Walter Sedlmayr: Der bestialische Mord, der ein Doppelleben enthüllte

Der Mord an Walter Sedlmayr im Juli 1990 schockierte die Menschen weit über Bayern hinaus. Der Fall entwickelte sich zu einem der aufsehenerregendsten Kriminalfälle in der Geschichte der Bundesrepublik, der lang gehütete Geheimnisse ans Licht brachte.

Walter Sedlmayr: Ein bayerisches Original

Walter Sedlmayr war ganz so, wie man sich den typischen Bayern vorstellt - ein bisschen füllig, heimatverbunden, grantelig und charmant zugleich. Er wurde am 6. Januar 1926 in München als Sohn eines Kaufmanns geboren. Nach dem Notabitur 1945 startete er seine Karriere an Münchener Theatern.

In vielen Rollen verkörperte er zumeist einen braven, typisch bayerischen Bürger. Richtig populär machte ihn die Serie „Polizeiinspektion 1“ (1977 bis 1988), in der er als Kommissar Franz Schöninger auf Ganovenjagd ging. Er war der Bruder Barnabas, der den Großkopferten beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg scharfsinnig und spitzzüngig die Leviten las. Oder das glücklose Familienoberhaupt Josef Hartinger in der Fernsehserie „Der Millionenbauer“ (ab 1979).

Sedlmayr war aber nicht nur Schauspieler, sondern auch ein begeisterter Amateurdetektiv, der im Justizpalast München arbeitete und sich ein gewisses juristisches Fachwissen aneignen konnte. Er besuchte verschiedene Länder, wie Ägypten, Israel, Südafrika, Irland und Kenia. In den 80er Jahren war Sedlmayr ein gefeierter Star - und ein gemachter Mann obendrein. Durch Film- und Werbeeinnahmen, Erbschaften und Geschäfte mit Antiquitäten und Immobilien häufte er ein Millionenvermögen an. Er eröffnete im Februar 1989 sogar ein Wirtshaus - „Beim Sedlmayr“ in München, dessen Leitung er seinem Ziehsohn übertrug.

Der Fundort und die ersten Ermittlungen

Am Morgen des 15. Juli 1990 fand sein Privatsekretär den damals 64-Jährigen in seinen Bett: Er war gefesselt und mit Messerstichen in Hals und Nieren gefoltert worden. Letztendlich ist er von Hammerschlägen gegen den Kopf gestorben. Die Nachricht vom Mord schockte die Menschen weit über Bayern hinaus.

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Am Tatort entdeckten Polizisten Gegenstände wie eine Lederpeitsche und Kondome. Es kam ans Licht, dass Sedlmayr regelmäßig mit männlichen Prostituierten verkehrte. Die Ermittler tappten lange im Dunkeln, obwohl sie V-Männer einsetzten und mehr als 50 Personen in der Rotlichtszene befragten.

Walter Sedlmayr: Ein geheimes Doppelleben

Mehr noch schien die Öffentlichkeit aber geschockt, als herauskam, dass der Münchner homosexuell gewesen war. Tragisch: Das hatte er bis dahin geheim gehalten. Erst ab 1994 war Homosexualität in Deutschland nicht mehr strafbar, als der Paragraf 175 des Strafgesetzbuchs abgeschafft wurde. In den 1980er- und 1990er-Jahren war Schwul- und Lesbisch-Sein stigmatisiert. Ein Coming-out hätte Sedlmayrs Image stark erschüttert.

Es war wohl Sedlmayrs schwierigste Rolle, seine Vorliebe für Männer über Jahrzehnte zu verbergen. Nur wenige trauten sich im damals noch herrschenden Klima der Intoleranz, sich zu outen. Sedlmayr gehörte nicht dazu.

Verdächtigungen und falsche Spuren

Zunächst geriet der Privatsekretär in Verdacht, der noch am Tatort ein Testament Sedlmayrs zu seinen Gunsten gefälscht hat. Er wurde später wegen Urkundenfälschung verurteilt.

Gezielt versuchten damals die Täter, falsche Spuren ins Milieu zu legen. Sie deponierten sogar eine Peitsche an Sedlmayrs Bett. Nur einer versuchte bei den Befragungen durch die Mordkommission immer wieder, den Verdacht in diese Richtung zu lenken: Sedlmayrs Ziehsohn, ein Gastronom, Ende 30. Er wurde bald zum Hauptverdächtigen.

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Der Ziehsohn als Hauptverdächtiger

Unter Verdacht geriet aber Walter Sedlmayrs Ziehsohn und ein Verwandter. Seinem Ziehsohn hatte er die Leitung seiner Münchner Wirtschaft „Beim Sedlmayr“ überlassen, die Walter 1989 eröffnete. Doch dann zerstritten sich die beiden. Zwei Monate später war Walter Sedlmayr tot.

Es stellte sich heraus, dass im Alibi des Ziehsohns eine Lücke von fast einer Stunde klaffte. Ein Hochzeitsvideo aus der Gaststätte bewies zweifelsfrei, dass er das Fest viel früher verlassen hatte, als er behauptete. Auch beim Alibi seines Verwandten stießen die Ermittler auf Widersprüche. Als die Tatwaffe, ein Schmiedehammer, den Verdächtigen zugeordnet werden konnte, saßen sie endgültig in der Falle. Motiv: Sedlmayr wollte seinen Ziehsohn nach einem Streit enterben.

Der Indizienprozess und die Verurteilung

Am 21. Mai 1993 wurden die beiden Männer in einem Indizienprozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Verlobte eines der Täter hatte einem V-Mann erzählt, dass die Waffe aus ihrem Haushalt stammte. W. soll die Tat zudem Mithäftlingen gestanden haben. Sowohl die Frau als auch die Gefängnisinsassen widerrufen ihre Aussagen später.

Das Gericht stellte bei W. eine besondere Schwere der Schuld fest, er gilt als der Haupttäter. Das Motiv laut Urteil: Habgier und verletztes Vertrauen. Beide Männer bestreiten die Tat.

Die Freilassung und offene Fragen

W. wurde 2007 und sein Halbbruder 2008 auf Bewährung aus der Haft entlassen. Beide beteuern bis heute ihre Unschuld.

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Bis heute bleibt der Fall rätselhaft, und einige Fragen sind offen. Die extreme Gewalt des Mordes spricht dafür, dass die Täter von Hass und starken Emotionen getrieben wurden. Das führt zu Spekulationen, dass W. und der Schauspieler eine intime Beziehung gehabt haben könnten. Doch Beweise dafür gibt es nicht.

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