Polyneuropathie ist ein Begriff, der eine Vielzahl von Erkrankungen des peripheren Nervensystems umfasst. Die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums Würzburg bietet umfassende Diagnostik, individualisierte Behandlung und Beratung für Patienten mit Polyneuropathien unterschiedlicher Ursachen. Darüber hinaus leistet die Klinik durch Forschung einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis und zur Verbesserung der Therapie dieser komplexen Erkrankungen.
Was ist Polyneuropathie?
Polyneuropathie (PNP) ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Sammelbegriff für Erkrankungen, die mehrere periphere Nerven außerhalb des Gehirns und Rückenmarks betreffen. Diese Nervenschädigungen können zu einer Vielzahl von Symptomen führen, die die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen können.
Symptome der Polyneuropathie
Die Symptome einer Polyneuropathie können vielfältig sein und hängen von den betroffenen Nervenfasern ab. Typische Kennzeichen sind:
- Sensibilitätsstörungen wie Kribbeln, Brennen, Taubheitsgefühle oder Schmerzen, vor allem in Füßen und Händen.
- Motorische Störungen wie Muskelschwäche, Lähmungen oder Gangunsicherheit.
- Störungen des Gleichgewichts.
Ursachen und Formen der Polyneuropathie
Polyneuropathien sind ätiologisch heterogen, d.h. sie können viele verschiedene Ursachen haben. Zu den häufigsten Ursachen gehören:
- Diabetes mellitus: Die diabetische Polyneuropathie ist eine der häufigsten Formen und entsteht durch chronisch erhöhte Blutzuckerwerte, die die Nerven schädigen.
- Chronisch-inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP): EineAutoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die Myelinscheiden der Nerven angreift.
- Vaskulitische Polyneuropathie: Entzündungen der Blutgefäße, die die Nerven versorgen, können zu Nervenschäden führen.
- Small-Fiber-Neuropathie: Eine spezielle Form, bei der vor allem die kleinen Nervenfasern betroffen sind, die für die Schmerz- und Temperaturempfindung zuständig sind.
- Weitere Ursachen: Alkoholmissbrauch, bestimmte Medikamente, Vitaminmangel, Nierenerkrankungen, Infektionen und genetische Faktoren.
Diagnostik der Polyneuropathie an der Uniklinik Würzburg
Die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums Würzburg bietet ein breites Spektrum an diagnostischen Verfahren zur Abklärung von Polyneuropathien an. Ziel ist es, die Ursache der Erkrankung zu identifizieren und eine individuelle Behandlung zu ermöglichen.
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Neurologische Untersuchung und Anamnese
Am Anfang steht ein ausführliches Gespräch mit dem Arzt, in dem die Krankengeschichte (Anamnese) erhoben wird. Anschließend erfolgt eine umfassende neurologische Untersuchung, um die Symptome zu beurteilen und die betroffenen Nerven zu identifizieren.
Elektrophysiologische Untersuchungen
Elektrophysiologische Tests wie die Elektroneurographie (ENG) und die Elektromyographie (EMG) messen die Nervenleitgeschwindigkeit und die Muskelaktivität. Diese Untersuchungen können helfen, die Art und das Ausmaß der Nervenschädigung zu beurteilen.
Quantitative sensorische Testung (QST)
Die quantitative sensorische Testung (QST) ist ein Verfahren, mit dem die Funktion der verschiedenen Nervenfasern, die für die Sensibilität zuständig sind, untersucht werden kann.
Hautbiopsie
Eine Hautbiopsie kann durchgeführt werden, um die Dichte der kleinen Nervenfasern in der Haut zu bestimmen. Dies ist besonders hilfreich bei der Diagnose der Small-Fiber-Neuropathie. An der Uniklinik Würzburg kommt hierbei modernste Bildgebung zum Einsatz, einschließlich superauflösender Array-Tomographie und Expansionsmikroskopie.
Nerven- und Muskelultraschall
Der Ultraschall kann verwendet werden, um die Nerven und Muskeln darzustellen und Veränderungen wie Entzündungen oder Tumore zu erkennen.
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Liquoruntersuchung
Bei Verdacht auf entzündliche Erkrankungen des Nervensystems kann eine Untersuchung des Nervenwassers (Liquor) durchgeführt werden.
Blutuntersuchungen
Blutuntersuchungen können helfen, Stoffwechselstörungen, Entzündungen oder andere Erkrankungen zu identifizieren, die eine Polyneuropathie verursachen können.
Genetische Diagnostik
Bei Verdacht auf eine erbliche Form der Polyneuropathie kann eine genetische Untersuchung durchgeführt werden.
