Der Unterschied zwischen Nerven und Psyche: Definition und Zusammenhänge

Es kommt vor, dass Menschen Hilfe suchen, obwohl keine psychische Störung festgestellt werden kann. Sie berichten von einer glücklichen Kindheit, einer intakten Ehe, gesunden Kindern und beruflichem Erfolg, können sich aber dennoch zu nichts mehr aufraffen. In solchen Fällen ist es wichtig, die vielfältigen Ursachen körperlicher und seelischer Beschwerden zu verstehen und die Wechselwirkungen zwischen Nerven und Psyche zu berücksichtigen.

Die Komplexität von Körper und Geist

Die Medizin weiß es besser: Die Psychosomatik ist keine neue Fachrichtung. Ursachen für Beschwerden und Therapien werden seit Jahrzehnten in Lehrbüchern und Fachliteratur beschrieben. Doch bis heute lernen junge Ärzte zu wenig über die psychosomatische Medizin. Sie sehen es in der Folge nicht als ihre Aufgabe an, das Gespräch mit den Patienten zu suchen. Und weil in der Gesellschaft zu wenig über das Wechselspiel von Psyche und Körper bekannt ist, fordern die Patienten die psychosomatische Behandlung nicht oder selten ein. Betroffene hoffen stattdessen geradezu auf eine organische Erklärung für ihre Beschwerden. Dass körperliche Verletzungen oder Schädigungen eine Funktionsstörung der Organe bewirken können, ist ohne Erklärung verständlich. Schwieriger ist die Beurteilung seelischer Einflüsse auf die Tätigkeit der Organe, obwohl das Phänomen als solches allgemein bekannt ist. Nicht nur glaubwürdige und z.T. konkret objektivierbare Magen- und Darmstörungen, Herzstörungen, vasomotorische Störungen, Sekretionsstörungen, Hörstörungen, Stimmstörungen, Menstruationsstörungen (Ausbleiben oder vorzeitiges Eintreten der Regelblutung), aber auch neurologische Befunde wie Lähmungen, Ausfall der Sensibilität, Tics, Zittern, Schwindel usw. Kopf-, Brust-, Bauch- und Rückenschmerzen sind neben Müdigkeit, Schwindel, Atemnot und Schlafstörungen die häufigsten Beschwerden, weswegen ein Patient zum Arzt geht und die häufigsten Beschwerden, bei denen keine Ursache gefunden wird.

Die Rolle der Nerven

Das Nervensystem ist ein hochkomplexes Netzwerk, das aus Abermilliarden von Nervenzellen, den Neuronen, besteht. Allein im Gehirn gibt es davon rund 100 Milliarden. Jedes Neuron hat unterschiedliche faserartige Fortsätze: zum einen die Dendriten, mehrere kurze Fortsätze, mit denen die Nervenzelle Signale empfängt, und zum anderen das Axon, das Signale weiterleitet und auch mal über einen Meter lang sein kann. Die Kontaktpunkte zwischen Dendriten und Axonen sind die Synapsen. Das Nervensystem steuert körperliche Prozesse und überwacht den Status des Organismus. Außerdem nehmen wir mit dem Nervensystem die Umwelt wahr. In Augen, Ohren, Nase, Zunge und Hautsensoren verarbeiten Nervenzellen Sinnesreize. Das Nervensystem gibt die Information an das Gehirn weiter, das Empfindungen wie Wohlgefühl oder Schmerz generiert. Bei Bedarf werden notwendige Reaktionen ausgelöst: etwa schnelle Bewegungen, um die Hand zurückzuziehen, die an etwas Heißes fasst; oder ein überlegtes Ausweichen, wenn das Auge ein Hindernis gemeldet hat.

