Einleitung: Die Trigeminusneuralgie ist eine seltene Erkrankung, die durch extrem starke, blitzartig einschießende Schmerzen im Gesicht gekennzeichnet ist. Betroffen sind meist Menschen ab dem 50. Lebensjahr, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Die Schmerzen entstehen im Versorgungsgebiet des Trigeminusnervs, dem fünften Hirnnerv, der für die Wahrnehmung von Berührungs- und Schmerzreizen im Gesicht zuständig ist. Die Erkrankung kann in klassische und symptomatische Formen unterteilt werden, wobei die klassische Form oft durch einen Gefäß-Nerven-Kontakt verursacht wird.
Ursachen und Diagnose der Trigeminusneuralgie
Die Ursachen der Trigeminusneuralgie sind vielfältig. Bei der idiopathischen oder klassischen Trigeminusneuralgie wird häufig ein neurovaskulärer Konflikt als Ursache gefunden, bei dem ein Blutgefäß auf den Trigeminusnerv drückt und diesen reizt. Die symptomatische Trigeminusneuralgie hingegen kann durch andere Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Hirntumore oder Gefäßmissbildungen verursacht werden.
Die Diagnose der Trigeminusneuralgie erfolgt in der Regel durch einen Neurologen oder eine Neurologin. Dabei werden die Symptome, der Verlauf und die Auslöser der Schmerzen erfragt. Eine neurologische Untersuchung und eine Bildgebung mittels MRT des Kopfes können weitere Informationen liefern, um die Diagnose zu bestätigen und andere Ursachen auszuschließen. Die MRT-Bildgebung ermöglicht es auch, den Hirnnerven und das umgebende Gefäßsystem detailliert zu betrachten und einen möglichen neurovaskulären Kontakt zu erkennen.
Konservative Behandlungsmöglichkeiten der Trigeminusneuralgie
Medikamentöse Therapie
Die Behandlung der Trigeminusneuralgie beginnt meist mit einer medikamentösen Therapie. Dabei werden Antiepileptika wie Carbamazepin, Oxcarbazepin oder Gabapentin eingesetzt. Diese Medikamente können die Reizweiterleitung hemmen und die Schmerzen reduzieren. Carbamazepin gilt als besonders wirksam, kann aber auch Nebenwirkungen wie Schwindel, Müdigkeit oder allergische Reaktionen verursachen. Die Dosierung der Medikamente wird individuell angepasst, um eine optimale Schmerzkontrolle bei möglichst wenigen Nebenwirkungen zu erreichen. Bei einer länger andauernden Medikamenteneinnahme sowie einer Kombination mehrerer Medikamente ist Vorsicht geboten.
Typischerweise wird die medikamentöse Therapie mit Gabapentin oder Pregabalin begonnen. Beide Mittel stammen aus der Behandlung der Epilepsie und werden daher auch als Antikonvulsiva bezeichnet. Als Wirkstoffe der Gruppe der Gabapentinoide zählen Gabapentin oder Pregabalin zu den Kalziumkanalblockern. Indem Kalzium blockiert wird, wird die Freisetzung von wichtigen Neurotransmittern im zentralen Nervensystem normalisiert und damit die schmerzreduzierende Wirkung erreicht. Andere antiepileptische Wirkstoffe, die bei der Trigeminusneuralgie eingesetzt werden können, sind beispielsweise Carbamazepin, Oxcarbazepin, Lamotrigin oder Phenytoin.
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Gabapentin kann eine Vielzahl von Nebenwirkungen haben. Zu den häufigsten zählen Virusinfektionen, Schwindel, Müdigkeit, Bewegungsstörungen und Fieber. Pregabalin zählt neben Gabapentin zu den Medikamenten der Wahl.
