Troponinerhöhung nach Schlaganfall: Ursachen und diagnostische Strategien

Im klinischen Alltag sind Kardiologen häufig mit erhöhten Troponinwerten bei Patienten mit akutem Schlaganfall konfrontiert. Die American Heart Association (AHA) empfiehlt in ihren Leitlinien zur Behandlung des akuten ischämischen Schlaganfalls die Messung von Troponin. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen für Troponinerhöhungen nach einem Schlaganfall und gibt einen Überblick über diagnostische Strategien.

Einführung

Ein Schlaganfall kann verschiedene Komplikationen nach sich ziehen, darunter auch eine Schädigung des Herzens. Erhöhte Troponinwerte, ein Marker für Herzmuskelschäden, sind bei vielen Schlaganfallpatienten zu beobachten. Es ist wichtig, die Ursachen für diese Troponinerhöhungen zu verstehen, um die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten und die Prognose der Patienten zu verbessern.

Ursachen der Troponinerhöhung nach Schlaganfall

Eine Troponinerhöhung deutet auf eine Schädigung der Herzmuskelzellen hin. Neben dem klassischen Myokardinfarkt gibt es eine Reihe weiterer Ursachen, die nach einem Schlaganfall zu erhöhten Troponinwerten führen können.

  • Akute myokardiale Ischämie: Ein Herzinfarkt, bei dem es zu einer akuten Unterbrechung der Blutversorgung des Herzmuskels kommt, ist eine mögliche Ursache.
  • Nicht-ischämische Ursachen: Hierzu zählen Myokarditis (Herzmuskelentzündung), Amyloidose (Ablagerung von Proteinen im Herzmuskel), Herzklappenerkrankungen, Herzinsuffizienz und Rhythmusstörungen.
  • Unspezifische Schädigungsmechanismen: Sepsis (Blutvergiftung) und Lungenembolie können ebenfalls zu einer Troponinerhöhung führen.
  • Überschießende Sympathikusaktivierung: Eine übermäßige Aktivierung des sympathischen Nervensystems, die im Rahmen eines Schlaganfalls auftreten kann, kann über metabolische und oxidative Prozesse zu Nekrosen und Entzündungsreaktionen im Herzmuskel führen (Hirn-Herz-Achse).
  • Entzündliche Prozesse und Zytokinproduktion: Der neuronale Zelltod nach einem Schlaganfall kann Entzündungsreaktionen und die Produktion von Zytokinen und Chemokinen auslösen, die das Herz schädigen können.
  • Gestörte Mitochondrienfunktion: Eine durch die zerebrale Ischämie bedingte Funktionsstörung der Mitochondrien in den Herzmuskelzellen wird ebenfalls als möglicher Mechanismus diskutiert.
  • Tako-Tsubo-Kardiomyopathie: Diese stressbedingte Kardiomyopathie, auch bekannt als Broken-Heart-Syndrom, kann durch neurologische Erkrankungen ausgelöst werden und geht mit einer Troponinerhöhung einher.

Das Stroke-Heart-Syndrom

Neurologen und Kardiologen der Charité - Universitätsmedizin Berlin haben im Rahmen der PRAISE-Studie festgestellt, dass bei rund 30 Prozent aller Patienten mit akutem Schlaganfall erhöhte Troponin-Werte im Blut gefunden werden. Diese Patienten erholen sich oft schlechter vom Schlaganfall und haben eine erhöhte Sterblichkeit. Etwa jedes fünfte Broken-Heart-Syndrom wird durch eine neurologische Erkrankung ausgelöst, insbesondere nach einer schweren Subarachnoidalblutung.

Rolle des Insellappens

Eine Schädigung des Insellappens, einer Hirnregion, die an der Wahrnehmung von Informationen aus dem Herzen und der Steuerung von Stressreaktionen beteiligt ist, kann ebenfalls zu Herzproblemen nach einem Schlaganfall führen.

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Diagnostische Strategien

Die Abklärung einer Troponinerhöhung bei Schlaganfallpatienten erfordert eine sorgfältige Anamnese, klinische Untersuchung und den Einsatz verschiedener diagnostischer Verfahren.

Anamnese und klinische Untersuchung

Die Erhebung der Krankengeschichte, einschließlich kardiovaskulärer Risikofaktoren und Vorerkrankungen, ist ein wichtiger erster Schritt. Die klinische Untersuchung kann Hinweise auf eine Herzinsuffizienz oder andere kardiale Probleme liefern. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Schlaganfallpatienten aufgrund ihrer neurologischen Defizite möglicherweise keine typischen Symptome wie Brustschmerzen angeben können.

EKG und Echokardiographie

Das Elektrokardiogramm (EKG) ist eineStandarduntersuchung, um Hinweise auf eine akuteMyokardischämie oder Rhythmusstörungen zu finden. Die Echokardiographie, eine Ultraschalluntersuchung des Herzens, kann Informationen über dieFunktion und Struktur des Herzmuskels liefern und beispielsweise eineregionale Wandbewegungsstörung im Sinne einerIschämie oder eine globalePumpfunktionsstörung aufdecken.

Koronarangiographie

Die Koronarangiographie (Herzkatheteruntersuchung) ist ein invasives Verfahren, bei dem die Herzkranzgefäße dargestellt werden. Sie gilt als Goldstandard, um eine Koronarstenose (Verengung der Herzkranzgefäße) zu diagnostizieren. Allerdings ist beim akuten Schlaganfall das Komplikationsrisiko erhöht, sodass Nutzen und Risiko individuell abgewogen werden müssen. Studien zeigen, dass nur eine Minderheit der Schlaganfallpatienten mit Troponinerhöhung interventionspflichtige Koronarstenosen aufweist.