Alle Teile des Nervensystems hängen zusammen. Dennoch unterscheidet man zum besseren Verständnis zwischen dem zentralen und peripheren Nervensystem. Das zentrale Nervensystem besteht aus den Nerven in Gehirn und Rückenmark. Es liegt geschützt im Schädel und im Wirbelkanal der Wirbelsäule. Das periphere Nervensystem umfasst alle anderen Nervenbahnen im Körper. Die Unterscheidung in zentral und peripher bezieht sich auf die Lage der Nerven im Körper. Eine weitere Unterscheidung beruht auf den Funktionen des Nervensystems. Das willkürliche oder somatische Nervensystem lenkt Vorgänge im Körper, die wir bewusst über unseren Willen beeinflussen: Aktionen wie Greifen, Laufen, Sprechen oder das Lesen dieses Artikels. Das unwillkürliche, auch autonome oder vegetative Nervensystem ist für Prozesse verantwortlich, die unabhängig von unserem Willen ablaufen. Es kontrolliert Organfunktionen, die wir nicht bewusst steuern, etwa von Leber oder Darm. Damit steuert es lebenswichtige Körperfunktionen wie Verdauung, Stoffwechsel, Herzschlag und Atmung. Zwischen Gehirn und peripherem Nervensystem werden Mitteilungen ausgetauscht. Das vegetative Nervensystem passt körperliche Funktionen entsprechend an - es löst beispielsweise bei voller Blase Harndrang aus, oder führt zur Bildung von Schweiß zur Abkühlung des Körpers bei Hitze.

Das vegetative Nervensystem lässt sich weiter einteilen in das sympathische Nervensystem (Sympathikus) und das parasympathische Nervensystem (Parasympathikus). Sympathikus und Parasympathikus werden oft als Gegenspieler bezeichnet. Einfach ausgedrückt: Das sympathische Nervensystem reguliert die Organfunktionen in Stresssituationen oder bei Aktivität und das parasympathische Nervensystem in Entspannungsphasen. Zum vegetativen Nervensystem zählt außerdem noch das enterische Nervensystem, das Nervensystem des Darms. Es besteht aus einem Nervengeflecht in der Darmwand und reguliert den Darm weitgehend unabhängig. Wenn das autonome Nervensystem bestimmte Informationen über den Körperstatus und äußere Bedingungen erhalten hat, reagiert der sympathische Teil mit der Anregung von entsprechenden Körperprozessen - oder der parasympathische mit deren Hemmung: Der Sympathikus erhöht bei Gefahr Herzschlag und Atemtätigkeit und verbessert die Durchblutung - das steigert die körperliche Leistungsfähigkeit, die zur Flucht oder Verteidigung notwendig ist. Gleichzeitig hemmt der Sympathikus Vorgänge wie die Verdauung, die bei Gefahr nicht hilfreich sind. Wenn wir entspannt sind, verlangsamt der Parasympathikus den Herzschlag und beruhigt die Atmung.

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Beim Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus geht es darum, dass immer diejenigen Körperfunktionen Vorrang erhalten, deren Aktivität in einer jeweiligen Situation am sinnvollsten ist. Die beiden Systeme wirken also nicht unbedingt entgegengesetzt, sondern können sich in manchen Funktionen ergänzen. Sie arbeiten zusammen, um den Körper im Gleichgewicht zu halten. Der Sympathikus übernimmt so lange die Führung, wie es nötig ist, um eine Stresssituation zu meistern. Dann schaltet sich das parasympathische Nervensystem ein und führt den Organismus in den „Normalbetrieb“ zurück. Sympathische Nervenzellen befinden sich im Rückenmark im mittleren Bereich der Wirbelsäule und die parasympathischen im oberen und unteren Bereich. Von hier gehen Signale an die sogenannten Ganglien aus. Ganglien sind Anhäufungen von Nervenzellkörpern im peripheren Nervensystem. Die Ganglien sind außerdem über Axone mit den inneren Organen verbunden. Die meisten sympathischen Ganglien befinden sich in der Nähe des Rückenmarks. Viele von ihnen verbinden sich zu einem Ganglienstrang, der parallel zum Rückenmark verläuft. Die parasympathischen Nervenzellen werden hingegen erst kurz vor den Zielorganen über Ganglien zusammengeschaltet.

Über die Ganglien sind die Nervenzellen des Sympathikus und Parasympathikus jeweils untereinander sowie mit den einzelnen Organen vernetzt. Um Signale übertragen zu können und die Organe zu verstärkter oder verminderter Aktivität anzuregen, sind chemische Botenstoffe notwendig: sogenannte Neurotransmitter. Die wichtigsten Transmitter bei der Kommunikation von Sympathikus, Parasympathikus und Organen sind Acetylcholin und Noradrenalin. Letzteres wirkt stimulierend und Acetylcholin überwiegend hemmend. Acetylcholin spielt bei der parasympathischen Signalübertragung die Hauptrolle. Es kommt zwar auch bei der Kommunikation in den sympathischen Ganglien zum Einsatz, für die Signalübertragung an die Organe setzen aber die meisten sympathischen Fasern Noradrenalin frei.

