Eine Schädigung des Nervus tibialis, auch Schienbeinnerv genannt, kann verschiedene Ursachen haben und sich durch vielfältige Symptome äußern. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten von Schädigungen des Nervus tibialis, insbesondere im Zusammenhang mit dem Tarsaltunnelsyndrom.
Anatomie und Funktion des Nervus tibialis
Der Nervus tibialis ist ein Hauptnerv des Unterschenkels und Fußes. Er entspringt aus dem Ischiasnerv (Nervus ischiadicus) und versorgt motorisch und sensibel wichtige Bereiche des Unterschenkels, der Ferse und der Fußsohle. Der Nervus tibialis versorgt u. a. folgende Muskeln mit motorischen Impulsen: Musculus gastrocnemius, Musculus soleus, Musculus plantaris, Musculus tibialis posterior, Musculus flexor digitorum longus, Musculus flexor hallucis longus.
Verlauf des Nervus tibialis:
- Der Nerv verläuft auf der Rückseite des Unterschenkels, zieht oberflächlich durch die Kniekehle und dann entlang der Wadenmuskulatur.
- Er zieht weiter in Richtung Innenknöchel.
- Auf der Innenseite des Sprunggelenks zieht der Schienbeinnerv durch den Tarsaltunnel.
- Im Tarsaltunnel teilt sich der Nerv in seine Äste auf, die die Fußsohle versorgen.
Die sensible Versorgung durch den Nervus tibialis ist besonders wichtig, da sie es dem Fuß ermöglicht, beim Laufen und Abfedern von Stößen auf Druckveränderungen zu reagieren. Die Gefühlswahrnehmung ist sehr wichtig für die Steuerung des Gleichgewichts.
Was ist eine Tibialis Nerv Schädigung?
Eine Schädigung des N. tibialis kann iatrogen, durch verschiedene Traumata oder Kompressionen im Bereich des Ober- oder Unterschenkels, am Kniegelenk und im Fuß auftreten. Eine Nervenschädigung kann die Funktion des Nervus tibialis beeinträchtigen und zu verschiedenen Beschwerden führen.
Tarsaltunnelsyndrom: Eine häufige Ursache
Das Tarsaltunnelsyndrom ist ein eher seltenes Einklemmungs- oder Kompressionssyndrom des Nervus tibialis oder eines seiner Äste im Tarsaltunnel am Innenknöchel. Der Tarsaltunnel ist ein osteofibröser Tunnel, der sich von der Innenknöchelregion bis zur Fußmitte hin erstreckt. Die laterale Begrenzung bilden der Innenknöchel, das Sustentaculum tali sowie die mediale Kalkaneuswand. Medialseitig wird der Kanal vom Retinaculum flexorum gebildet.
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Strukturen im Tarsaltunnel:
- Sehnen der Musculi tibialis posterior, flexor digitorum und flexor hallucis longus
- Arteria und Vena tibialis posterior
- Nervus tibialis
Im Tarsaltunnel geht vom Schienbeinnerv noch ein Hauptnerv für das Fersenbein ab, dann teilt sich der Nerv im Tarsaltunnel in einen äußeren und einen inneren Fußast auf (Rr. plantaris lateralis / medialis) mit motorischen und sensiblen Anteilen.
Ursachen des Tarsaltunnelsyndroms
Ausgelöst wird das Tarsaltunnelsyndrom meist durch mechanische Kompressionen (Einklemmungserscheinungen) oder auch funktionelle Überlastungen sowie durch Nervenerkrankungen, entzündliche oder selten auch tumoröse Veränderungen.
Konkrete Beispiele für Ursachen:
- Anatomische Veränderungen: Zysten, Tumoren oder Knochensporne können im Tarsaltunnel wachsen, was zu einer Einengung und Kompression des Nervs führt.
- Knöcherne Veränderungen: nach Brüchen am Innenknöchel, Sprungbein und Fersenbein
- Verletzungen: Prellungen oder Verstauchungen des Sprunggelenks können Schwellungen hervorrufen, die den Druck im Tarsaltunnel erhöhen und den Nerv reizen. Bandverletzungen am Innenband und inneren Kapselbandapparat, Verletzungen der im Tarsaltunnel befindlichen Strukturen.