Prävention und Alltagstipps bei Trigeminusneuralgie
Auch wenn bei einer Trigeminusneuralgie die ärztliche Abklärung der Ursachen und die zielgerichtete Behandlung im Vordergrund steht, gibt es für Betroffene auch Möglichkeiten zur Vorbeugung. Stress kann die Symptome der Trigeminusneuralgie verstärken. Es kann daher wertvoll sein, effektive Maßnahmen zur Stressbewältigung zu erlernen. Techniken wie tiefe Atemübungen, die progressive Muskelentspannung oder Meditation können helfen, das Stressniveau zu senken. Ein guter Schlaf ist für die Regeneration des Nervensystems wertvoll und wichtig. Patient:innen sollten daher darauf achten, regelmäßige Schlafenszeiten einzuhalten und eine Schlafdauer von sieben bis acht Stunden pro Nacht zu erreichen. Noch wichtiger als die reine Schlafdauer ist allerdings die Qualität des Schlafes: Dazu trägt vor allem eine ruhige, gut abgedunkelte Schlafumgebung bei. Obwohl es keine spezielle Diät für Patient:innen mit Trigeminusneuralgie gibt, kann eine ausgewogene Ernährung das allgemeine Wohlbefinden und die allgemeine Gesundheit fördern. Essen Sie als gesunde Basis täglich mindestens fünf Portionen Obst und Gemüse. Integrieren Sie außerdem bewusst ausreichend Omega-3-Fettsäuren in Ihren Speiseplan: Diese sind in Fettfischen wie Lachs enthalten und beispielsweise auch in Leinsamen. Patient:innen berichten, dass bestimmte Aktivitäten oder Einflüsse Schmerzattacken auslösen können. Dazu gehören eigentlich normale Umgebungsfaktoren wie Zugluft und leichte Berührungen des Gesichts. Aber auch das simple Kauen kann ein Trigger sein. Sanfte Gesichtspflege kann dazu beitragen, die Haut zu beruhigen und Triggerpunkte zu vermeiden. Es empfiehlt sich, täglich milde, nicht reizende Reinigungsprodukte und Feuchtigkeitscremes zu verwenden. Da zahnärztliche Eingriffe manchmal Trigeminusneuralgie auslösen können, trägt eine gute Zahnpflege dazu bei, dieses Risiko zu senken. Putzen Sie Ihre Zähne zweimal täglich für zwei Minuten und verwenden Sie Zahnseide einmal täglich. Regelmäßige körperliche Aktivität kann das allgemeine Wohlbefinden steigern und dazu beitragen, Stress zu reduzieren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, sich mindestens 150 Minuten pro Woche bei mäßiger Anstrengung zu bewegen. Bei Anzeichen von Depression oder Angst, die häufig mit chronischen Schmerzen einhergehen, ist es wichtig, professionelle Hilfe zu suchen. Bei Asklepios stehen unseren Patient:innen qualifizierte Fachkräfte zur Seite, die bei der Bewältigung chronischer Schmerzen unterstützen können.
Alternative Medizin
Alternative Methoden bei der Behandlung der Trigeminusneuralgie wurden bisher nicht so gründlich untersucht wie die medikamentösen oder chirurgischen Verfahren. Deshalb gibt es auch wenig Gewissheit, welche die Wirksamkeit solcher Methoden belegt. Dennoch konnte manchen Patient:innen mit alternativen Behandlungen geholfen werden, zum Beispiel mit Akupunktur, Biofeedback, Chiropraktik, Vitaminen oder Nahrungsergänzungsstoffen. Solche Behandlungen sollten immer mit einer Ärztin oder einem Arzt besprochen werden, da es zu Wechselwirkungen mit anderen Behandlungen kommen kann.
Krankheitsbewältigung und Unterstützung
Das Leben mit einer Trigeminusneuralgie ist oft schwierig. Die Erkrankung kann den Umgang mit Freunden und Familie beeinträchtigen, ebenso wie die Produktivität bei der Arbeit und die generelle Lebensqualität. In Patientenorganisationen können Sie Verständnis und Unterstützung finden. Die Mitglieder in diesen Organisationen kennen sich oft mit den neuesten Behandlungsmethoden aus und können ihre eigenen Erfahrungen weitergeben.