Die Rolle der Psyche

Die Psyche umfasst alle bewussten und unbewussten Prozesse, die unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmen. Dazu gehören Emotionen, Kognitionen, Motivationen, Persönlichkeit und soziale Beziehungen. Die Psyche beeinflusst, wie wir die Welt wahrnehmen, wie wir mit Stress umgehen und wie wir Beziehungen gestalten. Psychische und Verhaltensstörungen sind multifaktorielle Erkrankungen, die meist in der Kindheit entstehen. Sie wirken sich auf kognitiver, sozialer und motorischer Ebene aus. Wenn Betroffene oder das soziale Umfeld unter dem Verhalten leiden, spricht man von einer Störung. Häufig nehmen die Betroffenen ihr Verhalten jedoch selbst nicht als Beeinträchtigung wahr. Auffällige Verhaltensstörungen sind z. B. starke Unruhe, Aggressionen gegen Menschen und Tiere, extreme Ängstlichkeit, unkontrollierte Wutausbrüche, Schreien, Konzentrationsprobleme, obszönes Verhalten, Verweigerungshaltungen oder absichtliches Zerstören von Gegenständen. Verhaltensauffälligkeiten können vorübergehend sein.

Die Verbindung zwischen Nerven und Psyche

Die Nerven und die Psyche sind eng miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Psychische Belastungen wie Stress, Angst oder Depressionen können sich negativ auf das Nervensystem auswirken und zu körperlichen Beschwerden führen. Umgekehrt können Erkrankungen des Nervensystems psychische Symptome verursachen.

Ein Beispiel für die enge Verbindung zwischen Nerven und Psyche ist die somatoforme Störung. Bei einer somatoformen Störung leiden die Betroffenen unter körperlichen Beschwerden, für die keine organische Ursache gefunden werden kann. Die Symptome können sehr vielfältig sein und Schmerzen, Müdigkeit, Magen-Darm-Beschwerden, Herz-Kreislauf-Probleme oder neurologische Symptome umfassen. In vielen Fällen liegen den Symptomen psychische Ursachen zugrunde, wie Stress, Angst oder unverarbeitete Konflikte.

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Das vegetative Nervensystem ist der Teil des Nervensystems, der automatische körperliche Vorgänge steuert - also Vorgänge, die man selbst nicht willentlich beeinflussen kann. Dies sind zum Beispiel Herzschlag und Blutdruck, Atmung, Verdauung, sexuelle Funktionen und die Ausschüttung von Hormonen. Allerdings haben psychische Empfindungen und Gefühle durchaus einen Einfluss auf das vegetative Nervensystem. Zum Beispiel wird man bei einem Schreck blass und bekommt eine Gänsehaut, das Herz rast und der Atem geht schneller - und bei Ärger rötet sich die Haut und der Blutdruck steigt an. Das Gleiche gilt auch langfristig gesehen: Ist das psychische Gleichgewicht auf Dauer gestört und jemand leidet ständig unter Gefühlen von Angst, Ärger oder Stress, kann das das vegetative Nervensystem dauerhaft aus dem Gleichgewicht bringen.

Ein Problem bei somatoformen Störungen ist, dass sich die Symptome mit medizinischen Ansätzen nicht wirksam behandeln lassen. Deshalb dauert es für die Betroffenen oft sehr lang, bis sie tatsächlich effektive Hilfe bekommen. Auf der einen Seite werden oft unnötige diagnostische Eingriffe und Behandlungen durchgeführt - und diese können zur Aufrechterhaltung der Symptome beitragen. Auf der anderen Seite werden die Patienten von Ärzten oft nicht ernst genommen und als „schwer behandelbar“ angesehen. Ärzten fällt es oft schwer, den Betroffenen die psychischen Ursachen ihrer Beschwerden zu vermitteln. Versichert der Arzt ihnen, dass sie völlig gesund seien, löst das bei den Patienten erst recht Sorgen aus, weil sie überzeugt sind, dass ihre Beschwerden eine körperliche Ursache haben müssen. Aber auch die Erläuterung, dass psychische Faktoren wie Angst oder Stress hinter den körperlichen Symptomen stecken könnten, wird von ihnen oft nicht akzeptiert. Viele Patienten fühlen sich von der ärztlichen Behandlung, die ihnen nicht weiterhilft, enttäuscht und wechseln deshalb immer wieder von einem Arzt zum anderen. Durch ein geeignetes Gespräch lassen sich viele Betroffene aber dazu motivieren, sich psychologische Unterstützung zu suchen. Und mit einer angemessenen Behandlung kann den meisten auch effektiv geholfen werden. Diese besteht in erster Linie aus einer Psychotherapie: Hier lernen die Patienten, Zusammenhänge zwischen ihren körperlichen Beschwerden und Stress- und Belastungsfaktoren zu erkennen, mit ihren körperlichen Symptomen besser umzugehen und Belastungen in ihrem Leben (zum Beispiel in der Ehe oder im Beruf) zu verringern.

