Videospiele zur Demenzprävention: Ein vielversprechender Ansatz für geistige Fitness im Alter

Computerspiele sind längst nicht mehr nur etwas für Teenager. Auch Senioren finden zunehmend Freude an den bunten Spielen auf dem Bildschirm. Studienergebnisse legen nahe, dass diese sogar einer Demenz vorbeugen können. Dieser Artikel beleuchtet, warum Computerspiele für Senioren ein effektives Mittel zur Prävention von Demenz sein können und warum es sich lohnt, zwischendurch mit Kindern und Enkelkindern zu spielen.

Die wachsende Bedeutung von Videospielen für Senioren

Die Zahl der Senioren, die lieber zum Videospiel oder zur Spiele-App greifen als zur Apotheken Umschau, steigt stetig. Es gibt knapp zehn Millionen Silver Gamer in Deutschland, also Spielerinnen und Spieler über 50 Jahre. Videospiele sorgen bei Senioren nicht nur für Abwechslung und Spaß, sie besitzen auch therapeutisches Potenzial.

Viele ältere und pflegebedürftige Menschen vereinsamen in ihren vier Wänden. Sie kommen nicht raus, werden bettlägerig und sind oft vergesslich. Ein Hamburger Start-up hat zusammen mit der Krankenkasse BARMER über die letzten Jahre ein Projekt entwickelt, um dem entgegenzuwirken. Es handelt sich dabei um Videospiele für Senioren.

Wissenschaftliche Erkenntnisse: Wie Videospiele das Gehirn trainieren

Forscher beschäftigen sich an der kanadischen Universität Montreal damit, dass Videospiele auch einen therapeutischen Nutzen haben können. Die Erkenntnis: Bestimmte 3D-Videospiele, wie „Super Mario 64“ bewirken eine Zunahme der sogenannten „Grauen Substanz“ im menschlichen Gehirn. Die Erklärung dafür ist einfach: Durch den ständigen Aufenthalt in den eigenen vier Wänden oder dem immer gleichen Pflegeheim nimmt das Orientierungsvermögen älterer Menschen ab und mündet häufig in demenziellen Zuständen: Die Graue Substanz bildet sich zurück und das Erinnerungsvermögen nimmt ab.

Schon länger ist bekannt, dass eine Abnahme der sogenannten Grauen Substanz (Substantia grisea) im Gehirn Alterskrankheiten wie Demenz begünstigt und anteilig verursacht. Kanadische Forscher haben nun herausgefunden, dass ausgerechnet bestimmte 3D-Videospiele dabei helfen könnten, dass Senioren geistig fit bleiben.

Lesen Sie auch: MS-Medikamente im Detail erklärt

Die Super Mario 64-Studie

Die Wissenschaftler hatten ältere Menschen "Super Mario 64" spielen lassen und nachfolgend eine Zunahme der Grauen Substanz in bestimmten Gehirnbereichen festgestellt. An der im Fachmagazin "PLOS ONE" vorgestellten Studie hatten 33 Menschen zwischen 55 und 75 Jahren teilgenommen. Sie wurden in drei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe spielte über sechs Monate hinweg "Super Mario 64", bei dem eine Figur in einer 3D-Welt Sterne sammeln muss, um eine Prinzessin zu finden. Die Teilnehmer hatten zuvor noch nie 3D-Computerspiele gespielt und taten dies nun fünf Tage die Woche je eine halbe Stunde. Eine zweite Gruppe sollte am Computer über das halbe Jahr hinweg regelmäßig Klavier üben. Auch diese Teilnehmer hatten keine entsprechende Vorerfahrung, lernten also eine für sie neue Sache.

Die Forscher um Greg West von der Universität Montreal erfassten bei allen Teilnehmern zu Beginn die Masse an Grauer Substanz in drei Bereichen des Gehirns und führten einen Gedächtnistest durch. Nur bei den Teilnehmern, die Super Mario spielten, legte die Graue Substanz im Hippocampus in dem halben Jahr zu, das Kurzzeitgedächtnis verbesserte sich. Der Hippocampus ist eine Gehirnregion, in der neue Eindrücke als Erinnerung gespeichert werden. Hier werden zudem räumliche Informationen so zusammengefügt, dass sich eine Art innere Karte ergibt. Ein Abbau im Hippocampus gilt als beteiligt an Demenzerkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit. Bei der Vergleichsgruppe, die nichts Neues lernte, nahm die Menge der Grauen Substanz in allen getesteten Gehirnarealen ab. Bei den Super Mario-Spielern verbesserten sich demnach zudem Strukturen in einer Hirnregion, die für Bewegungen und Gleichgewicht zuständig ist. Diesen Bereich hatten offenbar auch die Klavierspieler trainiert.

