Ultraschalltherapie bei Nervenschmerzen: Studien und Anwendungen

Die Ultraschalltherapie ist ein etabliertes therapeutisches Verfahren in der Medizin, insbesondere in der physikalischen und Rehabilitationsmedizin. Die korrekte Anwendung von Ultraschall kann zu hervorragenden Behandlungsergebnissen führen.

Historischer Hintergrund

Bereits im späten 19. Jahrhundert wurden mit der Entdeckung des piezoelektrischen Effekts durch die Brüder Jacques und Pierre Curie die Grundlagen für den therapeutischen Ultraschall geschaffen. Im Jahr 1939 konnte an der Charité Berlin ein Ultraschallgerät erstmals erfolgreich zur Behandlung von Ischialgien, Plexusneuralgien und Arthroseschmerzen eingesetzt werden. Seit den 1950er-Jahren gilt diese Therapieform als fester Bestandteil in der Schmerzbehandlung im Bereich des Bewegungsapparates.

Physikalische Grundlagen der Ultraschalltherapie

Ultraschall sind akustische Wellen oberhalb der menschlichen Wahrnehmungsgrenze, d.h. mit einer Frequenz von mehr als 20.000 Hz (20 kHz). Schall breitet sich als longitudinale Kompressionswelle in einem Medium aus, was bedeutet, dass eine Ausbreitung im Vakuum nicht möglich ist. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Ultraschallwellen hängt von der Dichte des Mediums ab. Von großer Bedeutung ist auch der Schallwellenwiderstand des Mediums, die sogenannte akustische Impedanz.

Durchläuft die Schallwelle Medien mit unterschiedlicher akustischer Impedanz, kommt es am Übergang teilweise zu einer Reflexion des Schalls. Je größer der Unterschied in der Impedanz, desto größer die Reflexion. Bei sehr hohen Impedanzsprüngen (z.B. Schallkopf - Luft - Körperoberfläche) kann es sogar zu einer totalen Schallreflexion kommen. Um dies bei der Ankopplung an den Körper zu vermeiden, wird ein Ankopplungsmedium benötigt, meistens Ultraschallgel, gelegentlich Öl oder Wasser. Ein etabliertes Verfahren in diesem Zusammenhang ist die Phonophorese, bei der Medikamente in Gelform direkt zwischen Schallkopf und Körper appliziert und somit mit Schallwirkung in den Körper eingebracht werden.

Die Absorption ist das Gegenteil der Reflexion: Sie bezeichnet die Umwandlung der mechanischen Ultraschallwellen in eine andere Energieform, meistens Wärme. Beim Durchtritt einer Schallwelle durch ein Medium kommt es infolge der stetigen Absorption und Energieumwandlung zur Abschwächung der Schallintensität. Das Maß hierfür ist der Absorptionskoeffizient, der unter anderem von der Dichte des Mediums, aber auch von der Schallfrequenz abhängt. Je höher dieser Absorptionskoeffizient ist, desto mehr Schall wird im Medium absorbiert und desto höher ist die Erwärmung der jeweiligen Gewebeschicht.

Lesen Sie auch: Hüft-TEP und Nervenschmerzen

Je höher die Dichte des Gewebes, desto höher ist der Absorptionskoeffizient: Knochen hat einen etwa 20-mal, Muskulatur einen ca. 2- bis 5-mal so hohen Absorptionskoeffizienten wie Fettgewebe. Je höher die Schallfrequenz, desto höher ist der Absorptionskoeffizient: Dieser ist bei 3 MHz 3-mal so hoch wie bei 1 MHz. Das bedeutet:

  • Hohe Dichte und hohe Schallfrequenz: geringe Eindringtiefe
  • Geringe Dichte und niedrige Schallfrequenz: hohe Eindringtiefe

Der Begriff der Halbwertstiefe bezeichnet jene Eindringtiefe, bei der es zu einer Reduktion der Schallintensität auf 50 % des Ausgangswertes kommt. Bei der Penetrationstiefe wiederum liegt mit ca. 10 % des Ausgangswertes nur noch ein Minimum an Behandlungseffekt vor.

Stehende Wellen

In der therapeutischen Anwendung kommt es üblicherweise gleichzeitig zu Reflexion und Absorption von Schallwellen im Gewebe, während permanent neue Schallwellen von der Schallquelle ausgesendet werden. Es treffen also auf bereits reflektierte Schallwellen im Körper neu hinzukommende Schallwellen. Diesen Effekt der Interferenz nennt man stehende Wellen. Diese führen zu einer deutlichen Erhöhung der Schallintensität im jeweiligen Anwendungsbereich, was wiederum zu sehr hohen Temperaturanstiegen und somit zu Gewebsschädigungen infolge von Überhitzung führen kann. Daher ist es von großer Wichtigkeit, die Entwicklung stehender Wellen unbedingt zu vermeiden. Dies wird in der Regel durch permanente Bewegung des Schallkopfes im Therapieareal erreicht.

