Vorstufe epileptischer Anfall: Definition, Symptome, Ursachen und Behandlung

Epileptische Anfälle sind im Grunde Krampfanfälle, die durch vorübergehende Funktionsstörungen von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst werden. Diese Anfälle können sich vielfältig äußern, von kaum wahrnehmbaren Symptomen bis hin zu schweren Beeinträchtigungen mit Bewusstseinsverlust und Verkrampfungen des ganzen Körpers. Im Deutschen wird Epilepsie häufig auch als „Fallsucht“ oder als „Krampfleiden“ beschrieben, weil dies treffend beschreibt, wie sich die Krankheit meistens äußert: Die Muskeln ziehen sich krampfartig zusammen, der Betroffene zuckt und hat vorübergehend keine Kontrolle mehr über seinen Körper bzw. einzelne Gliedmaßen. Es gibt allerdings auch Anfallsformen, die von Außenstehenden oft nicht als solche erkannt werden. Bei der sogenannten „Absence“ (dt. Abwesenheit) wirkt der Betroffene zum Beispiel ruhig, ist aber in diesem Augenblick nicht bei normalem Bewusstsein und nicht ansprechbar.

Was ist ein epileptischer Anfall?

Unter epileptischen Anfällen versteht man eine Störung des Gehirns aufgrund einer kurz andauernden vermehrten Entladung von Nervenzellen. Obwohl die Symptome eines Anfalls Auswirkungen auf andere Teile des Körpers haben können, treten die elektrischen Ereignisse, die für die Symptome verantwortlich sind, im Gehirn auf.

Formen epileptischer Anfälle

Epileptische Anfälle können in verschiedenen Formen auftreten. Mediziner unterscheiden fokale und generalisierte Anfälle. Je nachdem, in welchem Bereich des Gehirns und in welchem Umfang die Nervenzellen betroffen sind, werden die Anfälle als fokal oder generalisiert bezeichnet. Die Einteilung erfolgt im Wesentlichen anhand folgender Kriterien:

  1. Wo im Gehirn beginnt der Anfall?
  2. Ist das Bewusstsein oder die Reaktionsfähigkeit während des Anfalls beeinträchtigt?
  3. Beinhaltet der Anfall unkontrollierte Bewegungen?

Fokaler Anfall

Ein fokaler Epilepsie-Anfall tritt in einem umschriebenen Teil des Gehirns auf und betrifft stets nur eine Hirnhälfte. Die Symptome hängen von der Funktion des entsprechenden Hirnbereichs ab. Bei einem fokalen Anfall beginnen die Anfälle immer in einer bestimmten Hirnregion, dem Focus.

Motorische Symptome: Bei einem fokalen Anfall treten beispielsweise oft motorische Symptome auf, also solche, welche die Bewegung (Motorik) betreffen. So zuckt zum Beispiel plötzlich ein Arm (klonischer Anfall) oder verkrampft beziehungsweise versteift sich (tonischer Anfall). Bei manchen Patienten lässt plötzlich die Muskelspannung in einer Körperregion nach (atonischer Anfall), etwa im Bereich der Nackenmuskulatur. Dann sinkt das Kinn abrupt zur Brust, oder der Kopf fällt zur Seite.

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Sensorische Symptome: Ein fokaler Anfall beginnt aber auch manchmal mit sensorischen Symptomen. Das sind Symptome, die Sinneseindrücke betreffen. Viele Patienten verspüren etwa Missempfindungen wie zum Beispiel ein Kribbeln, Brennen, Kälte- oder Wärmegefühl in einem Körperteil. Auch Halluzinationen sind möglich: Der Patient nimmt etwa vermeintliche Geräusche, Stimme, Gerüche oder Geschmäcker wahr. Auch optische Halluzinationen kommen vor. Die Patienten "sehen" dann Lichtblitze oder auch ganze Szenen.

Manchmal geht der fokale Anfall mit Schwindel oder Angstgefühlen einher.

Einfacher oder komplexer fokaler Anfall: Bleibt der Patient während des fokalen Epilepsie-Anfalls bei vollem Bewusstsein, handelt es sich um einen sogenannten einfachen fokalen Anfall. Bei einfachen fokalen Anfällen tritt keine Bewusstseinsstörung auf, häufig kann der Patient die Symptome des Anfalls beschreiben. Dagegen wird ein komplexer fokaler Anfall von einer mehr oder weniger ausgeprägten Bewusstseinsstörung begleitet. Die Betroffenen sind zum Beispiel benommen, wirken abwesend oder verwirrt. Auf Störung von außen reagieren sie oftmals unwillig oder sogar aggressiv. Ansonsten treten im Prinzip die gleichen Symptome auf wie bei einem einfachen fokalen Anfall.

