Schmerzen am Wadenbein können vielfältige Ursachen haben, von harmlosen Prellungen bis hin zu komplexen Nervenkompressionen. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Ursachen für einen eingeklemmten Nerv am Wadenbeinköpfchen und stellt verschiedene Behandlungsansätze vor.
Das Wadenbein und seine Bedeutung
Das Wadenbein (Fibula) ist ein schlanker Knochen, der parallel zum Schienbein (Tibia) verläuft und einen wesentlichen Bestandteil des Unterschenkels bildet. Es steht kniegelenksnah mit dem Schienbein in gelenkiger Verbindung, der sogenannten "Articulatio tibiofibularis". Der artikulierende Knochenteil des Wadenbeins nennt sich Wadenbeinköpfchen. Am anderen Ende bildet das Wadenbein den Außenknöchel und trägt auf der Außenseite zur Bildung des oberen Sprunggelenkes mit bei. Obwohl das Schienbein den Großteil der Last im Unterschenkel trägt, ist das Wadenbein unersetzlich für die Stabilisierung des Unterschenkels und die Funktion des Sprunggelenks.
Ursachen für Schmerzen am Wadenbein
Schmerzen am Wadenbein können verschiedene Ursachen haben, wobei oft nicht der Knochen selbst, sondern angrenzende Strukturen wie Muskeln, Sehnen und Bänder betroffen sind. Hier eine Übersicht möglicher Auslöser:
- Muskuläre Probleme: Muskeln, die am Wadenbein ihren Ursprung haben, können sich durch das Tragen von hohen Schuhen oder Fußfehlhaltungen verkürzen oder durch Über- oder Fehlbelastung Schmerzen auslösen. Auch muskuläre Verspannungen, Krämpfe und Zerrungen in den Waden können Beschwerden verursachen.
- Prellung (Contusio): Eine Prellung des Wadenbeins kann mit einer starken Ergussbildung einhergehen, die als raumfordernder Prozess Schmerzen auslösen kann.
- Blockade des Wadenbeinköpfchens: Starke Belastung oder Fehlhaltungen bzw. Fehlstellungen der Füße oder des Kniegelenkes können zu einer Blockade des Wadenbeinköpfchens führen. Typischerweise treten die Schmerzen dann an der Außenseite von Knie und Wadenbein auf. Vielmehr handelt es sich jedoch um eine Luxation, also Ausrenkung des Wadenbeinköpfchens aus der Gelenkführung. In der medizinischen Fachsprache, insbesondere in der Chirotherapie, die sich mit solchen Beschwerden befasst, spricht man von einer Blockade des Wadenbeinköpfchens.
- Knochenbruch (Fraktur): Ein Wadenbeinbruch kann durch äußere Gewalteinwirkung (z.B. beim Fußballspielen oder durch Stürze) entstehen oder sich als Ermüdungsbruch nach enormer Überbelastung manifestieren. Es können isolierte Wadenbeinbrüche oder kombinierte Waden- und Schienbeinbrüche auftreten.
- Nervenkompression (Nervus peroneus communis): Der Nervus fibularis communis, auch Nervus peroneus communis genannt, verläuft in der Kniekehle um den Hals des Wadenbeins und ist aufgrund seines anatomischen Verlaufes anfällig für Reizungen und Kompressionen. Eine Kompression kann durch äußere Einwirkung, aber auch durch andere Faktoren ausgelöst werden.
Der Nervus peroneus communis und seine Bedeutung
Der Nervus peroneus communis (gemeinsamer Wadenbeinnerv) ist einer der beiden Äste des Ischiasnervs (Nervus ischiadicus). Er versorgt sensorisch das Kniegelenk, die äußere Haut der Wade und den Fußrücken. Da der Nerv am Hals des Wadenbeins direkt unter der Hautoberfläche verläuft, ist er an dieser Stelle besonders anfällig für Läsionen, die beispielsweise durch Druck von außen entstehen können. Auch eine Reizung oder Einklemmung des Ischiasnervs wirkt sich auf die Versorgungsgebiete des aus ihm entstehenden Nervus peroneus communis aus.
Peroneuslähmung: Wenn der Nerv geschädigt ist
Eine Peroneuslähmung ist eine Folge einer Schädigung des Nervus peroneus communis. Diese Schädigung kann verschiedene Ursachen haben, wie z.B.:
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- Druckverletzungen: Da der Wadenbeinnerv in der Kniekehle um den Hals des Wadenbeinknochens (Collum fibulae) relativ oberflächlich verläuft, kommt es vor allem hier häufig zu Druckverletzungen, hervorgerufen z.B. durch einen zu engen Gips oder Lagerungsschäden im Rahmen einer Operation oder bei langer Bettlägerigkeit. Auch häufiges Übereinanderschlagen der Beine, besonders bei schlanken Personen, langes Knien oder Hocken, unangemessene Lagerung in Narkose oder schlecht gepolsterte Gipsverbände können Druck auf den Nerv ausüben.
- Verletzungen und Operationen: Verletzungen im Kniebereich oder Operationen können den Nervus peroneus schädigen.
- Weitere Ursachen: Tumoren des Nervus peroneus oder anderer peripherer Nerven, starke Gewichtsreduktion (z. B. nach Magen-Bypass-Operation) oder Erkrankungen der Knochen oder Weichteile (z. B. Ganglion) können ebenfalls zu einer Peroneuslähmung führen.