- Funktionelle Überlastungen: zum Beispiel beim Joggen (sogenannter Joggerfuß), bei starkem Knickfuß
- Systemische Erkrankungen: Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Gicht, Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose), Fettstoffwechselstörungen oder rheumatoide Arthritis können zu Entzündungen oder Schwellungen im Fuß führen, die den Druck auf den Nerv erhöhen.
- Entzündliche Reaktionen: bei rheumatoider Arthritis, des Kapselbandapparates bei Sprunggelenksarthrosen
- Raumforderungen: durch zusätzliche Gefäßbündel, Ganglien oder Tumoren der Nerven, Verdickung der angrenzenden Muskeln und Sehnen
- Postoperative Folgen: durch Schwellungen, Narben etc. anlagebedingt (etwa 20 Prozent der Fälle)
- Fehlstellungen des Fußes: Senk-, Knick- und Spreizfüße oder andere Fehlstellungen können die natürliche Position der Strukturen im Tarsaltunnel verändern und auf den Nervus tibialis drücken.
- Als Folge einer Komplikation bei einer medizinischen Behandlung, vor allem nach operativen Eingriffen
Symptome des Tarsaltunnelsyndroms
Typische Symptome sind belastungsabhängige Schmerzen, zum Teil mit brennendem Charakter (neuropathischer Schmerz), in Höhe des Innenknöchels mit Ausstrahlung in den Fuß und auch in die Wade. Patienten mit Tarsaltunnelsyndrom klagen typischerweise über eine Parästhesie, Hyperästhesie oder Dysästhesien im Bereich des Innenknöchels mit Ausstrahlung zur Ferse, zur Fußsohle oder zu den Zehen. Die Beschwerden sind typischerweise einseitig und nehmen bei Belastung des Fußes zu.
Weitere Symptome können sein:
- Stechende und vor allem brennende Schmerzen am Innenknöchel mit Ausstrahlung in die Wade, die Ferse und den Fuß
- Sensibilitätsstörungen
- Verminderte Schweißsekretion
- Muskelschwächen
- Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen löst ein Klopfen im Nervenverlauf einen elektrisierenden Schmerz aus (Hoffmann-Tinel-Zeichen)
- Das Anheben des Fußes insgesamt oder auch nur des Fußaußenrandes können die Beschwerden verstärken
- In milderen Formen kann es nur zu einer Sensibilitätsstörung kommen, häufig kommen aber auch Schmerzen hinzu
- Später können auch Muskelabschwächungen (motorische Störungen) oder sogenannte trophische Störungen wie eine verminderte Schweißsekretion auftreten
- Ein weiterer Hinweis ist eine geschwächte oder sogar eine Rückbildung der Fußmuskulatur infolge einer langfristigen Schädigung des Nervs
Bei Läufern ist dieses Beschwerdebild als sogenannter „jogger’s foot“ bekannt. In manchen Fällen können die Schmerzen auch nach proximal Richtung Unterschenkel ausstrahlen.
Diagnose des Tarsaltunnelsyndroms
Die Diagnose des Tarsaltunnelsyndroms gestaltet sich oft herausfordernd, da die Symptome leicht mit anderen Erkrankungen verwechselt werden können.
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Diagnostische Maßnahmen:
- Anamnese und klinische Untersuchung: Die Diagnose beginnt mit einem Arzt-Patienten-Gespräch, bei dem der Betroffene seine Symptome und medizinische Vorgeschichte schildert. In der klinischen Untersuchung lässt sich bei den betroffenen Patienten das Hoffmann-Tinel-Zeichen bei Perkussion des Nerven auslösen. Es kommt hierbei zu einer Schmerzausstrahlung entlang des Nervenverlaufs nach distal. Analog dem Phalentest des Karpaltunnelsyndroms lassen sich diese Symptome beim sogenannten Dorsiflexions-Eversionstest durch maximale Dorsiflexion im Sprunggelenk und Eversion des Fußes verstärken. Bei der Inspektion des Fußes ist auf Raumforderungen im Bereich des Innenknöchels, Varus- und Valgusfehlstellungen des Rückfußes sowie auf bereits vorliegende Atrophien der Fußmuskulatur zu achten.