Automatismen: Bei einem komplexen fokalen Anfall zeigen die Patienten typischerweise sogenannte Automatismen. Das sind unbewusste (automatisch ablaufende) und oft rhythmische Bewegungsabläufe wie zum Beispiel:

  • Kaubewegungen
  • Schmatzen
  • Rhythmisches Öffnen und Schließen der Fäuste
  • Scharren mit den Füßen
  • Nesteln oder Zupfen der Kleidung

Solche Automatismen treten zum Teil auch bei einfachen fokalen Anfällen auf. Besonders typisch sind sie aber für komplexe fokale Anfälle. Die Dauer von komplexen fokalen Anfällen erstreckt sich in der Regel über einige Minuten bis zu einer Viertelstunde. Der Patient erinnert sich anschließend an den Anfall selbst nicht mehr (Gedächtnislücke).

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Ein fokaler Anfall kann sich zudem auf beide Gehirnhälften ausbreiten, dann wiederum spricht man von einem sekundär generalisierten Anfall.

Generalisierter Anfall

Bei generalisierten Epilepsie-Anfällen feuern praktisch alle Nervenzellen im Gehirn kurzzeitig synchron: Sie entladen sich exzessiv. Bei primär generalisierten Anfällen werden hingegen sehr früh Nervenzellen des gesamten Gehirns miteinbezogen. Das bedeutet nicht, dass ein generalisierter Anfall zwangsläufig schwerer ausfällt als ein fokaler. Allerdings werden generalisierte Anfälle häufiger von Bewusstlosigkeit begleitet.

Motorische Anfallsformen: Generalisierte Krampfanfälle äußern sich in unterschiedlicher Form. Oft treten motorische Attacken unterschiedlicher Art auf. Dazu zählen zum Beispiel tonische, klonische und atonische Anfälle, wie sie auch bei fokaler Epilepsie möglich sind. Bei der generalisierten Krankheitsform sind sie allerdings ausgedehnter.

  • Verkrampfen und Versteifen: So verkrampfen und versteifen sich etwa bei einem generalisierten tonischen Anfall potenziell alle Gliedmaßen. Das Bewusstsein des Patienten ist dabei oft - aber nicht zwingend - getrübt.
  • Nachlassende Muskelspannung: Bei einem atonischen Anfall lässt plötzlich allgemein die Muskelspannung nach, etwa in den Beinen. Passiert das während des Gehens, knicken womöglich die Beine abrupt ein - der Patient stürzt.
  • Langsam zuckende Gliedmaßen: Bei einem ausgedehnten klonischen Anfall fangen große Muskelgruppen (etwa in Armen oder Beinen) plötzlich an, langsam zu zucken. Während des Anfalls sind die Betroffenen meist bewusstlos.
  • Schnelle Zuckungen: Dagegen kommt es bei einem myoklonischen Anfall zu plötzlichen, schnellen Zuckungen einzelner Muskelgruppen. Der Patient bleibt dabei meist bei Bewusstsein.

Grand-Mal-Anfall: Die bekannteste Anfallsform ist der sogenannte generalisierte tonisch-klonische Krampfanfall ("Grand Mal" = "großer Anfall"). Er verläuft in zwei typischen Phasen:

  1. Tonische Phase: In der tonischen Phase ist der ganze Körper steif, die Arme und Beine sind meist gestreckt. Der Patient befindet sich in tiefer Bewusstlosigkeit. Die Atmung fällt kurzzeitig aus. Gemeinsam mit der erhöhten Muskelspannung führt dies eventuell zu einem Sauerstoffmangel. Das erkennt man an einer leicht bläulichen Verfärbung von Haut und Schleimhäuten (zum Beispiel Lippen). Mediziner nennen dies Zyanose.
  2. Klonische Phase: Nach zehn bis 30 Sekunden folgt die klonische Phase mit unkontrollierten Zuckungen in Armen und Beinen. Das ist die Phase, in der Patienten sich manchmal auf die Zunge beißen. Gelegentlich geht unwillkürlich Harn und (seltener) Stuhl ab. Die klonische Phase dauert im Allgemeinen nur wenige Minuten an.

