Urlaub fürs Gehirn: Eine Analyse des K.I.Z.-Albums

K.I.Z., bekannt für ihre provokanten Texte und ihren satirischen Blick auf die deutsche Gesellschaft, veröffentlichten 2011 ihr viertes Studioalbum "Urlaub fürs Gehirn". Das Album spaltete die Gemüter und sorgte für hitzige Diskussionen über die Grenzen des guten Geschmacks in der Musik. Dieser Artikel beleuchtet das Album genauer und analysiert seine Stärken und Schwächen.

Provokation als Stilmittel

K.I.Z. überschreiten bewusst Grenzen und scheuen sich nicht, Tabus zu brechen. Mit ihrem Album "Urlaub fürs Gehirn" reihen Maxim, Tarek, Nico und DJ Craft Zote an Zote und machen sich damit für Freunde von Bret Easton Ellis interessant: K.I.Z. malen nach Zahlen - mit Blut, Gehirnmasse und Sperma. Das Ergebnis ist logischerweise eine unfassbare Sauerei. Möchte man als wohlerzogener Mensch meinen. Doch nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

Trotz ihres oberflächlich grobschlächtigen Proletengestus beweisen K.I.Z. ein feines Händchen für Satire und schwarzen Humor. Ob Sarrazin, schwarzrotgeile Eventfaschisten oder FDP-wählende Yuppies: Alle bekommen ihr Fett weg.

Satire und Gesellschaftskritik

"Urlaub fürs Gehirn" ist mehr als nur stumpfe Provokation. K.I.Z. nutzen ihre Musik, um auf Missstände in der Gesellschaft aufmerksam zu machen und diese auf satirische Weise zu kritisieren.

Ein Beispiel hierfür ist das kontroverse "Doitschland schafft sich ab", welches auf humorvolle Weise Sarrazins Thesen auf die Schippe nimmt. Im gleichen Schachzug dürfte Alice Schwarzer ihr Bio-Dinkelbrot hochkommen, denn K.I.Z. lassen kein gutes Haar am weiblichen Geschlecht. Daran kann man sich aufreiben, aber schlussendlich ist das Satire, und die darf laut K.I.Z. alles.

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Auch die Eventgesellschaft und der wiedererstarkte Nationalismus während der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 werden in "Biergarten Eden" aufs Korn genommen. Der Song ist schlicht und ergreifend die beste Antwort auf die Eventgesellschaft, zynisch und bissig, aber den Kern der Sache treffend. Und, da alle zwei Jahre ein Fußballgroßturnier ansteht, natürlich stets aktuell.

Einzelne Tracks im Fokus

Das Album "Urlaub fürs Gehirn" beinhaltet eine Vielzahl von Tracks, die unterschiedliche Themen behandeln und stilistisch variieren. Einige der bemerkenswertesten Tracks werden im Folgenden näher beleuchtet:

  • "Raus aus dem Amt" und "Der durch die Scheibeboxxxer": Die beiden Proll-Stücke erinnern an das letzte Dendemann-Album, nur dass sich Nico - der für die beiden Songs verantwortlich zeichnet - selbstverständlich keinen Oberlippenbart wachsen lassen muss, um überzeugend den Unterschichtler zu geben.

  • "Lauf weg": Diskussionswürdig ist der blutige "Neuruppin"-Nachfolger "Lauf weg": Gemäß dem Motto "Die Axt im Haus ersetzt den Serienkiller" wird hier gemeuchelt, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Das ist derbe Unterhaltung für die Saw-Generation, gehört im Album-Kontext aber eher zu den Fillern. Hier liefern K.I.Z. eben das ab, was man gemeinhin von ihnen erwartet.

  • "Fleisch": Den musikalischen Ausbruch wagt allein Tarek - kein Wunder, benutzt er für "Fleisch", für Titel und Instrumental, eins zu eins bei Brotha Lynch Hungs "Meet". "Lauf Weg" mantscht, wo wir schon beim Thema sind, ebenfalls spaßig in Horrorcore-Gefilden.

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Kritik am Album

Trotz seiner satirischen und gesellschaftskritischen Elemente ist "Urlaub fürs Gehirn" nicht frei von Kritik. Ein Kritikpunkt ist der über die Maßen anstrengende Sound. Fett produziert wirken die Tracks zwar. Bässe platzen vor Volumen nahezu aus den Nähten, es bratzt und scheppert mit bewundernswerter Macht. Oft hinterlassen die Klangkulissen dennoch seltsam ratlos. Was soll das theatralische Gesinge im Titeltrack? Was genau die ekelhaft eingängige Hook?

Auch die ewige aufgesetzte Berlinerei und überstrapazierte Haudrauf-Attitüde zerren im Verbund erheblich am Geduldsfaden.

Ein weiterer Kritikpunkt ist der Track "Mr. Sonderbar", der mit Vocoder-Alarm und einer fragwürdigen Abgrenzung zu Party-Pogo-Pfosten wie den Atzen negativ auffällt.

Insgesamt wird das Album als höchst durchwachsen bewertet. Hits des Kalibers "Hurensohn" gibt es nicht, das heimliche Highlight "Tsetse Fliegenmann" bleibt ein Skit.

K.I.Z. und ihr Image

K.I.Z. sind sich ihres Images als Provokateure bewusst und spielen bewusst damit. "Wir sind der Grund, warum dir deutscher Rap peinlich ist", proletet es aus vollem Hals aus "H.I.T." Das, Jungs, hättet ihr wohl gern? Nee, nee. Ihr liefert - seit Jahren - Grund um Grund, warum man sich mit dem stinkenden Kadaver eines geschundenen Genres immer noch erheblich vergnügt.

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Die Band hat Spaß am Spiel und fiese Freude an der Provokation. Tumbe Phrasendrescherei darf gerne als Stilmittel herhalten. Um sie zum Selbstzweck verkommen zu lassen, sind die Herren Kannibalen in Zivil glücklicherweise um Welten zu schlau. Wer glaubt, diese Jungs hätten intellektuell nichts auf dem Kasten, hat beim Popeln zweifellos ein wenig zu tief geschürft: Im K.I.Z.'schen Scheiß-auf-alles-Punk, ihren Mutterficker- und Eierschaukel-Posen stecken schlauere Analysen als in mancher Polit-Talkshow.

Herrlich inkorrekt zeichnet auch "Urlaub Fürs Gehirn" wieder Genderbilder, die Feministinnen die Tränen der Verzweiflung in die Augen treiben - doch etwas anderes tut der gesellschaftliche Ist-Zustand schließlich auch nicht. K.I.Z. werfen mit Zitaten aus der Musik- und Filmgeschichte um sich und überzeichnen dabei Stammtisch- und Scheißhausparolen bis ins Comichafte, ziehen den Bierernst - auch den, der die Hip Hop-Kultur zu ersticken droht - ins Lächerliche. An Lustkiller, Spaßbremsen, Spielverderber richtet sich die Aufforderung: "Küss Mir Den Schwanz".

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