Aktuelle Forschung zur Alzheimer-Therapie: Ein Überblick

Die Alzheimer-Krankheit stellt eine der größten Herausforderungen im Bereich der neurodegenerativen Erkrankungen dar. Weltweit arbeiten Wissenschaftler daran, die Ursachen der Erkrankung besser zu verstehen, neue Diagnoseverfahren zu entwickeln und Therapien zu finden, die den Verlauf der Krankheit beeinflussen können. Obwohl es noch keine Heilung gibt, existieren bereits zuverlässige Diagnoseverfahren, Präventionsmaßnahmen und erste Therapien, die den Krankheitsverlauf verlangsamen können.

Die Alzheimer Forschung Initiative (AFI) und ihre Förderprojekte

Die Alzheimer Forschung Initiative (AFI) unterstützt aktiv die Forschung zur Alzheimer-Krankheit. Sie fördert vielversprechende Forschungsprojekte, darunter auch solche des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Diese Projekte konzentrieren sich auf verschiedene Aspekte der Alzheimer-Krankheit und verwandter Demenzerkrankungen wie die Frontotemporale Demenz (FTD).

TREM2 und die Immunzellen des Gehirns

Ein Forschungsteam um Prof. Stefan Lichtenthaler (München) untersucht die Rolle von TREM2, einem Eiweiß-Molekül auf der Oberfläche der Immunzellen des Gehirns (Mikroglia). Mikroglia schützen das Gehirn vor Gefahren, und TREM2 fungiert als Schalter, der ihre Aktivität verstärkt. Ziel ist es, diesen Schalter zu beeinflussen, um entzündliche Prozesse, die mit Alzheimer einhergehen, einzudämmen. Die Forschenden wollen in Laborexperimenten untersuchen, wie man diesen Schalter beeinflussen kann, um entzündliche Prozesse, die mit Alzheimer einhergehen, einzudämmen.

Gentherapie zur Prävention sporadischer Alzheimer-Erkrankungen

Ein weiteres Projekt unter der Leitung von Prof. Martin Fuhrmann (Bonn) konzentriert sich auf ApoE3, eine Variante des Gens ApoE, das für den Fettstoffwechsel wichtig ist. Menschen mit dieser Genform haben ein erhöhtes Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Das Team möchte mit Hilfe eines gentherapeutischen Verfahrens dieses Risiko-Gen verändern und damit das Risiko für Alzheimer senken. Dafür sind Untersuchungen an Zellkulturen und Mäusen vorgesehen. Die Forschenden wollen damit Grundlagen für eine neuartige, präventive Therapie für die Alzheimer-Erkrankung legen.

Genetische Risikofaktoren für die Frontotemporale Demenz (FTD)

Prof. Anja Schneider (Bonn) leitet ein Projekt, das mittels einer Technik der Erbgutanalyse namens GWAS genetische Risikofaktoren für die Frontotemporale Demenz (FTD) aufklären soll. FTD ist eine seltene Hirnerkrankung, die durch Verhaltensauffälligkeiten, Vergesslichkeit und Sprachstörungen gekennzeichnet ist. Die Identifizierung solcher Risikofaktoren könnte helfen, neue Ansätze für die Therapie von FTD zu finden.

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Bluttests zur Vorhersage des Alzheimer-Risikos

Prof. Monique Breteler (Bonn) untersucht gemeinsam mit Fachleuten aus den Niederlanden, inwieweit Bluttests das Alzheimer-Risiko im frühen Stadium zuverlässig abschätzen können. Die Untersuchung basiert auf Daten aus zwei großen bevölkerungsbasierten Studien - der Rheinland-Studie und der niederländischen ERGO-Studie. Kann ein einziger Bluttest das Risiko auf eine Alzheimer-Erkrankung vorhersagen?

Lecanemab (Leqembi): Ein neuer Antikörper gegen Alzheimer

Mit Lecanemab (Handelsname Leqembi) steht seit kurzem ein neues Medikament zur Behandlung der frühen Alzheimer-Krankheit zur Verfügung. Es richtet sich an Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) bei Alzheimer oder im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit.

Wirkmechanismus und Studienergebnisse

Lecanemab ist ein Antikörper-Wirkstoff, der gezielt eine Vorstufe der für Alzheimer typischen Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab beziehungsweise verhindert die Bildung neuer Plaques. In der großen Phase-3-Studie CLARITY AD zeigte sich, dass die Erkrankung bei den Teilnehmenden, die Lecanemab erhielten, langsamer fortschritt als in der Placebo-Gruppe. Konkret verlangsamte sich der Krankheitsverlauf um 27 Prozent.