- Röntgenaufnahmen: des Sprunggelenkes sind sinnvoll, um mechanische Veränderungen der Knochen zu erfassen. Die Röntgenaufnahme des Sprunggelenks im Stehen in zwei Ebenen ist der Standard zur Beurteilung von Fehlstellungen, Frakturen und eventuell vorliegenden knöchernen Raumforderungen im Bereich des Tarsaltunnels.
- Ultraschalluntersuchung: Mit ihr lassen sich direkte Zeichen der Nervenkompression mit fokaler Vergrößerung der Faszikel und Änderungen der Echogenität gut darstellen. Die Sonografie ist eine günstige und breit verfügbare Untersuchungstechnik.
- MRT-Aufnahmen: sind sinnvoll, um Veränderungen im Bereich der Weichteile zu erfassen. Die Magnetresonanztomografie ist der Goldstandard in der weiterführenden Schnittbildgebung zur Beurteilung vorliegender Raumforderungen mit Bedrängung des Nervus tibialis.
- Elektrophysiologische Untersuchung: zur Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit kann weitere Klarheit schaffen. Besteht der Verdacht auf ein Tarsaltunnelsyndrom, kann man zusätzlich eine Elektromyographie oder Messung der Nervenleitgeschwindigkeit vornehmen, um die Funktionsfähigkeit des Nervs und den Grad der Nervenschädigung zu beurteilen. Ist die Nervenleitfähigkeit verlangsamt, ist dies ein typischer Befund für das Tarsaltunnelsyndrom. Im Rahmen der elektrophysiologischen Untersuchungen wird die sensible Nervenleitgeschwindigkeit gemessen. Eine Amplitudendifferenz von mehr als 50% im Seitenvergleich gilt hierbei als pathognomonisch. Hinweisend auf ein Vorliegen eines Tarsaltunnelsyndroms ist auch ein erhöhter Wert für die distale motorische Latenz, wobei standardisierte Vergleichswerte fehlen. Die Messung der motorischen Nervenleitgeschwindigkeit hat eine geringe Sensitivität und leistet keinen Beitrag. In der Elektromyografie (EMG) zeigen sich Fibrillationen und scharfe Wellen als Ausdruck einer Denervierung.
- Diagnostische Injektion: einer diagnostische Injektion eines Lokalanästhetikums kann hilfreich sein: bringt diese für eine gewisse Zeit eine Beschwerdelinderung, ist zumindest der Ort der Schädigung meist gut abgegrenzt. Steht das Krankheitsbild des Tarsaltunnelsyndroms im Raum, kann eine Einspritzung im Nervenbereich mit einem Lokalanästhetikum (schmerzstillendes Mittel) und einem kortisonhaltigen Präparat Aufschluss darüber geben, inwieweit der Nerv bereits Schaden durch die Nerveneinengung und -reizung genommen hat. Wohingegen möglicherweise ein entzündeter Nerv vorliegt, wenn die Schmerzen über einen längeren Zeitraum hinweg gelindert werden können.
Differenzialdiagnosen
Das Leitsymptom der Missempfindungen (neuropathischer Schmerz) und/oder Sensibilitätsstörungen, stechende (nozizeptive) Schmerzen und motorische Schwächen finden sich auch bei einer Vielzahl anderer Erkrankungen.
Differenzialdiagnosen umfassen:
- (diabetischen) Polyneuropathien
- Durchblutungsstörungen
- Höher gelegenen Schädigungen der Nervenbahn zum Beispiel weiter oben am Unterschenkel, im Lenden- und Kreuzbereich oder in Höhe der Wirbelsäule bei Bandscheibenschäden (Bandscheibenvorfall), Lumbale Spinalkanalstenose
- Fersensporn (Plantarsehnenfasciitis)
- Achillodynie (Schmerzsyndrom der Achillessehne)
- Morton-Neurom, ein Engpasssyndrom der dort verlaufenden Nerven weiter unten am Fuß
Therapie des Tarsaltunnelsyndroms
Die Behandlung des Tarsaltunnelsyndroms richtet sich nach der Schwere der Symptome und der zugrunde liegenden Ursache. Behandelt werden muss in jedem Fall, sonst drohen dauerhafte Nervenschäden mit chronischen Schmerzen und Taubheitsgefühlen.