Wirkungsweise der Ultraschalltherapie

Die Wirkung des therapeutischen Ultraschalls beruht vor allem auf der Umwandlung des absorbierten Schalls in andere Energieformen, üblicherweise in Wärme. Allerdings wird auch von Effekten durch mechanische Reaktionen (Vibrationswirkung) ausgegangen. Bisher nachgewiesene Effekte im Gewebe umfassen die Hyperthermie, eine Steigerung des Stoffwechsels im Behandlungsareal, eine verbesserte Dehnbarkeit kollagener Fasern, eine vermehrte Zellaktivität sowie eine verbesserte Wundheilung aufgrund einer Proliferation von Fibroblasten. Außerdem ist - als vermutlich mechanische Nebenwirkung - die Kavitation bekannt: Hier handelt es sich um die Bildung von Gasbläschen im Gewebe mit konsekutiver Zellzerstörung und Hervorrufen von petechialen Blutungen.

Wirksamkeit der Ultraschalltherapie

Eine umfangreiche Auflistung zahlreicher Studien zum Thema "therapeutischer Ultraschall" inklusive sorgfältiger Evaluierung externer Evidenzen findet sich auf der Webseite "Orientierungshilfe physikalische Medizin und allgemeine Rehabilitation" (www.orientierungshilfe-pmr.at), welche als Konsens einer Arbeitsgruppe der Österreichischen Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation, ÖGPMR, zusammengestellt wurde. Die interne Evidenz zeigt darüber hinaus gute Therapieergebnisse bei der Kombination von Ultraschallanwendungen mit anderen Behandlungen, vor allem der Elektrotherapie.

Lesen Sie auch: Nervenschaden nach Zahnbehandlung: Symptome und Therapie

Technische Details der Handhabung, Praxis und Dosierung

Frequenz

Beim therapeutischen Ultraschall werden üblicherweise Frequenzen von 800 kHz, 1 MHz und 3 MHz verwendet. Aufgrund der Frequenzabhängigkeit der Eindringtiefe (siehe oben) ist es sinnvoll, oberflächliche Strukturen (bis ca. 1 cm Tiefe) mit 3 MHz und tiefere Strukturen (ab etwa 1 cm Tiefe) mit 800 kHz oder 1 MHz zu behandeln.

Schallintensität

Die Schallintensität wird in Watt pro cm² gemessen. Übliche Schallintensitäten betragen zwischen 0,05 und 3 W/cm², wobei für gewöhnlich drei Intensitätsbereiche angegeben werden - je nach Literatur allerdings in schwankenden Intensitätsgrenzen.

Behandlungszeit

In der Praxis beträgt die übliche Behandlungsdauer bei dynamischer Anwendung 5 bis 10 Minuten, wobei die Dauer von 5 Minuten gelegentlich zu kontroversen Diskussionen bezüglich der Wirksamkeit führt. Viele Studienergebnisse wurden mit einer Dauer von 15 Minuten erzielt. In der Praxis erweisen sich großflächige Anwendungen daher als wenig effektiv.

Form der Schallabgabe

Gleichschall oder Dauerschall bedeutet kontinuierliche, also konstante Abgabe der Schallintensität und ergibt eine ausgeprägte thermische Wirkung. Impulsschall bedeutet eine gepulste Abgabe der Schallenergie mit Pausen, während denen kein Schall appliziert wird. Je nach Literatur wird dem Impulsschall keine bis nur geringe Wärmewirkung zugeschrieben.

Häufigkeit

Bei akuten Beschwerden wird eine tägliche Behandlung mit Impulsschall, bei subakuten und chronischen Erkrankungen üblicherweise eine Therapie 2-3 mal pro Woche mit kontinuierlichem Schall empfohlen - als Therapieserie je nach Notwendigkeit insgesamt 5- bis 10-mal.

Lesen Sie auch: Medikamentenfreie Schmerzlinderung bei Nervenschmerzen

Beschallungsverfahren

  • Dynamische Beschallung: ständige Bewegung des Schallkopfes über dem Behandlungsareal - sinnvoll bei größeren Regionen
  • Semistatische Beschallung: ständige Bewegung des Schallkopfes über einer Behandlungsstelle - sinnvoll bei kleineren, definierten Schmerzregionen, z.B. Triggerpunkten
  • Statische Beschallung: keine Bewegung des Schallkopfes. Aufgrund der Möglichkeit der Entstehung stehender Wellen bis auf wenige Indikationen (mit geringen Schallintensitäten) nicht sinnvoll.

Direkte vs. indirekte Beschallung

Üblicherweise wird der Schallkopf direkt über dem Behandlungsareal appliziert. Als indirekte Beschallung wird gelegentlich eine Behandlung im zugehörigen Segment bezeichnet. Andere Autoren bezeichnen die Behandlung im Wasserbad als indirekt, wobei in diesem Fall durch eine subaquale Therapie vor allem bei kleinen Gelenken ein sehr guter Ankoppelungseffekt erzielt werden kann.

