Vestibuläre Migräne: Ursachen, Symptome und Behandlungsansätze

Die vestibuläre Migräne, auch Schwindelmigräne genannt, ist eine spezielle Form der Migräne, die durch Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen in Verbindung mit Migränekopfschmerzen gekennzeichnet ist. Bei etwa 30 bis 50 Prozent der Migränepatienten treten während einer Kopfschmerzattacke zusätzlich Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen auf. Die vestibuläre Migräne rückt in Wissenschaft und Medizin immer mehr in den Vordergrund, da die Symptome häufig auch ohne Kopfschmerzen auftreten und daher oft nicht mit einer Migräne in Verbindung gebracht werden.

Symptome der vestibulären Migräne

Die Diagnose einer vestibulären Migräne kann schwierig sein, da die Symptome diffus sein und auf andere Erkrankungen hindeuten können, wie z. B. Morbus Menière. Treten Migräne-typische Kopfschmerzen zusammen mit Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen auf, deutet dies oft auf eine vestibuläre Migräne hin. Die Schwindelattacken können aber auch ohne Kopfschmerzen auftreten.

Weitere Anzeichen einer Schwindelmigräne sind:

  • Drehschwindel: Meistens handelt es sich um einen Drehschwindel, bei dem sich die Umgebung ununterbrochen zu drehen scheint.
  • Unsicherheiten im Gehen oder Stehen: Betroffene können Unsicherheiten beim Gehen und Stehen verspüren, besonders in Situationen, in denen visuelle Informationen eingeschränkt sind.
  • Dauer der Beschwerden: Die Beschwerden dauern zwischen 5 Minuten und 72 Stunden an.
  • Lageabhängigkeit: Der Schwindel kann sich bei Veränderung der Körperlage verstärken.
  • Augenbewegungen: Es kann zu zuckenden Augenbewegungen kommen, die für den Betroffenen selbst spürbar und für andere sichtbar sind.
  • Visuell-induzierter Schwindel: Der Schwindel kann durch Licht oder sich bewegende Objekte ausgelöst werden.
  • Zeitlicher Zusammenhang: Der Schwindel kann zu Beginn der Kopfschmerzattacke, die ganze Zeit über oder erst danach auftreten.

Neben dem Schwindel können weitere Symptome auftreten, wie:

  • Oszillopsien: Scheinbewegungen der Umwelt.
  • Übelkeit und Erbrechen:
  • Gangunsicherheit: Aufgrund der Beeinträchtigung des Gleichgewichtsorgans im Innenohr.
  • Migräne-Symptome: Kopfschmerzen, Lärm- und Lichtscheu sowie häufiges Wasserlassen.
  • Auditive Symptome: Hörminderung, Tinnitus oder Ohrendruck.
  • Keine Verschlimmerung der Hörminderung: Im Gegensatz zu Morbus Menière verschlechtert sich die Hörleistung bei der vestibulären Migräne mit der Zeit nicht weiter.
  • Visuelle Auren: Häufige visuelle Auren.

Ursachen der vestibulären Migräne

Die Ursachen für eine vestibuläre Migräne sind noch nicht vollständig geklärt. Wissenschaftler vermuten, dass die enge räumliche Nähe zwischen dem Gleichgewichtssystem und dem schmerzverarbeitenden System im Hirnstamm eine Rolle spielt. Es wird angenommen, dass eine überaktive Reaktion des vestibulären Systems im Innenohr die Erkrankung auslösen kann.

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Weitere mögliche Auslöser sind:

  • Stress:
  • Gestörter Schlafrhythmus:
  • Lebensmittel: Rotwein, Käse, dunkle Schokolade, Geschmacksverstärker wie Glutamat.
  • Hormonelle Schwankungen: Besonders im Rahmen der weiblichen Menstruation, Wechseljahre, Schwangerschaft oder nach Absetzen der Pille.
  • Licht- oder Geräuschreize:
  • Wetter: Veränderungen der Witterungsverhältnisse.
  • Familiäre Veranlagung: Eine genetische Komponente konnte nachgewiesen werden.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Trigger einer Migräne mit vestibulärer Aura sehr individuell sein können.

Diagnose der vestibulären Migräne

Die Diagnose einer vestibulären Migräne kann schwierig sein, da die Symptome denen anderer Erkrankungen ähneln können. Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (IHS) und die Bárány-Society haben Diagnosekriterien veröffentlicht, um Ärzten eine Hilfestellung bei der Feststellung einer Schwindelmigräne zu geben und andere Erkrankungen wie Morbus Menière auszuschließen.

Wichtige Kriterien für die Diagnose sind:

  • Mindestens fünf Episoden mit vestibulären Symptomen (z. B. Dreh- oder Schwankschwindelattacken) von mäßiger bis starker Intensität mit einer Dauer zwischen 5 Minuten und 72 Stunden.
  • Positive Anamnese für Migräne mit oder ohne Aura.
  • Ein oder mehr Migränesymptome bei 50 % der Schwindelepisoden.

Um die Diagnose zu stellen, müssen mindestens 5 Schwindelattacken von mindestens 5 Minuten Dauer aufgetreten sein. Außerdem muss eine aktive oder zurückliegende Migräne diagnostiziert worden sein. Weiterhin müssen zusätzliche Migränezeichen wie Aura, Tonempfindlichkeit oder Lichtempfindlichkeit bestehen.

