Das menschliche Gehirn: Aufbau, Funktion und lebenslange Plastizität

Das menschliche Gehirn ist das komplexeste Organ, das die Natur je hervorgebracht hat. Mit seinen 100 Milliarden Nervenzellen und einem Vielfachen davon an Kontaktpunkten verleiht es dem Menschen Fähigkeiten, an die kein Supercomputer bisher herankommt. Eine der wichtigsten Eigenschaften ist seine Lernfähigkeit.

Einführung in die faszinierende Welt des Gehirns

Das menschliche Gehirn entfacht seit jeher Faszination. Es ist die Schaltzentrale, die unser Denken, Verhalten und Empfinden steuert und beeinflusst. Trotz jahrhundertelanger Forschung bleibt das Gehirn ein Rätsel, das nur teilweise entschlüsselt wurde. Dieser Artikel wirft einen genaueren Blick auf das menschliche Gehirn, seine Funktionen und die verschiedenen Gehirnregionen, die eine entscheidende Rolle bei der Steuerung unseres Körpers und unserer kognitiven Fähigkeiten spielen. Wir werden auch einige der Erkrankungen und Störungen untersuchen, die das Gehirn beeinträchtigen können, sowie hilfreiche Möglichkeiten, um das Gehirn fit zu halten.

Was ist das Gehirn?

Das Gehirn (Encephalon) ist der Teil des zentralen Nervensystems, der innerhalb des knöchernen Schädels liegt und diesen ausfüllt. Es besteht aus unzähligen Nervenzellen, die über zuführende und wegführende Nervenbahnen mit dem Organismus verbunden sind und ihn steuern. Die Länge aller Nervenbahnen unseres Gehirns zusammen beträgt ungefähr 5,8 Mio. Kilometer.

Gehirnzellen und ihre Helfer

Ein Mensch hat ungefähr 100 Milliarden Gehirnzellen, die das zentrale Nervensystem, unser Gehirn, aufbauen und untereinander verknüpft sind. Die Zahl dieser Verknüpfungen wird auf 100 Billionen geschätzt. Die Nervenzellen im Gehirn sind eingebettet in ein stützendes Gewebe aus Gliazellen.

Schutzhüllen des Gehirns

Das Gehirn ist von drei Hirnhäuten umgeben: Dura mater, Arachnoidea und Pia mater.

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Der Aufbau des Gehirns: Fünf Hauptabschnitte

Das menschliche Gehirn lässt sich grob in fünf Abschnitte gliedern:

  1. Großhirn (Telencephalon)
  2. Zwischenhirn (Diencephalon)
  3. Mittelhirn (Mesencephalon)
  4. Kleinhirn (Cerebellum)
  5. Nachhirn (Myelencephalon, Medulla oblongata)

Großhirn (Telencephalon): Sitz der höheren geistigen Fähigkeiten

Das Großhirn ist der größte und schwerste Teil des Gehirns und ähnelt mit seinen Falten und Furchen einem Walnusskern. Es besteht aus einer rechten und einer linken Gehirnhälfte, die durch ein dickes Bündel aus Nervenfasern verbunden sind, dem Balken (Corpus callosum). Die Großhirnrinde, auch Kortex genannt, ist die äußere Schicht des Großhirns und Sitz vieler höherer geistiger Fähigkeiten. Einzelne Bereiche haben dabei unterschiedliche Aufgaben:

  • Sprache verstehen
  • Gesichter erkennen
  • Erinnerungen abspeichern

In der Regel ist aber keine Region allein für eine bestimmte Fähigkeit verantwortlich, sondern nur im Zusammenspiel mit anderen.

Zwischenhirn (Diencephalon): Schaltzentrale und Hormonsteuerung

Das Zwischenhirn besteht unter anderem aus dem Thalamus und dem Hypothalamus. Der Thalamus fungiert als "Tor zum Bewusstsein" und filtert Sinneseindrücke, bevor sie an die Großhirnrinde weitergeleitet werden. Der Hypothalamus steuert wichtige Körperfunktionen wie:

  • Schlaf-Wach-Rhythmus
  • Hunger und Durst
  • Schmerz- und Temperaturempfinden
  • Sexualtrieb
  • Hormonhaushalt (zusammen mit der Hypophyse)

Mittelhirn (Mesencephalon): Verbindungsstelle und Reflexzentrum

Das Mesencephalon ist der kleinste Abschnitt des Gehirns und verbindet das Vorderhirn mit dem Hinterhirn. Es ist an der Steuerung von Augenbewegungen, der Verarbeitung akustischer Signale und der Regulation von Muskeltonus beteiligt.