Konservative Therapie
Soweit möglich und bekannt, sollte man die Ursache(n) behandeln. In der Regel wird zunächst konservativ behandelt.
Mögliche konservative Therapieformen sind:
- Physiotherapie: Ist beispielsweise eine Fußfehlstellung wie ein Knick-Senkfuß die Ursache, kann mithilfe von Dehnungsübungen und speziellen Techniken zur Mobilisation das Fußgewölbe aufgerichtet und so der Druck auf den Nerv gemindert werden. Physiotherapeutische Übungen müssen meist für lange Zeit in den Alltag integriert werden.
- Sprunggelenksbandagen
- Einlagen: In manchen Fällen können spezielle Schuheinlagen den Nerv entlasten. Sie helfen, die Ferse aufzurichten und geben Stabilität. Besser sei es aber, langfristig wieder ohne ein Hilfsmittel zurechtzukommen. Orthopädische Einlagen vermindern den Druck auf den betroffenen Nerv. Auch wenn es darum geht, eine Fußfehlstellung zu behandeln, die zu einem Tarsaltunnelsyndrom geführt hat, sind Betroffene bei einem Orthopäden richtig.
- Injektionen mit Lokalanästhetika: (gegebenenfalls mit Corticosteroidzusatz) Entzündungshemmende Medikamente sowie Injektionen mit Kortison können zum Einsatz kommen, um akute Entzündungen und Schwellungen im Tarsaltunnel zu lindern. Dadurch schwillt die Entzündung ab und der Druck auf den Nerv lässt nach.
- Entzündungshemmende und schmerzhemmende Maßnahmen: der physikalischen Therapie (Elektrotherapie, Ultraschall, pulsierende Magnetfeldtherapie und Varianten, Kälte- oder Wärmeanwendungen)
- Akupunktur
- Experimentell: kann nach Fehlschlag aller anderen Verfahren auch eine Injektion mit Botulinumtoxin zur Behandlung der neuropathischen Schmerzkomponente erfolgen.
- Salbenumschläge und entzündungshemmende Medikamente helfen, akute Beschwerden zu lindern.
- Ruhigstellungen: sind meist nur bei akuter starker Schmerzhaftigkeit und nur kurzfristig sinnvoll. Häufig verordnet der Arzt eine Ruhigstellung des Fußes, was unter anderem mit Orthesen (Schienen) gelingt.
Operative Therapie
Bleiben konservative Maßnahmen über einen längeren Zeitraum keine Linderung, kann ein chirurgischer Eingriff in Erwägung gezogen werden. Ziel ist, den Druck auf den Nervus tibialis posterior zu reduzieren, indem der Tarsaltunnel entlastet wird. Bei dieser sogenannten Dekompressionsoperation wird das Halteband der Beugesehnen gespalten, um mehr Platz für den Nerv zu schaffen. Auch wenn Tumoren oder knöcherne Veränderungen auf den Nerv drücken, erfolgt eine Operation, um die Wucherung zu entfernen. Bei Versagen der konservativen Therapie, Nachweis einer relevanten Raumforderung in der Bildgebung und positiver elektrophysiologischer Diagnostik ist die chirurgische Therapie indiziert.
Operative Dekompression:
- Eine operative Dekompression des Nervs, gegebenenfalls in Kombination mit operativer Beseitigung weiterer Ursachen ist angebracht, wenn eine klare mechanische Ursache nachgewiesen werden konnte.
- Früher wurden diese Operationen in der Regel offen durchgeführt, mittlerweile wird wegen der potenziell geringeren Schädigung die endoskopische Variante in der Regel bevorzugt. Das Standardverfahren ist die offene Dekompression des Tarsaltunnels mit Darstellung des Nerven inklusive seiner drei Äste, Resektion der Raumforderung, Release des Retinaculum flexorum und Spaltung der tiefen Faszie des M.
- Bei operativen Verfahren besteht jedoch auch die Gefahr, dass die Symptomatik hinterher nicht besser oder sogar schlechter wird, zum Beispiel durch postoperative Entzündungen, Nervenverletzungen oder überschießende Narbenbildung.
- Um einer chronischen Schädigung des Nerven vorzubeugen, wird bezüglich des Zeitpunktes für die chirurgische Intervention von manchen Autoren eine maximale Symptomdauer von 10 bis 12 Monaten empfohlen.