Einschränkungen und Voraussetzungen für die Behandlung mit Leqembi

Es ist wichtig zu beachten, dass Leqembi Alzheimer weder heilen noch den Krankheitsverlauf aufhalten kann. Ziel der Behandlung ist es, den geistigen Abbau bei Menschen im frühen Krankheitsstadium zu verlangsamen. Wer mit Leqembi behandelt werden kann, muss in jedem Einzelfall genau geprüft werden.

Der Wirkstoff kommt nur für Menschen infrage, die sich im frühen Stadium der Erkrankung befinden und bislang nur geringe Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben. Dazu zählen vor allem Personen mit einer Alzheimer-Diagnose im Stadium eines Mild Cognitive Impairment (MCI, zu Deutsch „leichte kognitive Störung“) oder im frühen Stadium einer Alzheimer-Demenz.

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Zusätzlich müssen die krankhaften Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn nachgewiesen werden - entweder durch eine Lumbalpunktion oder mittels Amyloid-PET. Auch genetische Voraussetzungen spielen eine Rolle: Erkrankte dürfen höchstens eine Kopie des sogenannten ApoE4-Gens tragen. Personen mit zwei Kopien sind wegen der erhöhten Gefahr für Hirnblutungen von der Behandlung ausgeschlossen. Leqembi eignet sich außerdem nicht für Menschen, die Gerinnungshemmer einnehmen. In Kombination mit dem Medikament steigt das Risiko für eine Hirnblutung deutlich.

Zugang zu Leqembi

Leqembi wurde im April 2025 durch die Europäische Kommission zugelassen. Seit dem 25. August 2025 ist Leqembi in Österreich erhältlich, in Deutschland ab dem 1. September.

Verabreichung und Überwachung

Leqembi wird als Infusion (Tropf) alle zwei Wochen direkt in die Vene verabreicht. Die Behandlung dauert jeweils etwa eine Stunde. Vor Beginn und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder kleine Blutungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen. Diese Untersuchungen müssen vor der 5., 7. und 14. Dosis erfolgen. Werden die vorgeschriebenen MRTs nicht durchgeführt, muss die Behandlung beendet werden.

Mögliche Nebenwirkungen

In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf - darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Diese waren in den meisten Fällen symptomlos, wurden aber engmaschig kontrolliert. Das Risiko für solche Nebenwirkungen hängt stark vom ApoE4-Gen ab: Menschen mit zwei Kopien dieses Gens sind besonders gefährdet und daher von der Behandlung ausgeschlossen.

Bei den für die EU-Zulassung relevanten Patientengruppen - also Menschen mit höchstens einer Kopie des ApoE4-Gens - kam es in rund 13 % der Fälle zu Hirnblutungen und in 9 % zu Hirnschwellungen. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen und Infusionsreaktionen.

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Besondere Sicherheitsvorkehrungen

Nur Patientinnen und Patienten, die alle Voraussetzungen erfüllen, dürfen mit Leqembi behandelt werden. Vor Beginn der Therapie erhalten sie ebenso wie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte ausführliche Informationen, um mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und richtig einzuordnen. Zusätzlich ist die Teilnahme an einem EU-weiten Kontrollprogramm verpflichtend (Controlled Access Program, CAP). Patientinnen und Patienten sowie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte müssen in ein zentrales Register eingeschrieben werden.

Donanemab: Ein weiterer Antikörper in der Entwicklung

Seit 25.09.2025 ist auch ein zweites Antikörper-basiertes Alzheimermedikament in der EU zugelassen. Es enthält den Antikörper Donanemab. Im Juli hatte es eine Zulassungsempfehlung der EMA erhalten - nach einer Überprüfung der zunächst negativen EMA-Entscheidung vom 28.03.2025. Auch dieses Medikament kann Studien zufolge bei einer Anwendung im Frühstadium der Erkrankung das Fortschreiten verlangsamen.

Donanemab ist ein Antikörper mit hoher Affinität für die modifizierte, N-terminal verkürzte Form des Beta-Amyloids (N3pE-Aβ). Während Lecanemab alle zwei Wochen infundiert wird, erfolgt die Infusion bei Donanemab nur alle vier Wochen. Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Antikörpern ergibt sich beim Thema Therapiedauer. Laut Fachinformation von Kisunla soll die Behandlung nur so lange fortgesetzt werden, bis die Amyloid-Plaques entfernt sind, zum Beispiel bis zu sechs oder zwölf Monate. Die maximale Behandlungsdauer beträgt 18 Monate und sollte nicht überschritten werden, auch wenn die Plaque-Entfernung nicht bestätigt wird.