Alltagsbewältigung bei Trigeminusneuralgie: Die Behandlung der Trigeminusneuralgie sollte stets ärztlich erfolgen, da eine gezielte medizinische Therapie entscheidend ist, um die Ursache der Nervenschmerzen zu erkennen und wirksam zu behandeln. Mentale Strategien allein bekämpfen die Nervenschmerzen nicht, können aber im Alltag unterstützend wirken. Ein bewusster Umgang mit dem Schmerz, insbesondere durch Akzeptanz, Achtsamkeit und psychologische Techniken, spielt eine wichtige Rolle im Umgang mit den wiederkehrenden Schmerzattacken der Trigeminusneuralgie. Achtsamkeit und MeditationSchon kurze, tägliche Meditationen von 10 bis 15 Minuten können das Nervensystem beruhigen und die individuelle Schmerzwahrnehmung positiv beeinflussen. Verschiedene Apps können hilfreich sein, gezielte Atemtechniken oder Entspannungsübungen durchzuführen - auch unterwegs.Kognitive Techniken anwendenPsychotherapeutische Methoden können helfen, mit belastenden Gedanken umzugehen. So lassen sich katastrophisierende Gedanken wie beispielsweise „Ich halte das nicht mehr aus!“ gezielt durch hilfreichere und realistischere Gedanken ersetzen, wie: „Ich habe schon viele Schmerzphasen überstanden - auch diese wird vorübergehen.“Schmerztagebuch bei TrigeminusneuralgieDas Führen eines Schmerztagebuchs kann eine wertvolle Unterstützung sein, den Schmerzverlauf besser zu verstehen und auslösende Faktoren (Trigger) zu erkennen. Es vermittelt Kontrolle und erleichtert die Kommunikation mit Ärzten. Typische Einträge können sein:Datum und Uhrzeit der SchmerzattackeDauer und Intensität der Schmerzen z. B. durch eine Skala von 1 bis 10Begleitfaktoren wie Kälte, Stress, Nahrung, BerührungenMögliche Auslöser oder Aktivitäten vor der AttackeEingesetzte Maßnahmen und deren WirkungDie Tagesgestaltung optimierenEin strukturierter Alltag mit achtsamer Selbstfürsorge kann helfen, den Umgang mit Trigeminusneuralgie zu erleichtern. Ein regelmäßiger Schlafrhythmus und ausreichend Schlaf tragen zur allgemeinen Stabilisierung bei. Eine reizarme Tagesgestaltung mit möglichst wenig Lärm, Hektik oder grellem Licht kann sowie der Verzicht auf Bildschirmlicht vor dem Schlafen können entlastend wirken. Ruhepausen sollten bewusst in den Tag integriert werden, nicht nur bei akuter Überforderung, sondern auch vorbeugend. Unterstützung aus dem sozialen UmfeldAuch über die Schmerzen zu sprechen, kann entlastend wirken. Dabei kann es hilfreich sein, sich im privaten Umfeld, in Selbsthilfegruppen (z. B. für Neuralgie-Betroffene) oder im Rahmen professioneller Begleitung über die eigenen Erfahrungen auszutauschen. Da der Schmerz äußerlich nicht sichtbar ist, kann es vorkommen, dass er von anderen unterschätzt wird.
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Invasive Behandlungsmöglichkeiten der Trigeminusneuralgie
Wenn die medikamentöse Therapie nicht ausreichend wirksam ist oder zu starke Nebenwirkungen verursacht, können invasive Behandlungsmethoden in Betracht gezogen werden.
Mikrovaskuläre Dekompression (MVD)
Die mikrovaskuläre Dekompression nach Jannetta ist eine operative Methode, bei der der Kontakt zwischen dem Trigeminusnerv und einem Blutgefäß unterbrochen wird. Dabei wird der Schädel geöffnet und ein Kunststoffstück, zum Beispiel Teflonflies, als Puffer zwischen Nerv und Gefäß eingelegt. Diese Methode zielt darauf ab, die Ursache der Trigeminusneuralgie zu beseitigen und eine langfristige Schmerzlinderung zu erreichen. Die Erfolgsrate der MVD ist hoch, jedoch besteht auch das Risiko von Komplikationen wie Hörverlust oder Sensibilitätsstörungen im Gesichtsbereich.