Die Rolle des Hippocampus

Einen Teil des Gehirns trainiert Videospielen besonders, und zwar den Hippocampus, der bei bestimmten Demenzerkrankungen als Erstes degeneriert. Forscher untersuchen deshalb gerade, ob man Demenz ausbremsen könnte, indem man jemandem einen Controller in die Hand drückt.

Der Hippocampus ist entscheidend daran beteiligt, dass Inhalte von unserem Kurz- in das Langzeitgedächtnis überführt werden. Die Forscher gehen davon aus, dass die Spieler genau solche inneren Karten erstellt haben beim Spielen des 3D-Spiels. Mehr graue Substanz in bestimmten Hirnarealen könnte mit einer höheren Intelligenz zusammenhängen. Ein Abbau im Hippocampus bringen Forscher hingegen mit Demenzerkrankungen in Verbindung.

Weitere positive Effekte von Videospielen

Neben der räumlichen Orientierung profitiert demnach die Gedächtnisbildung, strategisches Denken und die Feinmotorik der Hände. Bei den Super Mario-Spielern verbesserten sich neben dem Hippocampus zudem Strukturen in einer Hirnregion, die für Bewegungen und Gleichgewicht zuständig ist. Diesen Bereich hatten offenbar auch die Klavierspieler trainiert. Allein bei den Klavierspielern traten außerdem Verbesserungen in einem Bereich auf, der für Planungen und Entscheidungen wichtig ist.

Lesen Sie auch: Cortison-Therapie bei Epilepsie im Detail

Praktische Umsetzung: Wie Senioren von Videospielen profitieren können

Videospiele können jedoch mehr sein. Damit können Videospiele sogar gegen Demenz vorbeugen. Regelmäßiges Spielen kann diese zwar nicht komplett verhindern, jedoch um einige Zeit hinauszögern.

Hans Förstl von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Technischen Universität München nimmt an, dass es durchaus sinnvoll sein könnte, Computerspiele einzusetzen, um präventiv gegen Krankheiten wie Demenz vorzugehen. Soziale Nachteile, wie sie bei Jugendlichen angemahnt werden, sieht Förstl bei einer moderaten Spieldauer im Alter als weniger relevant an.

Welche Spiele eignen sich für Senioren?

Die Frage sollte besser lauten: Welche Spiele bereiten Freude? Alle Videospiele, die motivieren und neue Inhalte vermitteln, sind gut: Setzt man dem Gehirn neuen Reizen aus und trifft dieses auf unbekannte Informationen, muss es sich mehr anstrengen, um mit dem Reiz umzugehen. Ist das Spiel also zu einfach, wird es kaum Freude bereiten und die Gedächtnisleistung nicht fördern.

Bei vielen Computerspielen gibt es unterschiedliche Level: Einfache PC-Spiele werden langsam kniffliger - denn je höher das Level, desto herausfordernder wird’s. Man kann sich von den Kindern oder Enkelkinder neue Spiele erklären lassen. Vielleicht findet man ja sogar ein Spiel, das allen Spaß macht. So lernt man nicht nur Neues kennen, sondern verbringt auch noch Zeit mit den Liebsten. Auch im Spielefachhandel kann man sich beraten lassen, welche Computerspiele für Senioren geeignet sind.

Die MemoreBox: Eine Spielekonsole speziell für Senioren

Ein Hambur­ger Start-up hat zusam­men mit der Kranken­kasse BARMER über die letzten Jahre ein Projekt entwi­ckelt, um der Verein­sa­mung vieler älterer Menschen entge­gen­zu­wir­ken. Es handelt sich dabei um Video­spiele für Senio­ren. Die Kranken­kasse BARMER entwi­ckelte vor etwas mehr als vier Jahren in Zusam­men­ar­beit mit dem Digital Health Start-up Retro­Brain R&D GmbH ein Projekt zur „Präven­tion in statio­nä­ren Pflege­ein­rich­tun­gen durch thera­peu­tisch-compu­ter­ba­sierte Trainings­pro­gramme“ im Rahmen des Präven­ti­ons­ge­set­zes. Hierbei wurde unter­sucht, inwiefern thera­peu­tische Video­spiele präven­tiv auf die Senio­ren wirken. Heraus­ge­kom­men ist die Video­spiel-Platt­form „memore­Box“, die an jeden Fernse­her angeschlos­sen werden kann. Von der Spiel­idee errinert sie ein bisschen an die Nintendo Wii. Nur ohne Fernbe­die­nung oder Control­ler.