Nach dem Grand-Mal-Anfall kommen die Patienten wieder zu Bewusstsein, aber nur kurz: Sie fallen bald in einen tiefen Schlaf, aus dem sie sich kaum wecken lassen. Nach dem Aufwachen erinnern sie sich an den epileptischen Anfall selbst nicht mehr, tragen aber meist einen Muskelkater davon.

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Absencen (Petit Mal): Einige Epilepsie-Patienten erleben auch generalisierte Anfälle in ihrer mildesten Ausprägung - als sogenannte Absence. Darunter versteht man eine abrupte, sekundenlange Bewusstseinsstörung: Das Bewusstsein macht gewissermaßen kurz Pause, sodass der Betroffene seiner Umgebung keinerlei Aufmerksamkeit schenkt. Dabei verliert er jedoch nicht das Bewusstsein. Eine Absence wird auch als "Petit Mal" ("kleiner Anfall") bezeichnet.

Mediziner unterscheiden verschiedene Arten von Absencen. Da gibt es zum einen die typischen Absencen: Der Patient hält plötzlich unwillkürlich in seiner Aktivität (essen, gehen, spielen et cetera) inne. Sein Blick wird starr und leer, das Gesicht wirkt ausdruckslos. Nach einigen Sekunden setzt er seine Aktivität wieder fort, als wäre nichts gewesen. Viele Patienten wissen selbst gar nicht, dass sie gerade einen Absence-Anfall hatten.

Eine solche einfache typische Absence geht manchmal mit Begleiterscheinungen einher. Dazu gehören zum Beispiel leichte, beidseitige Muskelzuckungen, etwa im Gesicht oder in den Armen. Manchmal wird aufgrund plötzlicher Muskelanspannung der Kopf nach hinten gezogen und der Blick nach oben gerichtet (Sternguckerzeichen). In solchen Fällen spricht man von komplexer typischer Absence.

Andere Epilepsie-Patienten zeigen eine sogenannte atypische Absence. Die Begleiterscheinungen sind hier noch viel deutlicher als bei einer komplexen typischen Absence. Der Anfall beginnt und endet aber nicht so abrupt. Außerdem treten atypische Absencen eventuell immer häufiger hintereinander auf. Das geht manchmal so weit, dass schließlich ein Absence-Anfall in den nächsten übergeht. Dann sprechen Mediziner vom Absence-Status. Er ist gefährlich und erfordert unbedingt eine Behandlung.

Altersepilepsie

In Deutschland erkranken jährlich 10.000 Menschen an Altersepilepsie. Und doch wird sie so oft übersehen. Anders als bei epileptischen Anfällen ist bei der Altersepilepsie meist nur ein bestimmter Bereich des Gehirns betroffen. Symptome wie kurz auftretende Abwesenheitszustände, Verwirrtheit oder einfach nur Sprachunfähigkeit sind charakteristisch, aber leider nicht sehr spezifisch.

Dr. André Sykora, Chefarzt der Klinik für Neurologie im Helios Klinikum Aue, weiß, wie schwierig es ist, die Altersepilepsie zu erkennen. Denn die Symptome sind nicht spezifisch und werden gerade im höheren Alter oftmals durch andere Erkrankungen, wie beispielsweise Demenz, überdeckt. Das erschwert die Diagnosestellung.

Ursachen von Epilepsie

Ein epileptischer Anfall entsteht dadurch, dass Nerven im Gehirn zu viele Signale abgeben - also übermäßig aktiv sind. Dadurch ist das Zusammenspiel der Nervenzellen gestört. Das kann in jedem Lebensalter passieren und unterschiedliche Ursachen haben - unter anderem eine genetische Vorbelastung oder ein Schlaganfall.

Ursachen für epileptische Anfälle variieren nach je nach Alter der betroffenen Person. Neben akuten Hirnerkrankungen sowie Anlageanomalien können auch Substanzmissbrauch und Substanzentzug zu akut symptomatischen Anfällen führen. Für jedes Alter gilt jedoch, dass bei rund der Hälfte aller betroffenen Patienten die Ursache unbekannt ist.

Es gibt genetische Veränderungen, die dazu führen, dass Nervenzellen im Gehirn grundsätzlich mehr dazu neigen, sich spontan synchron zu entladen. Neben solchen genetischen Ursachen, bei denen eine Epilepsie häufig schon im Kindes- oder Jugendalter auftritt, gibt es viele unterschiedliche erworbene Hirnveränderungen: Nach einem Schlaganfall zum Beispiel oder ausgelöst durch ein Schädelhirntrauma nach einem Unfall. Allerdings wird oft auch keine eindeutige Ursache gefunden.