Innovative Forschung zur Biomarker-Identifizierung
Aktuelle Forschungsprojekte an der Uniklinik Würzburg konzentrieren sich auf die Identifizierung von Biomarkern zur besseren Charakterisierung und Diagnose verschiedener Formen von Polyneuropathien. Insbesondere werden Tight Junction Proteine und ihre Regulatoren in Nervenbiopsien von Patienten mit entzündlichen und nicht-entzündlichen Polyneuropathien untersucht. Ziel ist es, verlässliche Biomarker zu finden, um die verschiedenen Formen der Polyneuropathie besser abgrenzen und gezielter behandeln zu können.
Behandlung der Polyneuropathie an der Uniklinik Würzburg
Die Behandlung der Polyneuropathie richtet sich nach der Ursache der Erkrankung und den individuellen Symptomen des Patienten.
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Behandlung der Grunderkrankung
Wenn die Polyneuropathie durch eine Grunderkrankung wie Diabetes mellitus verursacht wird, steht die Behandlung dieser Erkrankung im Vordergrund. Eine gute Blutzuckereinstellung kann das Fortschreiten der Polyneuropathie verlangsamen oder sogar stoppen.
Medikamentöse Therapie
- Schmerzmittel: Bei neuropathischen Schmerzen können spezielle Schmerzmittel wie Antidepressiva oder Antiepileptika eingesetzt werden.
- Immuntherapie: Bei entzündlichen Polyneuropathien wie CIDP können Immuntherapien wie Immunglobuline oder Kortikosteroide eingesetzt werden, um die Entzündung zu reduzieren.
Nicht-medikamentöse Therapie
- Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Muskelkraft und die Koordination zu verbessern.
- Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, den Alltag besser zu bewältigen und Hilfsmittel anzupassen.
- Schmerztherapie: Neben Medikamenten können auch nicht-medikamentöse Verfahren wie Akupunktur, TENS oder Entspannungsverfahren zur Schmerzlinderung eingesetzt werden.
Interdisziplinäre Betreuung
Die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums Würzburg arbeitet eng mit anderen Fachdisziplinen wie der Rheumatologie, Gastroenterologie, Pneumologie und Radiologie zusammen, um eine umfassende und interdisziplinäre Betreuung der Patienten zu gewährleisten.
Spezialsprechstunden und Ambulanzen
Die Neurologische Klinik bietet verschiedene Spezialsprechstunden und Ambulanzen für Patienten mit Polyneuropathien und anderen neurologischen Erkrankungen an:
- Polyneuropathie-Sprechstunde: Hier werden Patienten mit Polyneuropathien jeglicher Ursache diagnostiziert und behandelt.
- Schmerzsprechstunde: Diese Sprechstunde ist spezialisiert auf die Behandlung von neurologisch bedingten Schmerzen, einschließlich neuropathischer Schmerzen bei Polyneuropathie.
- Sprechstunde für neuromuskuläre Erkrankungen: Hier werden Patienten mit Muskelerkrankungen, Polyneuropathien und anderen neuromuskulären Erkrankungen betreut.
- ASV-Sprechstunde: Im Rahmen der Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) bietet ein hochspezialisiertes Team eine ambulante Behandlung für Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen an.
Forschungsschwerpunkte
Die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums Würzburg forscht intensiv auf dem Gebiet der Polyneuropathien und neuropathischen Schmerzen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Nerven- und Hautzellen.
Neue Erkenntnisse zur Kommunikation zwischen Hautzellen und Nervenfasern
Die Arbeitsgruppe um Professorin Nurcan Üçeyler hat herausgefunden, dass Hautzellen (Keratinozyten) und Nervenfasern miteinander kommunizieren und gemeinsam äußere Reize wahrnehmen. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven für das Verständnis von Neuropathie und Schmerz und könnten zu neuen Therapieansätzen führen.
Untersuchung von Connexin-43-(Cx43)-Proteinkomplexen
Die Forscher haben in Hautproben von gesunden Probanden und Patienten mit Small-Fiber-Neuropathie so genannte Connexin-43-(Cx43)-Proteinkomplexe zwischen Keratinozyten und Nervenfasern entdeckt. Cx43 spielt eine entscheidende Rolle bei der Zell-Zell-Kommunikation.
Entwicklung eines 2D-Cokultur-Modells
Um die Wechselwirkungen zwischen Nerven- und Hautzellen zu simulieren, hat die Arbeitsgruppe ein 2D-Cokultur-Modell entwickelt. In diesem Modell konnten sie zeigen, dass Nervenfasern aktiv in Richtung der Keratinozyten wachsen und von diesen ummantelt werden. An den Kontaktstellen fanden sie Cx43-Cluster, was auf eine Zell-Nervenfaser-Kommunikation hindeutet.
Mögliche neue Zielstrukturen für Schmerzmittel
Die Ergebnisse der Forschung legen nahe, dass die Haut eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Schmerzen spielt und möglicherweise eine neue Zielstruktur für den Einsatz von Schmerzmitteln oder neuroprotektiven Substanzen darstellt.
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