- Gute chirurgische Ergebnisse können bei kurzer Dauer der Symptome, Vorliegen einer Raumforderung, fehlender Traumaanamnese und bei Patienten, die keine stehenden Tätigkeiten ausüben müssen, erzielt werden.
- Bei dem Eingriff wird-häufig in Vollnarkose oder per Spinalanästhesie - das Halteband gespalten und der eingeklemmte Nerv im Tarsaltunnel freigelegt, um ihn zu entlasten. Der Schnitt verläuft entlang des Nervenverlaufs hinter dem Innenknöchel.
Wichtiger Hinweis
Die genannten Verfahren werden vor allem auf Basis des orthopädischen Erfahrungsschatzes eingesetzt. Hochwertige wissenschaftliche beweisende Studien hierfür sind nicht hinreichend bekannt. Die vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnisse sind sowohl für konservative als auch für operative Maßnahmen eher ernüchternd.
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Tibialis Posterior Syndrom
Das Tibialis Posterior Syndrom beginnt häufig mit belastungsabhängigen Schmerzen unter und hinter dem Innenknöchel. Patienten beobachten dann vor allem bei längerer Belastung im Alltag immer wiederkehrende Probleme. Synonym dieser Erkrankung: Tibialis Posterior Dysfunktion. Im weiteren Verlauf schmerzt der Fuß sogar bei jedem Schritt und in besonders schweren Fällen kann die Tibialis Posterior Sehne ihre Funktion nicht mehr übernehmen und reißt ab. Folglich kommt es zum deutlichen Abflachen des medialen Fußgewölbes - ein schwerer Knick-Senkfuß entsteht.
Ursachen des Tibialis Posterior Syndroms
Ursache ist meist eine lange anhaltende mechanische Überlastung der Fußinnenseite wie beim Knick-Senk-Spreizfuß.
Diagnose des Tibialis Posterior Syndroms
Zunächst muss die Ursache des Tibialis Posterior Syndroms geklärt werden. Dazu nutzen wir in unserer Praxis zunächst die ärztliche Untersuchung, Sonografie und dynamische Pedobarografie. Das typische Zeichen eines Tibialis Posterior Syndroms sind Schmerzen hinter und unter dem Innenknöchel beim Einbeinzehenstand (single heel rise test). In ausgeprägten Fällen können Patienten die Ferse des betroffenen Fußes im Einbeinstand sogar überhaupt nicht mehr anheben.
Bei der ärztlichen Untersuchung muss geklärt werden, ob eine relevante Verkürzung der Achillessehne als Teil des Problems vorliegt (Silfverskjöld-Test). Falls Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (z.B. Rheumatoide Arthritis oder Gicht) eine Rolle spielen könnten, klären wir dies in der Praxis mit speziellen Laboruntersuchungen.
Vor allem die bildgebenden Verfahren spielen bei der Diagnostik und Therapieplanung des Tibialis Posterior Syndroms eine entscheidende Rolle: Mit Hilfe des DVT kann die Fußstatik exakt bestimmt werden und das MRT zeigt Entzündung sowie Degeneration der Tibialis Posterior Sehne.
Vorsicht: das für den Arzt bei der Untersuchung offensichtliche Tibialis Posterior Syndrom muss sich nicht im MRT als darstellbare strukturelle Veränderung zeigen. In ausgeprägten Fällen sehen wir regelmäßig Druckschmerz und Schwellung hinter dem Innenknöchel im Bereich der Tibialis Posterior Sehne, ausgeprägte Entzündung der Tibialis Posterior Sehne bei der Ultraschalluntersuchung und der speziellen SMI-Untersuchung.
Um zu entscheiden wie ausgeprägt das Tibialis Posterior Syndrom bei einem Patienten ist, nutzen spezialisierte Fußchirurgen die Einteilung nach Johnson und Strom (1989) mit der Ergänzung nach Myerson (1995). Es werden 4 Stadien des Tibialis Posterior Syndroms (auch: Tibialis Posterior Dysfunktion) unterschieden. Nur nach genauer Analyse kann Ihr Fußspezialist die Therapie individuell für Sie festlegen. Vor allem im Stadium 1 der Tibialis Posterior Dysfunktion wird die Diagnose oft mit deutlicher Verzögerung oder gar nicht gestellt.
