Ein Tumor, der auf das Rückenmark drückt, kann eine Vielzahl von Ursachen haben, von gutartigen Neubildungen bis hin zu Metastasen bösartiger Krebserkrankungen. Die resultierenden Symptome sind vielfältig und hängen von der Lage und Größe des Tumors ab. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um dauerhafte Schäden und Komplikationen wie Querschnittslähmung zu verhindern.
Ursachen von Rückenmarkstumoren
Rückenmarkstumoren können primär entstehen, d.h. direkt vom Gewebe des Rückenmarks ausgehen, oder sekundär als Metastasen anderer Krebserkrankungen auftreten. Gutartige Tumoren machen etwa 60 % aller Rückenmarkstumoren aus, können aber dennoch durch ihr Wachstum umliegendes Gewebe bedrängen und Probleme verursachen. Bösartige Tumoren zeichnen sich durch invasives Wachstum und die Fähigkeit zur Metastasierung aus.
Häufige gutartige Tumoren:
- Neurinome (Schwannome): Diese Tumoren gehen von den Schwann-Zellen aus, die die Nervenfasern des peripheren Nervensystems umhüllen. Sie wachsen langsam und entstehen meist im Bereich der Nervenwurzeln.
- Gefäßtumore: Hierzu gehören Hämangiome (gutartige Tumoren aus entarteten Blutgefäßen) und Kavernome (Gefäßfehlbildungen mit erweiterten Gefäßräumen).
- Meningeome: Diese Tumoren entstehen aus den Hirnhäuten (Meningen) und sind fast immer gutartig. Sie treten häufig im Bereich der Brustwirbelsäule auf und wachsen sehr langsam. Typischerweise wächst es langsam, weshalb es lange zunächst keine Beschwerden verursacht.
Häufige bösartige Tumoren:
- Metastasen: Sekundäre Tumoren, die von anderen Organen ins Rückenmark eingewandert sind. Häufige Primärtumoren sind Lungen-, Brust- und Prostatakrebs.
- Ependymome: Tumoren, die aus den Ependymzellen bestehen, die den Rückenmarkskanal auskleiden. Sie können ein unterschiedlich starkes Wachstum aufweisen.
- Gliome (Astrozytome): Tumoren, die von den Gliazellen des zentralen Nervensystems ausgehen. Astrozytome werden nach WHO in vier Schweregrade eingeteilt, wobei die Prognose mit steigendem Grad schlechter wird.
Weitere Ursachen und Risikofaktoren:
- Spinale Metastasen: Diese treten häufig bei Lungen-, Brust- oder Prostatakrebs auf, aber auch Hautkrebs und Lymphome können in die Wirbelsäule streuen.
- Sarkome: Bösartige spinale Tumore, die im Knochengewebe der Wirbelsäule entstehen (z.B. Osteosarkome, Chondrosarkome).
- Chordome: Seltene, langsam wachsende, aber oft lokal aggressive spinale Tumore, die sich aus Resten der embryonalen Chorda dorsalis entwickeln.
- Früheres Trauma: Beobachtungen deuten auf einen Zusammenhang mit einem frühen Trauma als Auslöser hin für sich später im Leben entwickelnder Meningeome.
- Hormonelle Einflüsse: Spinale Meningeome treten deutlich häufiger bei Frauen als bei Männern auf, wobei ein schnelleres Tumorwachstum beispielsweise während einer Schwangerschaft beobachtet wird. Patientinnen sollten in vielen Fällen auch keine Verhütungspille (hormonelle Kontrazeptiva) einnehmen bzw. stattdessen nicht hormonelle Verhütungsmethoden (z. B. Kondom) anwenden
- Vorherige Strahlentherapie: Eine Bestrahlungstherapie im Rahmen einer Krebsbehandlung kann das Risiko für Rückenmarkstumoren erhöhen.
- Genetische Erkrankungen: Einige genetische Erkrankungen, wie die Neurofibromatose, sind mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Rückenmarkstumoren verbunden.
- Lebensstil und äußere Einflüsse: Auch der Lebensstil und äußere Einflüsse können zu Tumoren führen.
- Familiäre Belastung und genetische Disposition: Tumore können ohne erkennbare Ursache jedoch auch auf dem Boden einer familiären Belastung und genetischen Disposition entstehen.
Symptome von Rückenmarkstumoren
Die Symptome eines Rückenmarktumors können vielfältig sein und hängen von der Größe, Lage und Wachstumsgeschwindigkeit des Tumors ab. Sie entwickeln sich oft schleichend und können unspezifisch sein, was die Diagnose erschwert.
