Thymektomie bei Myasthenia Gravis: Aktuelle Informationen und Erkenntnisse

Die Myasthenia gravis ist eine Autoimmunerkrankung, die durch Muskelschwäche und schnelle Ermüdung gekennzeichnet ist. Eine mögliche Therapieoption ist die Thymektomie, die operative Entfernung der Thymusdrüse. Dieser Artikel fasst aktuelle Informationen und Erkenntnisse zur Thymektomie bei Myasthenia gravis zusammen.

Myasthenia Gravis: Eine Autoimmunerkrankung mit Muskelschwäche

Mit einer Prävalenz von 1 zu 10.000 ist die Myasthenia gravis keine seltene Autoimmunerkrankung. Sie äußert sich durch eine belastungsabhängige Muskelschwäche, die durch den Verlust von Acetylcholin-Rezeptoren auf den motorischen Endplatten verursacht wird. Dies führt zu Symptomen wie Seh-, Sprech- und Schluckstörungen sowie einer tagsüber zunehmenden Schwäche und Müdigkeit, was die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränkt.

Die Ursache der Erkrankung liegt in der Bildung von Autoantikörpern gegen ein Eiweißmolekül, das für die Signalübertragung an der neuromuskulären Synapse entscheidend ist. Die Fehlfunktion des Immunsystems basiert auf einer genetischen Veranlagung für Autoimmunerkrankungen. Bestimmte Medikamente können die Symptome verstärken.

Symptome und Diagnose

Die Symptome der Myasthenia gravis können vielfältig sein. Bei ca. 50 % der Patienten beginnt die Erkrankung mit Sehstörungen wie Doppelbildern und Schwere der Oberlider. Bei etwa 14 % treten Schluck- und Sprechstörungen zuerst auf, und bei nur 8 % ist eine Schwäche der Arme und Beine die Erstsymptomatik. Oft dehnt sich die Symptomatik von der erstbetroffenen Muskelgruppe auf weitere Muskelgruppen aus. Im Verlauf können Kau-, Schluck- und Sprechmuskulatur, Schultergürtel-, Oberarm-, Becken- und Oberschenkelmuskulatur betroffen sein - letztlich die gesamte Willkürmuskulatur unter Einbeziehung der Atmung.

Die allgemeine Schwäche nimmt oft im Tagesverlauf und bei Belastung zu und kann im Verlauf von Stunden, Tagen und Wochen stark schwanken. Typisch für die Myasthenie sind die Erholung in Ruhe und eine Verschlechterung der Lähmungen durch fieberhafte Infekte, Stress, hormonelle Schwankungen und bestimmte Medikamente.

Lesen Sie auch: Medikamentenliste für Myasthenia Gravis – Achtung!

Die Diagnose erfolgt in der Regel durch einen Neurologen, der klinische Tests, Blutuntersuchungen zur Bestimmung von Antikörpern und elektromyographische Untersuchungen veranlasst. Diagnostisch wichtig ist auch ein CT mit Kontrastmittel des vorderen oberen Brustkorbs zum Nachweis einer möglichen Vergrößerung der Thymusdrüse.

Therapieansätze

Die Behandlung der Myasthenia gravis zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Zu den gängigen Therapieansätzen gehören:

  • Cholinesterasehemmer: Diese Medikamente verbessern die Signalübertragung an der neuromuskulären Synapse.
  • Corticosteroide: Sie dämpfen als körpereigene Hormone die Überaktivität des Immunsystems und erzielen rasch eine deutliche Symptomverbesserung. Aufgrund der vielfältigen Nebenwirkungen erfolgt eine niedrig dosierte Gabe.
  • Immunsuppressiva: Diese Medikamente unterdrücken das Immunsystem und reduzieren die Produktion von Autoantikörpern.
  • Thymektomie: Die operative Entfernung der Thymusdrüse kann den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen.

Die Rolle der Thymektomie bei Myasthenia Gravis

Die Thymektomie ist eine operative Entfernung der Thymusdrüse, die bei der Behandlung der Myasthenia gravis eine wichtige Rolle spielen kann. Der Nutzen der Thymektomie wurde zunächst bei Patienten mit Thymomen entdeckt, da diese häufig eine Myasthenia gravis auslösen, die sich nach der Thymektomie bessert.

Historischer Hintergrund

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Verbindung zwischen der Symptomatik einer Myasthenia gravis zu morphologischen Veränderungen des Thymus hergestellt. Die erste Veröffentlichung einer therapeutischen Thymektomie im Rahmen der Behandlung einer Myasthenia gravis erfolgte bereits 1912.

MGTX-Studie: Ein Meilenstein in der Forschung

Die MGTX-Studie (Thymectomy Trial in Non-Thymomatous Myasthenia Gravis Patients Receiving Prednisone Therapy) lieferte 2016 die erste Klasse-I-Evidenz für die Wirksamkeit der Thymektomie bei AChR-Ak-positiven Patienten. In dieser internationalen, randomisierten Studie konnte gezeigt werden, dass eine frühzeitige komplette Entfernung des Thymus die Symptome einer Myasthenia gravis deutlich verbessert und den Medikamentenbedarf der Patienten vermindert.

Lesen Sie auch: Alles über Myasthenia Gravis

Die Studie umfasste 126 Patienten mit einem Krankheitsverlauf von weniger als fünf Jahren und einem Stadium II bis IV nach der Klassifikation der Myasthenia Gravis Foundation of America. Die Patienten wurden entweder thymektomiert oder erhielten eine alleinige medikamentöse Weiterbehandlung.

