Überreiztes Nervensystem und Tinnitus: Ursachen und Lösungsansätze

Hektik im Alltag, Stress bei der Arbeit und ständiger Verkehrslärm sind nur einige der vielfältigen Einflüsse, die täglich auf unseren Organismus wirken. Die zunehmende Geschwindigkeit in unserem Leben führt zu einer Mehrbelastung, die auch unsere Sinne unter Druck setzt. Eine Folge davon kann ein überreiztes Nervensystem sein, das sich unter anderem durch Tinnitus äußern kann. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Tinnitus im Zusammenhang mit einem überreizten Nervensystem und zeigt mögliche Lösungsansätze auf.

Was ist Tinnitus?

Das Wort Tinnitus kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Klingeln, Geklingel“ oder auch „laut singen“. Als „Tinnitus“ werden gehörte Wahrnehmungen bezeichnet, denen keine tatsächlichen akustischen Signale aus der Umwelt entsprechen und die keinen Informationswert für den Betroffenen besitzen. Viele Millionen Menschen in Deutschland leiden an einem Tinnitus oder Pfeifen im Ohr.

Die meisten Erwachsenen haben irgendwann in ihrem Leben zumindest kurzzeitig Ohrgeräusche erlebt. Während ein Teil der Menschen gut mit ihrem Tinnitus auskommt, fühlen sich 8 % der Bevölkerung in Industriestaaten durch ihr Ohrgeräusch im Alltagsleben belästigt, haben Konzentrationsstörungen, weisen Schlafstörungen auf oder haben mit bedingt durch den Tinnitus Depressionen. Bei etwa 0,5 % hat das Ohrgeräusch den Stellenwert einer eigenständigen Krankheit. Viele Menschen mit Tinnitus glauben, dass sie an einer schweren körperlichen Erkrankung leiden. In den meisten Fällen findet sich jedoch keine Ursache und es handelt sich oft um eine vorübergehende Störung.

Ursachen von Tinnitus

Im Hinblick auf konkrete Tinnitus-Ursachen wird bei der Diagnose zwischen zwei Arten des Tinnitus unterschieden:

  • Objektiver Tinnitus: Hier geht der Tinnitus von einer tatsächlichen Schallquelle im Körper aus, beispielsweise von Strömungsgeräuschen in Blutgefäßen. Diese Form ist jedoch sehr selten. Das Pochen oder Rauschen ist häufig mit dem Herzschlag des Patienten synchronisiert. Wenn sich der Herzschlag beschleunigt, werden auch das Pochen oder Rauschen schneller; wenn er sich verlangsamt, nimmt auch die Geschwindigkeit des Pochens oder Rauschens ab.
  • Subjektiver Tinnitus: Bei dieser Form, die in mehr als 99% der Fälle vorliegt, kann keine Schallquelle im Körper als Ursache festgestellt werden.

Die Wissenschaft ging lange Zeit davon aus, dass subjektiver Tinnitus im Innenohr entsteht. Auch mit Hilfe von bildgebenden Verfahren konnte festgestellt werden, dass die neuronale Aktivität bei Tinnitus-Patienten in verschiedenen Gehirnarealen verändert ist.

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Stress als Auslöser

Bei der Entstehung eines Tinnitus spielen häufig Stress und psychische Belastungssituationen eine wichtige Rolle, die über das vegetative Nervensystem die psychophysische Befindlichkeit beeinflussen. Stress ist keine bloße emotionale Reaktion, sondern ein ganzheitlicher Prozess, der den gesamten Organismus beeinflusst. Wenn Sie über längere Zeit psychischen Druck empfinden, reagiert Ihr Körper darauf mit einer Vielzahl physiologischer Veränderungen. Erhöhte Ausschüttung von Stresshormonen: Adrenalin und Cortisol versetzen den Körper in Alarmbereitschaft.

Stresssymptome treten nicht nur in Form von innerer Unruhe oder Schlafstörungen auf. Sie zeigen sich oft auch auf körperlicher Ebene. Wenn Beschwerden wie Reizdarm, Herzstolpern oder Tinnitus scheinbar ohne medizinisch erklärbare Ursache auftreten, steckt dahinter häufig eine psychosomatische Reaktion auf anhaltende Überforderung.

Ein zentrales Problem bei stressbedingtem Tinnitus ist die negative Aufmerksamkeit, die dem Geräusch geschenkt wird. Viele Betroffene fokussieren sich stark auf das Pfeifen oder Rauschen, versuchen es zu ignorieren und scheitern.

Zusammenhang zwischen Nackenverspannungen und Tinnitus

Die klinische Bezeichnung lautet Tinnitus durch Halswirbelsäulenbeschwerden. Dabei werden beim Auftreten von Nackenschmerzen und Halsbeschwerden gleichzeitig Pfeif- und Klingelgeräusche im Ohr wahrgenommen.