Therapie des Tibialis Posterior Syndroms
Ziel ist es, die Tibialis Posterior Sehne zu entlasten. Zur kurzfristigen Beschwerdelinderung werden meist kräftig stützende passive Einlagen in Kombination mit entzündungshemmenden Medikamenten und Kinesiotape eingesetzt. Zudem sollten die Schuhwahl angepasst (z.B. knöchenübergreifende Wanderschuhe) und das Aktivitätsniveau vorübergehend eingeschränkt werden. In milden Fällen führt die funktionell-konservative Therapie zu sehr guten Erfolgen. Neben passiven und aktiven Einlagen kommen hier Methoden wie Kinesiotape, Trainingstherapie, elektronische Muskelstimulation und speziell angepasste Physiotherapiekonzepte zum Einsatz. In ausgeprägt schmerzhaften Fällen ist zu Beginn eine Entlastung mit Gehstützen notwendig. In Allen Fällen ist die Entlastung der Tibialis Posterior Sehne das Ziel.
Im Stadium 1 und 2 der Tibialis Posterior Dysfunktion ist das Ziel der Therapie ein voll beweglicher und belastbarer Fuß. Ab Stadium 3 ändert sich das Ziel der Behandlung: möglichst schmerzfrei, dafür müssen aber Einschränkungen bei der Beweglichkeit in Kauf genommen werden. Denn wichtige Gelenke haben beim Tibialis Posterior Syndrom im Stadium 3 und 4 durch die Fehlstellung bereits eine Arthrose entwickelt. Das bedeutet: auch wenn die Fehlstellung beseitigt wird (wie bei der Therapie im Stadium 2) verbleibt die Arthrose und verursacht Schmerzen.
Bei fortgeschrittener Degeneration oder vollständigem Funktionsverlust der Tibialis posterior Sehne ist eine operative Therapie angezeigt. Hier kommen dann komplexe fußchirurgische Operationen wie Fersenumstellung, Sehnentransfers und als letztes Mittel Gelenkversteifungen zum Einsatz. Die Auswahl der OP Methoden richtet sich nach der Hauptdeformität des Knochens. Fast ausnahmslos handelt es sich dabei um einen schweren Knick-Plattfuß, so dass eine komplexe Planung der knöchernen Korrektur erforderlich ist. Die alleinige Operation an der Tibialis Posterior Sehne als isolierter Weichteileingriff ist nicht erfolgversprechend.
Ruptur der Tibialis-anterior-Sehne
Auch Schädigungen der Tibialis-anterior-Sehne können Beschwerden verursachen. Ursächlich für eine Ruptur (Riss) der Tibialis-anterior-Sehne können falsche Belastung oder schlechte Konditionierung sein. In jungen Jahren sind vor allem Laufsportler von dieser seltenen Erkrankung betroffen. Plötzliche Trainingssteigerungen oder eine falsche Technik begünstigen häufig einen Sehnenriss. Die Sehne wird insbesondere beim Aufwärts- und Abwärtslaufen stark belastet. Aber auch eine verkürzte Wadenmuskulatur oder altersbedingte Sehnenveränderungen führen zu einer Schädigung der Sehne, an deren Ende ein Riss stehen kann. Dabei erleiden Männer häufiger eine Ruptur der Tibialis-anterior-Sehne als Frauen. Spontane Rupturen des Sehnenansatzes betreffen meist mittelalte Athleten, die zusätzlich unter einer Begleiterkrankung wie Diabetes mellitus oder einer entzündlichen Gelenkerkrankung leiden. Auch die Einnahme von Kortikoiden (Kortison) kann Sehnenentzündungen oder Rupturen der Tibialis-anterior-Sehne begünstigen.