Bei der mikrovaskulären Dekompression werden der Nervus trigeminus sowie die mit ihm in Verbindung stehende Arterie über einen Hautschnitt hinter dem Ohr zugänglich gemacht. Anschließend wird die Arterie vorsichtig vom Nerv getrennt und ein Stück Kunststoff als Puffer zwischen die beiden eingebracht. Auf diese Weise wird eine weitere Reizung des Nervens durch das Blutgefäß verhindert. Wird sie von erfahrenen Neurochirurg:innen durchgeführt, gilt die mikrovaskuläre Dekompression als sichere Behandlungsmethode. Studien zeigen, dass das Komplikationsrisiko bei rund 1,4 Prozent liegt. Die häufigsten Nebenwirkungen - die für sich genommen mit rund einem Prozent trotzdem sehr selten auftreten - sind einseitige Taubheit oder Gefühlstörungen auf der operierten Seite. Im Gegensatz zur medikamentösen Behandlung kann mit der Janetta-Operation in sehr vielen Fällen die Ursache der Erkrankung behoben werden. Rund 75 Prozent aller Patient:innen sind nach der mikrovaskulären Dekompression über einen Zeitraum von zehn bis 20 Jahren schmerzfrei. Kommt der Schmerz zurück, kann die Operation noch einmal durchgeführt werden.
Perkutane Verfahren
Zu den perkutanen Verfahren gehören die Ballonkompression, die Glycerininjektion und die Thermokoagulation. Bei diesen Verfahren wird ein Nervenknoten, das Ganglion Gasseri, mit einer Nadel (Kanüle) zugänglich gemacht und dann ein oder mehrere Äste des Trigeminusnervs durch Druck (Ballonkompression), Alkohol (Glycerininjektion) oder Hitze (Thermokoagulation) geschädigt. Diese Verfahren können zu einer Schmerzlinderung über mehrere Jahre führen, jedoch können die Schmerzen auch wieder auftreten.
Elektrostimulation
Bei der Elektrostimulation wird zunächst eine Teststimulation über eine Nadelelektrode durchgeführt. Wirkt diese, so wird über verschiedene Zugangswege eine Elektrode im Bereich des Nervenknotens (Ganglion) eingesetzt. Mit der dauerhaft implantierten Elektrode kann zum Teil eine gute Schmerzlinderung erzielt werden. Der Vorteil gegenüber den oben beschriebenen zerstörenden Techniken ist, dass die Nebenwirkungen umkehrbar (reversibel) sind. Bei der Teststimulation kann es zu leichten Blutergüssen und Schmerzen im Bereich der Elektrodeneinführung kommen. Ebenso wie beim Einsetzen einer dauerhaften Elektrode besteht ein geringes Risiko von Infektionen und Verletzungen des Nervens.
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Stereotaktische Bestrahlung (Radiochirurgie)
Eine weitere Behandlungsmethode ist die radioaktive Bestrahlung der Trigeminuswurzel im Hirnstamm mit ionisierenden Strahlen (GammaKnife®, CyberKnife®). Wenn die Schmerzen zurückkehren, kann man noch einmal bestrahlen. Durch die gezielte Bestrahlung wird ein millimeterkleiner Strahlenschaden im Nerven verursacht. Die Schmerzlinderung setzt nach wenigen Wochen ein. Allerdings sind die Langzeitergebnisse nicht so gut wie bei der mikrovaskulären Dekompression. Der Vorteil liegt jedoch darin, dass sie ohne operativen Eingriff erfolgt. Nach heutigem Kenntnisstand eignet sich das Verfahren vor allem, wenn ein erhöhtes Operationsrisiko besteht oder eine Trigeminusneuralgie bei Multiple Sklerose vorliegt.
Bei der stereotaktischen Bestrahlung wird eine hohe Strahlendosis gezielt auf einem kleinen Bereich angewendet. Dadurch wird das bestrahlte Gewebe vernichtet. Das Verfahren ermöglicht so eine Art Operation ohne Skalpell. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Gefühlsstörungen im Gesicht, die auch die Hornhaut des Auges betreffen können. Der Erfolg der radiochirurgischen Behandlung ist etwas geringer als der anderer Verfahren. Rund 70 Prozent der Patient:innen berichten nach der Behandlung davon, keine Beschwerden mehr zu haben.
Neuer Ansatz: Therapie mit Botox
Die Injektion von Botulinumtoxin in den schmerzhaften Bereich ist ein neuer Therapieansatz, der vor allem bei Patient:innen nützlich sein kann, die auf andere Medikamente nicht mehr ansprechen. Bisher liegen nur wenige Studien zu dieser Therapieform vor, keine davon aus dem europäischen oder nordamerikanischen Raum. Da noch weitere Forschungsarbeit zu dieser Behandlung nötig ist, stellt sie noch keine gängige Therapie dar, sondern wird nur nach Einzelfall entschieden.