Indikationen für die Ultraschalltherapie

Die Ultraschalltherapie wird bei einer Vielzahl von Erkrankungen eingesetzt, darunter:

  • Arthrosen
  • Vertebragene Syndrome bei degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen, Myalgien
  • Tendinosen (z.B. Epicondylopathia humeri radialis et ulnaris, Achillodynie, Rotatorenmanschettenläsionen)
  • Morbus Bechterew
  • Sklerodermie
  • Weichteilrheumatismus
  • Neuralgien und Nervenkompressionssyndrome (z.B. Karpaltunnelsyndrom)
  • Verzögerte Kallusbildung nach Fraktur
  • Narben
  • Dupuytren’sche Kontraktur
  • Ganglion
  • Wundheilung, z.B. von Ulcera cruris
  • Resorption von Hämatomen

Spezielle Verfahren der Ultraschalltherapie

Das Simultanverfahren, eine Kombination aus Ultraschall und Elektrotherapie, wird eher selten angewendet. Hierbei findet der Schallkopf meistens als differente Elektrode Anwendung (und wird häufig als Kathode gepolt).

Ein weiteres Verfahren ist das "Kallus-Schema" zur Behandlung von Pseudoarthrosen. Dieses empfiehlt die Anwendung eines statischen gepulsten Ultraschalls direkt über der Pseudoarthrose ab dem 7. Tag posttraumatisch mit 0,3 W/cm² bei 1,5 MHz über jeweils 20 Minuten, wobei die Behandlung täglich (allenfalls über ein Gipsfenster) über 20 Wochen durchgeführt werden sollte.

Kontraindikationen und lokale Anwendungsverbote

Da es sich bei der Behandlung mit Ultraschall um eine lokale Therapie handelt, ist es sinnvoller, von lokalen Anwendungsverboten statt von Kontraindikationen zu sprechen.

  • Augen
  • Uterus bei Schwangeren
  • Herzschrittmacher & Defibrillator - Abstand von 20-30 cm einhalten!
  • Anästhetische Areale
  • Areale mit vaskulärer Insuffizienz
  • Rückenmark bei Z.n. Laminektomie
  • Gelenksersatz aus Methylmethacrylat oder Polyethylen - nicht jedoch Metall!
  • Herz
  • Gehirn
  • Maligner Tumor
  • Blutungsneigung
  • Epiphysenfugen bei Kindern
  • Allgemeine Kontraindikationen gegen Wärmetherapie (z.B. Fieber, Thrombosen etc.)

Neuere Entwicklungen in der Ultraschalltherapie

Eine Neuerung der letzten Jahre sind statische Ultraschallgeräte, welche die Applikation des Schallkopfes direkt über dem Behandlungsareal erlauben, ohne dass dieser dynamisch darüberbewegt werden muss. Erzielt wird dies entweder mit einem Schallkopf, welcher sich wie eine Vakuumeinheit am Behandlungsgebiet ansaugt, wobei die Schallintensität permanent moduliert wird, um Schäden durch Hyperthermie zu vermeiden, oder durch abwechselnde Aktivierung und Deaktivierung von nebeneinanderliegenden Ultraschallfeldern im Bereich des Schallkopfes ("Drehfeldtechnologie"). Diese Neuentwicklungen bedeuten vor allem eine ressourcenschonende Anwendung, da die übliche 1-zu-1-Betreuung während der Therapie nicht notwendig ist.

Ultraschalltherapie bei Tremor und neuropathischen Schmerzen

Am Universitätsklinikum Freiburg gibt es eine neue, schonende Behandlungsoption gegen den Essentiellen Tremor: die Therapie mit fokussiertem Ultraschall (HiFUS). Dabei werden bestimmte Hirnareale millimetergenau behandelt, um das Zittern auszuschalten - ohne Operation, ohne den Kopf zu eröffnen, ohne Schnitt, ohne Implantat. Die Therapie ist auch bei der Parkinson-Erkrankung und neuropathischen Schmerzen zugelassen.

Ultraschallgestützte Interventionen in der Schmerzmedizin

Moderne Ultraschallgeräte bieten enorme diagnostische und therapeutische Möglichkeiten in der Schmerzmedizin. Durch die Anwendung der Sonografie können Röntgenstrahlen vermieden werden, was zur Reduktion von Strahlenbelastung führt. Ultraschallgestützte Interventionen haben vor allem in der Diagnostik und bei akuten Bandscheibenvorfällen eine sehr gute Evidenz. In der Regel handelt es sich dabei um sogenannte Facettenblockaden, bei denen unter Ultraschallkontrolle ein Schmerzmittel, gegebenenfalls in Kombination mit einem Kortison, an das schmerzverursachende Wirbelgelenk oder die gereizte Nervenwurzel gespritzt wird. Ultraschallgeführte Verfahren können aber auch an peripheren Nerven am gesamten Körper eingesetzt werden und gelten hier bereits als Goldstandard.

tags: #Ultraschalltherapie #bei #Nervenschmerzen #Studien