Innere Unruhe: Ein Beispiel für die Wechselwirkung von Nerven und Psyche

Innere Unruhe beschreibt einen Zustand von innerer Anspannung und Erregung. Innere Unruhe erlebt jeder Mensch mal. Zum Problem wird innere Unruhe erst, wenn der Zustand sehr lange andauert oder oft vorkommt und man sich dadurch im Alltag belastet fühlt. Innere Unruhe kann mit einer Vielzahl unterschiedlicher Probleme im Zusammenhang stehen. Häufig tritt innere Unruhe zusammen mit Angst und Angstzuständen auf. Innere Unruhe wird von jedem Menschen etwas unterschiedlich erlebt. Das Hauptmerkmal ist die Schwierigkeit, sich zu entspannen. Häufig wird innere Unruhe von unterschiedlichen körperlichen Symptomen begleitet: Schweißausbrüche, Herzklopfen, Zittern, unruhige Hände, Schwindel, Benommenheit und Schwächegefühl. Innere Unruhe wird häufig als unangenehm erlebt. Die Stärke der inneren Unruhe kann dabei variieren, kann also mal stärker und mal schwächer sein. Die Ursachen für innere Unruhe können sehr unterschiedlich sein. Häufig gibt es offensichtliche Gründe wie Prüfungsangst, Vortragsangst oder ein zu hoher Kaffeekonsum. Zusätzlich können auch schwierige Lebenssituationen, wie der Verlust von nahestehenden Personen, beruflicher Stress oder eine Scheidung, dafür sorgen, dass Menschen innere Unruhe erleben. Aber auch körperliche oder psychische Erkrankungen können zu innerer Unruhe führen. Medizinische Gründe von innerer Unruhe können z.B. Der Kontakt mit Ärzt:innen ist wichtig, um mögliche Ursachen zu erkennen und zu behandeln.

Innere Unruhezustände können aufgrund zahlreicher Ursachen entstehen. Das erklärt, warum so viele Menschen im Laufe ihres Lebens selbst einmal oder sogar mehrmals betroffen sind. Die meisten Menschen erleben sie im Rahmen einer anhaltenden Prüfungsphase, die aus mehreren als anspruchsvoll oder schwer wahrgenommenen Prüfungen besteht. Das trifft unter anderem auf Schüler und Studenten zu. Doch auch Auszubildende können am Ende Ihrer Lehrzeit innerlich unruhig werden. Berufstätige und Selbstständige sind ebenfalls häufig von starkem Stress im Alltag betroffen, der sich auf diese Art auswirken kann. In vielen Fällen ist der Lebensstil verantwortlich für das Auftreten der inneren Unruhe. Die meisten Menschen konsumieren regelmäßig koffeinhaltigen Kaffee, Tee oder Energydrinks. Eine zu hohe Dosis von Koffein am Tag und eine Unverträglichkeit führen häufig ebenfalls zur inneren Unruhe. Betroffene berichten dann kurz nach dem Koffeinkonsum über ein inneres Kribbeln und einen starken Bewegungsdrang. Es sind darüber hinaus weitere Substanzen denkbar, die als Ursache in Frage kommen. Darunter befinden sich auch einige gängige Drogen sowie bestimmte Lebensmittel und Zusatzstoffe im Essen. Auslöser wie diese lassen sich schnell aufdecken, denn bei einem vollständigen Verzicht endet die Unruhe schnell wieder. In manchen Fällen liegt der inneren Unruhe jedoch eine ernstzunehmende Erkrankung zugrunde. PatientInnen mit einer Schilddrüsenerkrankung wie der Unterfunktion berichten häufig von einem starken Unruhe-Erleben, das sie quält, sofern sie medikamentös noch nicht richtig eingestellt sind. Wer eine Unterzuckerung oder Hypoglykämie erlebt, bemerkt das Symptom ebenfalls sehr häufig. Eigentlich handelt es sich bei niedrigem Blutdruck nicht um eine Erkrankung, doch auch Betroffene der Hypotonie nehmen manchmal eine starke Unruhe in sich wahr. Niedriger Blutdruck ist nur in seltenen Fällen gefährlich. Doch wenn die Symptome als belastend erlebt werden, ist es sinnvoll, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen. Möglicherweise besteht durch einige Maßnahmen eine Besserung. Auch die Wechseljahre zählen nicht als Krankheit, sondern als Übergang zwischen zwei Lebensphasen. Die Frauen sind für eine längere Zeit von hormonellen Umstellungen betroffen, die bei ihnen innere Unruhe begünstigen oder auslösen können. Doch sogar Männer in diesem Alter können Symptome der Wechseljahre inklusive einer starken inneren Unruhe spüren. Generell sind alle hormonellen Umstellungen des Körpers in der Lage, Unruhesymptome zu erzeugen. Dazu gehören auch Schwangerschaften und die Pubertät.