Häufige Symptome:
- Rückenschmerzen: Oft das erste und häufigste Symptom. Die Schmerzen können nachts schlimmer sein und sich im Liegen verstärken. Sie können auch unabhängig von Belastung, Körperposition oder Tageszeit auftreten und in Arme oder Beine ausstrahlen.
- Neurologische Ausfälle:
- Gefühlsstörungen: Kribbeln, Taubheitsgefühle, Brennen oder andere Missempfindungen in Armen, Beinen oder im Rumpf.
- Muskelschwäche: Langsam zunehmende Schwäche in Armen oder Beinen, die bis zur Lähmung fortschreiten kann.
- Blasen- und Darmstörungen: Schwierigkeiten beim Wasserlassen oder Stuhlgang, Inkontinenz.
- Bewegungsstörungen: Unsicherheit beim Gehen, Koordinationsprobleme, schwankendes Gangbild.
- Weitere Symptome:
- Allgemeine Schwäche und Müdigkeit
- Ungewollter Gewichtsverlust
- Nachtschweiß
- Fieber
Spezifische Symptome je nach Lage des Tumors:
- Halswirbelsäule: Schmerzen im Nacken, Ausstrahlung in Arme und Hände, Muskelschwäche in den Armen.
- Brustwirbelsäule: Schmerzen im Brustbereich, Ausstrahlung in den Rumpf, Muskelschwäche in den Beinen.
- Lendenwirbelsäule: Schmerzen im unteren Rücken, Ausstrahlung in die Beine, Muskelschwäche in den Beinen, Blasen- und Darmstörungen.
Wichtiger Hinweis: Bei Krebspatienten mit plötzlich auftretenden Rückenschmerzen sollte eine unverzügliche Abklärung mittels Bildgebung (MRT) erfolgen.
Diagnose von Rückenmarkstumoren
Bei Verdacht auf einen Rückenmarktumor ist eine umfassende Diagnostik erforderlich, um die Ursache der Beschwerden zu klären und die geeignete Behandlung zu planen.
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Diagnostische Verfahren:
- Klinisch-neurologische Untersuchung: Beurteilung der neurologischen Funktionen, wie Reflexe,Sensibilität, Muskelkraft und Koordination.
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Beschwerden.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Das wichtigste bildgebende Verfahren zur Darstellung von Rückenmark und Wirbelsäule. Mit der modernen Bildgebung können wir die Tumoren innerhalb des Wirbelkanals gut bestimmen.
- Computertomographie (CT): Kann ergänzend zur MRT eingesetzt werden, insbesondere zur Beurteilung der knöchernen Strukturen der Wirbelsäule. Für Wirbelsäulenmetastasen erfolgt primär eine CT Bildgebung.
- Lumbalpunktion: Entnahme und Untersuchung von Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) zur Feststellung von Tumorzellen oder anderen Auffälligkeiten.
- Myelografie: Kontrastmitteldarstellung des Wirbelkanals zur besseren Darstellung von Tumoren und anderen Raumforderungen.
- Primärtumorsuche: Bei Verdacht auf Metastasen ist die Suche nach dem Ursprungstumor (Primärtumor) erforderlich.
Differenzialdiagnosen:
Es ist wichtig, andere Ursachen für die Beschwerden auszuschließen, die ähnliche Symptome verursachen können. Dazu gehören beispielsweise:
- Bandscheibenvorfall
- Arthrose
- Rheumatische Erkrankungen
- Entzündungen des Rückenmarks
- Multiple Sklerose
Behandlung von Rückenmarkstumoren
Die Behandlung von Rückenmarkstumoren hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Art des Tumors, seine Lage, Größe und Wachstumsgeschwindigkeit, sowie der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten.
Behandlungsoptionen:
- Beobachtendes Vorgehen: Bei langsam wachsenden, gutartigen Tumoren ohne oder mit nur geringen Symptomen kann zunächst ein beobachtendes Vorgehen mit regelmäßigen Kontrollen ausreichend sein.
- Schmerztherapie: Medikamentöse Behandlung von Schmerzen, oft in Kombination mit anderen Therapien.
- Operation: Das Ziel der operativen Behandlung ist die Entlastung neuronaler Strukturen, um Druckschäden und druckbedingte Symptomatik zu vermeiden. Bei starker Symptomatik und ausgeprägten Lähmungserscheinungen sollte jedoch immer eine operative Entfernung des Tumors angestrebt werden. Dies ist meist bei schon sehr groß gewachsenen Tumoren der Fall. Die Operation stellt aufgrund der Lage eine Herausforderung dar und erfolgt bei glatt begrenzten Tumoren in der Regel auf mikrochirurgische Art, um umliegende Strukturen zu schonen. Falls der Tumor infiltrierend ins umliegende Gewebe gewachsen ist, stellt sich eine komplette Entfernung meist schwierig dar.