Epileptische Anfälle treten auch als Zeichen von Entzündungen im Gehirn auf, beispielsweise bei akuten Infektionen mit Viren oder Bakterien (Meningitis, Enzephalitis) oder bei seltenen Autoimmunkrankheiten des Gehirns. Hier ist es wichtig, den Auslöser schnell zu finden und zu behandeln.

Einige Betroffene finden mit der Zeit auch heraus, welche Umstände zu Anfällen führen können, zum Beispiel Flackerlicht, Schlafmangel, Alkoholkonsum oder Fieber.

Diagnose

Etwa 5% der Bevölkerung und nahezu jedes zehnte Kind erleidet im Laufe seines Lebens einen ersten epileptischen Anfall. Ein erster Anfall ist jedoch nicht mit einer Epilepsie gleichbedeutend und lässt auch nicht generell auf die Diagnose Epilepsie schließen. Auch mehrere epileptische Anfälle sind nicht zwangsläufig eine Epilepsie, wenn die Anfälle auf erkennbare Ursachen zurückzuführen sind. Lediglich ein geringer Anteil der Menschen mit einem ersten Anfall entwickelt tatsächlich eine Epilepsie.

Die Rate an Fehldiagnosen eines epileptischen Anfalls oder einer Epilepsie liegt laut Studien zwischen rund fünf und 30 Prozent. Bei leichteren Anfällen, die ohne motorische Symptome auftreten, werden epileptische Anfälle häufig nicht diagnostiziert. Auch schlafbezogene Bewegungs- und Verhaltensstörungen, Ticks oder Panikattacken werden mit epileptischen Anfällen verwechselt.

Tritt ein Anfall zum ersten Mal auf, sollte umgehend medizinisch überprüft werden, ob es sich tatsächlich um einen epileptischen Anfall gehandelt hat. Voraussetzung für eine sichere Diagnose ist eine möglichst genaue Beschreibung des Anfalls auch durch Augenzeugen. Wichtige Fragen dabei sind zum Beispiel: Was ging dem Anfall voraus? Wie sah der Sturz aus, wenn es einen gab? Waren die Augen geöffnet oder geschlossen? Auf welcher Körperseite begannen die Verkrampfungen? In welche Richtung war der Kopf gedreht?

Epilepsietypische Auffälligkeiten können sich im Elektroenzephalogramm (EEG) oder Kernspintomogramm (MRT) bereits nach einem erstmalig auftretenden epileptischen Anfall zeigen.

Ein erster epileptischer Anfall sollte ärztlich abgeklärt werden, um eine genaue Beurteilung des Verlaufs und der Anfallsart sicherzustellen. Dies dient dazu festzustellen:

  • ob eine Ursache zugrunde liegt, die eine akute Behandlung erforderlich macht
  • ob der Anfall durch bestimmte Umstände (bspw.

Therapie

Es kann sein, dass die Anfälle „von alleine“ verschwinden. Ansonsten gibt es vor allem drei Behandlungsmöglichkeiten:

  1. Medikamente
  2. Neurostimulation, also Nerven-Stimulation mit niedrigen Stromstärken
  3. Chirurgischer Eingriff (unter bestimmten Bedingungen)

Zu den wichtigsten Therapiemöglichkeiten zählen bestimmte Medikamente: Täglich eingenommene Antiepileptika sorgen dafür, dass die Nervenzellen gehemmt und dadurch beruhigt werden. Bei knapp 70 Prozent der Patienten helfen solche Medikamente gut. Dabei reicht häufig bereits ein einzelnes Medikament aus, manchmal wirkt nur eine Kombination von zwei oder mehr Medikamenten. Mittlerweile gibt es rund 30 verschiedene Medikamente gegen Epilepsie. Moderne Wirkstoffe haben oft weniger Nebenwirkungen.

„Die Altersepilepsie ist unter Berücksichtigung altersbedingter Besonderheiten mit modernen Antiepileptika gut behandelbar“, so der Arzt Dr. Sykora. „Nur die Einstellung auf ein bestimmtes Medikament ist manchmal etwas schwieriger als bei jungen Patienten. Uns stehen mehr als 20 verschiedene Präparate zur Verfügung. Die Medikamente beeinflussen den Gehirnstoffwechsel, haben aber kaum Nebenwirkungen und werden daher von den meisten Patient:innen sehr gut vertragen."