Da einige Patienten neben dem Tinnitus gleichzeitig auch an Verspannungen leiden, könnte es einen Zusammenhang mit Beschwerden der Halswirbelsäule geben. Die Ursache könnte eine unkorrekte oder einseitige Belastung bei der Arbeit oder beim Sport sein. Wenn die Wirbelsäule durch eine falsche Haltung, das Anheben schwerer Lasten oder Drehbewegungen mechanisch überlastet wird, senden die Nerven ständig Signale an das Gehirn. Auf diese Überreizung reagiert das Gehirn mit Überaktivität. In räumlicher Nähe zu den betroffenen Hirnarealen befinden sich die für das Gehör zuständigen Nervengruppen (Nucleus cochlearis bzw. „Schneckenkern“). Die Hyperaktivität wird auf diese Nervengruppen übertragen, wodurch ein Tinnitus ausgelöst werden kann.

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Nackenverspannungen können daher Ohrgeräusche verursachen, da sich die Verspannung der Halswirbelsäule auf die Funktion der Hirnnerven auswirken kann. Die Ohrgeräusche können also durch aktive Muskeln der Halswirbelsäule (Musculus splenius capitis und Musculus semispinalis capitis) verursacht werden, die so angespannt sind, dass sie auf die aus der Wirbelsäule kommenden Nerven drücken. Diese Beschwerden können außerdem mit einem Schwindelgefühl einhergehen.

Eine weitere Erklärung könnte sein, dass die angespannten Muskeln die Blutgefäße verengen, die in der Nähe der Halswirbelsäule verlaufen und für die Blutversorgung der Hirnnerven verantwortlich sind. Die Verspannungen der Halswirbelsäule könnten daher den Blutfluss zu den Hirnnerven beeinträchtigen und auf diese Weise den Tinnitus hervorrufen.

Weitere mögliche Ursachen

Es gibt jedoch zahlreiche körperliche Ursachen, die einem Tinnitus zugrunde liegen können: Bluthochdruck, Halswirbelsäulenerkrankungen, Kiefergelenksschäden, Gefäßverengungen oder Ausbuchtungen der Halsschlagader oder von Gefäßen im Ohr, Herzklappenerkrankungen, Blutung, Anämie, Cholesterinstörungen, abgelaufene Entzündungen (Röteln, Toxoplasmose oder Grippe), Medikamente (wie Salicylsäure), Vergiftungen, eine Unter- oder Überfunktionen der Schilddrüse, Diabetes, lokale Krankheiten wie z.B. ein Ohrpfropf im Gehörgang, langdauernde Entzündungen im Mittelohr oder Tumore im Innenohr, im Hörnerv, im Hirnstamm oder in der Hörrinde des Gehirns.

Diagnose von Tinnitus

Bereits manifestierte Ohrgeräusche sind in ihrer Behandlung z.T. sehr viel aufwendiger und die Therapieaussichten sind deutlich reduziert. Die wichtigste Behandlung besteht zunächst in einer umfassende Erklärung über die Tinnitusentstehung, eine fundierte ärztliche Diagnostik, die individuelle Beratung durch kompetente Fachleute, um falsche Ängste der Betroffenen auszuräumen. In den allermeisten Fällen finden sich keine schwerwiegenden körperlichen Erkrankungen.

Aufbauend auf den diagnostischen Basisuntersuchungen können weitere Methoden zum Einsatz kommen. Hierbei sind in erster Linie Schichtaufnahmen des Schädels (Computertomogramm oder Kernspintomogramm), Ultraschalluntersuchungen der Halsgefäße, Laboruntersuchungen (Blutbild, Entzündungszeichen, Hormone, Viren wie Herpes) sowie weitere fachärztliche Beurteilungen (Internist, Neurologe, Orthopäde, Kieferorthopäde u.

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An erster Stelle geht es im Patienten-Arzt-Gespräch darum, die Patienten umfassend über die Hintergründe, Ursachen, Behandlungsansätze und den adäquaten Umgang mit der Hörstörung zu informieren und ihnen die häufig feststellbare Verunsicherung über das plötzliche Auftreten der Hörstörung zu nehmen.

Behandlungsmöglichkeiten

Schwerpunkte der Tinnitusbehandlung bestehen z.B. in der täglichen innenohraktiven Infusionstherapie bei akutem Tinnitus, sowie einem umfangreichen Behandlungsprogramm in Form von Physiotherapie/Krankengymnastik, manualtherapeutischer Untersuchung und Behandlung (Wirbelsäulenerkrankungen, insbesondere an der Hals- und Brustwirbelsäule, sind häufig an der Entstehung von akuten Hörstörungen ursächlich beteiligt), Sauerstofftherapie, psychologischer Beratung und Stressbewältigung.