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Differentialdiagnosen

Es ist wichtig, andere Erkrankungen auszuschließen, die ähnliche Symptome verursachen können, wie:

  • Morbus Menière: Betroffene weisen oft ebenfalls Migräne-Symptome auf, leiden aber zusätzlich unter Hörverlust, Tinnitus und Ohrendruck.
  • Transitorisch ischämische Attacken (TIAs): TIAs betreffen meist ältere Patientinnen und Patienten. Die Symptome (Sprachschwierigkeiten, Verwirrtheit, Sehverlust besonders auf einem Auge, Schwindel, Gleichgewichts- und Koordinationsverlust) halten zwischen wenigen Minuten und mehreren Stunden an.
  • Vestibularisparoxysmie: Durch Nervenkompression kommt es bei der Vestibularisparoxysmie zu Schwindel-Attacken, die einige Sekunden andauern.
  • Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPLS): Bei BPLS kommt es zu kurzen Schwindel-Attacken, sobald der Kopf bewegt wird.
  • Psychogener Schwindel: Dieser Schwindel ist die Folge einer Angststörung und tritt besonders situativ auf.
  • Orthostatische Hypotonie: Direkt nach dem schnellen Aufstehen kommt es zu einer kurzen Benommenheit, zu Schwindel und Sehstörungen.
  • Basilarismigräne: Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Übelkeit, Seh- und Sprachstörungen oder Taubheitsgefühle sind typische Symptome.
  • Neuritis vestibularis: Entzündung des Gleichgewichtsnervs.

Behandlung der vestibulären Migräne

Die Behandlung der vestibulären Migräne zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Häufigkeit der Attacken zu reduzieren. Die Therapie ähnelt der einer normalen Migräne.

Akutbehandlung

  • Antiemetika: Medikamente gegen Übelkeit, wie Metoclopramid und Domperidon.
  • Schmerzmittel (Analgetika): Ibuprofen und ASS können den akuten Zustand verbessern, indem sie die Schmerzen beseitigen.
  • Triptane: Diese Medikamente bekämpfen gezielt die Migräne und wirken nicht symptomatisch.
  • Antivertiginosa: Spezielle Medikamente gegen den Schwindel.
  • Dimenhydrinat: Oral oder rektal gegen Schwindelattacken.

Prophylaxe

  • Vermeidung von Triggern: Identifizieren und vermeiden Sie individuelle Auslöser wie Stress, bestimmte Lebensmittel, Schlafmangel oder hormonelle Schwankungen.
  • Gesunde Lebensführung: Achten Sie auf ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung und genügend Flüssigkeit. Regelmäßige Arbeitspausen, Sport und Entspannungsverfahren können Stress reduzieren und die Lebensqualität erhöhen.
  • Magnesium: Bei manchen Betroffenen kann die Einnahme von Magnesium die Symptome lindern.
  • Medikamentöse Prophylaxe: Bei häufigen oder lang anhaltenden Attacken kann eine medikamentöse Prophylaxe in Betracht gezogen werden.
    • Betablocker:
    • Flunarizin: Ein Calciumkanalblocker, der direkt am Vestibularorgan wirkt.
    • Valproat:
    • Topiramat:
    • Pestwurz:
    • Amitriptylin:
    • Acetylsalicylsäure/Naprocen:
    • Riboflavin (Vitamin B2):
    • Carboanhydrasehemmer: Acetazolamid und Diclofenamid.

Es ist wichtig zu beachten, dass Prophylaxe-Maßnahmen die Migräne-Tage zwar um etwa die Hälfte reduzieren, aber die Migräne meist nicht komplett verhindern können.

Weitere Maßnahmen

  • Physiotherapie: Dynamische Übungen zur Gleichgewichtsregulation und Blickstabilisation können die zentrale vestibulo-spinale Kompensation verbessern.
  • Psychotherapie: Bei Bedarf kann eine Psychotherapie helfen, mit der Erkrankung umzugehen und Stress zu reduzieren.
  • Sport: Regelmäßige Bewegung kann entspannen und Stress vorbeugen, und dient auch als effektive prophylaktische Maßnahme.

Verlauf und Prognose

Die Symptome der vestibulären Migräne dauern zwischen fünf Minuten und 72 Stunden. Die Beschwerden klingen bis zum nächsten Migräne-Anfall komplett ab und halten nie länger als drei aufeinanderfolgende Tage und keinesfalls wochenlang an.

Mithilfe von geeigneten Prophylaxe-Maßnahmen lassen sich die Migräne-Tage meistens um etwa die Hälfte reduzieren. Trotzdem kommt es immer wieder zu episodischen Migräne-Anfällen, das lässt sich kaum vermeiden. Vielen Betroffenen gelingt es aber, ihre individuellen Auslöser (Trigger) aufzudecken und oft auch zu vermeiden, oder sie finden einen Weg, um mit den Symptomen umzugehen.

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Vestibuläre Migräne ist nicht heilbar. Dennoch gibt es immer wieder Fälle, bei denen es zu einer Spontanremission kommt. Viele Patientinnen und Patienten haben jedoch immer wieder Migräne-Anfälle. Kommen Migränepatientinnen in die Wechseljahre, lassen die Kopfschmerzen oft nach und der Schwindel tritt alleine auf.

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