Symptome einer Schädigung der Tibialis-anterior-Sehne
Treten nach sportlicher Betätigung Schmerzen im vorderen Schienbein auf, kann eine Schädigung der Tibialis-anterior-Sehne dafür verantwortlich sein. Die Beschwerden sind vor allem im Verlauf des Muskelbauches des Schienbeinmuskels, am inneren Fußrücken oder in der Beugefalte des Sprunggelenks spürbar und können bereits während der Belastung auftreten oder wie Muskelkater einige Tage anhalten. Verspürt ein mittelalter Athlet plötzlich eine Unsicherheit beim Gehen oder Stehen, kann bereits ein Sehnenriss vorliegen. Teilweise tritt eine Schwellung im Bereich des Sehnenverlaufs und eine Kraftminderung beim Anheben des Fußes auf. Setzt der Patient den Fuß aufgrund einer gestörten Fußhebung zunächst mit der Fußspitze auf, spricht man auch von einem Steppergang. Nicht immer ist eine solche Ruptur mit Schmerzen verbunden.
Diagnose einer Schädigung der Tibialis-anterior-Sehne
Um den Zustand der Tibialis-anterior-Sehne beurteilen zu können, führt der Fußspezialist zunächst eine Tastuntersuchung durch. Dabei erkennt er Verdickungen oberhalb des Sprunggelenks, die auf eine Tendinopathie (schmerzhafte Sehnenveränderung) hindeuten können. Fühlt er bei der Untersuchung eine Delle, ist das ein Hinweis für einen Sehnenriss. Durch die Kraft des Großzehen- und Kleinzehenhebers ist das Anheben des Fußes trotz Ruptur auch weiterhin möglich. Es treten allerdings Schmerzen und eine Schwäche beim Anheben des Fußes gegen Widerstand auf.
Um Lokalisation und Ausmaß der Sehnenschädigung richtig einschätzen zu können, sind bildgebende Verfahren wie Ultraschall und MRT (Magnetresonanztomografie) indiziert. Anhand der Bildgebungen kann der Arzt die Durchgängigkeit der Tibialis-anterior-Sehne und ihre Struktur beurteilen. Auch mögliche Veränderungen der umliegenden Weichteile (z. B.
Therapie einer Schädigung der Tibialis-anterior-Sehne
Je nach Ausprägung lässt sich eine Sehnenentzündung (Tendinitis) am Fuß durch verschiedene konservative Maßnahmen behandeln. Bei einer Entzündung der Tibialis-anterior-Sehne sollte der Fuß in erster Linie geschont und entlastet werden. Die Ruhigstellung wird für mindestens zwei Wochen empfohlen. Zudem helfen Kühlung und entzündungshemmende Medikamente, um die Schmerzen an der Innenseite des Fußes zu lindern. Ist die Tibialis-anterior-Sehne stärker entzündet, kann auch eine Ruhigstellung in einem Spezialschuh von etwa 4 bis 6 Wochen notwendig werden.
Liegt eine vollständige oder partielle Ruptur (Riss) der Tibialis-anterior-Sehne vor, ist der Fuß durch die Muskelschwächung in seiner Funktion stark eingeschränkt. Bei jüngeren und aktiven Patienten sollte eine Operation daher innerhalb von 3 bis 6 Wochen erfolgen. Je nach Alter der Verletzung zeigt die Sehne verschiedene Zustände. Bei einem verletzungsbedingten Riss ist in manchen Fällen eine einfache Naht der Sehne ausreichend. Es kann sich aber auch massives Narbengewebe oder ein starkes Hämatom (Bluterguss) gebildet haben. Auch langstreckige Degenerationen der Sehne zwischen Halteband und Sehnenansatz sind möglich. In diesen Fällen muss die Sehne durch einen Sehnenersatz wiederhergestellt werden.
Der Fuß darf etwa 6 bis 8 Wochen nach einer Operation der Tibialis-anterior-Sehne nicht belastet werden, da ansonsten Komplikationen wie Wundheilungsstörungen oder erneute Rupturen entstehen können. Vor allem in den ersten 14 Tagen sollte der Fuß oft hochgelagert und gekühlt werden, um Schwellungen und damit Spannung auf das Narbengewebe zu vermeiden. Zur Unterstützung des Heilungsprozesses werden spezielle Ruhigstellungsschienen eingesetzt, die eine Plantarflexion (Beugen des Fußes zur Fußsohle) verhindern. Die Bewegung des Fußes nach oben und eine Neutralstellung sind hingegen jederzeit möglich. Hebeübungen des Fußes gegen einen Widerstand sollten erst nach etwa 12 Wochen durchgeführt werden.
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