Neben einer Therapie mit Übungen zur Achtsamkeit sind häufig auch Medikamente sinnvoll. Nicht zuletzt sind psychische Erkrankungen ein bekannter Auslöser für innere Unruhe. Besonders stark betroffen sind Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Bei ihnen tritt ständig eine extrem starke innere Anspannung auf, die auch als eines der Kernsymptome der Erkrankung gilt. Studien zu Folge leiden Borderline-Betroffene deutlich stärker unter Stress als Nicht-Betroffene. Selbst wenn die Stressoren dieselben sind, erleben die Borderline-PatientInnen viel früher, stärker und länger anhaltend die innere Unruhe. Im Rahmen einer Therapie lassen sich diese oft als unerträglich erlebten Anspannungszustände jedoch lindern, sodass ein Leben in Ruhe wieder möglich ist. Dazu erlernen die Betroffenen Skills und nehmen an Trainings zur Achtsamkeit teil. Neben der Borderline-Persönlichkeitsstörung sind weitere psychische Erkrankungen dafür bekannt, innere Zustände der Unruhe zu verursachen. So können die Betroffenen aller anderen Persönlichkeitsstörungen darunter leiden.

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Geschlechterunterschiede in der psychischen Gesundheit

Von Conny Becker, Berlin / Egal, ob man in ihren Körper blickt oder ihr Verhalten analysiert: Männer und Frauen lassen sich aus medizinischer Sicht nicht gleichsetzen. Männerhirne wiegen im Durchschnitt 100 Gramm mehr als ihre weiblichen Pendants. Diese Erkenntnis führen seit etwa 100 Jahren gern diejenigen ins Feld, die Frauen eine geringere Intelligenz zusprechen wollen. »Hier liegt ein sexueller Dimorphismus vor, definiert als das Auftreten von zwei deutlich verschiedenen Erscheinungsformen des gleichen Merkmals in weiblichen und männlichen Individuen derselben Art«, sagte Professor Dr. Vom Gewicht lässt sich aber keineswegs auf die kognitiven Fähigkeiten schließen, so die Hirnforscherin vom Institut für klinische Radiologie an der Universität Münster. So sind bei Frauen Areale der linken Hemisphäre vergleichsweise größer, während bei Männern Gebiete der rechten Hemisphäre stärker ausgeprägt sind. Dieses Phänomen bezeichnet man auch als unterschiedliche Hemisphären-Lateralisierung. Im Detail betrifft dies laut Pfleiderer bei Frauen die Sprach­areale Broca- und Wernickeareal, den für das Gedächtnis essentiellen Hippocampus sowie den Locus Coeruleus, der mit Panik und Stressentstehung in Verbindung gebracht wird. Warum Männerhirne größer und schwerer sind, konnten Radiologen mit der sogenannten Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI) aufzeigen: Sie enthalten etwa 10 Prozent mehr weiße Substanz verglichen mit Gehirnen von Frauen, das heißt Nervenfasern/Axone, jedoch nicht mehr graue Substanz, also Nervenzellkörper. DTI-Untersuchungen ergaben auch, dass bei weiblichen Probanden linkslateral mehr Axone zu den Spracharealen führen, während bei Männern eine rechtsbetonte Faserdichte zu erkennen ist. Dass Frauen besser kommunizieren, aber schlechter einparken können, ist jedoch nicht unumstößlich. Unterschiede bestehen also in Struktur und Funktion des Gehirns, aber auch in seiner Neurochemie. So haben Frauen einen vergleichsweise höheren zerebralen Blutfluss sowie einen höheren Glucosebedarf in Ruhe. »Es wird diskutiert, dass dies einen Einfluss auf die Verteilung von Arzneimitteln hat und somit bei der Dosierung berücksichtigt werden sollte«, berichtete Pfleiderer. Männer- und Frauenhirne unterscheiden sich auch hinsichtlich eines zentralen Neurotransmitters, des Serotonins. Denn Männer können den Botenstoff besser herstellen als Frauen. Als weiteren Grund, weshalb Frauen häufiger Depressionen haben als Männer, nannte Pfleiderer eine geringere Stresstoleranz. Bei gleichen äußeren Reizen zeigten Frauen eine vergleichsweise stärkere Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, was letztlich zu einem erhöhten Cortison-Level bei chronischem Stress führen kann. Aktiviert wird diese Achse im Gehirn über die Ausschüttung des Corticotropin-Releasing Hormons (CRH), weshalb CRH-Rezeptor-Antagonisten seit den 1990er-Jahren in den Indikationen Angsterkrankungen und Depression erforscht werden. In jüngeren klinischen Studien konnten zwei Kandidaten bereits antidepressive Effekte in Patienten erzielen; bislang hat aber noch kein CRH-Rezeptor-Antagonist Marktreife erlangt.