Für Patienten, bei denen die Antiepileptika nicht ausreichend wirken, kommen weitere Therapiemöglichkeiten in Betracht. Bei einer Vagusnervstimulation wird ein Schrittmacher - ähnlich einem Herzschrittmacher - unter die Haut im Brustbereich implantiert. Das Gerät erzeugt elektrische Impulse, die vom Vagusnerv am Hals ins Gehirn geleitet werden. Ebenfalls auf Basis einer Elektrostimulation arbeitet ein neueres Verfahren, bei dem eine dünne Silikonscheibe mit Platinkontakten unter die Kopfhaut geschoben wird. Auch bei diesem Verfahren gehen die elektrischen Impulse von einem Schrittmacher aus, der im Brustbereich unter die Haut gesetzt wird. Durch diese Therapie soll eine tiefgehende und fokussierte Stimulierung des Gehirns möglich sein, ohne das Gehirn selbst zu berühren.

Operative Verfahren kommen nur in Frage, wenn sicher festgestellt wird, von welcher Stelle im Gehirn die Anfälle genau ausgehen, also bei fokalen Epilepsien. Dann müssen weitere Untersuchungen in einem Neurochirurgischen Zentrum zeigen, ob die Entfernung des Focus ohne größere Gefahr möglich ist, oder ob der Eingriff zu Lähmungen, Sprachstörungen oder anderen Ausfällen führen würde.

Therapie bei Kindern

Bei vielen Kindern und Jugendlichen lässt sich eine Epilepsie gut behandeln. Manchmal legt sich die Erkrankung nach einigen Jahren ganz, dann treten keine Anfälle mehr auf. Es gibt aber auch Epilepsien, die ein Leben lang bleiben und kaum auf Medikamente ansprechen.

Etwa 60 % aller Kinder werden durch die Behandlung mit dem ersten Medikament anfallsfrei. Bei etwa 10 % gelingt dies erst nach dem Wechsel auf ein anderes Medikament. Etwa 30 % aller Kinder haben trotz Medikamentenbehandlung weiter epileptische Anfälle.

Wenn ein Kind zum ersten Mal einen Anfall hat, werden oft noch keine Medikamente verschrieben, weil es häufig bei einem oder wenigen Anfällen bleibt. Erst wenn sich Anfälle häufen, sind Medikamente sinnvoll. Manchmal müssen verschiedene Präparate ausprobiert werden, bis eins davon wirkt. Je mehr Medikamente ausprobiert werden müssen, desto geringer wird aber die Wahrscheinlichkeit, dass eine wirksame Behandlung möglich ist. Es können auch zwei oder mehr Medikamente kombiniert werden. Ob dies Vorteile hat, ist aber unklar.

Wenn ein Kind anfallsfrei ist, wartet man noch eine gewisse Zeit (zum Beispiel zwei Jahre), bis die Medikamente abgesetzt werden. Ob und wann sie abgesetzt werden können, hängt von der Ursache und der Epilepsieform ab.

Die meisten Epilepsiemedikamente für Erwachsene werden auch bei Kindern eingesetzt. Einige davon sind für Kinder zugelassen, andere nicht. Wird auf letztere zurückgegriffen, können sie nur im Rahmen eines Off-Label-Use verschrieben werden - das heißt, außerhalb der eigentlichen Zulassung.

Bei schwer behandelbaren Epilepsien empfehlen Ärztinnen und Ärzte manchmal eine bestimmte Ernährungsform - die ketogene Diät. Dabei werden nur wenig Kohlenhydrate und stattdessen vor allem Fette aufgenommen. Diese Diät hat zur Folge, dass sich der Stoffwechsel umstellt: Um Energie zu gewinnen, wird Fett statt Zucker abgebaut. Der erhöhte Gehalt an Fettsäuren im Blut soll wiederum die Signalübertragung der Nervenzellen im Gehirn beeinflussen und zu weniger Anfällen führen.

Eine Operation kommt infrage, wenn sich eine belastende Epilepsie nicht gut mit Medikamenten behandeln lässt. Sie ist nur möglich, wenn die Anfälle von einer ganz bestimmten Stelle im Gehirn ausgehen (fokale Epilepsie). Anfälle, die das gesamte Gehirn erfassen (generalisierte Epilepsie), können nicht operativ behandelt werden.

