Die Tuberöse Sklerose (TSC) ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die durch die Bildung von Tumoren in verschiedenen Organen, insbesondere im Gehirn, gekennzeichnet ist. Diese seltene Krankheit, die etwa eines von 10.000 Neugeborenen betrifft, manifestiert sich sehr unterschiedlich. Einige Betroffene führen ein weitgehend normales Leben, während andere, wie die hier vorgestellten Fallbeispiele zeigen, mit erheblichen Beeinträchtigungen zu kämpfen haben. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Tuberösen Sklerose, von den neuesten Forschungsansätzen bis hin zu persönlichen Erfahrungen von Betroffenen und ihren Familien.
Was ist Tuberöse Sklerose?
Die Tuberöse Sklerose (TSC) ist eine genetisch bedingte Erkrankung, bei der Fehlbildungen und Tumoren in nahezu allen Organsystemen auftreten können. Der Name leitet sich von den lateinischen Wörtern "tuber" (Höcker, Beule) und "skleros" (hart) ab, was auf die typischen knollenartigen Veränderungen im Gehirn hinweist. Die Erkrankung wird durch Veränderungen in einem von zwei Genen (TSC1 oder TSC2) verursacht, was zu einem unkontrollierten Zellwachstum und übermäßigen synaptischen Verbindungen im Gehirn führt.
PROTECT-Studie: Frühe Intervention bei Tuberöser Sklerose
Eine aktuelle Studie, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, untersucht, ob Babys mit Tuberöser Sklerose von einer sehr frühen medikamentösen Behandlung profitieren können. Die PROTECT-Studie ("Der Einfluss einer prophylaktischen mTOR-Inhibitor Behandlung bei Säuglingen mit einer Tuberösen Hirnsklerose auf die langfristige neuropsychologische Entwicklung") zielt darauf ab, die Hirnentwicklung positiv zu beeinflussen, indem Säuglinge ab dem vierten Lebensmonat ein bereits für ältere Kinder zugelassenes Medikament erhalten.
Hintergrund der Studie
Nach der Geburt durchläuft das Gehirn einen rasanten Wachstumsprozess, bei dem sich Nervenzellen miteinander verschalten und ein komplexes neuronales Netz bilden. Bei Kindern mit Tuberöser Sklerose verläuft dieser Prozess unkontrolliert, was zu übermäßigem Wachstum und fehlerhaften synaptischen Verbindungen führt. Dies kann zu früh beginnenden Epilepsien, geistiger Behinderung und Autismus führen.
Ziel der Studie
Die PROTECT-Studie untersucht, ob eine frühe medikamentöse Intervention die Hirnreifung bei TSC positiv beeinflussen kann. Neuropädiater Professor Dr. Steffen Syrbe vom Universitätsklinikum Heidelberg betont, dass die Störungen der Hirnreifung bei TSC bereits in den ersten Lebensmonaten auftreten könnten. Die Studie basiert auf der Erkenntnis, dass Medikamente, die bei älteren Kindern und Erwachsenen mit Tuberöser Sklerose erfolgreich gegen übermäßiges Gewebewachstum eingesetzt werden, die geistige Entwicklung nicht ausreichend verbessern konnten.
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Zusammenarbeit mit der Elterninitiative
Bei der Konzeption der Studie war eine enge Zusammenarbeit mit der Elterninitiative "Tuberöse Sklerose Deutschland e. V." von großer Bedeutung. Die Elternvertreter ermutigten die Forschenden, die Studie anzugehen, und unterstützten sie aktiv. Sandra Hoffmann, Bundesgeschäftsführerin des Vereins, betont, dass die Frage, ob eine sehr frühe Medikation Kinder besser vor schweren Verlaufsformen der Krankheit schützen kann, für die Eltern von großer Bedeutung ist.
Frühere Forschungsergebnisse
Bereits im Jahr 2021 erhielten Syrbe und sein Heidelberger Kollege Dr. Afshin Saffari den Forschungspreis der Deutschen Tuberöse Sklerose Stiftung für eine Vorstudie, in der sie die Daten von 17 Kindern unter zwei Jahren auswerteten, die aufgrund von Einzelfallentscheidungen mit entsprechenden Wirkstoffen behandelt wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass die Medikamente bei einem frühen Einsatz im Kindes- und sogar Säuglingsalter sicher und verträglich sind.
Bedeutung für die Patientenversorgung
Das BMBF fördert mit der Maßnahme "Klinische Studien mit hoher Relevanz für die Patientenversorgung" Forschungsprojekte, die Lösungen für klinische Fragestellungen erarbeiten, die für die Industrie nicht interessant sind, aber für die Betroffenen und das deutsche Gesundheitssystem eine hohe Relevanz haben. Das Projekt PROTECT wird bis zum Jahr 2026 mit rund 3,6 Millionen Euro unterstützt.
Persönliche Erfahrungen mit Tuberöser Sklerose
Die Tuberöse Sklerose Complex (TSC) ist ebenso vielfältig wie das Krankheitsbild selbst. Die folgenden Erfahrungsberichte geben Einblicke in das Leben von Betroffenen und ihren Familien.