Die Ergebnisse zeigten, dass die thymektomierten Patienten eine signifikante Verbesserung im „Quantitative Myasthenia Gravis“-Score aufwiesen und ihre durchschnittliche tägliche Prednisolon-Dosis reduzieren konnten. Zudem benötigten weniger Patienten eine Immunsuppression und es mussten weniger Patienten wegen einer Exazerbation der Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden.

Indikationen für eine Thymektomie

Während der tomographische Nachweis eines Thymoms unzweifelhaft eine Operationsindikation darstellt, ist die Entfernung der Thymusdrüse aus immunmodulatorischer Indikation ein Sonderfall chirurgischer Indikationen. Hierbei wird die Entfernung der Thymusdrüse unabhängig von ihrer Größe und ihres Kontrastmittelverhaltens - sogar ohne Nachweisbarkeit des Thymus in der Schnittbildgebung - indiziert, um den langfristigen Verlauf der Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis positiv zu beeinflussen.

Eine Thymektomie wird insbesondere bei folgenden Patientengruppen in Betracht gezogen:

  • Junge Patienten mit einer generalisierten Acetylcholin-Rezeptor-Antikörper(AChR-Ak)-positiven Myasthenia gravis („early onset myasthenia gravis“, EOMG).
  • Patienten zwischen dem 18. und 65. Lebensjahr mit AChR-Ak-positiver Myasthenia gravis.
  • Patienten mit okulärer Myasthenie und positivem AChR-Ak-Nachweis im frühen Krankheitsverlauf.
  • Patienten mit juveniler Form der Myasthenia gravis und AChR-Ak-positiver generalisierter Form.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass bei Patienten mit Antikörpern gegen muskelspezifische Kinase (MusK) die Durchführung einer Thymektomie in der Regel nicht sinnvoll ist.

Lesen Sie auch: Myasthenie und Sauna: Infos

Operative Techniken

Die Thymusdrüse kann durch verschiedene operative Techniken entfernt werden. Die Wahl des Operationsverfahrens richtet sich nach individuellen Faktoren wie dem Alter, der Krankheitsaktivität und der Erfahrung des behandelnden Chirurgen. Zu den gängigen operativen Zugängen gehören:

  • Transsternale Thymektomie: Hierbei wird das Brustbein eröffnet, um Zugang zur Thymusdrüse zu erhalten.
  • Zervikale Thymektomie: Die Inzision erfolgt im Bereich des Jugulums.
  • Infrastenale oder subxiphoidale Thymektomie: Der Zugang erfolgt unterhalb des Brustbeins.
  • Videoassistierte thorakoskopische Thymektomie (VATS-Thymektomie): Hierbei wird die Operation minimalinvasiv mit Hilfe einer Kamera und speziellen Instrumenten durchgeführt.
  • Roboterassistierte Thymektomie (RATS-Thymektomie): Die Operation wird mit Unterstützung eines Operationsroboters durchgeführt, was eine präzisere und schonendere Entfernung des Thymusgewebes ermöglichen kann.

Das deklarierte Ziel besteht in der vollständigen Entfernung des Thymusgewebes. Die unvollständige Resektion der Thymusdrüse kann zu einer Persistenz der Symptomatik und zur Notwendigkeit der Reoperation führen.

Mögliche Nachwirkungen

Die Nachwirkungen einer Thymusoperation sind von der Art und dem Ausmaß des Eingriffs abhängig. Während bei einem Schnitt am Brustbein eine etwa 30 cm lange Narbe am Brustbein zurückbleibt, sind die Narben bei endoskopischer Entfernung des Thymus nur wenige Zentimeter lang. Die Schmerzen unterscheiden sich ebenfalls nach der Art der Operation und lassen sich in den meisten Fällen mit Schmerzmitteln gut kontrollieren. Wie lange ein Patient an seinem Arbeitsplatz ausfällt, ist ebenfalls vom Ausmaß des Eingriffs und von der Art seiner Tätigkeit abhängig.

Bedeutung der vollständigen Resektion

Voraussetzung für die immunmodulatorische Wirkung ist die vollständige Entfernung des Thymusgewebes. Minimal-invasive Thymektomien bergen inhärent ein höheres Risiko als transsternale Operationen, dass Restthymusgewebe zurückbleibt. Die anatomische Variabilität determiniert das Ausmaß der operativen Resektion. Die unvollständige Resektion der Thymusdrüse führte in diversen Untersuchungen zu einer Persistenz der Symptomatik und zur Notwendigkeit der Reoperation.

Aktuelle Entwicklungen und Forschung

Die Forschung zur Thymektomie bei Myasthenia gravis ist weiterhin aktiv. Aktuelle Studien untersuchen unter anderem:

  • Die Wirksamkeit der roboterassistierten Thymektomie im Vergleich zu anderen operativen Techniken.
  • Die langfristigen Auswirkungen der Thymektomie auf den Krankheitsverlauf und die Lebensqualität der Patienten.
  • Die Rolle der Thymektomie bei Patienten mit okulärer Myasthenie.
  • Die Bedeutung der Thymektomie bei älteren Patienten mit Myasthenia gravis.

tags: #Thymektomie #Myasthenia #Gravis #Informationen