Besteht der Tinnitus länger als 3 Monate, so spricht man definitionsgemäß von einem chronischen Tinnitus. Hier ist wiederum eine umfassende Beratung und Diagnostik durch den erfahrenen Arzt notwendig. Im Gegensatz zum akuten Tinnitus ist jedoch eine medikamentöse Therapie zur Stabilisierung der Hörsinneszellen nur bedingt sinnvoll, da sich der Schaden schon manifestiert hat, d.h. die Nervenzellen sind nach so langer Zeit wahrscheinlich irreparabel geschädigt.

Behandlung des chronischen Tinnitus

Der sogenannte chronische Tinnitus kann das Wohlbefinden und die Lebensqualität der davon Betroffenen nachhaltig stören. Folgekrankheiten wie Schlafstörungen, Depressionen, Immunstörungen oder soziale Folgen wie Rückzug aus der Gemeinschaft, Arbeitsunfähigkeit drohen oder können auftreten. In diesem Fall spricht man von einem chronisch dekompensierten Tinnitus. Patienten, welche sich bereits an „ihren“ Tinnitus gewöhnt haben, bedürfen meist keiner weiteren Therapie, man spricht dann von einem chronisch kompensierten Tinnitus.

Die Behandlung beim chronisch dekompensierten Tinnitus ist so angelegt, dass der Patient auch mit dem Ohrgeräusch wieder Lebensqualität gewinnt und ihm Lebensfreude ermöglicht wird. In günstigen Fällen verschwindet der Tinnitus auch vollständig. Dabei gilt es, mit Hilfe ganz real zu machender Erfahrungen durch Hör- und Geräuschtherapie Befürchtungen nacherlebbar auszuräumen. Nicht selten zeigt sich aber auch, dass hinter dem Tinnitus-Leiden weitergehende Probleme verborgen sein können. Dies gilt für ernsthafte depressive Verstimmungen ebenso wie für massive Konflikte etwa familiärer Art oder am Arbeitsplatz. Hier kann intensive Psychotherapie helfen, die Verkoppelung von Tinnitus, Problemen und Gefühlen zu lösen. Unterstützt werden kann die Tinnitustherapie ggf.

Weitere Therapieansätze

  • Stressbewältigung: Achtsamkeitstraining kann entscheidend dazu beitragen, die Wahrnehmung eigener Bedürfnisse zu schärfen und innere Anspannung frühzeitig zu erkennen. Die Klinik Friedenweiler ist eine der führenden Adressen für die Behandlung von psychischen und psychosomatischen Beschwerden, wie stressbedingtem Reizdarm, Herzstolpern oder Tinnitus.
  • Physiotherapie und Massagen: Massagen von Triggerpunkten am Nacken und Physiotherapie wirken generell spannungslösend auf die Muskulatur und helfen, den Druck auf bestimmte Nerven der Halswirbelsäule zu reduzieren sowie Stress und akkumulierte Verspannungen abzubauen. Es sollten Körperstellungen bevorzugt werden, die den Halsbereich nicht ermüden, und spezielle Nackenübungen durchgeführt werden, die die Verspannungen im Nackenbereich lösen. Außerdem kann eine geeignete Physiotherapie dazu beitragen, die Muskeln entspannt zu halten.
  • Sound-Enrichment-Therapie: Ein durch Nackenverspannungen verursachter oder objektiver Tinnitus klingt im Allgemeinen ab, wenn die zugrunde liegende Ursache ermittelt und angemessen behandelt wurde. Bei der Überbrückung dieser Übergangsphase können Hilfsmittel zur Klangbereicherung verwendet werden. Hierzu sind u. a. an die Natur angelehnte, möglichst kontinuierliche Geräusche, wie etwa das Rauschen eines Baches oder Wasserfalls oder das Geräusch von Regen, geeignet. Das Spektrum dieser Geräusche sollte möglichst breit sein. Diese Hilfsmittel stimulieren das Gehör stetig und helfen, die Lautstärke des Tinnitus zu reduzieren. In einigen Fällen können sie die Ohrgeräusche sogar ganz verschwinden lassen.
  • Tinnitus Noiser: Eine weitere Möglichkeit sind spezielle Hörgeräte, die sogenannten Tinnitus Noiser. Diese Hörgeräte erzeugen einen Ton, der den Klang des Tinnitus akustisch überdeckt.

Prävention

Um einem Tinnitus vorzubeugen, ist es wichtig, Stress zu reduzieren und für ausreichend Entspannung zu sorgen. Ein einfacher Gehörschutz kann schon so viel bewirken.

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