Symptome einer Peroneuslähmung
Durch die Schädigung des Nervus peroneus kann es zu folgenden Symptomen kommen:
- Muskelschwäche: Die Streckung und Einwärtsdrehung des Fußes sowie die Zehenstreckung können eingeschränkt sein. Dies führt oft zu einem "Steppergang" oder "Hahnentritt", bei dem der Fuß beim Gehen extrem weit angehoben werden muss, damit die Zehen nicht den Boden berühren. Das Anheben der Zehenspitzen in den Zehengelenken ist behindert.
- Sensibilitätsstörungen: Taubheitsgefühle oder Missempfindungen im Bereich der Unterschenkelaußenseite und am Fußrücken können auftreten.
- Schmerzen: Schmerzen können vom seitlichen Knie bis zum Fuß- und Zehenrücken reichen.
Diagnose von Schmerzen am Wadenbein und Peroneuslähmung
Die Diagnose beginnt in der Regel mit einem ausführlichen Patientengespräch, in dem der Arzt nach der Art der Schmerzen, möglichen Auslösern (z.B. Sturz, Belastung) und Begleitsymptomen fragt. Anschließend erfolgt eine körperliche Untersuchung, bei der das Wadenbein abgetastet wird, um Druckschmerzhaftigkeit oder Stufenbildungen zu erkennen. Außerdem werden die Beweglichkeit des Fußes und die Sensibilität der Haut überprüft.
Zur weiteren Abklärung können folgende Untersuchungen durchgeführt werden:
- Röntgenaufnahme: Bei Verdacht auf einen Knochenbruch ist eine Röntgenaufnahme notwendig, um die knöcherne Struktur zu beurteilen.
- MR-Neurographie: Diese spezielle Form der Magnetresonanztomographie kann den Nervus peroneus darstellen und Schädigungen, wie z.B. Druckläsionen oder Tumoren, sichtbar machen.
- Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (Neurografie, ENG): Diese Untersuchung misst, wie schnell Nervenimpulse weitergeleitet werden. Bei einer Schädigung des Nervus peroneus ist die Nervenleitgeschwindigkeit oft herabgesetzt.
- Messung der Muskelaktivität (Elektromyografie, EMG): Diese Untersuchung misst die elektrische Aktivität der Muskeln. Bei einer Peroneuslähmung kann die Muskelaktivität verändert sein.
- Ultraschalluntersuchung (hochauflösende Nervensonografie): Hiermit kann der Nerv dargestellt und auf Veränderungen untersucht werden.
Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlung von Schmerzen am Wadenbein und einer Peroneuslähmung richtet sich nach der Ursache der Beschwerden.
Konservative Behandlung
- Schmerzmedikation: Schmerzmedikamente können helfen, die Schmerzen zu lindern.
- Physiotherapie: Physiotherapie ist ein wichtiger Bestandteil der Behandlung. Sie umfasst manuelle Therapie, um das Sprung- und die Fußgelenke beweglich zu halten, sowie aktive Übungen zur Kräftigung und Stabilisierung der betroffenen Muskulatur.
- Peroneus-Schiene (Orthese): Eine Peroneus-Schiene kann bei einer Fußheberschwäche helfen, den Fuß anzuheben und ein Stolpern zu verhindern.
- Elektrotherapie: Elektrotherapie kann zur Stärkung der nicht betroffenen Begleitmuskeln eingesetzt werden.
- Chirotherapie: Eine Blockade des Wadenbeinköpfchens kann durch einen Chirotherapeuten behandelt werden. Im Rahmen einer Mobilisierung wird durch einen Chirotherapeuten Druck in die entgegengesetzte Richtung zur Blockade des Wadenbeinköpfchens ausgeübt.
Operative Behandlung
- Druckentlastung des Nervs (Dekompression): Bei anhaltenden oder zunehmenden Beschwerden, andauernden Schmerzen und einer fehlenden Besserung einer Druckläsion kann der Nerv operativ druckentlastet werden.
- Nervennaht: Falls der Nerv durchtrennt wurde, kann eine Operation durchgeführt und die Nervenstümpfe aneinandergenäht werden.
- Sehnenversetzung (Musculus-tibialis-posterior-Transfer): Wenn dauerhaft keine Besserung eintritt, kann eine Sehnenversetzung in Erwägung gezogen werden, um die Fußhebung wiederherzustellen.
- Osteosynthese: Ein Wadenbeinbruch wird je nach Lokalisation und Schweregrad therapiert. Mithilfe verschiedener Osteosynthesen, also Fremdmaterial wie Schrauben oder Platten, die die Knochenteile wieder miteinander verbinden und fixieren, kann die anatomische Form und damit eine Stabilität des einst gebrochenen Wadenbeins wiederhergestellt werden.
Weitere Maßnahmen
- Trainingspausen: Bei Überbelastung sind regelmäßige Trainingspausen wichtig.
- Entspannungstechniken: Bei Verspannungen können Entspannungstechniken helfen.
- Behandlung von Grunderkrankungen: Eine Mitbehandlung aller kausalen Erkrankungen oder Auslöser ist sinnvoll.
Prognose
Die Prognose bei Schmerzen am Wadenbein und einer Peroneuslähmung hängt von der Ursache und dem Schweregrad der Erkrankung ab. Eine vorübergehende Druckschädigung heilt meist von allein vollständig ab. Beschädigte Nervenzellen können, solange sie noch einen Zellkern besitzen, neue Zellfortsätze (Axone) bilden. Dieser Prozess kann aber bis zu 6 Monate dauern. Die Heilungsdauer eines Wadenbeinbruches ist sehr viel länger.
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