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Kleinhirn (Cerebellum): Koordination und Gleichgewicht

Das Kleinhirn befindet sich oberhalb des Hirnstamms und unterhalb der beiden Großhirnhemisphären. Es koordiniert Bewegungen und das Gleichgewicht und speichert erlernte Bewegungen.

Nachhirn (Myelencephalon, Medulla oblongata): Lebenswichtige Funktionen

Das Myelencephalon, auch Medulla oblongata genannt, stellt den Übergang zwischen Gehirn und Rückenmark dar. Es steuert lebenswichtige Funktionen wie:

  • Atmung
  • Herzfrequenz
  • Blutdruck
  • Reflexe (z.B. Schlucken, Husten)

Hirnstamm: Die Steuerzentrale für grundlegende Lebensfunktionen

Der Hirnstamm ist der stammesgeschichtlich älteste Teil des Gehirns und besteht aus Mittelhirn, Medulla oblongata und Brücke (Pons). Er ist für die grundlegenden Lebensfunktionen zuständig. Er steuert die Herzfrequenz, den Blutdruck und die Atmung sowie Reflexe wie den Lidschluss-, Schluck- oder Hustenreflex.

Graue und weiße Substanz: Die Bausteine des Gehirns

Die graue Substanz im Gehirn besteht in erster Linie aus Nervenzellkörpern. Aus grauer Substanz bestehen etwa die Großhirnrinde, die Basalganglien, die Kleinhirnrinde und die Hirnnervenkerne. Die weiße Substanz besteht aus den Nervenzellfortsätzen, den Nervenfasern (Axonen). Die weiße Substanz findet sich im Mark von Großhirn und Kleinhirn.

Hirnnerven: Verbindungen zur Peripherie

Dem Gehirn entspringen zwölf paarige Nerven, die den Kopf, den Hals und Organe im Rumpf versorgen.

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Blutversorgung des Gehirns: Energie für Höchstleistungen

Der Energieverbrauch im Gehirn ist enorm hoch. Fast ein Viertel des Gesamtenergiebedarfs des Körpers entfällt auf das Gehirn. Die Glukosemenge, die täglich mit der Nahrung aufgenommen wird, wird bis zu zwei Drittel vom Gehirn beansprucht. Zwischen 15 und 20 Prozent des Herzminutenvolumens entfällt auf die Blutversorgung des Gehirns.

Die Blutversorgung des Gehirns erfolgt über die rechte und linke innere Halsschlagader (Arteria carotis interna) und über die Arteria vertebralis. Durch weitere Arterien werden diese zu einem Gefäßring (Circulus arteriosus cerebri) geschlossen, der die Basis des Zwischenhirns umfasst.

Blut-Hirn-Schranke: Schutz vor schädlichen Substanzen

Das empfindliche Gewebe im Gehirn ist durch die Blut-Hirn-Schranke gegen schädigende Substanzen im Blut (wie Gifte, Krankheitserreger, bestimmte Medikamente etc.) abgeschirmt.

Funktion des Gehirns: Steuerung von Körper und Geist

Das Gehirn ist die Steuerzentrale des Körpers und übernimmt lebenswichtige Aufgaben, wie die Steuerung von Atmung und Kreislauf. Dazu nimmt das Gehirn alle Informationen von den Organen und aus der Umwelt auf, speichert und verarbeitet sie. Auch komplexe Funktionen wie Denken, Lernen, Emotionen oder Handlungsabläufe werden dort gesteuert.

Informationsverarbeitung im Gehirn: Ein komplexes Netzwerk

Die Gehirnzellen sind durch Synapsen, Kontaktstellen zwischen den Zellen, miteinander verbunden. Diese Kontaktstellen spielen eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung der Nachrichten. Informationen aus dem Körper oder der Umwelt gelangen etwa in Form von Hormonen über das Blut oder als elektrische Impulse aus den Sinneszellen über Nervenbahnen bis ins Gehirn. Dort werden sie bewertet und verarbeitet. Als Reaktion werden entsprechende Signale vom Gehirn wieder ausgesendet - zum Beispiel an Muskeln, um sich zu bewegen, an Drüsen, um Sekrete zu produzieren und abzugeben, oder an Sinnesorgane, um Reize aus der Umwelt zu beantworten.