Lesen Sie auch: Präventive Maßnahmen gegen Demenz

Die teilnehm­den Perso­nen konnten sich in puncto geisti­ger und körper­li­cher Leistungs­fä­hig­keit verbes­sern. Dazu beein­flusst das soziale Mitein­an­der beim Spielen die Lebens­qua­li­tät und die Inter­ak­tion der Bewoh­ner positiv. Neben der Demenz-Präven­tion steigerte sich auch die Mobili­tät der Heimbe­woh­ner. Patien­ten seien vermehrt in der Lage gewesen, sich selbst zu versor­gen und tägli­che Verrich­tun­gen selbst zu bewäl­ti­gen. Die teilneh­men­den Perso­nen berich­te­ten zudem von Spaß beim Spielen. Seit gut einem Monat könne sich Pflege­ein­rich­tun­gen aus ganz Deutsch­land für das Trainings­pro­gramm „memore­Box“ bewer­ben.

Die Spiele werden durch Bewegungen gesteuert, aufgezeichnet von einer Kamera an der Spielekonsole. Mit Gewichtsverlagerungen von einem auf das andere Bein steuert man ein Motorrad und trainiert sein Gleichgewicht. Ein Kegelspiel regt zu sozialer Interaktion und zur Bewegung an. Bei einem Postboten-Spiel müssen die Seniorinnen und Senioren ein Fahrrad lenken und gleichzeitig mit dem rechten und dem linken Arm Briefe austragen. Das schult Koordination und Feinmotorik. Alle Spiele sind an die betagte Zielgruppe angepasst. Die Level dauern nur wenige Minuten. Gespielt wird entspannt, ohne Druck und sowohl im Stehen als auch im Sitzen. Für jedes Spiel gibt es ein genaues Tutorial, das auch für Senioren mit Hör- oder Sehschwäche geeignet ist.

Weitere Möglichkeiten der Demenzprävention

Neben Videospielen gibt es auch andere Aktivitäten, die helfen können, das Gehirn fit zu halten und Demenz vorzubeugen.

Analoge Spiele und Gedächtnistraining

Auch Brettspiele oder andere Spiele können die Gedächtnisleistung ankurbeln. Spiele, die das Gedächtnis und die kognitiven Fähigkeiten fördern, sind besonders wertvoll im Umgang mit Demenz. Hier einige Beispiele:

  • Demenz-Gedächtnisspiele: Was gehört zusammen? Zusammen passen z. B. die Melone, die zugleich den Hut und die Frucht bezeichnet, oder Bohnen, die gleichzeitig Kaffeebohnen und grüne Bohnen meinen.
  • Riech-Lotto: In 30 wiederverwendbaren Dosen verstecken sich die Aromen von Wald, Lavendel oder Meer. Das regt geistig an und weckt schöne Erinnerungen.
  • Koordinaten-Puzzle: So fördert das Puzzle spielerische Aktivität mit garantierter Erfolgserfahrung. Auf der Rückseite jedes Puzzleteils befinden sich Koordinaten, das Puzzle selbst wird ebenfalls in einem Koordinatensystem gelegt.
  • Frage- und Antwortspiel Vertellekes: Der Grundgedanke dieses Frage- und Antwortspiels für ältere Menschen soll Anstöße zum Erinnern, Nachdenken, Schmunzeln und Singen geben. Das alles ohne Versagensangst und Leistungsdruck.
  • Demenz-Musikplayer: Experten betonen, dass aktives Musizieren im Vergleich zum passiven Musikhören hilft, Informationen besser aufzunehmen und zu verarbeiten.

Bewegung und soziale Interaktion

Viele Alzheimerpatienten wirken rastlos und unruhig. Mit diesen Aktivitäten kann man für Ausgleich sorgen:

  • Handarbeiten oder Malen: Diese Tätigkeiten können beruhigend wirken und bieten gleichzeitig eine sensorische Stimulation.
  • Gartenarbeit: Die Beschäftigung mit Pflanzen und die frische Luft können eine therapeutische Wirkung auf Alzheimerkranke haben.
  • Musik hören: Musik aus der Jugendzeit der Betroffenen kann beruhigend wirken und schöne Erinnerungen wecken.

Einsamkeit und soziale Isolation gelten als große Risikofaktoren bei Demenz. Hier bieten Spiele wertvolle Möglichkeiten, mit Familie oder Freunden in Kontakt zu treten.

Ein umfassender Ansatz für geistige Fitness

Bewegung, eine gesunde Ernährung, wenig Stress - ein ausgewogener Lebensstil ist ideal, um das Gedächtnis fit zu halten. Hat man alters- oder krankheitsbedingt nicht die Möglichkeit, sich viel zu bewegen, kann man seine Zellen mit komplizierten Übungen auf Trab halten - denn Demenz vorbeugen geht durch Gehirnjogging. Schon täglich wenige Minuten reichen aus.

tags: #videospiele #demenz #prävention