Tilidin ist ein synthetisch hergestelltes Opioid, das zur Behandlung mittelstarker bis starker Schmerzen eingesetzt wird. Es wirkt auf das zentrale Nervensystem und wird häufig dann verschrieben, wenn nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Paracetamol nicht mehr ausreichend wirken. Dieser Artikel beleuchtet die Anwendung von Tilidin bei Polyneuropathie, seine Wirkungsweise, Nebenwirkungen, Risiken und alternative Therapieansätze.
Was ist Polyneuropathie?
Polyneuropathie ist eine Erkrankung, die mehrere periphere Nerven betrifft. Sie kann durch verschiedene Ursachen ausgelöst werden, darunter Diabetes mellitus (diabetische Polyneuropathie), Alkoholkonsum, bestimmte Medikamente, Infektionen oder Autoimmunerkrankungen. Die Symptome sind vielfältig und reichen von Schmerzen, Taubheitsgefühlen und Kribbeln in den Extremitäten bis hin zu Muskelschwäche und Koordinationsstörungen.
Einsatz von Tilidin bei Polyneuropathie
Bei der Behandlung von neuropathischen Schmerzen, wie sie bei Polyneuropathie auftreten, haben sich verschiedene Präparategruppen bewährt. Dazu gehören Antidepressiva, Antikonvulsiva und Opioide. Tilidin gehört zur Gruppe der schwächer wirksamen Opioide und wird in Retardformulierungen (z.B. Retardtabletten) eingesetzt.
Wann wird Tilidin eingesetzt?
Tilidin wird in der Regel dann von Ärzten verschrieben, wenn die Einnahme von NSAR nicht mehr gegen starke Schmerzen ausreicht. Dies kann bei chronischen Schmerzen oder Schmerzen nach Operationen der Fall sein. Die neue Leitlinie "Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen (LONTS)" gibt Empfehlungen für die Behandlung verschiedener Erkrankungen, darunter auch die diabetische und nicht-diabetische Polyneuropathie.
Wirkungsweise von Tilidin
Tilidin wirkt schmerzlindernd, indem es im zentralen Nervensystem an Opioidrezeptoren bindet und die Ausschüttung von Neurotransmittern hemmt, die für die Übertragung von Schmerzsignalen notwendig sind. In der Leber wird Tilidin mithilfe von Enzymen zu Nortilidin umgewandelt, welches ebenfalls an Opioidrezeptoren andockt. Zusätzlich zur Schmerzlinderung kann Tilidin auch euphorisierend wirken, was auf die Freisetzung von Dopamin im Gehirn zurückzuführen ist.
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Darreichungsformen und Dosierung
Tilidin wird hauptsächlich in Tablettenform, seltener in Tropfenform verschrieben. Im Akutfall kann es auch per Infusion gegeben werden. Retardtabletten setzen den Wirkstoff langsam frei, wodurch die Wirkdauer verlängert wird. Die Dosierung wird individuell vom behandelnden Arzt festgelegt und sollte unbedingt eingehalten werden. Retardtabletten mit dem Wirkstoff Tilidin dürfen nicht geteilt werden, um die gleichmäßige Freisetzung des Wirkstoffs nicht zu gefährden.
Erfahrungen mit Tilidin bei Polyneuropathie
Die Erfahrungen mit Tilidin bei Polyneuropathie sind unterschiedlich. Einige Patienten berichten von einer deutlichen Schmerzlinderung und einer Verbesserung ihrer Lebensqualität. Andere hingegen verspüren nur eine unzureichende Wirkung oder leiden unter starken Nebenwirkungen. Es ist wichtig zu beachten, dass 20 bis 40 Prozent der Patienten nur unzureichend auf einzelne Therapieoptionen ansprechen oder diese nicht vertragen.
Vorteile von Tilidin
Ein Vorteil von Tilidin ist seine schmerzlindernde Wirkung, die es Patienten ermöglicht, ihren Alltag besser zu bewältigen. Zudem ist es in verschiedenen Darreichungsformen erhältlich, was eine individuelle Anpassung an die Bedürfnisse des Patienten ermöglicht.
Nachteile und Risiken von Tilidin
Tilidin hat ein hohes Suchtpotenzial, insbesondere bei Einnahme in Tropfenform. Seit 2013 dürfen Tilidin-Tropfen daher nur noch auf einem Betäubungsmittelrezept (BTM-Rezept) verordnet werden. Auch bei Tablettenform besteht ein Suchtrisiko, weshalb Tilidin in Deutschland oft mit Naloxon kombiniert wird, um dem Missbrauch vorzubeugen. Naloxon ist ein Opioid-Antagonist, der die Wirkung von Opioiden dämpfen und so die Suchtgefahr verringern kann.
Nebenwirkungen von Tilidin
Typische Nebenwirkungen von Tilidin sind Schwindel und Übelkeit. Durch die Wirkung von Tilidin auf das Nervensystem kann es unter anderem zu Benommenheit kommen, wodurch eine sichere Bedienung von Maschinen und Fahrzeugen eventuell nicht mehr gewährleistet ist. Vor allem in Kombination mit Beruhigungsmitteln oder Alkohol kann sich die dämpfende Wirkung von Tilidin auf das zentrale Nervensystem verstärken. Vorsicht vor Wechselwirkungen ist auch geboten, wenn Tilidin in Kombination mit anderen Opioiden, Antidepressiva und Gerinnungshemmern eingenommen wird.
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Abhängigkeit und Entzugserscheinungen
Besteht eine Abhängigkeit von Tilidin, muss beim Absetzen des Opioids mit körperlichen Entzugserscheinungen wie Krämpfen, Herzrasen, vermehrtem Schwitzen und psychischen Entzugserscheinungen gerechnet werden. Daher sollte das Schmerzmittel - will man die Therapie beenden - nach und nach und nicht plötzlich abgesetzt werden. Mediziner nennen dies ein „Ausschleichen“ der Therapie.
Alternative Therapieansätze bei Polyneuropathie
Neben Opioiden wie Tilidin gibt es verschiedene alternative Therapieansätze bei Polyneuropathie. Dazu gehören:
- Antidepressiva: Trizyklische Antidepressiva (TCA) wie Amitriptylin haben analgetische Effekte bei schmerzhafter Polyneuropathie. Auch neuere Antidepressiva wie Venlafaxin und Mirtazapin sind wirksam und besser verträglich als die TCA.
- Antikonvulsiva: Carbamazepin wirkt schmerzlindernd bei diabetischer Polyneuropathie und zentralen Schmerzsyndromen. Auch Oxcarbazepin hat sich in kleineren Studien als wirksam erwiesen. Pregabalin hat seine Wirksamkeit und Verträglichkeit in Studien bei Patienten mit diabetischer Polyneuropathie unter Beweis gestellt und hat einen positiven Effekt auf den Schlaf.
- Nicht-medikamentöse Therapien: Vor dem Einsatz von starken Schmerzmitteln sollte zunächst die Behandlung ohne Medikamente, wie z.B. die Physikalische Therapie oder Physiotherapie optimiert werden.
Leitlinien und Empfehlungen
Die Leitlinie "Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen (LONTS)" gibt Empfehlungen für die Behandlung mit Opioiden über einen längeren Zeitraum. Für die diabetische Polyneuropathie gilt im Zeitraum von 4-12 Wochen eine starke Empfehlung für die Behandlung mit Opioiden. Nach der 26. Woche liegt für keine der Indikationen eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung vor, weshalb nur eine offene Empfehlung ausgesprochen wird.
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