Trigeminusneuralgie: Ursachen, Symptome und moderne Behandlungsmethoden

Die Trigeminusneuralgie ist eine chronische Schmerzerkrankung, die durch heftige, blitzartig einschießende Schmerzen im Gesicht gekennzeichnet ist. Diese Schmerzen werden durch eine Reizung des Trigeminusnervs (Nervus trigeminus), auch Drillingsnerv genannt, verursacht. Der Trigeminusnerv ist der fünfte Hirnnerv und für die Weiterleitung von Berührungs- und Schmerzempfindungen aus den Gesichtspartien Stirn, Augen, Ober- und Unterkiefer sowie Lippe und Wange verantwortlich. Die Schmerzen treten meist einseitig auf und können durch alltägliche Reize wie Niesen, Kauen oder einen kühlen Luftzug ausgelöst werden.

Was ist eine Trigeminusneuralgie?

Die Trigeminusneuralgie ist eine eher seltene Erkrankung, die bei etwa 4 von 100.000 Menschen pro Jahr zum ersten Mal auftritt. Das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 53 und 57 Jahren, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer (60 % bzw. 40 %). Die Erkrankung ist durch plötzlich einsetzende, heftige Schmerzen im Gesicht gekennzeichnet, die von den Betroffenen oft als elektrischer Schlag beschrieben werden.

Symptome

  • Plötzlich einschießende, heftige Schmerzen im Gesicht, die sich wie ein Elektroschock anfühlen
  • Spontane starke Schmerzen, die durch Berührung des Gesichtes oder Kauen und Sprechen ausgelöst werden
  • Serien hintereinander einschießender, starker Schmerzen, die wenige Sekunden bis Minuten anhalten
  • Episoden schwerer Schmerzattacken über Wochen oder Monate, die sich mit Perioden abwechseln, in denen Betroffene keine Schmerzen haben
  • Ein andauerndes, brennendes Gefühl kann bereits vor dem eigentlichen Auftreten des Gesichtsschmerzes vorhanden sein
  • Schmerzen in der Region, die vom Trigeminusnerv versorgt werden, beispielsweise Augen, Wange, Lippen, Kiefer, Zähne, Zahnfleisch

Zwischen den Schmerzattacken besteht in der Regel Beschwerdefreiheit. Es kann sich jedoch auch ein dumpfer Dauerschmerz einstellen. Begleitend zu den Schmerzen können reflektorische Spasmen der Gesichtsmuskulatur, Hautrötung und Augentränen (Epiphora) auftreten. Bei länger bestehenden Trigeminusneuralgien kann es in Folge der massiven Schmerzen häufig zu depressiven Verstimmungen kommen, die bis zum Suizid führen können.

Auslöser

Die Schmerzanfälle können spontan auftreten oder durch bestimmte Reize ausgelöst werden, auch Trigger genannt. Dazu zählen bereits leichte Gesichtsberührungen, Kauen oder Zähneputzen. Im Herbst und Winter kommen kalte Luft oder Husten hinzu. Die Trigger können sehr unterschiedlich sein und sich auf alltägliche Dinge beziehen, wie:

  • Berühren des Gesichtes
  • Lächeln bzw. Lachen
  • Kauen bzw. Essen kalter oder heißer Speisen
  • Trinken
  • Zähneputzen
  • Waschen des Gesichtes
  • Sprechen
  • Auftragen von Make-up
  • Rasieren
  • Zugluft

Ursachen der Trigeminusneuralgie

Bei der Trigeminusneuralgie unterscheidet man eine idiopathische (klassische) und eine symptomatische (sekundäre) Form.

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Klassische (idiopathische) Trigeminusneuralgie

Bei 80 bis 90 Prozent der Menschen mit einer Trigeminusneuralgie drückt ein benachbartes Blutgefäß auf den Nerv. Das reizt die schützende Nervenhülle, wodurch der Nerv leichter erregbar wird. Fachleute sprechen hier von der klassischen oder primären Trigeminusneuralgie. Ursache der klassischen Trigeminusneuralgie ist wahrscheinlich ein pathologischer Gefäß-Nerven-Kontakt zwischen dem Nervus trigeminus und der Arteria cerebelli superior, wodurch es zu einer Irritation der Wurzel des Nervus trigeminus im Kleinhirnbrückenwinkel kommt.

