Tinnitus, oft als Ohrensausen bezeichnet, ist ein weit verbreitetes Phänomen. Fast jeder Mensch erlebt kurzzeitige Ohrgeräusche, die jedoch meist schnell wieder verschwinden. Bleiben die Ohrgeräusche jedoch länger als drei Monate bestehen, spricht man von einem chronischen Tinnitus. Etwa jeder vierte Erwachsene in Deutschland hat bereits Erfahrungen mit Tinnitus gemacht, während schätzungsweise 10 bis 15 % der Erwachsenen dauerhaft damit zu kämpfen haben.
Was ist Tinnitus?
Der Begriff Tinnitus stammt aus dem Lateinischen und bedeutet "Klingeln". Betroffene beschreiben die Ohrgeräusche unterschiedlich: als Pfeifen, Brummen, Rauschen, Klicken, Klopfen oder Summen. Die Intensität und Tonhöhe können variieren, und die Geräusche können auf einem oder beiden Ohren wahrgenommen werden. Ein Tinnitus kann mit Hörstörungen einhergehen, muss aber nicht.
In Fachkreisen wird zwischen zwei Tinnitusformen unterschieden:
- Subjektiver Tinnitus: Nur der Betroffene kann die Ohrgeräusche hören. Dies ist die häufigste Form.
- Objektiver Tinnitus: In seltenen Fällen kann das Geräusch auch von einem Arzt gehört oder nachgewiesen werden, oft verursacht durch Gefäßprobleme.
Ursachen von Tinnitus
Ein Tinnitus ist ein Symptom und kein eigenständiges Krankheitsbild. Die Entstehung von Tinnitus ist komplex, und die Ursachen können vielfältig sein.
- Hörverlust: In über 90 Prozent der Fälle tritt Tinnitus in Verbindung mit Schwerhörigkeit auf.
- Lärmbelastung: Vorübergehende oder chronische Lärmbelastung kann die sensiblen Haarzellen im Innenohr schädigen.
- Erkrankungen des Ohrs: Morbus Menière, Otosklerose und chronische Mittelohrentzündungen können Tinnitus auslösen.
- Kiefergelenksprobleme: Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) kann ebenfalls eine Ursache sein.
- Andere Grunderkrankungen: Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, Angststörungen oder Depressionen können mit Tinnitus in Verbindung stehen.
- Medikamente: Einige Medikamente, wie bestimmte Chemotherapien, Antibiotika, Aspirin und Schmerzmittel, können Tinnitus als Nebenwirkung verursachen.
- Stress: Stress zählt zu den häufigsten Ursachen für Ohrgeräusche.
- Unbekannte Ursachen: In vielen Fällen lässt sich keine eindeutige Ursache für den Tinnitus feststellen.
Tinnitus durch Stress: Ein Teufelskreis
Es gibt einen wissenschaftlich bewiesenen Zusammenhang zwischen Tinnitus und Stress oder Angststörungen. Chronischer Stress kann die Ursache für Tinnitus sein und das ständige Klingeln im Ohr trägt keineswegs zur Entspannung bei. Studien haben gezeigt, dass der Schweregrad des Tinnitus, die Stressintensität und die Stressdauer direkt zusammenhängen. Stress kann nicht nur Auslöser, sondern auch Verstärker des Tinnitus sein. Umgekehrt kann der Tinnitus die psychische Belastung verstärken.
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Mögliche Folgen eines Tinnitus
Ein Tinnitus kann, wenn er ernsthafte Belastungen auslöst, zu folgenden Problemen führen:
- Schlafstörungen
- Depressionen
- Angstzustände
- Gedächtnisprobleme
- Konzentrationsschwäche
Was hilft wirklich? Tipps zur Beruhigung der Nerven bei Tinnitus
Da Tinnitus viele Gesichter und Ursachen hat, gibt es nicht die eine Universallösung. Es ist wichtig, die individuellen Auslöser und Begleitumstände zu berücksichtigen und einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen. Hier sind einige bewährte Strategien, die helfen können, die Nerven zu beruhigen und den Tinnitus zu lindern:
1. Stressmanagement und Entspannung
Da Stress ein häufiger Auslöser und Verstärker von Tinnitus ist, ist ein effektives Stressmanagement entscheidend.
- Entspannungstechniken: Yoga, Meditation, progressive Muskelentspannung und autogenes Training können helfen, Stress abzubauen und innere Ruhe zu finden.
- Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR): Dieses Programm kultiviert Achtsamkeit und Selbstwahrnehmung, um sich auf den Moment zu konzentrieren und Stress abzubauen.
- Stressoren erkennen und reduzieren: Identifizieren Sie die Hauptursachen für Ihren Stress und versuchen Sie, diese zu reduzieren oder zu beseitigen.
