt. In manchen Fällen kann Physiotherapie oder eine medikamentöse Behandlung zur Nervenregeneration helfen.
- Schwellung nach Weisheitszahn-OP: Kühlung, Schmerzmittel, entzündungshemmende Medikamente
- Medikamente: Absetzen oder Umstellung des Medikaments in Absprache mit dem Arzt
- Vitaminmangel: Einnahme von Vitaminpräparaten
- Verbrennungen: Kühlung, Schmerzmittel
- Nervschädigung durch Intubation: Physiotherapie, medikamentöse Behandlung, in seltenen Fällen operative Korrektur
- Zungennekrose: Chirurgische Entfernung des abgestorbenen Gewebes, Behandlung der Grunderkrankung
- Schlaganfall: Notfallmäßige Behandlung zur Wiederherstellung der Durchblutung im Gehirn
- Multiple Sklerose: Immunmodulatorische Therapie
- Nacken-Zungen-Syndrom: Schmerzmittel, Physiotherapie
- Burning-Mouth-Syndrom: Behandlung der Symptome, z. B. mit speichelanregenden Mitteln oder Antidepressiva
- Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD): Physiotherapie, Aufbissschiene
- Corona-Zunge: Behandlung der Grunderkrankung (COVID-19), Mundhygiene
Prävention
Einige Ursachen für ein Taubheitsgefühl der Zunge lassen sich vermeiden:
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- Vorsicht beim Verzehr heißer Speisen und Getränke: Um Verbrennungen der Zunge zu vermeiden.
- Sorgfältige Mundhygiene: Um Entzündungen und Reizungen der Mundschleimhaut vorzubeugen.
- Ausgewogene Ernährung: Um einem Vitaminmangel vorzubeugen.
- Aufklärung über alternative Anästhesiemethoden beim Zahnarzt: Patienten sollten vor einer zahnärztlichen Behandlung über mögliche alternative Anästhesiemethoden (z. B. Infiltrationsanästhesie, intraligamentäre Anästhesie) aufgeklärt werden, um das Risiko von Nervschädigungen zu minimieren.
- Verwendung flexiblerer Tuben und feuchter Kompressen bei Intubation: Um das Risiko einer Zungennekrose durch Druck des Beatmungsschlauchs zu verringern.
Rechtliche Aspekte bei Nervschädigung nach Anästhesie
Im Zusammenhang mit Nervschädigungen nach einer Anästhesie bei zahnärztlichen Behandlungen gibt es einige rechtliche Aspekte zu beachten. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in einem Urteil (Az.: 26 U 199/15) entschieden, dass Zahnärzte über alternative Methoden zur Betäubung aufklären müssen. Andernfalls können sie auch bei einem fehlerfreien Eingriff für gesundheitliche Folgen der Narkose haften.
In dem Fall hatte ein Patient nach einer Leitungsanästhesie eine taube und kribbelnde Zunge. Das Gericht sprach ihm ein Schmerzensgeld zu, da der Zahnarzt versäumt hatte, ihn über die Möglichkeit einer intraligamentären Anästhesie aufzuklären. Diese sei eine echte Alternative gewesen und habe auch bereits zum Standard in der ambulanten zahnmedizinischen Praxis gehört.
Dieses Urteil zeigt, dass es im Zusammenhang mit der Anästhesie im Rahmen einer Zahnbehandlung noch Unklarheiten gibt und Zahnärzte verpflichtet sind, ihre Patienten umfassend über die verschiedenen Anästhesiemethoden und deren Risiken aufzuklären.
Persönliche Erfahrungen und Ratschläge
Viele Betroffene berichten, dass das Taubheitsgefühl der Zunge nach einer Narkose sehr unangenehm sein kann und die Lebensqualität beeinträchtigt. Einige berichten von Schwierigkeiten beim Sprechen, Essen oder Schmecken. Es ist wichtig, sich in solchen Fällen nicht entmutigen zu lassen und aktiv nach Lösungen zu suchen.
Einige Betroffene haben positive Erfahrungen mit Vitamin-B-Präparaten, Physiotherapie oder alternativen Behandlungsmethoden gemacht. Es kann auch hilfreich sein, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen.
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