Thymusentfernung als Therapie bei Myasthenia Gravis

Wenn die Augen zufallen, obwohl man nicht müde ist, oder wenn es schwerfällt, das Gesicht zu einem Lächeln zu verziehen, könnten dies Anzeichen für Myasthenia gravis sein. Diese seltene Autoimmunerkrankung, die durch Muskelschwäche gekennzeichnet ist, kann durch die Entfernung des Thymus behandelt werden. Medikamente können die Symptome lindern, aber die operative Entfernung des Thymus bietet eine vielversprechende zusätzliche Option.

Was ist Myasthenia Gravis?

Myasthenia gravis bedeutet schwere Muskelschwäche. Bei Myasthenia gravis greift das Immunsystem fälschlicherweise die Verbindungsstellen zwischen Nerven und Muskeln an, was zu einer gestörten Signalübertragung führt. Dies führt zu einer Abnahme der muskulären Belastbarkeit. In Deutschland ist etwa einer von 2.000 Menschen von dieser Krankheit betroffen.

Die Erkrankung ist meist gut behandelbar. Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.

Die Rolle des Thymus bei Myasthenia Gravis

Der Thymus ist eine Drüse, die sich über dem Herzen hinter dem Brustbein befindet. Er spielt eine wichtige Rolle im Immunsystem, insbesondere im Säuglingsalter, wo er zur Aktivierung des Immunsystems beiträgt. Mit dem Erwachsenwerden bildet sich der Thymus zu Fett- und Bindegewebe um.

Bei Myasthenia gravis spielt der Thymus eine zentrale Rolle bei der Entstehung der Autoantikörper, die gegen die Acetylcholinrezeptoren gerichtet sind. Diese Rezeptoren sind für die Übertragung von Nervenimpulsen an die Muskeln verantwortlich. Durch die Autoantikörper werden diese Rezeptoren zerstört, was zu einer Übertragungsstörung und Muskelschwäche führt.

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Bei Patienten mit Myasthenie werden während des operativen Eingriffs immer auch das Fett- und Bindegewebe, das die Thymusdrüse umgibt, komplett mit entfernt, um nicht eventuell darin enthaltene versprengte kleine Thymusanteile zurück zu lassen.

Wann ist eine Thymektomie notwendig?

Eine Thymektomie, die operative Entfernung des Thymus, kann bei Myasthenia gravis aus verschiedenen Gründen in Betracht gezogen werden:

  • Thymom: Bei etwa 10-15% der Patienten mit Myasthenia gravis liegt ein Thymom vor, ein Tumor des Thymus. In diesem Fall ist die Entfernung des Thymus notwendig, um den Tumor zu behandeln.
  • Generalisierte Myasthenia Gravis: Auch bei Patienten ohne Thymom kann eine Thymektomie in Betracht gezogen werden, insbesondere bei jüngeren Patienten mit einer generalisierten Form der Myasthenia gravis, bei der die Muskelschwäche den ganzen Körper betrifft. Eine operative Thymusentfernung erlaubt es Myasthenie-Patienten, die Dosis und damit mögliche Nebenwirkungen ihrer Medikamente zu reduzieren. Von dem Eingriff profitieren vor allem jüngere Patienten, die anschließend mit weniger und später oft ganz ohne Medikamente auskommen können.

Vorteile der Thymektomie

Studien haben gezeigt, dass die Thymektomie bei Myasthenia gravis folgende Vorteile haben kann:

  • Reduktion der Medikamentenmenge: Viele Patienten können nach der Operation die Dosis ihrer Medikamente reduzieren oder sogar ganz auf Medikamente verzichten.
  • Verbesserung der Symptome: Die Muskelschwäche kann sich verbessern, und die Patienten können eine höhere Lebensqualität erreichen.
  • Erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Remission: In einigen Fällen kann die Thymektomie zu einerRemission der Erkrankung führen, d.h. zum vollständigen Verschwinden der Symptome.

Operationsmethoden

Die Thymektomie kann auf verschiedene Arten durchgeführt werden:

  • Transsternale Thymektomie: Bei diesem traditionellen Verfahren wird das Brustbein durchtrennt, um Zugang zum Thymus zu erhalten. Früher hatte man nach einer Thymus-OP eine senkrechte Narbe vom Schlüsselbein bis fast zum Bauchnabel.
  • Minimalinvasive Thymektomie: Bei diesem Verfahren werden kleine Schnitte in den Brustkorb gemacht, durch die eine Kamera und spezielle Instrumente eingeführt werden. Heute kommt man meist mit drei 10 Millimeter großen Einstichen aus. Durch diese werden eine Videokamera und die OP-Instrumente in den Körper geführt. Der Eingriff dauere 90 Minuten, der Klinikaufenthalt drei bis vier Tage. Und die winzigen Narben befänden sich bei Frauen unter der Brust und seien daher nicht sichtbar.
  • Roboterassistierte Thymektomie: Dieses Verfahren ist eine Weiterentwicklung der minimalinvasiven Thymektomie, bei der ein Roboter dem Chirurgen bei der Operation assistiert. Seit knapp 30 Jahren arbeiten Chirurginnen und Chirurgen der Charité - Universitätsmedizin Berlin daran, diese Operation minimalinvasiv durchzuführen, davon die letzten 18 Jahre roboterassistiert. Keine andere Klinik weltweit hat so viele Eingriffe durchgeführt. Wir möchten dazu beitragen, dass sich dieses Verfahren auch an anderen Kliniken durchsetzt“, sagt Prof. Dr. Jens-Carsten Rückert, Bereichsleiter Thoraxchirurgie der Chirurgischen Klinik der Charité. Er ergänzt: „Internationale und eigene Studien haben die Vorteile des Verfahrens für Patientinnen und Patienten gegenüber einer Operation mit Brustkorböffnung bestätigt: Die Heilungschancen der Krankheit sind besser, da das Gewebe vollständig und zugleich schonender entfernt wird. Dank des minimalinvasiven Eingriffs kommen die Operierten schneller wieder auf die Beine und behalten nur drei kleine Narben zurück.“

Die Wahl der Operationsmethode hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. der Größe des Thymus, dem Vorliegen eines Thymoms und dem allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten.

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Risiken und Komplikationen

Wie bei jeder Operation gibt es auch bei der Thymektomie Risiken und Komplikationen. Dazu gehören:

  • Blutungen
  • Infektionen
  • Nervenschäden
  • Atembeschwerden

In den meisten Fällen sind diese Komplikationen jedoch selten und gut behandelbar.

Nachsorge

Nach der Thymektomie ist eine sorgfältige Nachsorge wichtig, um den Heilungsprozess zu unterstützen und Komplikationen zu vermeiden. Dazu gehören:

  • Schmerzbehandlung
  • Atemübungen
  • Physiotherapie
  • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen

Leben ohne Thymus

Die Thymusdrüse wird mit zunehmendem Alter durch Fettgewebe ersetzt und ist beim Erwachsenen häufig nur noch als Fettkörper vor dem Herzen erkennbar. Somit verliert die Drüse auch zunehmend ihre ursprüngliche Aufgabe. Die Funktion des Thymus für die Entwicklung des Immunsystems ist vor allem bei Kindern relevant. Erwachsenen haben die Immunzellen, die im Thymus entstehen, zumeist ausreichend gebildet. Eine Entfernung des Thymus ist somit nach aktuellen Erkenntnissen problemlos möglich und führt in vielen Fällen zur Heilung oder Besserung der jeweiligen Erkrankung.

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