In den meisten Fällen findet sich ein benachbartes Blutgefäß, das auf den Trigeminusnerven drückt - in der medizinischen Fachsprache wird das als neurovaskuläre Kompression (NVC) bezeichnet. In der Folge büßt der Nerv im Bereich der Druckstelle seine schützende Myelin-Hülle ein. Ein solcher Gefäß-Nerven-Konflikt geht mit 70 bis 80% am häufigsten auf die Arteria cerebelli superior (SCA) zurück - eine das Kleinhirn versorgende Arterie. Nur selten können beispielsweise auch Venen Druck auf den Trigeminusnerven ausüben.

Symptomatische (sekundäre) Trigeminusneuralgie

Von einer sekundären oder symptomatischen Trigeminusneuralgie ist die Rede, wenn der Nerv durch andere Erkrankungen gereizt ist und die Gesichtsschmerzen verursacht. Dazu gehören:

  • Multiple Sklerose
  • Tumoren, die Druck ausüben (Akustikusneurinome, Metastasen)
  • Bindegewebserkrankungen
  • angeborene Fehlbildungen von Blutgefäßen
  • Umschriebene Hirnstammischämien
  • Angiome des Hirnstamms

Patienten mit einer sekundären Trigeminusneuralgie sind im Durchschnitt jünger als Menschen mit der klassischen Krankheitsform.

Idiopathische Trigeminusneuralgie

Wenn sich für die typischen Gesichtsschmerzen keine Ursache erkennen lässt, liegt eine sogenannte idiopathische Trigeminusneuralgie vor. Emotionale bzw. psychische Faktoren wie Stress oder Aufregung reizen die Nerven und gelten ebenfalls als Auslöser. Psychische Ursachen sind jedoch oft nicht eindeutig festzumachen.

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Diagnose der Trigeminusneuralgie

Ob eine Trigeminusneuralgie vorliegt, stellen Ärztinnen und Ärzte durch ein ausführliches Gespräch und eine gründliche körperliche Untersuchung fest. Im Gespräch wird unter anderem erfragt, wie lange die Schmerzen anhalten und wie häufig sie auftreten. Hinweise auf eine Trigeminusneuralgie geben auch die Begleitsymptome sowie die Reize, die eine Schmerzattacke auslösen können. Außerdem wird die Ärztin oder der Arzt das Empfindungsvermögen im Gesicht testen sowie weitere körperliche Untersuchungen machen.

Differenzialdiagnose

Es ist wichtig, die Trigeminusneuralgie von anderen Ursachen für Gesichtsschmerzen abzugrenzen, wie z.B.:

  • Postzosterische Neuralgie
  • Cluster-Kopfschmerz
  • Kraniomandibuläre Dysfunktion
  • Trigeminusneuropathie (mit Dauerschmerz und Gefühlsstörungen, kein Triggereffekt, oft nach Gesichtsverletzungen)
  • Kiefergelenksprobleme
  • Erkrankungen der Zähne

Bildgebende Verfahren

Zur weiteren Abklärung können bildgebende Verfahren eingesetzt werden, um andere Erkrankungen als Ursache auszuschließen:

  • Magnetresonanztomografie (MRT): Anhand der Magnetresonanz- oder Kernspintomografie überprüft der Arzt, ob eine Erkrankung wie Multiple Sklerose, Hirntumor, Schlaganfall oder Gefäßmissbildung (Aneurysma) die Trigeminusneuralgie auslöst.
  • Computertomografie (CT): Damit begutachten Ärzte vor allem die knöchernen Strukturen des Schädels. Eventuelle krankhafte Veränderungen sind eine mögliche Ursache der Schmerzattacken.
  • Angiografie oder Kernspin-Angiografie (MRA): Anhand einer Röntgen-Untersuchung der Blutgefäße (Angiografie) im Schädelbereich lassen sich eventuelle Gefäßmissbildungen erkennen. Bei der Kernspin-Angiografie erfolgt die Röntgen-Darstellung der Gefäße mittels Kernspintomografie. Die Bildgebung der Blutgefäße ist auch vor einer Operation sinnvoll, damit der Neurochirurg sieht, wo genau die Blutgefäße im Operationsgebiet verlaufen.