- Spaziergänge im Wald: Sauerstoffreiche Luft und Ruhe können nachhaltig entgegenwirken.
2. Ablenkung und Hintergrundgeräusche
- Ablenkung suchen: Verbringen Sie mehr Zeit mit Aktivitäten, die Ihnen Spaß machen, um die Aufmerksamkeit vom Tinnitus abzulenken.
- Hintergrundgeräusche: Musik oder andere Geräusche aus Radio oder TV können interne Geräusche übertönen.
- Geräuschmaskierung: Spezielle Geräte oder Apps können die mit dem Tinnitus verbundenen Geräusche überdecken.
- Klangtherapie: Externe Geräusche werden eingesetzt, um die Wahrnehmung des Tinnitus zu verändern und seine Intensität zu verringern.
3. Bewegung, Training und Sport
Regelmäßige sportliche Aktivität kann helfen, Stress abzubauen, Endorphine freizusetzen und vom Alltag abzulenken. Fast jede Form von Bewegung kann Stress reduzieren.
4. Schlafhygiene
Schlafmangel kann Stress verschlimmern und Tinnitus-Symptome verstärken. Achten Sie auf ausreichend Schlaf und ein gesundes Schlafmuster.
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5. Vermeidung von Tinnitus-Auslösern
- Ernährung: Kaffee, Nikotin, Schokolade, Alkohol und zuckerhaltige Getränke können Tinnitus verschlechtern.
- Laute Geräusche: Vermeiden Sie laute Geräusche oder tragen Sie einen Gehörschutz.
- Andere Auslöser: Ohrenschmalz, Verstopfung der Gehörgänge, hoher oder niedriger Blutdruck, bestimmte Medikamente und Salz können ebenfalls eine Rolle spielen.
6. Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
Die KVT konzentriert sich auf den Umgang mit Tinnitus, indem sie die mentalen und emotionalen Reaktionen auf den Tinnitus verändert. Ziel ist es, positive Veränderungen im Denken und Verhalten zu erreichen.
7. Medikamentöse Behandlung
- Keine Heilung, aber Linderung: Derzeit gibt es kein Medikament, das Tinnitus direkt heilen kann.
- Begleitende Beschwerden behandeln: Bei Depressionen, Ängsten oder Schlafstörungen können Antidepressiva oder andere psychotrope Medikamente in Erwägung gezogen werden.
- Spezialextrakt EGb 761®: Hat sich über viele Jahre als unterstützendes Medikament bei akutem oder chronischem Tinnitus bewährt.
- Arzneilavendelöl Silexan®: Kann bei innerer Unruhe, kreisenden Gedanken oder Ängsten beruhigend wirken.
8. Physiotherapie
Besonders hilfreich bei muskulären Ursachen, wie Verspannungen im Nacken- und Kieferbereich. Mobilisation der oberen HWS kann ebenfalls helfen.
9. Austausch mit anderen Betroffenen
Der Austausch mit anderen Betroffenen kann enorm entlastend wirken und neue Perspektiven eröffnen.
10. Ganzheitliche Ansätze
- Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung kann den Stoffwechsel verbessern und die Durchblutung fördern.
- Sport und Bewegung: Sport, der Spaß macht und nicht als Stress empfunden wird, kann helfen, Stress abzubauen.
- Autogenes Training: Eine besonders hilfreiche und für alle Altersgruppen einfach durchführbare Methode, um Entspannung herbeizuführen.
- Yoga: Empfehlenswert sind alle ruhigen Yoga-Arten.
Was Sie selbst gegen Ihren Tinnitus tun können
- Dem Tinnitus wenig Bedeutung im eigenen Leben geben.
- Sich nicht auf den Tinnitus konzentrieren.
- Versuchen, die Aufmerksamkeit stärker auf positive Dinge zu lenken.
- Regelmäßige, körperliche Bewegung und eine ausgewogene Ernährungsweise.
Wann sollte man professionelle Hilfe suchen?
Wenn der Tinnitus Sie sehr belastet, sollten Sie professionelle Hilfe suchen. Ein HNO-Arzt kann die Ursachen abklären und Behandlungsmöglichkeiten aufzeigen. Bei psychischen Belastungen kann eine Psychotherapie sinnvoll sein.
Suchen Sie einen Arzt auf, wenn:
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- der Tinnitus Sie belastet,
- er schlimmer wird,
- er Ihren Schlaf und Ihre Konzentration beeinträchtigt,
- Sie sich durch den Tinnitus ängstlich oder depressiv fühlen,
- der Tinnitus gemeinsam mit einem plötzlichen Hörverlust (Hörsturz) auftritt.