»Es gibt eine sehr unterschiedliche Prävalenz bei verschiedenen psychischen Erkrankungen«, sagte Privatdozentin Dr. Katarina Stengler von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Uniklinikum Leipzig. So haben Erhebungen gezeigt, dass Depressionen, Angst- und Essstörungen häufiger bei Frauen diagnostiziert werden. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Männer seltener psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Offensichtlich müssen zum einen überholte Denkschemata wie »Herz-Kreislauf-Erkrankungen betreffen eher Männer, Depression ist eine Frauenkrankheit« auch bei Medizinern ausgemerzt werden. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass Männer und Frauen bei ein- und derselben Erkrankung unterschiedliche Symptome zeigen können. In eigenen Reviews zu geschlechtsspezifischen Publikationen in der Psychiatrie zeigte die Medizinerin, dass Gender in ihrem Fach generell noch zu wenig berücksichtigt wird. So wiesen nur 3 von 191 Originalarbeiten aus den Jahren 2009/10 eine geschlechtsspezifische Analyse auf. Frauenspezifische Fragestellungen wie postpartal auftretende psychische Erkrankungen fänden sich häufig; der Blick auf die Männer käme generell zu kurz, sei aber dringend nötig. Denn in einer weiteren literaturbasierten Untersuchung fanden sie und ihr Team, dass Frauen zwar häufigere und längere Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen aufweisen, Männer aber ein erhöhtes Risiko für Erwerbsunfähigkeit haben.

Was tun bei Beschwerden?

Bei körperlichen Beschwerden ohne erkennbare Ursache oder bei psychischen Belastungen ist es wichtig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Arzt kann organische Ursachen ausschließen und gegebenenfalls an einen Psychotherapeuten überweisen. Eine Psychotherapie kann helfen, psychische Ursachen von Beschwerden zu erkennen und zu bearbeiten.

Es gibt auch verschiedene Möglichkeiten der Selbsthilfe, die bei der Bewältigung von Stress und psychischen Belastungen helfen können:

  • Entspannungsübungen: Entspannungsübungen bauen Stress ab und helfen Ihnen, ausgeglichener zu werden.
  • Achtsamkeit: Achtsamkeit hilft, den Moment bewusst wahrzunehmen und Stressoren frühzeitig zu erkennen.
  • Bewegung: Regelmäßige Bewegung kann Stress abbauen und die Stimmung verbessern.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung unterstützt die Funktion des Nervensystems und die psychische Gesundheit.
  • Soziale Kontakte: Soziale Kontakte können Halt und Unterstützung geben.
  • Ganzheitliche Medizinansätze: Ganzheitliche Medizinansätze finden Sie u.a. in der Naturheilkunde, Homöopathie, traditionell chinesischen Medizin und anderen östlichen Weisheitslehren. Akupunktur ist beispielsweise eine hervorragende Möglichkeit, Dysbalancen im Körper zu regulieren.

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