Behandlung der Trigeminusneuralgie

Herkömmliche Schmerzmittel wie Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen oder Paracetamol wirken bei einer Trigeminusneuralgie nicht, weil die Schmerzattacken zu kurz sind. Selbst stärkste Schmerzmittel wie Opioide haben keine Wirkung. Bei andauernden Schmerzepisoden mit wiederholten Schmerzattacken können Infusionen mit speziellen Wirkstoffen die akuten Beschwerden lindern. Es empfiehlt sich, den Attacken durch eine Dauertherapie vorzubeugen.

Medikamentöse Therapie

Mittel der Wahl sind Medikamente, die normalerweise bei epileptischen Anfällen verschrieben werden. Die beiden bekanntesten Wirkstoffe sind Carbamazepin und Oxcarbazepin. Sie verringern die Anzahl der Schmerzepisoden. Die Dosis der Mittel wird langsam gesteigert, bis sie gut wirken und möglichst wenige Nebenwirkungen verursachen.

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Operative Therapie

Eine Operation wird erst durchgeführt, wenn zuvor alle anderen Behandlungsmöglichkeiten mit verschiedenen Wirkstoffen ausgeschöpft wurden oder wegen Nebenwirkungen nicht möglich sind. Es gibt verschiedene operative Verfahren:

  • Unterbrechung des Kontakts zwischen Nerv und Gefäß (mikrovaskuläre Dekompression): Die mikrovaskuläre Dekompression gilt als wirksame Wahl, wenn ein Kontakt zwischen Trigeminusnerv und Blutgefäß besteht. Der Eingriff soll diesen Kontakt unterbrechen und den Druck auf den Nerv lösen. Der amerikanische Neurochirurg Peter Joseph Jannetta hat hierfür einen Eingriff entwickelt, der erstmals im Jahr 1966 durchgeführt wurde: die mikrovaskuläre Dekompression (MVD) oder kurz Jannetta-OP. Nach einer Jannetta-OP sind die Nervenschmerzen im Gesicht in den meisten Fällen verschwunden oder zumindest deutlich gebessert (80 bis 95%), auch die Langzeitergebnisse sind mit ca.
  • Zerstörung des Nervs (Neuroablation): Bei der sogenannten Neuroablation zerstört die Ärztin oder der Arzt Nervenfasern mit Hilfe von Wärme (Thermokoagulation), Druck (Ballonkompression) oder einer Alkohollösung (Glyzerolinstillation). Nachteil der perkutanen Verfahren ist, dass es sich um invasive Methoden handelt. Auch kann die Wirkung im Langzeitverlauf nachlassen, Schmerzattacken später also erneut auftreten.
  • Bestrahlung mit dem sogenannten GammaKnife oder CyberKnife: Eine andere Möglichkeit ist, den Trigeminusnerv mit radioaktiven Strahlen (GammaKnife) zu behandeln. Die ambulante radiochirurgische Behandlung mit modernen Robotersystemen, wie z. B. dem CyberKnife und dem ZAP-X, wird bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Trigeminusneuralgie immer häufiger eingesetzt. Je nach individueller Patientengeschichte und Ursache, kann die Trigeminusneuralgie mithilfe der Hochpräzisions-Technologie des CyberKnife-Systems in nur einer einzigen Sitzung ambulant behandelt werden. Danach kommt es innerhalb von wenigen Wochen zu einer Narbenbildung im Trigeminusnerv und damit einhergehend zur Schmerzlinderung bzw. völligen Schmerzfreiheit.

Alternative Therapien

  • Psychotherapie: Hilfreich ist eine Psychotherapie. Sie ist oft Teil einer multimodalen Schmerztherapie. Denn dauerhafte Schmerzen belasten auch psychisch stark.

Verlauf und Prognose

Die Trigeminusneuralgie tritt phasenweise auf. Wann genau eine Attacke beginnt, lässt sich nicht vorhersagen. Manchmal erleben Menschen mit einer Trigeminusneuralgie über Wochen und Monate täglich Attacken, dann wieder haben sie für gewisse Zeit gar keine Beschwerden. Der Krankheitsverlauf ist sehr variabel und es ist kaum vorhersehbar, wie viel Zeit bis zur nächsten Schmerzattacke vergeht.

Mit dem richtigen Behandlungsplan lassen sich die Schmerzen einer Trigeminusneuralgie zumindest eine Zeitlang reduzieren oder vertreiben. Komplett heilen lässt sich die Erkrankung derzeit aber nicht. Bislang ist auch nicht bekannt, ob und wie sich einer Trigeminusneuralgie vorbeugen lässt.

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