- Strahlentherapie: Bei der fraktionierten Strahlentherapie wird die Behandlung in mehrere Einzelsitzungen aufgeteilt (fraktioniert), da das Rückenmark sowie die Nervenwurzeln im Strahlenfeld liegen. Eine moderne Alternative in der Therapie von Wirbelsäulen- und spinalen Metastasen ist die Cyberknife-Methode. Die sehr präzise Radiochirurgie, mit einer Genauigkeit von unter einem Millimeter, kann den Tumor im Gegensatz zur herkömmlichen Strahlentherapie hochdosiert in einer bis drei Anwendungen erfolgreich zerstören. Das Cyberknife-System kann über das integrierte Bildortungssystem die knöcherne Wirbelsäule darstellen und erkennen. Die tatsächliche Position der Wirbelsäule wird während der Behandlung mit dem zuvor erstellten Planungs-CT abgeglichen, und die Lage des Tumors wird in Echtzeit kontrolliert. Das gesunde, empfindliche Gewebe im Bereich der Wirbelsäule und des Rückenmarks wird geschont. Bei mehreren (multiple) Metastasen an der Wirbelsäule wird oft eine herkömmliche Strahlentherapie durchgeführt. Diese Behandlung muss auf mehrere Sitzungen aufgeteilt werden, da das Rückenmark sowie die Nervenwurzeln im Strahlenfeld liegen. Es können über 2 bis 5 Wochen hinweg individuell zwischen 10 und 25 Behandlungssitzungen notwendig sein.
- Chemotherapie: Selten kann auch eine Chemotherapie sinnvoll sein. Dabei können Zytostatika sowohl als Tabletten, aber auch über die Vene verabreicht werden.
- CyberKnife-Therapie: In ausgewählten Situationen kann je nach Lage und Größe sowie individueller Situation das Meningeom alternativ mit der CyberKnife-Therapie behandelt werden - diese erfolgt ambulant und ohne chirurgischen Eingriff. Das CyberKnife arbeitet technisch akkurat, um Tumorzellen gezielt auszuschalten. Es entstehen auch keine Komplikationen durch eine Fixierung bzw. eine offene Operation. Die hochmoderne Technologie des Robotersystems kann Bewegungen des Körpers, wie sie beispielsweise allein durch das normale Atmen auftreten, jederzeit während der Therapie durch entsprechende Rückkoppelung ausgleichen. So wird eine hochpräzise Behandlung möglich, die die Therapie von Wirbelsäulenmetastasen mit dem CyberKnife ohne eine Fixierung und auch ohne Narkose erlaubt. Für Sie bedeutet die radiochirurgische Therapie eine entsprechend komfortable und schmerzfreie Behandlung.
Kombinierte Behandlung:
Oft ist eine Kombination verschiedener Behandlungsansätze erforderlich, um den Tumor effektiv zu bekämpfen und die Symptome zu lindern. Häufig werden ein mikrochirurgischer Eingriff und die Strahlentherapie kombiniert, etwa bei unvollständiger operativer Entfernung. Ein kombinierter Therapieansatz aus Operation, gefolgt von einer Behandlung mit dem CyberKnife, kann in verschiedenen Situationen erforderlich sein.
Rehabilitation und Nachsorge:
Im Anschluss an die Operation sollte der Patient schnellstmöglich mobilisiert werden. Eine Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung kann je nach Zustand und Wunsch des Patienten eine sinnvolle Option darstellen. Zudem sollten regelmäßige Nachkontrollen erfolgen.
Prognose von Rückenmarkstumoren
Die Prognose von Rückenmarkstumoren hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Art des Tumors, sein Wachstumsverhalten, die Möglichkeit einer vollständigen Entfernung und der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten.
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Gutartige Tumoren haben in der Regel eine bessere Prognose als bösartige, da sie weniger invasiv wachsen und meist besser entfernt werden können. Im Falle von Metastasen richtet sich die Prognose nach der Art des Primärtumors.
Spezialisten und Kliniken
Rückenmarkstumoren werden operativ von Fachärzten für Neurochirurgie behandelt. Neurochirurgische Kliniken, die sich auf die Behandlung von Tumoren des Nervensystems spezialisiert haben, betreuen die Patienten und übernehmen die stationäre Versorgung. Es erfolgt ein interdisziplinäres Therapiekonzept, bei dem Neurologen, Rehabilitationsmediziner und Physiotherapeuten eng zusammenarbeiten.
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