Die Rolle des limbischen Systems: Emotionen und Triebe

Das Limbische System regelt das Affekt- und Triebverhalten und dessen Verknüpfungen mit vegetativen Organfunktionen. Zwei wichtige Teilbereiche innerhalb des limbischen Systems sind die Amygdala (Mandelkern) und der Hippocampus.

Die Plastizität des Gehirns: Lebenslanges Lernen und Anpassung

Bis vor wenigen Jahren galt unter Wissenschaftlern als ausgemacht: Das Gehirn eines Erwachsenen verändert sich nicht mehr. Heute weiß man jedoch, dass das Gehirn bis ins hohe Alter laufend umgebaut wird. Manche Neurobiologen vergleichen es sogar mit einem Muskel, der trainiert werden kann. Die Vorstellung, dass das Gehirn ein Leben lang lernfähig bleibt, ist aus wissenschaftlicher Sicht unbestritten. Anders hätte der Mensch die vielfältigen Herausforderungen, denen er im Laufe eines Lebens begegnet, auch gar nicht bewältigen können. So können wir bis ins hohe Alter eine Fremdsprache und Yoga lernen, uns Gesicht und Stimme eines neuen Arbeitskollegen merken oder den Weg zu einer neuen Pizzeria.

Synaptische Plastizität: Die Grundlage des Lernens

Lernen findet an den Synapsen statt - also den Orten, an denen die elektrischen Signale von einer Nervenzelle zur nächsten übertragen werden. Neurowissenschaftler haben herausgefunden, dass Synapsen die Effektivität der Übertragung variieren können. Man bezeichnet dieses Phänomen auch als synaptische Plastizität. So kann eine Synapse durch einen Vorgang namens Langzeitpotenzierung (LTP) verstärkt werden, indem sie mehr Botenstoff ausschüttet oder mehr Botenstoffrezeptoren bildet.

Die Übertragung von Signalen kann aber nicht nur verstärkt oder abgeschwächt werden, sie kann auch überhaupt erst ermöglicht oder völlig gekappt werden. So wissen Neurowissenschaftler heute, dass Synapsen selbst im erwachsenen Gehirn noch komplett neu gebildet oder abgebaut werden können. An wenigen Stellen wie zum Beispiel im Riechsystem können sogar zeitlebens neue Nervenzellen gebildet werden. Es ist also nicht übertrieben, wenn man sagt: Unser Gehirn gleicht zeitlebens einer Baustelle.

Trainingseffekt: Gehirnjogging und seine Grenzen

Viele Wissenschaftler bezweifeln aber, dass Gehirnjogging-Übungen die generelle Leistungsfähigkeit des Gehirns steigern. Sie gehen davon aus, dass sich der Trainingseffekt nur auf die unmittelbar trainierte Aufgabe auswirkt.

Reparaturmechanismen: Kompensation nach Schäden

Seine Plastizität hilft dem Gehirn zudem, Schäden zumindest teilweise zu reparieren. Sterben beispielsweise bei einem Schlaganfall Nervenzellen ab, können benachbarte Hirnregionen die Aufgaben des betroffenen Gebiets zum Teil übernehmen.

Forschung am Gehirn: Neue Erkenntnisse und Technologien

Wissenschaftler können die Gehirnaktivität eines Menschen durch EEG-Signale mitlesen. Doch welche Signale gehören zu welchen Denkvorgängen? Bernhard Schölkopf und sein Team wollen diesen Code entschlüsseln und leistungsfähige Gehirn-Computer-Schnittstellen entwickeln.

Um zu verstehen, welche Nervenzellen im Gehirn miteinander kommunizieren und warum, kartografiert Moritz Helmstaedter das ‚soziale Netzwerk‘ im Gehirn, das unser Denken, Fühlen und Handeln steuert. Anne Schäfer vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns forscht dazu, wie unser Gehirn altert und welchen Einfluss Infektionskrankheiten wie Corona haben.

Mit der Magnetresonanztomografie (MRT) können Wissenschaftler die zu Fasersträngen gebündelten Fortsätze von Nervenzellen sichtbar machen, die die Areale der Großhirnrinde miteinander verbinden. Mit einer Variante dieser Technik, der sogenannten funktionellen Magnetresonanztomografie, können Wissenschaftler zwischen aktiven und nicht aktiven Gehirnregionen unterscheiden.

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