Um zu klären, ob ein Eingriff infrage kommt, sind umfangreiche Untersuchungen notwendig. Dazu gehören eine Magnetresonanztomografie (MRT), Videoaufzeichnungen mit Messungen der Hirnaktivität (EEG) und die Testung der emotionalen und geistigen Entwicklung (neuropsychologische Untersuchung). Die Untersuchungen dienen auch dazu, den Hirnbereich zu finden, von dem die Anfälle ausgehen.

Es sind verschiedene Operationsverfahren möglich. Dabei wird häufig das Hirngewebe in dem Bereich entfernt, in dem der epileptische Anfall entsteht. Es ist auch möglich, diesen Bereich stillzulegen, indem Nervenfasern durchtrennt werden.

Zudem gibt es die Vagusnerv-Stimulation. Dabei wird eine Elektrode links am Hals eingepflanzt und mit einem kleinen Gerät verbunden, das im Brustbereich unter der Haut eingesetzt wird. Das Gerät sendet über die Elektrode elektrische Impulse an den Vagusnerv und weiter ans Gehirn. Diese Impulse sollen bestimmte Gehirnaktivitäten hemmen und dadurch Anfällen vorbeugen.

Ziele der Behandlung

Das Ziel der Epilepsie-Behandlung ist die Anfallsfreiheit. In der Regel müssen dafür dauerhaft Medikamente eingenommen werden. Ob ein Absetzen nach mehreren anfallsfreien Jahren sinnvoll sein kann, muss individuell abgewogen werden. Man spricht bei Epilepsie nicht von einer "Heilung" sondern davon, dass die Krankheit überwunden ist. Das ist dann der Fall, wenn man länger als zehn Jahre keinen epileptischen Anfall mehr hatte und seit über fünf Jahren kein Antiepileptikum mehr eingenommen hat.

Leben mit Epilepsie

Menschen mit Epilepsie können meist nicht vorhersagen, ob und wann sie einen epileptischen Anfall bekommen. Und genau das macht ihn gefährlich: Gerade bei einem großen Anfall - der Fachbegriff heißt "bilateral tonisch-klonischer" Anfall - kann es durch Bewusstlosigkeit zu Stürzen und damit verbunden zu Verletzungen kommen. Aber auch die häufigeren kleineren Anfälle können Betroffene körperlich und psychisch belasten. Hinzu kommen Vorurteile und Stigmata, die den Alltag für Menschen mit Epilepsie zusätzlich erschweren. So ist im Verlauf der Erkrankung das Risiko für eine Depression erhöht. Insgesamt haben Menschen mit Epilepsie ein erhöhtes Sterberisiko. Plötzliche unerwartete Todesfälle (SUDEP, engl. Sudden unexpected death in epilepsy) kommen auch in eigentlich weniger gefährlichen Situationen vor, zum Beispiel nachts im Bett.

Menschen mit Epilepsie dürfen nicht selbst Auto fahren, wenn sie in den vergangenen zwölf Monaten einen Anfall hatten. In diesem Fall sollte man zum Beispiel nicht alleine schwimmen gehen. Denn wenn ein epileptischer Anfall im Wasser auftritt und nicht sofort ein Rettungsschwimmer zur Stelle ist, kann das tödlich enden: So ist auch die Haupttodesursache von Menschen mit Epilepsie ein Tod durch Ertrinken. Ebenfalls vorsichtig sein sollten Betroffene beim Baden in einer Badewanne sein - auch hier kann es zum Ertrinken kommen.

Individuelle Aufklärung und Beratung von Betroffenen und ihren Angehörigen sind wichtig, um das Risiko für einen SUDEP zu verringern.

Erste Hilfe bei einem Anfall

Im Vordergrund steht, dass sich der Betroffene während eines Anfalls nicht verletzt. Wenn er oder sie bereits auf dem Boden liegt, zucken häufig Arme und Beine oder sie wirken versteift. Auch der Kopf kann zucken und dabei immer wieder auf den Boden aufschlagen. Manchmal kommt es zu einem Zungenbiss, dennoch sollte man niemals versuchen, während des Anfalls etwas in den Mund zu schieben. Der Blutverlust beim Zungenbiss ist sehr gering, durch die Verdünnung mit Speichel wirkt es mehr, als es ist. Daher gilt: Ruhe bewahren. Der Anfall selbst ist meist nach ungefähr einer Minute vorbei. Um die Zeit sicher zu messen, lohnt ein Blick auf die Uhr.

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