Kardiale Magnetresonanztomographie (CMR)

Die kardiale MRT (CMR) ist eine nicht-invasive Methode zur Beurteilung des Herzmuskels. Sie ermöglicht eine detaillierte Darstellung der Gewebestruktur und kann Hinweise auf ischämische oder nicht-ischämische Schädigungen liefern. Mit der Late-Gadolinium-Enhancement(LGE)-Technik lassen sich fokale Prozesse ischämischer bzw. nicht-ischämischer Genese mit hoher Genauigkeit abbilden. Mittels Mappingverfahren (T1/T2-Mapping) können zusätzlich diffuse myokardiale Veränderungen erfasst und quantifiziert werden, und fibrotische von entzündlichen Veränderungen des Herzmuskels unterschieden werden. Die TRUST-MI-Studie hat gezeigt, dass die CMR einen wichtigen Einblick in die Pathophysiologie der Troponinerhöhung beim akuten ischämischen Schlaganfall geben kann.

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Differenzialdiagnose

Die Differenzialdiagnose der Troponinerhöhung beim Schlaganfallpatienten ist anspruchsvoll und erfordert die Berücksichtigung verschiedener Ursachen. Tabelle 1 zeigt eine Übersicht über mögliche Differenzialdiagnosen.

Tabelle 1: Differenzialdiagnose einer cTroponin-Erhöhung

UrsacheBeschreibung
Akutes Koronarsyndrom (ACS)Instabile Angina pectoris, NSTEMI, STEMI
MyokarditisEntzündung des Herzmuskels, oft viral bedingt
Tako-Tsubo-KardiomyopathieStressbedingte Kardiomyopathie mit linksventrikulärer Dysfunktion
HerzinsuffizienzChronische oder akute Herzinsuffizienz
NiereninsuffizienzErhöhte Troponinwerte aufgrund verminderter Ausscheidung
LungenembolieVerstopfung eines Lungengefäßes durch ein Blutgerinnsel
SepsisBlutvergiftung
AortendissektionAufspaltung der Wandschichten der Aorta
Hypertensive KriseStark erhöhter Blutdruck
Hypertrophie des linken VentrikelsVerdickung des Herzmuskels
VorhofflimmernHerzrhythmusstörung
Kardiale TraumataVerletzungen des Herzens
Medikamente/ToxineBestimmte Medikamente oder Drogen können den Herzmuskel schädigen
Schwerwiegende AllgemeinerkrankungenZ.B. schwere Anämie, Hypothyreose
Neurologische ErkrankungenSubarachnoidalblutung, Schlaganfall
Angeborene HerzerkrankungenStrukturelle Anomalien des Herzens
AmyloidoseAblagerung von Amyloid im Herzmuskel

Management von Schlaganfallpatienten mit erhöhten Troponinwerten

Das Management von Schlaganfallpatienten mit erhöhten Troponinwerten erfordert einen multidisziplinären Ansatz unter Einbeziehung von Neurologen und Kardiologen. Ziel ist es, die Ursache der Troponinerhöhung zu identifizieren und eine angemessene Behandlung einzuleiten, um die Prognose des Patienten zu verbessern.

Algorithmus zur Differenzialdiagnostik

Um die Vielzahl der möglichen Ursachen systematisch abzuklären, hat sich die Anwendung eines Algorithmus bewährt. Der Mannheimer Algorithmus zur Differenzialdiagnostik bei akutem ischämischem Schlaganfall und Troponinerhöhung (siehe Abbildung) bietet einen praxisorientierten Ansatz.

Berücksichtigung des Blutungsrisikos

Bei derIndikationsstellung zur Koronarangiographie muss dasBlutungsrisiko, das bei Schlaganfallpatienten erhöht ist,berücksichtigt werden. In der PRAISE-Studie wurde festgestellt,dass insbesondere bei Patienten mit mehr als 5-fach erhöhtenTroponin-Werten ein Typ-1-Myokardinfarkt vorliegt und eineKoronarangiographie erwogen werden sollte.

Fazit

Erhöhte Troponinwerte sind bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall keine Seltenheit und können verschiedene Ursachen haben. Neben einem akuten Myokardinfarkt kommen auch nicht-ischämische Herzschädigungen, unspezifische Schädigungsmechanismen und neurokardiogene Ursachen in Betracht. Die diagnostische Abklärung erfordert eine sorgfältige Anamnese, klinische Untersuchung und den Einsatz verschiedener bildgebender Verfahren wie EKG, Echokardiographie und CMR. Die Koronarangiographie sollte bei Verdacht auf eine interventionspflichtige Koronarstenose erwogen werden, wobei das Blutungsrisiko zu berücksichtigen ist. Ein multidisziplinärer Ansatz unter Einbeziehung von Neurologen und Kardiologen ist entscheidend für eine optimale Versorgung dieser Patienten. Die CMR scheint einen wichtigen Einblick in die noch unvollständig verstandene Pathophysiologie der Troponinerhöhung beim akuten ischämischen Schlaganfall geben zu können. Die im CMR erhobenen Parameter könnten mittelfristig Einfluss auf das weitere diagnostische Management haben sowie ggf. auch langfristig prognostischen Nutzen für die Patienten bieten.

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