Katjas Geschichte
Katja wurde am 23. August 1978 als vermeintlich gesundes Kind geboren. Im Gegensatz zu ihrem Bruder, der nicht betroffen ist, leidet Katja an einer schweren Ausprägung der Tuberösen Sklerose. Sie ist durch die Krankheit in ihrer Entwicklung stark beeinträchtigt und entspricht dem geistigen Stand eines ein- bis anderthalbjährigen Kindes. Tumoren im Gehirn verursachen ein therapieresistentes Anfallsleiden.
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Als Katja etwa zwei Jahre alt war, traten Verhaltensauffälligkeiten auf, die bei TSC-Betroffenen nicht selten sind. Sie biss sich in die Hand oder schlug mit den Händen auf den Kopf und diesen abwechselnd auf den Fußboden oder gegen die Wand. Trotz dieser Herausforderungen wurde Katja in einem Sonderkindergarten aufgenommen, wo sie einige Fortschritte machte. Sie lernte, sich durch kaum verständliche Worte mitzuteilen und führte kleine Anweisungen aus.
Katharinas Geschichte
Die sechsjährige Katharina leidet ebenfalls unter Tuberöser Sklerose. Sie kann nicht sprechen und ist geistig auf dem Stand einer Anderthalbjährigen. Katharina leidet unter epileptischen Anfällen, die tagsüber als Absencen und nachts als schwere Krämpfe auftreten. Ihre Mutter, Claudia Groth, lässt sie nicht aus den Augen und hat das Kinderbett mit Plexiglaswänden und Kissen gepolstert, um Verletzungen zu vermeiden.
Katharina kann seit einem halben Jahr kurze Strecken ohne Hilfe laufen, aber ihre Feinmotorik ist nicht entwickelt und ihr Gleichgewichtssinn ist gestört. Eine Ärztin attestierte ihr autistische Züge, aber Claudia Groth zweifelt daran, da Katharina den Kontakt zu anderen Kindern sucht und per Mimik kommuniziert.
Die Diagnose Tuberöse Sklerose war ein Schock für die Familie. Während Claudia Groth mit Trauer und Fassungslosigkeit kämpfte, suchte ihr Mann im Internet nach Informationen. Bei Katharina äußerte sich die Krankheit durch kleine rote Erhebungen im Gesicht und eine breite weiße Strähne im blonden Haar.
Katharina besucht eine Schule für geistige Entwicklung, und ihre Mutter freut sich über jeden Fortschritt. Claudia Groth lebt jedoch mit der ständigen Angst vor einem Notfall und ist bei jedem Telefonklingeln alarmiert.
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Olivers Geschichte
Oliver leidet unter bis zu 40 Anfällen am Tag. Nach seiner zweiten Hirnoperation geht es ihm nun endlich besser. Wie bei vielen schien auch bei Oliver zu Anfang alles normal. Die Schwangerschaft verlief ohne Komplikationen, ebenso wie die Geburt. Erste Auffälligkeiten wurden im Alter von fünf Monaten bemerkt. Oliver wurde extrem unruhig und bekam BNS-Anfälle, die zuerst nicht zu deuten waren. Die Diagnose Tuberöse Sklerose war ein Schock für die Familie.
Zwei komplizierte Hirnoperationen in den Jahren 2011 und 2014 brachten Verbesserungen. Oliver hat deswegen zum Glück nur ab und zu eine Absence. Zudem hat er eine schwere Form des Autismus. Oliver ist dann manchmal ein wahres Pulverfass.
Herausforderungen und Hoffnungen
Die Erfahrungsberichte zeigen, dass die Tuberöse Sklerose das Leben der Betroffenen und ihrer Familien stark beeinflusst. Die Krankheit ist wenig erforscht, und es gibt kein spezifisches Medikament, das alle Symptome lindern kann. Die Betroffenen sind auf verschiedene Medikamente angewiesen, die oft für Erwachsene gedacht sind und den Kinderkörper belasten.
Trotz der Herausforderungen gibt es immer wieder Lichtblicke und Fortschritte. Die PROTECT-Studie bietet Hoffnung auf eine frühe Intervention, die die Hirnentwicklung positiv beeinflussen kann. Die Zusammenarbeit mit der Elterninitiative "Tuberöse Sklerose Deutschland e. V." stärkt die Betroffenen und fördert den Austausch von Erfahrungen.
Seltene Krankheiten im Überblick
Eine Krankheit gilt als selten, wenn sie unter 10.000 Menschen maximal fünf betrifft. In Deutschland sind etwa vier Millionen Menschen von rund 5.000 verschiedenen seltenen Krankheiten betroffen. Neben der Tuberösen Sklerose gibt es viele andere seltene Krankheiten, wie zum Beispiel:
- NBIA (Neurodegeneration mit Eisenspeicherung im Gehirn): Ursache ist häufig eine Stoffwechselstörung, ausgelöst durch eine Genmutation. Die Erkrankten leiden unter Krämpfen, Augenkrankheiten und Demenz.
- Proteussyndrom: Charakteristisch sind der Großwuchs und die Verdickung von Körperteilen, was zu Funktionsstörungen führen kann.
- Hypophosphatasie (HPP): Der Enzymkomplex "alkalische Phosphatase" ist für den Aufbau gesunder Knochen zuständig. Bei HPP-Erkrankten ist dieser nicht vorhanden oder inaktiv. Sie leiden unter brüchigen Knochen, Atemwegserkrankungen und Nierenschäden.
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