Die Bedeutung der Früherkennung

Die vielen Fehlschläge in der Vergangenheit haben möglicherweise zum Teil damit zu tun, dass in die Studien auch Patient:innen einbezogen wurden, die an anderen Demenzformen litten und nur Alzheimer-hafte Symptome aufwiesen - was aber nicht bemerkt wurde. Viel deutet darauf hin, dass die Behandlung sehr frühzeitig begonnen werden muss, wenn sie noch wirksam ins Krankheitsgeschehen eingreifen soll, und nicht erst, wenn die Alzheimer-Symptome schon ausgeprägt sind. Das ist möglich geworden, weil sich Zeichen der Krankheit (d.h. Beta-Amyloid und Tau-Fibrillen im Gehirn) mittlerweile mit nicht-invasiven bildgebenden Verfahren nachweisen lassen. Das National Institute on Aging and Alzheimer's Association Research Framework empfiehlt deshalb, bei klinischen Studien nur noch mit Patient:innen zu arbeiten, die die für Alzheimer charakteristischen Gehirnveränderungen aufweisen; die dafür anzuwendende biologische (statt Symptom-bezogene) Alzheimer-Definition hat das Research Framework 2018 in der Zeitschrift Alzheimer's & Dementia veröffentlicht.

Weitere Forschungsansätze

Neben den Antikörper-basierten Therapien werden zahlreiche weitere Forschungsansätze verfolgt, darunter:

  • Früherkennung durch Bluttests: Die Entwicklung von Bluttests, die Alzheimer frühzeitig erkennen können, ist ein wichtiger Schwerpunkt der Forschung.
  • Krankheitsmechanismen verstehen: Forschende untersuchen die komplexen Prozesse im Gehirn von Menschen mit Alzheimer, um neue Ansatzpunkte für Therapien zu finden.
  • Vorbeugung von Demenzerkrankungen: Studien untersuchen, wie Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und soziale Isolation reduziert werden können, um das Demenzrisiko zu senken.
  • Pflege und Lebensqualität: Die Forschung befasst sich auch mit der Verbesserung der Versorgung und Lebensqualität von Menschen mit Demenz.
  • Wirkung von Virusinfektionen: Unklar ist aber noch, wie genau Virusinfektionen Demenzerkrankungen befördern. Entweder die Viren dringen direkt ins Gehirn ein und schädigen dort die Nervenzellen. Oder das Immunsystem wird durch die Infektion so stark stimuliert, dass es überreagiert. In der Forschung zeichne sich ab, so Konstantin Sparrer, "dass jegliche Virusinfektion nicht gut ist für eine Demenz“.
  • Einfluss des Lebensstils: Unabhängig von neuen Antikörper-Medikamenten setzt Thorsten Bartsch auf Prävention durch eine Veränderung des Lebensstils. Auch andere Risikofaktoren für eine Demenz sind beeinflussbar: Diabetes und Übergewicht lassen sich ebenso behandeln wie Bluthochdruck und ein erhöhter Cholesterinspiegel. Hörgeräte sorgen für soziale Teilhabe - auch das ein wichtiger Faktor, um die grauen Zellen fit zu halten. Darüber hinaus gibt es eine weitere Möglichkeit, das Risiko für eine Demenz zu reduzieren: Die Impfung gegen Gürtelrose-Viren.

Herausforderungen und Perspektiven

Die Alzheimer-Forschung steht weiterhin vor großen Herausforderungen. Die Krankheit ist äußerst komplex, und viele der Prozesse im Gehirn sind noch nicht vollständig verstanden. Hinzu kommt, dass Alzheimer oft lange vor dem Auftreten erster Symptome beginnt.

Trotz dieser Herausforderungen gibt es Hoffnung. Die Entwicklung von Medikamenten wie Lecanemab und Donanemab, die gezielt in den Krankheitsverlauf eingreifen, ist ein wichtiger Fortschritt. Zudem werden zahlreiche weitere Forschungsansätze verfolgt, die das Potenzial haben, die Alzheimer-Therapie in Zukunft entscheidend zu verbessern. Besonders wichtig ist dabei der frühe Einsatz von Medikamenten: Denn je eher die Krankheit erkannt und behandelt wird, desto höher die Chancen, den Verlauf zu verlangsamen. Studien deuten darauf hin, dass Kombinationen verschiedener Behandlungsansätze langfristig den entscheidenden Fortschritt bringen können.

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